Saqifa

Bild: Umschlag eines englischsprachigen Buches zum Thema Saqifa

Saqifa, Sakifa

Aussprache: saqifa
arabisch:
persisch:
englisch: Saqifah

13.3.11 n.d.H.
8.6.632 n.Chr.

Saqifa Numani bzw. Saqifa Bani Saad, oder im Deutschen oft auch als Sakifa bekannt, ist ein Ort in Medina, der für einen der traurigsten Kapitel der islamischen Geschichte steht. An dem Ort versammelten sich unmittelbar nach dem Ableben des Prophet Muhammad (s.) ein Anzahl seiner Gefährten und stritten sich um die Nachfolge.

Prophet Muhammad (s.) hatte kurz vor seinem Ableben fast allen namhaften Gefährten bis auf Imam Ali (a.) befohlen unter dem Kommando von Usama ibn Zaid zu einem Feldzug auszurücken und Medina zu verlassen. Weder Umar ibn Chatab noch Abu Bakr noch irgend ein anderer in Saqifa anwesender Gefährte hatte diese Anordnung befolgt.

Beim Ableben des Propheten Muhammad (s.) was Abu Bakr dennoch nicht anwesend sondern an einem Ort namens Sukh. Umar ibn Chatab stellte sich hingegen vor die Tür des Hauses des Prophet Muhammad (s.), schwang sein Schwert und drohte jedem an, der behaupte, dass Prophet Muhammad (s.) gestorben sei, ihn zu töten. Damit verhindert er auch, dass irgendjemand zu Imam Ali (a.) gelangen konnte, um ihm den Treueid zu schwören. Imam Ali (a.) befand sich im Haus und führte die rituelle Vollkörperreinigung des Verstorbenen durch, die bei allen Propheten aller Zeiten jeweils von ihren Nachfolgern durchgeführt wurden. Dieses Ereignis wird von Sunniten auf die besondere Trauer zurückgeführt, die Umar empfand und trotzt Offensichtlichkeit, es nicht akzeptieren wollte. Schiiten hingegen akzeptieren das Argument nicht, da Umar erst wenige Jahre zuvor zu denen gehörte, die bei der Schlacht von Uhuddas Ableben des Propheten Muhammad (s.) behaupteten, obwohl er noch am Leben war.

Als Abu Bakr vom Ableben hörte ritt er eilends nach Medina. Er erreichte das Haus des Propheten (s.) und bestätigte sein Ableben. Zusammen mit Umar ibn Chatab und Abu Ubaida ibn Dscharra eilte er nach Saqifa, wo sich einige Auswanderer und Helfer versammelt hatten und um die Nachfolge stritten, wobei jede Gruppe die Nachfolge selbst erhalten wollte.

Die Helfer hatten Sad ibn Ubaida als Nachfolger nominiert. Die Auswanderer hatte keine prominenten Vertreter in der Versammlung bis Abu Bakr und Umar ibn Chatab zusammen mit Abu Ubaida ibn Dscharra den Versammlungsort erreichten. Als diese ankamen argumentierten die Helfer, dass sie den Fortbestand des Islam erst ermöglicht hätten und daher das Anrecht auf die Nachfolge hätten. Daraufhin hielt Umar ibn Chatab eine flammende Rede über die Vorzüge der Auswanderer und pries insbesondere die Quraisch im Allgemeinen und die mit ihm eingetretenen Abu Bakr und Abu Ubaida ibn Dscharra im besonderen. Daraufhin schlug er vor, einen der beiden als Nachfolger anzunehmen.

Abu Bakr unterstützte Umar mit dem Argument, dass ei als Verwandte des Propheten Muhammad (s.) eher das recht auf die Nachfolge hätten, wobei er Umar oder Abu Ubaida ibn Dscharra als Nachfolger vorschlug.

Daraufhin soll Abu Ubaida ibn Dscharra argumentiert haben, dass Abu Bakr als Gefährte bei der Auswanderung den Vorzug hätte. Er legte seine Hand auf diejenige Abu Bakrs und schwor ihm den Treueid. Umar tat es ihm gleich. Die anderen anwesenden Auswanderer folgten. Nun forderte zunächst Abu Ubaida und dann Abdurrahman ibn Auf die Helfer auf, es ihnen gleich zu tun. Allerdings gab es unter den Helfern widerstand, einerseits, weil sie selbst die Macht nicht erhielten und andererseits, weil sie mit den nominierten nicht einverstanden waren.

Als Antwort drauf stand Mundhir ibn al-Aqram auf und sagte, dass es keinen Widerspruch gäbe, wenn eine bestimmte Person nominiert werden würde und deutete auf den abwesenden Imam Ali (a.), der die Beisetzung des Propheten Muhammad (s.) vorbereitete. Hubab schlug darauf vor, dass es zwei Kalifen gäbe sollte, einen von den Auswanderern und eine von den Helfern. Doch der Vorschlag wurde von Umar sofort zurückgewiesen.

Umar stand erneut auf beschwor seinen Treueid und fragte die Anwesenden: "Wer will Abu Bakr ablehnen, wo ihn doch der Prophet bevorzugt hat"; ein Argument, dass später von den Umayyaden nachtäglich ausgeschmückt wurde. Obwohl gemäß sunnitischer Lehre der Prophet verstorben ist, ohne einen Nachfolger direkt oder indirekt bestimmt zu haben, wird es hier als Argument von Umar hervorgehoben und die Ereignisse von Ghadir Chum ignoriert.

Tabari und viele andere Berichten, dass die Helfer in dieser Lage darauf bestanden, niemandem anderen den Treueid zu schören außer Imam Ali (a.). Der war aber genau so wenig anwesend wie andere bekannte Persönlichkeiten wie Talha ibn Ubaidullah, Zubair ibn Awwam so dass eine repräsentative Zusammensetzung gar nicht vorhanden war. Nach den meisten Geschichtsschreibern waren von den Auswanderern ausschließlich Umar ibn Chatab , Abu Bakr und Abu Ubaida ibn Dscharra anwesend, was viele vereinfachende Darstellungen als "die Auswanderer" zusammenfassen. Diese drei besaßen allerdings keinerlei Mandat, die Auswanderer zu repräsentieren und standen allesamt noch unter dem Befehl von Usama ibn Zaid, wenn sie dem Befehl des Propheten Muhammad (s.) Folge geleistet hätten. Später wurde argumentiert, dass dieser Befehl des Propheten Muhammad (s.) mit seinem Ableben ungültig wurde.

Obwohl Prophet Muhammad (s.) bei der Verbrüderung die Auswanderer und die Helfer verbrüdert hatte und dabei Imam Ali (a.) eine Sonderrolle zuwies, argumentierten beide Gruppen in Saqifa mit reinen Stammesmachtansprüchen. Nie zuvor gab es einen bekannten Fall, in dem die Anhänger eines Propheten über die Nachfolge stritten, noch bevor der Prophet begraben war und einer der Mitstreiter war zudem einer derjenigen, der für das Ausheben der Gräber zuständig war: Abu Ubaida ibn Dscharra, so dass Abdullah ibn Abbas, der für das Grab zuständig war, andere Personen engagieren musste.

Für das Begräbnis selbst waren Imam Ali (a.), Abbas ibn Abd-ul-Mutallib, Fadhl ibn Abbas, Qutham ibn Abbas und Schuqran in das Grab gestiegen; alles Personen, die in Saqifa nicht anwesend waren. Bei der gesamten Bestattungszeremonie, die parallel zu den Ereignissen in Saqifa erfolgten, waren hingegen die nächsten beiden Kalifen nicht anwesend.

Es bleibt unklar, wie es letztendlich dazu kam, dass auch die Helfer nicht weiter gegen das Kalifat Abu Bakrs protestierten.

Die Ereignisse galten allerdings als derart dramatisch und warfen ein derart tragisches Bild auf manche Gefährten, dass Jahrhunderte später der Gelehrte Ghazzali mit einem religiösen Rechtsurteil [fatwa] jegliche Diskussion über Saqifa und die Ereignisse für verboten [haram] erklärte. Das wiederum führte dazu, dass der Begriff Saqifa Jahrhunderte lang in späteren sunnitischen Geschichtswerken nicht auftauchte.

In Saqifa wurde der Grundstein gelegt für einen von Menschen bestimmte Herrschaft und die offene politische Spaltung zwischen den Anhängern Imam Alis (a.), die Schiiten genannt werden, und deren Gegnern. Das aber waren zu jener Zeit nicht die Sunniten, wie manche Schreiber fälschlicherweise bemerken, denn die sind erst ein Jahrhundert später entstanden. Manche Geschichtsschreiber gaben denjenigen, die in Saqifa anwesend waren die Bezeichnung "Saqifiten" [saqifiyya].

Der in Saqifa von andern nominierte Abu Bakr bestimmte seinen Nachfolger selbst.