Hagia Sophia
Hagia Sophia

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Bild: Ansicht von 1965

Die Hagia Sophia (aus dem Griechischen Αγια Σοφια - türkisch: Aya Sofya "heilige Weisheit") oder Sophienkirche, ist heute größtenteils ein Museum: Ayasofya Camii Müzesi.

Die große Kathedrale wurde im byzantinischen Konstantinopel (heute Istanbul) gebaut und war die Hauptkirche des byzantinischen Reiches. Nach der Eroberung der Stadt durch die Osmanen wurde sie umgebaut und zunächst zur Hauptmoschee erklärt. Dieser Umbau ist aus einer religiös-islamischen Betrachtung heraus nicht unproblematisch zumal ein Ritualgebet auf dem Grundstück eines Besitzers, der nicht damit einverstanden ist, dass  auf seinem Grundstück gebetet wird, ungültig ist. Es waren aber nicht religiöse sondern machtpolitische Bestrebungen der Osmanen, die zu dem Umbau führten.

Der Bau der Hagia Sophia war von hoher Bedeutung für das frühe orthodoxe Christentum und Byzanz und gilt als erstes Beispiel einer spezifisch byzantinischen Architektur, die teilweise von den Osmanen übernommen wurde. Die Hagia Sophia war Jahrhunderte lang die größte Kirche der Welt und später Vorbild vieler Moscheen im Osmanischen Reich, wie z.B. der unmittelbar gegenüber liegenden blauen Moschee.

Unter Kaiser Konstantin I., um 325, wurde mit dem Bau der ersten Vorgängerkirche begonnen und vollendet unter Konstantius II. Sie brannte im Juni 404 bei einem Aufstand nieder. Am gleichen Ort wurde sie in 532 von Theodosius II. wieder aufgebaut. Kurz nach Beginn der Herrschaft von Kaiser Justinian I., während des so genannten Nika-Aufstandes wurde sie erneut niedergebrannt und schließend auf seine Anweisung hin wieder neu aufgebaut.

Bereits wenige Wochen nach der letzten Zerstörung begann der Aufbau einer neuen, weitaus größeren Kirche, deren Form gemäß der Legende Justinian im Traum offenbart worden sein soll. Er wollte eine Kirche stiften, "die seit Adam nicht existierte und auch nicht mehr existieren würde". Zehntausende Arbeiter standen unter Befehl des Architekten Anthemius von Tralles und des Mathematikers Isidorus von Milet. Innerhalb von nur fünf Jahren wurde sie fertig gestellt und am 26. Dezember 537 geweiht. Der Legende nach konnte drückte der Kaiser bei der Einweihung seine Erregung äußerst ungewöhnlich aus. Er soll mit seinem durch Pferde gezogenen Triumphwagen hinein gefahren sein, Gott gedankt haben und in Anspielung auf den zerstörten Tempel in Jerusalem laut gerufen haben: "Salomo, ich habe Dich übertroffen!" Ähnliche Legenden gibt es allerdings für viele Kirchenweihungen, so dass die Glaubwürdigkeit nicht gesichert ist.

Am 7. Mai 558 stürzte die für die damalige Baukunst sensationell flache Kuppel bei einem Erdbeben ein, wurde aber in den folgenden Jahren in ihrer heutigen Form wieder hergestellt. In 989 und 1346 zerbrach sie erneut teilweise und wurde wieder aufgebaut. Stützende Zusatzmauern wurden aus statischen Gründen außen an der Kirche angebracht, behindern aber den ungetrübten Blick auf den Bau. Wegen ihrer immensen, nahezu schwerelos über dem freien Hauptraum schwebenden Kuppel galt sie in der Spätantike als achtes Weltwunder.

Während der Besetzung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer in den Jahren 1204 bis 1261 diente die Hagia Sophia venezianischen Geistlichen als für einen kurzen Zeitraum römisch-katholische Kirche, sonst war sie dem orthodoxen Ritus geweiht.

Als am 29. Mai 1453 die Osmanen unter Fatih Sultan Mehmed die Stadt einnahmen, soll dieser bereits am Nachmittag des Tages den ersten moslemischen Gottesdienst in der Kirche abgehalten haben, was gemäß islamischem Brauch gar nicht zulässig war. In den folgenden Jahren wurde die Kirche zur Moschee umgewandelt, was wiederum ohne Erlaubnis der Besitzer islamisch nicht zulässig ist. Christliche Insignien wurden durch moslemische ersetzt, die Ikonen entfernt, die Mosaiken innerhalb der Kirche wegen eines angeblichen Bilderverbots unter Putz gelegt, Kreuze gegen den Halbmond ausgetauscht. An vier Ecken des Gebäudes wurden vier Minarette errichtet, die der ursprüngliche Bau nicht hatte. Das früheste stammt bereits aus der Zeit Fatih Sultan Mehmeds. Das kannelierte Minarett ließ sein Sohn Bayezit II. errichten, die übrigen Selim II. im 16. Jahrhundert n.Chr.. Im Laufe der Zeit wurden weitere muslimische Ergänzungen hinzugefügt.

Die Hagia Sophia wurde anschließend bis 1932 als Moschee genutzt. Auf Anweisung Atatürks wurde sie in das heute bestehende Museum umgewandelt und die typisch byzantinischen Mosaiken mühevoll wieder freigelegt.
Um den Protest von Muslimen zu mildern, wurden einige Zeit später große, arabisch beschriftete hölzerne Rundschilder aus dem 19. Jahrhundert mit den Namen ALLAH, Prophet Muhammads (s.) und der ersten vier Kalifen und Imam Hasan (a.) und Imam Husain (a.) im Gebäude angebracht. Sie stammen aus der Zeit von 1847 bis 1849, als die Schweizer Architekten Gaspare und Giuseppe Fossati von Sultan Abdülmecit I. mit einer gründlichen Restaurierung des damals noch als Moschee genutzten Gebäudes beauftragt wurden.

Die Mischung aus byzantinischem Original und muslimischen Hinzufügungen zeugt für den unklaren Charakter des heutigen Bauwerks. In einer kleinen Seitenhalle wurde später eine nur von außen, nicht aber von Haupthalle aus zugängliche Moschee errichtet (Bild links: Zugang zur Seitenhalle 2006).

Vor dem Eingang in die Kirche sind noch einige Fundamente des Baus aus dem 5. Jahrhundert und des Glockenturms des Lateinischen Reiches (13. Jahrhundert) zu sehen. Die Grundfläche des Gebäudes bildet ein Rechteck von etwa 70 x 75 Metern. Die Kirche hatte zwei Vorhallen im Westen, den Narthex und den äußeren Exonarthex. In diesem sind noch einige nichtfigürliche Mosaiken aus Justinians Zeit erhalten. Fünf – inzwischen vermauerte – Tore führten aus dem Atrium in diese Halle, fünf weitere in den Narthex.

Über dem mittleren der Tore befindet sich ein Mosaik aus dem 10. Jahrhundert, das die Kaiser Konstantin und Justinian zeigt, die der thronenden Maria (a.) mit dem Jesus (a.) als Kind auf dem Arm eine Stadt (Konstantinopel) und eine Kirche (die Hagia Sophia) darbringen. Das beeindruckendste Mosaik des Narthex zeigt den Thronenden Jesus (a.) über dem Kaisertor, dem mittleren der neun Eingänge in das Hauptschiff (Bild unter von 2006). Dieses war allein dem Herrscher vorbehalten, sein Türrahmen ist aus Bronze.

Der Hauptraum (links Ansicht von 2006) wird durch die rund 56 Meter hohe Kuppel beherrscht. Die Grundfläche beträgt 7.570 m². Hinzu kommen im Westen und Osten kleinere Halbkuppeln und weitere muschelförmige Kuppeln. In den Zwicken sind sechsflügelige Engel dargestellt. Die Apsis hat Mosaiken aus dem 9. Jahrhundert (Bild oben von 2006): Eine thronende Maria (a.) mit Kind, rechts davon den Erzengel Gabriel (a.), links Michael (a.). Die Hauptkuppel, die Halbkuppeln, die Gewölbe des Narthex, die Seitenschiffe und die Emporen – eine Fläche von über 10.000 m² – waren ursprünglich mit goldgrundierten Mosaiken bedeckt. Im Süden steht die in muslimischer Zeit errichtete Gebetsnische [mihrab], im Mittelschiff rechts vor der Apsis die Kanzel [mimbar], links die Sultansloge aus dem 18. Jahrhundert, eine Einrichtung, die jeglichem islamischem Gleichheitsgrundsatz in der Moschee widerspricht.
Gebetsnische [mihrab] (unten) und Kanzel [mimbar] (rechts) der Hagia Sophia (2006)

Auf den Emporen, die bei den Christen wie den Muslime den Frauen vorbehalten waren, sind noch Reste der alten Mosaiken erkennbar: Auf der Nordempore das Bild Kaiser Alexanders (912/913), auf der Südgalerie ein Mosaik mit Kaiserin Zoe und ihrem Gemahl Konstantin IX., daneben ein Mosaik des Kaisers Johannes II. Komnenos mit Kaiserin Irene und Kronprinz Alexios, die der Heiligen Maria (a.) mit Kind Gaben reichen. Das prachtvollste Mosaik ist ein Andachtsbild, eine Deesis, aus dem 14. Jahrhundert, das Jesus (a.) mit Maria (a.) und Johannes (a.) zeigt. Es ist größtenteils zerstört, die Gesichter blieben jedoch erhalten.

Im Hof gibt es zahlreiche archäologische Funde, einen Moscheebrunnen zur rituelle Waschung [wudhu] sowie vier Herrschergräber, in denen Sultane, Prinzen, Prinzessinnen und Sultansgattinnen beigesetzt wurden, darunter Selim II., Murat III., Mehmed III., Mustafa I. und Ibrahim.

Die Pläne dieses bedeutenden Bauwerkes und heutigen UNESCO-Weltkulturerbes blieben für immer verschollen. Seit hunderten von Jahren versuchen Fachleute zu ergründen, wie es den Wissenschaftlern und Künstlern im 6. Jahrhundert gelungen war, eine frei schwebende nahezu 56 Meter hohe Kuppel von 31 Metern Durchmesser auf nur vier Pfeilern zu errichten. Berücksichtigt man die in der Spätantike verfügbaren technischen Möglichkeiten, so gilt sie noch heute für viele Fachleute als eine der kühnsten Konstruktionen von Menschenhand. „Das entscheidende Erlebnis beim Eintritt durch die Kaiserpforte in den Hauptraum, der sich sogleich in voller Weite und Höhe bis zum Scheitel der riesigen Kuppel frei überschaubar darbietet, ist die Unmöglichkeit, ein eindeutiges Verhältnis zu den Dimensionen und eine gültige Bestimmung der Proportionen zu finden. Dieses von den Erbauern beabsichtigte Phänomen ergibt sich aus der räumlichen Struktur, der scheinbaren Schwerelosigkeit der Kuppel, und der verwirrenden Fülle direkter und indirekter Lichtführung“ schrieb Marco Polo.

Die Außenfassade wurde im 20. Jahrhundert mehrfach farblich verändert.


Grundriss der Hagia Sophia - in der oberen Hälfte (a) der Empore, in der unteren Hälfte (b) des Erdgeschosses. Quelle: Wilhelm Lübke, Max Semrau: Grundriss der Kunstgeschichte. Paul Neff Verlag, Esslingen, 14. Auflage 1908

Längsschnitt der Hagia Sophia. Quelle: Wilhelm Lübke, Max Semrau: Grundriß der Kunstgeschichte. Paul Neff Verlag, Esslingen, 14. Auflage 1908.


2002

Links zum Thema

bullet Website des Patriarchats von Konstantinopel
bullet Prokop über die Hagia Sophia
bullet Architektur und Mathematik in der Hagia Sophia Justinians