Im Namen Gottes des Gnädigen, des Barmherzigen

VERHALTEN UND BENEHMEN DES PROPHETEN MOHAMMED (s.)
(SIRA-I-NABAWI)

von Märtyrer Ayatollah Murtadha Motahhari


Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber......4

Über den Autor Ayatollah Murtadha Motahhari.4

TEIL I ....7

VERHALTEN UND BENEHMEN...7

Prophetisches Verhalten....7

Der Unterschied zwischen Fachm und Fiqh..10

Das Benehmen des Heiligen Propheten Mohammed (s.)....11

Das Wort "Sirah".....13

Dichtkunst und Dichter...14

Soziale und politische Führung....17

 

Die zwei Arten der Theosophie....19

Theoretische Logik..27

Über Dichtkunst......27

Islam - eine Religion gegründet auf praktischer Logik.......29

Relativität der Moral.......33

Überschreitung (Verstoß).........36

Wenn den Tyrannen gehorcht wird......38

Anerkannte und zu befolgende Prinzipien.....38

Einfach und natürlich war der Prophet Mohammed (s.)......41

Dschingis Khan und Timur Lenk.43

Teil II...50

ANWENDUNG DER MITTEL...51

Allgemeines....51

Qur'anische Erzählungen sind authentisch....52

Neue Ableitungen sind gestattet...54

Ibrahim, der Sohn des Heiligen Propheten Mohammed......59

Der Prophet David (a.)....65

 

Teil III.77

AUFRUF ZUR WAHRHEIT UND VERKÜNDIGUNG.......77

Allgemeines....77

Wie die Botschaft der Wahrheit zu verkünden ist......82

Einladung und Verkündigung - eine schwierige Aufgabe, die gewisse Bedingungen erfordert....87

Die Art, wie man Leute zu Gott ruft.....89

Die Propheten und die frohen Botschaften....96

Tanfir (Erschrecken, Verscheuchen)....97

Jemen.........98

Teil IV.........103

GOTTESFURCHT UND ANGST.103

Unterschied zwischen Gottesfurcht und Angst........104

Standhaftigkeit......105

Ermahnung...105

Denken und Ermahnen hervorrufen...106

Die Gründe für den Fortschritt des Islam....114

Räte und Beratungen.....119
 

 


Verfasser des persischen Originals: Schahid Ayatollah Murtadha Motahhari

Aus dem Englischen übertragen von: Josef Anton Dierl

Umfassend Überarbeitet von: Islamischer Weg e.V.

Redaktionelle Mitarbeit: Lydia Jalil

Herausgegeben von Ahl-ul-Bait Europa e.V. Hamburg 2003

Grundlage der Übersetzung ins Deutsche ist der englische Text, 2nd Edition, 1990

A.D. bzw. 1410 nach Hidschra. Für die englische Version zeichnet Hossein Vahid

Dartjerdi.

Herausgeber des englischen Textes: Islamic Propagation Organization, Teheran,

Islamische Republik Iran

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Vorwort der Herausgeber

"Sira-i-Nabawi" (=Verhalten des Propheten) ist eins der vielen hervorragenden Werke des Märtyrers Ayatollah Murtadha Motahhari. Er war einer der bekanntesten islamischen Philosophen und Theologen unserer Zeit und einer der Lieblingsschüler Imam Khomeinis (r.). Das Buch wirft ein strahlendes Licht auf das Verhalten und Benehmen des Heiligen Propheten Mohammed (s.) und erwähnt interessante Aspekte, die seiner gelehrten Bedeutung einen wunderbaren Blütenduft verleiht. Es gilt als eines seiner letzten von einem seiner Schüler zusammengestellten Werke.

Über den Autor Ayatollah Murtadha Motahhari

Der Märtyrer Ayatollah Motahhari wurde 1920 in Fariman geboren. Dies ist eine Stadt in der nordöstlichen iranischen Provinz Khorassan. Sein Vater, der verstorbene Scheich Mohammed Hussain Motahhari, war ein herzensreiner, gottesehrfürchtiger Mensch und folglich wurde er von allen Volksschichten im gesamten Khorassan wie auch in anderen Teilen Irans hoch geschätzt und verehrt.

Unser Autor begann seine Schulzeit an der Maktab Kanah (Grundschule) in der Stadt Fariman. Von frühester Kindheit an zeigte er ein erstaunliches Talent und eine tiefe Liebe zum Wissen. Er zeigte bemerkenswerte Intelligenz und Begeisterung, um ein tieferes Verständnis der islamischen Theologie zu gewinnen. Im Alter von zwölf Jahren zog er in die heilige Stadt Maschhad im Jahre 1932, wo er das Studium der islamischen Grundwissenschaft aufnahm. Im Alter von siebzehn Jahren reiste er in die heilige Stadt und bekannte Gelehrtenschule Qum. Die Liebe zu den islamischen Studien entzündete seine Seele und er profitierte sehr von der gelehrten Gegenwart solch hoher Islam-Gelehrter (Ulama), wie Sayyid Mohammad Mahaggig, Sayyid Mohammad Hudschat und Ayatollah Al-Sadr (Gottes Heil sei

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auf ihnen allen). Im Jahre 1940 begann er mit dem Studium der hohen fortgeschrittenen Lehren des großen Mannes, den er "meinen letzten Lehrer" nannte. Er nannte ihn einen "göttlich-himmlischen Geist" und dieser Mann war Imam Khomeini (r.), das Oberhaupt der neuen Islamischen Revolutionären Bewegung.

Motahhari genoss auch die Gesellschaft des Ayatollah Burudscherdi, bei dem er 1944 Student wurde, und er blieb es für nahezu acht Jahre. Ab 1950 befasste er sich mit der Philosophie Avicennas; er besuchte die Klasse, die von Sayyid Muhammad Hossain Tabatabai geleitet wurde. Tabatabai war der hervorragende Meister der Philosophie in Qum. Motahhari schrieb später einen Kommentar zum fünfbändigen Werk "Prinzipien der Philosophie" (Usul-i-falsafah) seines Lehrers.

In 1952 verlegte Motahhari seinen Wohnsitz nach Teheran. Von dieser Zeit an war er sehr fleißig, um Vorlesungen in Wissenschaftsinstituten zu halten und um sehr viele Bücher und Kurzschriften zu verfassen: Auf diesen beiden Gebieten beleuchtete er die verdunkelten Winkel des islamischen Denkens und hisste das Banner der reinen islamischen Vernunft durch Beweisführung und Erörterung gegen die Gefahr der materialistischen Sicht, die sich in der iranischen Jugend sehr ausbreitete. Er kämpfte seinen Glaubenskampf (Dschihad) zuweilen als Honorarprofessor an der Theologischen Fakultät der Universität Teheran, zuweilen als öffentlicher Redner in Moscheen und religiösen Instituten (Hussainiyyas), bis zum Ausbruch der Islamischen Revolution.

Sowohl vor als auch nach den Tagen der Revolution am 11. Februar 1979 war er Mitglied des Islamischen Revolutionsrates. Und er kämpfte weiter auf dem Weg Gottes und des Volkes in aller Aufrichtigkeit.

Er wurde als Märtyrer am 15. Mai 1979 von der pseudoislamischen Gruppe Furqan ermordet, als er eine arbeitsreiche Nachtsitzung des Revolutionsrates verließ.

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Einige seiner Werke, die bereits ins Deutsche übertragen wurde werden im Folgenden aufgelistet:

1.) Die Axt - Balta (Kinderbuch)

2.) Das Ewige Leben

3.) Die Imame (a.) und ihr Weg

4.) Das Menschliche Wesen aus der Sicht des Qur'ans

5.) Das Prinzip Widerspruch in der islamischen Philosophie

6.) Das Wahre und das Falsche

7.) Die Geistlichkeit und die islamische Revolution

8.) Geschichten der Rechtschaffenen

9.) Gesellschaft und Geschichte

10.) Mensch und Glaube

11.) Stellung der Frau im Islam

12.) Tauhid-Weltanschauung

13.) Ziel des Lebens

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VERHALTEN UND BENEHMEN DES PROPHETEN MOHAMMED (s.)

(sira-i-nabawi)

Im Namen Gottes des Gnädigen, des Barmherzigen

TEIL I

VERHALTEN UND BENEHMEN

Prophetisches Verhalten

Der Allmächtige Gott sagt im Heiligen Qur'an:

"Wahrlich, in dem Gesandten Allahs habt ihr ein schönes Vorbild für jeden, der auf Allah und den Jüngsten Tag hofft und oft Allahs häufig gedenkt." (Heiliger Qur'an, Sure 33, Vers 21)

Eine Quelle der Schönheit ist das praktische Verhalten des Heiligen Propheten Mohammed (s.). Ein besonderer Gottessegen für uns und Teil des Stolzes als Muslim, verglichen mit den Anhängern anderer Religionen, liegt in der Tatsache, dass die meisten der echten (authentischen) Aussprüche des Heiligen Propheten, die wir zweifelsohne von ihm übermittelt bekamen, uns heutzutage verfügbar sind, wohingegen keine andere Religion klar behaupten kann, dass eine bestimmte Aussage von Moses (a.), Jesus (a.) oder von irgendeinem anderen Propheten überliefert wurde. Es gibt zwar viele Aussprüche, die ihnen zugeschrieben werden, aber sie sind nicht eindeutig und nicht ohne Zweifel.

Der zweite Unterschied zwischen dem Islam (bzw. dem Propheten des Islam) und anderen Religionen ist, dass der Lebensbericht Mo-

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hammeds (s.) ganz klar ist und auf Tatsachen gründet. In der Tat, keiner der Führer der Welt kann mit ihm verglichen werden. Selbst echte Aspekte und genaue Einzelheiten hinsichtlich des Lebens des Heiligen Propheten sind heutzutage in unserer Reichweite, wohingegen all solche Einzelheiten von keiner anderen der Heiligen Personen erlangt werden können. Das Jahr, der Monat, der Tag und sogar der genaue Wochentag seiner Geburt, die vorgeburtliche Periode, die Periode des Lebens in der Wüstensteppe (bei Beduinen), die Kindheit, seine Reisen in fremde Länder (außerhalb der arabischen Halbinsel), seine Beschäftigungen vor seiner Berufung zum Propheten, das Jahr seiner Heirat und sein Heiratsalter, die Zahl der Kinder, die vor ihm starben und wie alt sie waren, als sie starben - all dieses wie auch die Geschehnisse nach der Berufung, wie der erste Gläubige, der zweite Gläubige, der dritte Gläubige und wann sie den Islam annahmen, Mohammeds (s.) Gespräche mit Anderen, seine Merkmale und die Methoden, die er bei seinen Taten anwandte sind alle genau bekannt und tatsächlich klar und offensichtlich.

Was beispielsweise Jesus Christus (a.) angeht, der als Prophet Mohammed (s.) vorausging und der einer der hervorragenden Propheten ist, weil er eine Religion verkündete, hätten viele an seinem Prophe-tentum gezweifelt, wäre er nicht vom Qur'an bestätigt worden. (Die Muslims der Welt anerkennen ihn als einen wirklichen und von Gott gesandten Propheten.)

Im Prinzip glauben die Christen nicht alle christlichen Daten von einem historischen Standpunkt aus betrachtet. Und wenn sie die Zeitrechnung Anno Domini (=im Jahre des Herrn) haben bzw. "nach Christus" (a.), so ist das eine Übereinkunft und weniger tatsächlich.

Aber anders als bei christlichen Zeitangaben ist es ein klares Datum, wenn wir behaupten, dass nach der Auswanderung (Hidschrah) des Propheten von Mekka nach Yathrib (Medina) soundsoviele Jahre vergangen sind. Es ist möglich, dass Jesus Christus (a.) zweihundert Jahre vor oder dreihundert Jahre nach der Zeitrechnung lebte, die die Christen für seine Geburt behaupten. Christen (allerdings nicht jene,

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die wirklich an Jesus (a.) glauben) sind skeptisch, ob Jesus Christus (a.) tatsächlich auf der Welt existierte oder ob er nur eine eingebildete Gestalt war. Sie bezweifeln seine eigentliche Existenz. Dies ist natürlich vom islamischen Standpunkt aus falsch, denn der Heilige Qur'an hat ihn bestätigt, und da wir Muslims an den Qur'an glauben, sind wir frei von solchen Zweifeln. Aber wer waren die Schüler Jesu Christi (a.)? Wie lange dauerte es, bis die Bibel als Buch nach Jesus (a.) übertragen wurde? Wie viele Bibelfassungen existieren? All diese Fragen bleiben ohne (eindeutige) Antworten und bleiben zweideutig. Was den Heiligen Propheten des Islam anbelangt, so stammen seine Verhaltensweisen und Werte aus verlässlichen und echten (authentischen) Quellen; sie basieren nicht auf Skeptizismus; sie dienen uns als ein Pfadweiser und eine Autorität; und wir sind gebunden, ihnen zu folgen und von ihnen zu profitieren.

Wichtig ist tatsächlich, dass es eine Genauigkeit in den Worten großer Persönlichkeiten gibt, so dass die Leute die Worte (und die Persönlichkeiten) verstehen können. Das gilt besonders für den Propheten des Islam, der nicht lediglich Aussagen machte, sondern sie auch in der Praxis selbst befolgte. Er sagte: "Gott gewährte mir reichhaltige Worte, d.h.: Er gab mir eine Kraft, dass ich kurze Aussagen mit tiefsinnigen Bedeutungen machen kann." (Quelle: Scheich Tusi, Amali, Vol. 2, p. 98-99)

In der Tat, alle Leute lauschten den Worten des Propheten, aber nicht alle konnten sie in ihrer Tiefe richtig verstehen. Vielleicht 95 oder 99 Prozent konnten die Bedeutung seiner Worte nicht voll verstehen. Der Heilige Prophet selber sah diese Wirklichkeit voraus, als er sagte: "Zeichnet meine Reden auf und gebt sie den zukünftigen Generationen weiter. Es ist sehr wahrscheinlich, dass zukünftige Generationen den Sinn meiner Worte besser verstehen, als die Anhänger, die in der Nähe meines Predigtpfostens stehen."

Es gibt auch ein gutbekannte Überlieferung vom Propheten, in dem er sagt:

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"Gott gebe Glück all jenen, die meine Worte hören, sie aufzeichnen und sie jenen übermitteln, die nicht dabei waren, als ich die Worte sprach." (Quelle: Scheich Abbas Qumi, Safina al-Bihar, Vol. I, p. 392)

Dann fuhr er fort:

"Es mag sein, dass jemand, der ein Wort des Wissens und der Weisheit in einem Satz anderen mitteilt, es nicht selber voll verstehen kann."

Der Unterschied zwischen Fachm und Fiqh

Der Unterschied ist, dass "Fachm" das "absolute Verstehen" ist, aber "Fiqh" bezeichnet ein „tiefes Verständnis" von etwas. Und wenn wir mit "Fiqh" ein Gespräch meinen, so wäre das ein Gespräch mit einem tiefen Sinn. Wie vorher bemerkt wurde, sagte der Heilige Prophet des Islam, dass es sein mag, dass einige Gelehrte (Faqih) eine tiefsinnige Aussage, die sie von ihm gehört haben, an andere weitergeben, die noch geistreicher sind. Daher sehen wir, dass mit dem Vergehen der Jahrhunderte aus den Worten des Propheten über bestimmte Themen mehr Tiefsinniges entdeckt wurde. Beispielsweise sprach der Prophet über Moral, aber die Geschichte der islamischen Wissenschaften zeigt, dass es nicht vor dem zweiten und dritten Jahrhundert war, da die Leute die Bedeutung der Bemerkung des Propheten voll erkannten. Gleicherweise im vierten und fünften Jahrhundert wurde das Verständnis über die Aussagen des Propheten noch klarer. Der gleiche Aspekt gilt auch für die Jurisprudenz, Ideologie, Philosophie, Ethik, Gnosis und andere Felder, über die sich der Prophet aussprach.

Beispielsweise konnten Interpreten, die in späteren Perioden auftauchten, die Tiefe der Worte des Propheten besser verstehen. Die wundersame Natur seiner Aussprüche liegt in dieser eigentlichen Realität.

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Insbesondere wenn wir unser "Fiqh" beschauen, und ein Genie wie Scheich Saduk oder Scheich Mufid oder Scheich Tusi, die alle um 1000 A.D. lebten mit Scheich Murtadha Ansari vergleichen, der etwa neunhundert Jahre später lebte, sehen wir, dass die Einsicht des Letzteren in die Worte des Propheten viel tiefer ist und dass er sie besser zu analysieren vermochte. Ist es, weil Scheich Ansari intelligenter war als Scheich Tusi? Gewiss nicht ! Der Grund ist, dass Erkenntnis und Wissenschaft während der Zeit des Scheich Ansari ausgedehnter und fortgeschrittener waren. Daher war er besser ausgestattet als die Gelehrten tausend Jahre vor ihm. Gleicherweise einhundert oder zweihundert Jahre später gibt es wahrscheinlich Gelehrte, die ein tieferes Verständnis der Worte des Propheten haben werden, verglichen mit dem Verständnis des Scheich Ansari.

Das Benehmen des Heiligen Propheten Mohammed (s.)

In der gleichen Weise, da die Aussprüche des Propheten verborgene Bedeutungen enthalten, ist das Verständnis seines Benehmens ebenfalls der Interpretation unterworfen und sollte tief überdacht werden. Der Heilige Qur'an sagt:

"Wahrlich, in dem Gesandten Allahs habt ihr ein schönes Vorbild für jeden, der auf Allah und den Jüngsten Tag hofft und oft Allahs häufig gedenkt." (Heiliger Qur'an, Sure 33, Vers 21)

Wie der Heilige Qur'an sagt, ist das Verhalten des Propheten ein Vorbild für seine Anhänger; das will besagen: sein Wesen ist wie der Ursprung oder der Kern, aus dem alle Pflichten und Gesetze abgeleitet werden sollten. Natürlich, die Berichte des Lebens des Propheten zu erzählen ist an sich nicht allein wirksam, vielmehr ist es die Interpretation und das Verständnis seines Verhaltens, was für uns bedeut-

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sam ist. Es ist wichtig zu wissen, warum er sich in einer gewissen Weise in einer gegebenen Situation verhielt und auf was er durch solch ein Verhalten abzielte. Aber, unglücklicherweise denken wir Anhängervolk des Propheten weder an einige kurze Worte von ihm, selbst wenn es nur in einer buchstabengetreuen Ebene wäre, noch vermögen wir uns zumindest nach seinem Benehmen und praktischem Leben zu richten.

Ein gutbekannter iranischer Schriftsteller, der vor ein paar Jahren starb und der nicht allzu sehr in seiner Jugend religiös war, wurde in den letzten Jahren mit mir befreundet, weil ich einige von diesem Autor verfasste Bücher studierte. Einstmals erzählte er mir, dass er ein Buch übersetze: "Die Weisheit der Religion". Das Buch enthielt Weisheitssprüche aus der Religion des Moses, des Zarathustra, des Buddha und unseres Propheten (s.). Er sagte, der Autor des Urtextes habe viel mehr Weisheitssprüche von den anderen Propheten als vom Heiligen Propheten des Islam gebracht, und da er (als Übersetzer) eine flexible Art des Übersetzens anwende, wolle er einhundert Verse des Heiligen Qur'an und einhundert kurze Aussprüche des Imam und Kalif Ali (a.) seinem Buch beifügen. Er sagte, er hätte kein Problem gehabt Qur'an-Verse und Aussprüche Alis zu finden und zu ü-bertragen. Aber hinsichtlich der Worte des Propheten Mohammed (s.), bat er mich, da er des Arabischen nicht kundig sei und er nichts in persischen Büchern finden konnte, ihm die persische Übersetzung von einhundert Sätzen des Heiligen Propheten zu liefern, so dass er sie nach seinem eigenen Geschmack und Stil formulieren könne. Ich lieferte ihm die verlangten Sätze zusammen mit ihrer Übersetzung (ins Persische), damit er keinen Fehler machen könne, und er veröffentlichte sie in seinem Buch, das den Titel "Weisheit der Religion" hatte. Eines Tages kam er und sagte mir, er habe nicht gewusst, dass der Prophet solche Worte und Aussprüche geäußert habe. Dieser Mann war ein gutbekannter iranischer Schriftsteller mit weltweitem Ruhm, ein Bücherwurm in seinem gesamten Lebenslauf, und dennoch hatte er niemals die Worte und Aussprüche unseres Propheten gehört, und es war nur nach der Veröffentlichung seines Buches, dass er bemerkte und billigte, die Worte des Propheten Mohammed

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(s.) wären sinnreicher und hochrangiger als jene aller anderen Propheten.

Warum sollten wir Muslims so nachlässig sein, dass nicht einmal unsere Schriftsteller irgendwelche Aussprüche kennen, die unser Prophet hinterlassen hat? Im Betrachten des Benehmen des Propheten waren wir möglicherweise noch nachlässiger. Es war diese Erkenntnis, die diesen Schriftsteller ermunterte, vor ein paar Jahren ein Buch diesbezüglich schreiben zu wollen. Ich wollte ebenfalls ein paar Notizen machen, aber als ich weiter vordrang, fand ich mich in einem Ozean, der immer tiefer wurde. In der Tat, das Benehmen des Heiligen Propheten (s.) ist so reichhaltig, zieht solch tiefe Sinnbedeutungen nach sich, dass eine kleine Facette davon uns zum Rahmenwerk der grundsätzlichen Regeln führen kann. Selbst ein nur kleines Erwägen der Taten des Propheten kann als Licht dienen, um sehr entfernte Weiten zu beleuchten.

Das Wort "Sirah"

Im Arabischen ist das Wort "Sirah" abgeleitet von der Wurzel "Sair", was "Wandern" und "Bewegung" bedeutet. Die Benutzung und Anwendung des Wortes "Sirah", wie von den Muslims seit dem ersten und zweiten Jahrhundert (nach der Hidschrah1) verwendet, war vollkommen angemessen, wiewohl unsere Historiker nicht ganz erfolgreich waren, wenn sie den von diesem Wort bezeichneten Begriff praktisch anwendeten. Vielleicht die authentischste "Sirah" wurde von Ibn Ishak geschrieben und später von Ibn Hischam in einem Buch gesammelt. Angeblich soll Ibn Ishak ein Schiit gewesen sein, der in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts nach der Hidschrah lebte.

1 Auswanderung des Propheten Muhammad von Mekka nach Medina und beginn der islamischen Zeitrechnung 622 n. Chr.

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Im Arabischen reimt sich "Sirah" mit "Filah", was den Typ der begangenen Tat bezeichnet. Das gleiche gilt mit "Dschalsah" und "Dschilsah", was "Sitzen" und "Art des Sitzens" bedeutet. Dies ist ein feiner Aspekt, da "Sair" das Benehmen des einzelnen ist, wohingegen "Sirah" die persönliche Art des Benehmens ist, und in unserer Diskussion ist der wichtige Aspekt zu wissen, welche spezifische Art des Benehmens der Prophet Mohammed (s.) hatte. Die Gelehrten, die eine "Sirah" schrieben, betonten tatsächlich das Benehmen des Propheten, und so sollten die Bücher über "Sirah" richtigerweise die Bücher von "Sair" genannt werden. Die Sirat-al-Halabiah beispielsweise, ist in Wirklichkeit "Sair" und nicht "Sirah", denn es spricht über das Benehmen des Propheten, nicht über den Stil, die Methode und die Manier, womit er sich in verschiedenen Situationen zu verhalten pflegte.

Dichtkunst und Dichter

Poesie bzw. Dichtkunst hat verschiedene Formen und Stile. Nun, in den Augen eines Menschen, der nichts über poetische Stile weiß, gibt es keinen Unterschied zwischen Rudaki, Sadi, Moulavi, Sana'y, Sa'ib und Hafis2, die alle eine meisterliche Hand in der Dichtkunst hatten. Er nennt sie alle Poeten bzw. Dichter und ihre Schriften Poesie bzw. Dichtkunst. Aber jemand, der vertaut mit Poesie ist, weiß, dass jeder dieser Poeten einen ihm eigenen Stil des Rhythmus anwandte, wie Indisch (Hindi), Khorasanisch und ein spezielles Muster, um das Heldentum, die Mystik zu bejubeln, und so weiter. Es ist Tatsache: In der Untersuchung der Poesie ist es wichtig, ein Wissen über die poetischen und rhythmischen Stile zu besitzen; andernfalls kann von einem Nichtexperten auf diesem Felde kein Unterschied zwischen verschiedenen Gedichten festgestellt werden. Das gleiche gilt für die Prosa, denn auch sie hat ihre eigenen Stile. So kann man nur mit dem Wissen über solche Stile fähig sein, die verschiedenen Arten der Prosa auszumachen. Allgemein gesprochen: Für jemanden, der mit

2 Große islamische Dichter aus dem persischsprachigen Raum

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Kunst nicht vertraut ist, kann jegliches Gebäude, Fliesenwerk und Beschriften eine Manifestation der Kunst sein, aber wenn er Experten zu Rate zieht, wird er bemerken, dass es verschiedene Stile in jedem Felde gibt; und jede Geschicklichkeit und Kunst hat ihre ihm eigenen Stile. Ein deutscher Schriftsteller schrieb ein gutes Buch, das neulich unter dem Titel "Islamische Kunst" ins Persische übersetzt wurde. Er argumentiert, dass die islamische Kunst einen exklusiven Stil in der islamischen Welt und Zivilisation genießt, und so bewies er, dass der Islam in der Kunst unabhängig ist.

Für den einfachen Verstand waren Aristoteles und Biruni zwei Gelehrte, Philosophen und Denker, gleich im Status. Ibn Sina, Plato, Bacon, Descartes, Stewart Mill und Hegel sind alle Gelehrte und Denker. Gleicherweise betrachtet solch ein einfacher Geist Scheich Saduq, Scheich Kulaini, Ichvan As-Safa3 und Nasir al-Din Tusi als gleichartige Gelehrte und Wissenschaftler. Aber ein gelehrter und wissensreicher Mensch weiß, dass es einen bemerkenswerten Unterschied in den Methoden, Stilen und Denkweisen dieser Gelehrten und Philosophen gibt. In der Tat, jeder Gelehrte hat seine eigene Methode. Man mag die Beweisführung (Erörterung) und die Ableitung betrachten und der aristotelischen Logik insgesamt folgen. Der eine nutzt solche Logik in der eigenen Analyse bei allen Zweigen des Wissens, wie Medizin, Jurisprudenz, Literatur und so weiter. Der andere aber mag sich mehr auf das Experimentieren verlassen. Dies gilt für viele der modernen Gelehrten. Angeblich soll sich Birunis Methode von jener Avicennas unterscheiden, wiewohl beide zwei zeitgenössische Genies waren, wobei der erstere mehr das Experimentieren bevorzugte und der Zweite mehr die aristotelische Logik.

Der eine mag sich auf die rationale Erkenntnis (in der eigenen Analyse) verlassen, und der andere auf Bücher und Hadithe (Überlieferungen). Wenn der verstorbene Allamah Madschlisi beispielsweise ein Buch über Medizin schreiben wollte, gründete er immer sein Werk auf Bücher und Hadithe, ohne ihrer Echtheit große Wichtigkeit

3 Eine Reihe von großen islamischen Gelehrten

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beizumessen, oder er sammelte zumindest relevante Hadithe (Überlieferungen) in seinem Buche. Wollte er über Gunst und Ungunst der Tage schreiben, verließ er sich diesbezüglich auf Erzählungen.

Ebenfalls ist das Verhalten den verschiedenen Manieren und Stilen unterworfen. Entsprechend allgemein gesprochen: Die Verhaltensforschung ist in Wirklichkeit das Studieren der verschiedenen Stile der Manieren, die im Verhalten des Menschen auftauchen. Könige der Welt hatten Manieren und Methoden, die ihnen eigen waren. Dies gilt für alle Philosophen und Asketen gleichermaßen. Ähnlich haben alle Propheten spezifische, aber auch gemeinsame Verhaltenstechniken, wie auch jeder Methoden und Verhaltensweisen hat, die ihm eigen sind.

Viele der Dichter, Künstler und Philosophen folgen keinerlei Stil oder Methode in ihren Werken. Zuweilen bauen sie auf Vernunft, zuweilen auf Weisheit und zuweilen auf Gefühle und Emotionen. Sie ermangeln einer gesunden Logik, und so wollen wir uns mit ihnen nicht beschäftigen. Auch im Benehmen hat fast keiner einen spezifischen Stil und eine spezifische Art. Die meisten von uns wissen nichts über die Methoden, die wir beim Lösen von Problemen unseres Lebens anwenden, und wir vermögen sie nicht zu erklären, wenn wir sie erklären sollten. Es gibt ein paar wenige Menschen, die bei gewissen Lebenszielen spezifischen Methoden und Stilen folgen. Und wenn wir über die "Sirah" des Heiligen Propheten sprechen, beschäftigen wir uns mit den praktischen Methoden, die er bei der Verkündigung des Islam einsetzte: Beispielsweise seine Methoden der Führung (denn er begründete eine Regierung, nachdem er von Medina siegreich nach Mekka zurückgekehrt war und seit damals war er der Führer der islamischen Gemeinschaft), seine Methoden des Richtens unter dem Volk, sein Verhalten mit seinen zahlreichen Frauen und Kindern, seine Methoden im Umgang mit Freunden und Gefährten, seine Methoden im Umgang mit hartnäckigen Feinden und sein Verhalten unter verschiedenen Umständen.

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Soziale und politische Führung

Einige Männer bauen auf die Gewalt, um eine Gesellschaft zu führen, und sie glauben nur an Kraft und Gewalt und sonst nichts. Ihre Logik ist: "Ein einziges Horn ist zwei Meter Schweif vorzuziehen." Dies ist die Politik der Gewalt und des Drucks, welcher die US-Amerikaner heutzutage4 im Glauben folgen, dass Schwierigkeiten nur mit solch einer Politik beseitigt werden können. Dies ist tatsächlich die Politik Yazids5. Einige andere Leute vertrauen bei ihrer Politik mehr der Täuschung als allem anderen. Solch eine Politik wurde von Muawiya6 angewandt. Yazid und Muawiya waren beide gleich in der Strategie, aber verschieden in der Taktik. Einige andere bevorzugen, auf die Moral zu bauen, d.h. eine wirkliche Moral, nicht eine, die in Wirklichkeit eine Beleidigung für die Moral ist, denn das würde der Täuscherei Muawiyas gleichkommen. Moral, gegründet auf Ehrlichkeit und Wahrheit, war Alis (a.) Methode in der Politik, wenn man es mit Muawiya vergleicht. Aber die meisten Leute zogen Muawiyas Politik der Politik Alis vor und nannten sie wahre Politik, und deswegen wurde das Wort "Politik" gleichbedeutend mit "Täuscherei" und "Trickserei", selbst heutzutage, entgegengesetzt ihrer wahren Bedeutung, d.h. die Angelegenheiten des Volkes sollten (korrekt) verwaltet werden. Ein Politiker ist tatsächlich ein Administrator und auf diesem Boden wurden unsere reinen zwölf Imame "Politiker der Gottesknechte" genannt. Soweit es die Beratung betrifft - und das ist überraschend genug - handelte der Heilige Prophet des Islam (s.) nicht nach seinen persönlichen Ansichten, wiewohl er den Status des Prophetenamtes genoss und wiewohl seine Gefährten (Sahaba) solch einen starken Glauben an ihn hatten, so dass, wenn er ihnen befohlen hätte, sich im Meer zu ertränken, sie es getan hätten. Er mochte es nicht, Entscheidungen nach eigenem Gusto und Gutdünken zu fällen;

4 Es wird daran erinnert, dass dieses Buch Motahharis zu seinen Lebzeiten entstanden ist.

5 Gewaltherrscher in der islamischen Geschichte, der den Enkel des Propheten, Imam Hussain (a.) ermorden lies.

6 Vater von Yazid, der das islamische Kalifat unrechtmäßig an sich riss.

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er bevorzugte, andere zu konsultieren, um Lösungen für Probleme zu finden. Er war sich bewusst, dass der geringste Nachteil bei der persönlichen Entscheidungsfindung bedeuten würde, das Wachstum der Persönlichkeiten seiner Gefährten zu behindern und sie als bloße Werkzeuge zu betrachten, die keine Denkfähigkeit und keine Entscheidungskraft hätten. Das hätte später für alle Leute als schlechtes Beispiel gedient. So enthielt er sich, selbstsüchtige und selbstherrliche Methoden anzuwenden. Statt dessen lieferte er seinen Anhängern Leitideen, wie es einen wirklichen Führer auszeichnet. In der Schlacht zu Badr wie auch in der Schlacht zu Uhud konsultierte er seine Gefährten. Bei der zweiten Schlacht informierte er sie, dass die Götzenanbeter in die Gemarkung von Medina eingedrungen seien, und er suchte ihre Meinung, ob sie aus der Stadt ausrücken sollten und die Feinde draußen bekämpfen sollten oder ob sie in der Stadt bleiben sollten und ihre Stellungen befestigen sollten; allerdings würde dann den Feinden Gelegenheit gegeben, sie zu belagern, was aber des Feindes Niederlage herbeiführen würde. Die meisten Ältesten und erfahrenen Gefährten wollten in Medina bleiben, aber die Jungmänner, die mit jugendlichem Ehrgeiz erfüllt waren, waren gegen die Idee, von Feinden umzingelt zu werden, ohne geeignete Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Sie betrachteten das Bleiben in der Stadt als eine Beleidigung gegen ihre Männlichkeit. Der Heilige Prophet selber billigte die Ältesten und die Erfahrenen und glaubte, sie wären erfolgreicher, wenn sie in der Stadt blieben. Aber dennoch folgte er den Jungmännern, welche die Mehrheit der Gefährten bildeten und unterstützte die Idee, Medina zu verlassen und dem Feinde am Berge Uhud entgegenzutreten. Sie ergriffen die Waffen, und er befahl ihnen, auszurücken. Die Jungmänner traten nun an ihn heran und sagten, sie hätten nicht darauf bestanden, wenn er unbedingt dagegen gewesen wäre. Sie bekannten, dass sie dem Propheten gehorsam sein wollten und in Medina bleiben würden, wiewohl sie lieber ausrücken möchten. Der Heilige Prophet sagte, es wäre für einen Propheten nicht richtig, die Waffen niederzulegen, nachdem er sich zum Vorstoß entschlossen hätte. Er betonte, hätten sie sich einmal entschlossen auszurücken, müssten sie das auch tun.

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Aus diesen Methoden und Manieren kann eine Menge gelernt werden, wie Imam Ali (a.) sagt:

Der Prophet war wie ein wandernder Arzt, der seine Salben zubereitet hatte und seine Instrumente erhitzt hatte. Er gebrauchte sie, wo immer das Bedürfnis entstand, blinde Herzen, taube Ohren und stumme Zungen zu heilen. Er folgte mit seinen Medizinen den Flecken der Nachlässigkeit und den Stätten der Verwirrung. Die Leute nahmen nicht Licht von den Lichtern seiner Weisheit, noch schufen sie eine Flamme von dem Feuerstein seines funkensprühenden Wissens. In dieser Sache sind sie wie grasendes Rindvieh und wie harte Steine. (Quelle: Nahdsch-ul-Balagha, Rede Nr. 108 Seite 156, Ausgabe Abhi Saleh)

Wir können hier Schlussfolgern, dass nicht alle Leute logisch denken, wiewohl sie glauben zu denken. In verschiedenen Situationen verhalten sich die Leute in einer gewissen Weise, aber nur ein paar wenige gründen ihr Verhalten auf Kriterien, von denen sie niemals abweichen, während sich die Masse unlogisch verhält. Logisches Denken ist in der Tat ein Denken, das auf logischen Kriterien gründet, und es gibt nur wenige Leute, die diesen Kriterien folgen; die Masse ist meistens verwirrt in ihrem Denken und Verhalten.

Die zwei Arten der Theosophie

Die Philosophen glauben, dass die Theosophie (Wissen über Gott) zwei Arten hat: spekulative (Theoretische) Theosophie und praktische Philosophie. Theologie, Mathematik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Physik, Musik, Naturwissenschaft, Zoologie und Botanik werden insgesamt spekulative Theosophie genannt, wohingegen Ethik, Politik und Hauwirtschaft praktische Theosophie genannt werden.

Solch eine Klassifizierung wurde nicht in der Logik gemacht, aber dies gilt auch für die Logik, soweit logische Kriterien betroffen sind.

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Daher können wir "theoretische Kriterien" haben, die sich auf die allgemeine Logik beziehen, und wir können "praktische Kriterien" haben, die Methoden und Arten genannt werden.

Jedes Individuum sollte seine Taten auf eine feste Logik gründen und ihr in allen Umständen der Zeit und des Ortes und im gesamten persönlichen Leben folgen und sollte sie niemals verletzen. Der Heilige Prophet Mohammed (s.) tat das gleiche. Er folgte einer bestimmten Logik in seinen Aktionen, und wir Muslims sollten uns anstrengen, seine praktische Logik und seine Verhaltenstechniken zu erkennen, um sie in unseren Aktionen zu verwenden.

Strenge Logik fehlt im Marxismus. Er sagt: Das Leben ist sehr stark beeinflusst von den Umständen der Zeit und des Ortes, besonders wenn Klassenkämpfe und Machtkämpfe auf das Leben einwirken. Der Marxismus gewährt dem persönlichen Denken, der persönlichen Meinung und dem persönlichen Glauben keine Ursprünglichkeit, während soziale und ökonomische Umstände und Klassensituationen berücksichtigt werden. Der Marxismus behauptet, dass es grundsätzlich unmöglich ist, ein eigenes (persönliches) Denkmuster zu haben; er sagt, dass die Menschenwesen ihre Denkweise und ihre Logik verändern, wenn sie sich vom Reichtum zur Armut hinbewegen und umgekehrt. In der Tat, ein verarmtes Individuum, das immer der Unterdrückung, der Einengung und der Quälerei unterworfen war und alle Arten der Verelendung durchgemacht hat, besitzt - ob er es will oder nicht - ein gewisses mentales Gerüst, das durch die speziellen Lebensbedingungen entworfen ist. Der Einzelne spricht von Gerechtigkeit und Freiheit, und er glaubt an das, was er sagt, denn die spezifischen Situationen seines Lebens bringen ihn dazu, so zu tun. Dieser Einzelne wird seine Begriffe ändern, sollten seine Lebensbedingungen sich zum Reichtum wandeln, nachdem er in Armut gelebt hat. Er wird dann seine frühere Vorstellung abstreifen und eine andersartige Interpretation von Gleichheit, Billigkeit, Freiheit und Gerechtigkeit behaupten: Auf alle Fälle, mit dem Auftauchen von Wandel in den Lebenssituationen verändern sich auch die persönlichen Interessen, und da der Mensch seine Interessen nicht ignorieren kann,

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wird sich notwendigerweise sein Denken verändern. Das ist deswegen, weil sich das persönliche Denken von Natur aus um die eigenen persönlichen Interessen dreht. Wenn ein Mensch verelendet ist, drehen sich seine Gedanken um die Interessen der verelendeten Klassen. Im Gegensatz dazu, wenn er sich der Klasse der Reichen anschließt, wird er notwendigerweise die Interessen dieser Klasse im Kopfe haben.

In der Vergangenheit haben wir gewöhnlicherweise diese Worte nicht ernst genommen, aber heutzutage finden wir, dass tatsächlich eine Kette der Philosophie in ihnen verwurzelt ist. Es gibt einen Witz, der von den Theologiestudenten in Maschhad über einen ihrer Kameraden erzählt wird, der einstmals sagte: "Ich folge jenem Manne im Gebet, der mir Geld gibt und meine Gebete sind korrekt." "Wie?" fragten sie ihn. Er antwortete: "Ich glaube, dass jener, der mir kein Geld gibt, ein Sünder ist ! So würden meine Gebete nicht richtig sein, wenn ich ihm folgen würde. Aber sobald er mich mit Geld ausstattet, wandelt sich meine Meinung und ich werde glauben, dass er ein guter Mensch ist. "

Immer nahmen wir dies nicht ernst, aber heutzutage sehen wir, dass es sich als eine Art Philosophie erwies, welche die Idee herausstellte, dass sich das Denken des Menschen nur um seine eigenen Interessen dreht, denn der historische und ökonomische Determinismus behauptet das so. Das ist natürlich nicht mehr als eine bloße Behauptung, und wir sollten in der Praxis herausfinden, ob es wahr ist oder nicht. Wir sollten Menschenwesen beobachten und herausfinden, ob ihr Bewusstsein nicht mehr als ein Spielzeug ihrer (persönlichen) Interessen ist. Ist dies nicht eine völlig antihumane Theorie? Sorgfältige Untersuchung wird uns zeigen, dass diese Behauptung im Grunde falsch ist. Der Glaubenslose wird auch solch eine Behauptung zweifelsohne unterstützen, aber wir können niemals zustimmen, dass alle Menschenwesen notwendigerweise und zwanghaft nur an ihre eigenen Interessen denken, denn es gibt Hunderte, die nicht so handeln.

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Ali Al-Vardi ist ein irakischer Schriftsteller und ein Universitätsprofessor, der ein paar Bücher im Arabischen schrieb und einige davon wurden ins Persische übersetzt. Er ist ein Schiit und gleichzeitig ein Marxist. So haben seine Bücher eine marxistische Färbung; aber da er auch religiös ist, spricht er zuweilen gegen den Marxismus. Er ist unbefangen genug, um zu sagen, dass Ali (a.) in seiner Lebenszeit dieses marxistische Prinzip aufhob, dass ein Mensch seine Denkweise ändert, je nachdem ob er reich oder arm ist und dass die Gedanken unter verschiedenen sozialen Situationen anders sind. Imam Alis Biografie zeigt, dass dies nicht wahr ist, denn wir sehen: Als er an der tiefsten und an der höchsten gesellschaftlichen Stufe war, wandelten sich sein Verhalten und sein Denken nicht im geringsten. An dem einen Tag ist er ein einfacher Arbeiter und ein einfacher Soldat, der sein Leben dadurch fristet, dass er Bewässerungskanäle ausgräbt, Bäume pflanzt und Ödland kultiviert, und am anderen Tag steigt er zum Gipfel der Macht empor, als der Islam sein Reich erweiterte und Waffen und Reichtümer erbeutete. Aber Alis Denkweise änderte sich dennoch nicht. Es sollte natürlich zugegeben werden, dass Muslims massenhaft ihren (ursprünglichen) Glauben verloren, als die Fluten des Reichtums die Welt des Islam überschwemmten. In der Tat, die widrige Wirkung des Wohlstandes auf viele Leute ist unleugbar, aber wir können den marxistischen Satz: "Das Sein bestimmt das Be-wusstsein!", nicht als allgemeingültiges Prinzip anerkennen.

Wer war Zubair und was korrumpierte ihn? Die Riesensummen an Geld und die massenhaften Beutegüter machten ihn zum Eigentümer von tausenden Pferden, Bediensteten und Häusern in Ägypten, Kufa (Irak) und Medina.

Was verdarb Talha? Das gleiche! In der Tat, eine beträchtliche Schar der Prophetengefährten wurde entweder durch weltliche Positionen oder durch das Verlangen nach dem Kalifat oder durch Gier nach Geld und Reichtum verdorben. Das obige Marx'sche Prinzip war und ist jedoch kein allgemeingültiges Prinzip, andernfalls wären alle Prophetengefährten den gleichen Pfad gewandelt - was Gott verhüte -und sie wären in gleicher Weise von Geld und Rang beeinflusst wor-

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den. Gegenteilig zu dieser Doktrin kennen wir hervorragende Gestalten unter den Sahaba7, die sich fest gegen solche Fluten stemmten. Ali und seine Anhänger beispielsweise änderten sich nicht im geringsten, wenn sie solche Ränge und außergewöhnliche Geldsummen erwarben. Salman Farsi war einer von ihnen. Als Gouverneur von Mada'in (Irak) blieb er der gleiche wie zur Lebenszeit des Propheten. Mada'in (Ktesiphon - Seleukia) war die Hauptstadt des antiken Perserreiches und der damalige Kalif (Omar) hielt es für notwendig, einen muslimischen Gouverneur persischer Abstammung dort hinzuschicken, damit die Perser nicht ungehalten wären, wenn sie mit einem Mann anderer Herkunft zu tun hätten. Dementsprechend wurde Salman der Perser, ein gläubiger Muslim, gebildet in islamischen Themen, zum Gouverneur eines Gebietes ernannt, das früher von den sassanidischen Großkönigen Anuschirvan und Khosrau Parvis regiert wurde, die tausende Sklaven und Sklavinnen hielten, sowie regiert von Yasgerd, der einige Tausendschaften Musiker hatte und in dessen Harem zwölftausend Frauen eingeschlossen waren. Die Ausstattung Salman Farsis während seiner Amtszeit war nicht mehr als ein Ranzen, den er persönlich auf dem Rücken trug, als er sich von Mada'in wieder verabschiedete, (um nach Medina zurückzukehren), wiewohl der Islam siegreich war, mit großen Eroberungen, und Salman Farsi Unmassen an Beutegütern zu verwalten hatte.

Ali al-Vardi sagt, das Leben Alis hätte die Marx'sche Theorie aufgehoben, aber ich meine, auch das Leben Salman Farsis und Abu Dharrs negierten sie ebenso. Abu Dharr erlebte noch die erste Hälfte der Regierungszeit des Kalifen Osman (644-656 A.D.). Er hatte nichts, keine weltlichen Besitztümer; er hatte nur das Recht, zum Guten zu mahnen und vom Bösen abzuraten, als damals andere Männer Unmassen von Gold besaßen und vom Kalifen Osman mit bis zu einhunderttausend Dinaren oder Dirham belohnt wurden, um damit Herden von Schafen und Pferden, zahlreiche Sklaven und Sklavinnen zu erwerben.

Gefährten des Propheten Muhammad (s.)

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Kalif Osman strengte sich sehr an, den Mann mit der scharfen Zunge, nämlich Abu Dharr, zum Schweigen zu bringen, der ihm schädlicher war als hunderte Schwerter. Er verbannte Abu Dharr nach Damaskus, ließ ihn schlagen und foltern, aber alles erwies sich als wirkungslos. Kalif Osman gab seinem Sklaven einen Geldsack und versprach, er werde ihm die Freiheit schenken, wenn er Abu Dharr überrede, den Geldsack anzunehmen. Der redegewandte Sklave traf Abu Dharr, aber trotz aller Anstrengungen konnte er ihm den Geldsack nicht aufdrängen. Abu Dharr fragte sich, wessen Geld es wäre und warum es ihm aufgedrängt werden solle; und er fragte den Sklaven: "Falls das mein Anteil am staatlichen Zakat ist, was du mir anbietest, was machst du mit den Zakat-Anteilen anderer? Zahlst du ihnen e-benfalls ihre Zakat-Anteile aus? Wenn nicht, warum zahlst du mir alleine den Zakat-Anteil aus?" Der Sklave merkte, dass er ihn nicht überreden konnte, und nun wollte er die religiösen Gefühle Abu Dharrs ansprechen. Er fragte: "Willst du nicht, dass ein Sklave die Freiheit erhält?" Abu Dharr erwiderte: "Ja, das möchte ich auch." Da sagte der Sklave: "Ich bin Osmans Sklave, und er hat mir versprochen, mir die Freiheit zu schenken, wenn du dieses Geld annimmst. Daher, nimm es bitte um meinetwillen." Abu Dharr antwortete daraufhin: "Ich wollte sehr gerne, dass du frei wirst. Aber wenn ich das Geld annehme, so gewinnst du deine Freiheit, aber ich werde ein Sklave in den Händen Osmans. "

Wir (Muslims) glauben, dass schon vor Ali das Leben des Heiligen Propheten Mohammed (s.) ebenfalls die von Marx niedergelegten Prinzipien zerstört hat. Der Prophet Mohammed (s.) blieb der gleiche von den ersten Tagen seiner Berufung über die Zeit bei der Schlucht zu Abu Talib8 bis zur Zeit seines Todes. In die Schlucht zu Abu Ta-lib waren der Prophet und einige seiner Gefährten verbannt - ohne Nahrung, Wasser und andere Lebensnotwendigkeiten. Die Bedingungen der Verbannten waren so verzweifelt, dass einige heimliche Muslims der Stadt Mekka heimliche Kontakte zu ihnen aufbauten, besonders zu Ali, und im Dunkel der Nacht schmuggelten sie ein

8 Nach dem Onkel des Propheten benannt Schlucht, die unter seinem Schutz stand.

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kleines Nahrungspaket hinein, womit die Verbannten nun den Hunger mildern konnten.

Der Prophet lebte unter solchen Bedingungen in der Schlucht zu Abu Talib. Aber im zehnten Jahr der Auswanderung (Hidschrah) schätzten ihn die damaligen Supermächte (römisch-byzantinisches Reich und persisches Reich) hoch ein und fürchteten ihn gleichzeitig. Nicht nur die Arabische Halbinsel war unter seinem Einfluss, sondern er hatte auch eine unvergleichliche Macht erworben, dass die Politiker der Supermächte damals die unmittelbar bevorstehende Expansion von der Arabischen Halbinsel aus und die Niederlage der beiden Supermächte voraussagten. Jedoch, als Sieger damals verhielt sich der Prophet Mohammed (s.) kein Stück anders, als in jeder Zeit als er in der Schlucht zu Abu Talib verbannt war.

Einstmals ging ein Beduinen-Araber zum Heiligen Propheten und verlangte etwas von ihm. Als er dem Propheten näher kam, zitterte er, da er von der erhabenen Persönlichkeit des Propheten gehörte hatte. Der Prophet wurde besorgt und fragte ihn, warum er so ängstlich sei. Dann umarmte er vertraut den Mann und sagte ihm: "Sei mutig und tapfer ! Vor was hast du Angst? Ich bin kein Despot. Ich bin der Sohn einer Frau, die mit eigenen Händen das Lamm zu melken pflegte. Ich bin wie dein eigener Bruder. So sage mir, was dein unruhiges Herz haben will . "

Aufgrund solch eines Benehmens sagen wir, dass sich der Prophet nicht erlaubte, irgendwie von der Macht beeinflusst zu sein oder von der Autorität oder von dem großen Reich oder von den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Solche Beispiele können (dennoch) nicht den spirituellen Zustand des Propheten oder Alis hinreichend beschreiben; ihr Status war in der Tat zu erhaben: Wir sollten uns das Leben solcher Männer wie Salman Farsi, Abu Dharr, Ammar, Uwais Qarawi und hunderte ihresgleichen betrachten, oder wir sollten die Biografien der Männer der jüngsten Vergangenheit studieren, wie Scheich Ansari, der die höchste Autorität in allen Zweigen des Wissens erlangte. Als armer Sucher nach Wissen betrat er die Theologi-

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sche Schule Nadschaf (im Irak), und als er starb war er genauso arm. Die Leute schauten auf sein Haus, seine Möbel, und sie sagten, er lebe ja wie ein Bettler. Jemand sagte ihm: "Hoher Herr! Du verrichtest ein wunderbares Werk, indem du all diese Fonds (islamische Steuern), die dir zufließen, nicht anrührst." Scheich Ansari fragte: "Was ist wunderbar daran?" Der Mann bohrte weiter: "Wunderbar ! Gibt es irgendetwas bedeutender als dies?" Scheich Ansari erwiderte: "Mein Werk ist höchstens wie die Arbeit eines Eselstreibers von Kaschan, der bezahlt wird, um Waren in Isfahan einzukaufen und nach Kaschan zu transportieren. Hast du jemals gesehen, dass diese Männer Betrug und Täuscherei am Eigentum der Leute begehen? Die Eselstreiber sind vertrauenswürdig, und sie sind gegen Betrug gefeit. Mein Werk ist keine so wichtige Sache, wie dir dünkt. "So sehen wir, dass seine "religiöse Autorität" dem Geiste diese großartigen Mannes nicht gestattete, von Machtstolz oder von der Meinung anderer überwältigt zu werden.

Folglich, die Studie der Biografie einiger besonderer Individuen enthält die Tatsache, dass der Mensch eine klare und unwandelbare Haltung und Logik unter weit verschiedenen Umständen haben kann, und dies lässt sich leicht beweisen. Marx's Studien zu Typen ähnlich wie Marwan-ul-Hakam, Osman, Zubair und Talha sind zweifelsohne unvollständig und irreführend. Hätte er das Leben einiger edler Persönlichkeiten studiert, hätte er nicht solch ein irrsinniges Prinzip aufgestellt, noch wäre er zu falschen Schlüssen gekommen.

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Theoretische Logik

In der theoretischen Logik beschäftigen wir uns mit der vernünftigen Erörterung (Beweisführung) und mit Dichtkunst. Beweisführung wird in der Mathematik benutzt, um eine Theorie zu beweisen oder aufzustellen. Andererseits, vernünftige theoretische Hypothesen müssen akzeptiert werden, und es muss ihnen anstandslos gefolgt werden. Beispielweise wird einem Studenten der Mathematik gelehrt, dass die totale Summe der Winkel eines Dreiecks 180 Grad beträgt, und sie ist niemals kleiner oder größer. Dann werden Gründe dafür ausgesagt. Nun könnte ein Mathematiklehrer so frei und selbstherrlich sein, um (durch eigene Gründe) zu beweisen, dass diese Totalsumme zuweilen 170 Grad beträgt und andere Male 120 Grad oder 200 Grad? Nein, solch eine Macht hat er nicht. Selbst Einstein würde von einem kleinen Studenten kritisiert werden, wenn er so etwas beweisen wollte. Einstein würde in der Tat gegen Vernunft und Logik handeln und niemand würde dies gerne annehmen.

Über Dichtkunst

Dichtkunst ist weich wie Wachs, und so steht sie leicht dem Menschen und dem Dichter zur Verfügung. Er kann ein Gleichnis, eine Metapher, eine Imagination usw. anwenden, wie er es wünscht - ein Gedicht ist ohne Logik und Beweisführung. Wird der Dichter aufgefordert, etwas zu bejubeln, so macht er das. Aber er kann die gleiche Sache verdammen und kritisieren, wenn er darum gebeten wird.

Beispielsweise war Fardusi (der große persische Epos-Dichter) eines Tages mit Sultan Mahmud rundum zufrieden, und so überschüttete er ihn mit Lobhudeleien und er schrieb: "Mahmud, der Halter der Welt und der große König. " Am anderen Tag fühlte er sich aber von Mahmud beleidigt und er tadelte den Schah auf diese Weise: "Wäre eine wahre Prinzessin die Mutter des Königs, hätte er mir viel mehr Gold und Silber geschenkt."

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Dichtkunst kann so manipuliert werden, wie es dem Dichter beliebt. Wird ein Dichter gebeten, das Reisen zu rühmen, kann er schreiben:

"Es wäre sehr gut zu reisen.

Unbewegt zu sein, ist absurd, sage ich.

Könnte der Baum sich auch bewegen,

fände er Axt und Säge erfreulich. "

Andererseits, falls er gebeten wird, die feste Bleibe zu loben, könnte er schreiben:

"Der Berg ist fest gegründet

und so ist er groß und schwer.

Der Wind umher wandert

und sein Gewicht ist leer."

Es ist daher offensichtlich, dass Poesie auf Imagination gründet, die in sich selbst bedeutungslos ist. Sie ist jedoch wirksam zu allen Zeiten.

Es wird erzählt, dass ein König einen Feind hatte, den er einfangen wollte. Das gelang ihm, und schließlich henkte er ihn. Ein Poet, der ein Schüler des Gehenkten war, der weiterhin am Galgen hing, ver-fasste eine Lobrede auf ihn und verteilte sie heimlich im Volke. Natürlich kamen später die Leute dahinter, wer der Verfasser war. Eine Zeile des Gedichtes lautet: "Bei meiner Religion, dies ist offenkundig und richtig, da er im Leben und im Tode zur Höhe emporstieg." Der König hörte dieses Gedicht und er bemerkte, dass er auch gehenkt werden möchte, um so gelobt zu werden.

Hinsichtlich des praktischen Wissens sind einige Leute fest, standhaft, entschlossen und aufrichtig. In der Tat, die Prinzipien und Regeln, denen sie anhängen, sind eindeutig und klar und ihre Anhänglichkeit ist so standfest, dass niemand sie im geringsten schwächen kann. Diese Leute können durch Gewalt, Köderung, soziale und öko-

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nomische Umstände und Klassenstatus keineswegs beeinflusst werden. Dies ist wegen der Tatsache, dass feste und fundamentale Prinzipien wie logische und mathematische Prinzipien sind; sie sind dem Neigungen des Menschen und seinen Gefühlen nicht unterworfen. Der Heilige Prophet Mohammed (s.), Ali, Imam Husayn und selbst ihre Anhänger, wie Salman Farsi, Abu Dharr, Miqdad, Scheich Mur-tadha Ansari und dergleichen waren alle Männer dieser Kategorie. Aber im Gegensatz dazu sind die Prinzipien einiger Leute im Leben wie jene eines Poeten, und sie gestatten den Gedanken, von Geld und Verlockung beeinflusst zu werden. Sie verändern sich beständig, denn es fehlen ihnen feste und grundsätzliche Prinzipien.

Islam - eine Religion gegründet auf praktischer Logik

Ein sehr wichtiger Punkt, der, während das Verhalten des Propheten diskutiert wird, nicht vernachlässigt werden darf, ist, dass der Islam eine Denkschule ist, die auf praktischer Logik gründet.

Das Menschenwesen besitzt eine Struktur und eine ursprüngliche Natur, wodurch es einer festen und unveränderlichen Logik folgt und anhangt und wodurch es einen standhaften und unentwegten Status in der praktischen Logik gewinnt; und niemals wird es dann von irgendeiner Gewalt oder Macht beeinflusst. Deswegen schildert Imam Ali (a.) den Gläubigen als einen standhaften Berg, der von schweren Stürmen nicht bewegt und weggeschoben werden kann, wie Abstürze und Unbilligkeiten, die zuweilen im Leben des Menschen vorherrschen und auch Wohlstand und Herzensfrieden, worüber der Qur'an sich äußert:

Und unter den Menschen ist manch einer, der Allah halbherzig verehren. Wenn ihn Gutes trifft, so ist er damit zufrieden; trifft ihn aber eine Prüfung, dann kehrt er zu seinem (früheren) Weg zurück. Er

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verliert diese Welt so gut wie die künftige. Das ist ein offenbarer Verlust.

(Heiliger Qur'an, Sure 22, Vers 11)

Imam und Kalif Ali gibt im Nahdsch-ul-Balagha eine schöne Beschreibung des Wortes "Genügsamkeit"; er sagt:

Genügsamkeit wird in zwei Aussagen des Qur'an ausgedrückt: "... damit ihr euch nicht zu sehr über die Güter betrübt, welche euch entgehen, und euch nicht zu sehr freut über jene, die euch zuteil werden. "

"Suchd" (Genügsamkeit) ist ein Zustand der Seele und kann nicht durch bloße scheinheilige Taten erreicht werden. Der wahre "genügsame" Mensch ist tatsächlich derjenige, der weder sorgenvoll ist, wenn die Welt sich ihm verweigert, noch wird er narrenhaft fröhlich, sollte ihn die Welt mit Gunsterweisen überschütten. In der Tat, er ist derjenige, der in beiden Situationen der gleiche bleibt und seine spirituelle Ausdauer und Standhaftigkeit nicht verliert.

Imam Alis Definition von "Suchd" (Genügsamkeit) geht über die Begriffe von Marx und Hegel hinaus, die das Gegenteil glauben und die jene Tatsache ablehnen, dass Ali sagte, die Menschenwesen können solch einen erhabenen Zustand erringen, dass sie unbeeinflussbar von Klasseninteressen wären. Die Schule des Islam gründet auf diese eigentliche Realität. Der Humanismus des Islam und des wahren Muslim legt die Basis für Menschenwesen, die genügsam bleiben in der Weise, die Imam Ali (a.) beschrieben hat.

Wie in der praktischen Logik wurden in der theoretischen Logik einige Methoden gründlich abgeschafft. Beispielsweise ist in der theoretischen Logik das Glauben an die Aussagen anderer Leute, sogar der religiösen Gelehrten, bei wissenschaftlichen Angelegenheiten verboten. Auch in der praktischen Logik wird dieses Prinzip beobachtet, und auch der Islam stützt das. Beispielsweise enthüllen ein gründliches Studium des praktischen Verhaltens des Heiligen Pro-

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pheten Mohammed (s.), des Imam Ali (a.) und anderer Imame, und eine tiefe Erwägung der Bücher, die über sie von Schiiten und Sunniten geschrieben wurden, die Tatsache, dass sie niemals Methoden gebrauchten, um "günstige Tage" und "ungünstige Tage" auszumachen. In Nahdsch-ul-Balagha (Gedanken und Worte Imam Alis) wird erzählt:

Imam Ali (a.) entschloss sich, zum Kampf gegen die rebellischen Kharidschiten auszurücken; Acha'ath Bin Qais, der damals einer seiner Gefährten war, trat an ihn heran und sagte: "O Fürst der Gläubigen ! Ich bin Astrologe und ein Experte, um günstige und ungünstige Tage herauszufinden. Ich kam zu diesem Schluss, dass bei einem jetzigen Vorstoß du und eine große Schar deiner Gefährten am Ende besiegt und getötet werden." Imam Ali (a.) erwiderte: „Wer immer die unsinnige Voraussage des Astrologen glaubt, verleugnet tatsächlich die Worte des Heiligen Propheten Mohammed. " Imam Ali befahl dann seinen Gefährten sofort den Angriff im Namen Gottes und im Gottvertrauen, und auf den Astrologen solle gar nicht geachtet werden. Später zeigte sich, dass Ali seinen größten Sieg im Krieg gegen die Kharidschiten errang.

Abdul Malik Bin A'ayun, ein Bruder Suraris, war ein Gelehrter und ein berühmter Erzähler in seiner Zeit. Er hatte Astrologie studiert und praktizierte sie auch. Aber schrittweise fühlte er, dass sein astrologisches Wissen zum Unfug für ihn wurde, denn jeden Tag, wenn er sein Haus verlassen wollte, wurde er durch die Anordnung der Gestirne gestoppt, und er wurde in Zweifel gestürzt, ob er den Ausgang beginnen solle oder nicht. Er ging dann doch zum Imam Sadiq (a.) und bemerkte: "O Nachkomme des Gesandten Gottes ! Die Astrologie macht mir Kummer. Ich habe einige astrologische Bücher und ich fühle, dass ich erst dann eine Entscheidung treffen kann, wenn ich die Bücher befrage." Imam Sadiq war verwundert und fragte: "Praktizierst du wirklich diese Dinge?" Der Mann erwiderte: "Ja, o Nachkomme des Gesandten Gottes." Da riet der Imam, schnellstens nach Hause zu gehen und all solche Bücher zu verbrennen, und er solle danach alles über Astrologie vergessen.

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Im Überblick betrachtet gibt es, zusätzlich zu einer Reihe von Überlieferungen (Hadithen), ein paar Leute, welche die in der qur'anischen Sure (41:16) erwähnten "unglücklichen Tage" erklären wollen. Eine Untersuchung all dieser Hadithe durch die schiitischen Imame macht es klar, dass die Astrologie (Horoskopstellerei) das Menschenleben nicht im Ernst beeinflussen kann, und die Astrologie kann durch Vertrauen in Gott und im Bekenntnis zum Heiligen Propheten Mohammed (s.) und den zwölf schiitischen Imamen ignoriert werden.

Demgemäß beachtet ein Muslim und wahrer Schiit diese Dinge nicht in der Praxis, und wenn er beispielsweise reisen will, gibt er etwas als Almosen, vertraut in Gott in seinem Bekenntnis zum Propheten Mohammed (s.) und in die zwölf Imame, und dann beginnt er seine Reise. Überdies achten diejenige, die von Astrologie daherreden, selber nicht auf sie, soweit es ihre praktische Logik und Haltung betrifft.

Es gibt einen gutbekannten und weitverbreiteten Aberglauben in Ira-nisch-Khorasan und insbesondere in der Stadt Fariman (Motahharis Heimatstadt), und der Autor bemerkte diesen Aberglauben auch in anderen Städten: Wenn jemand eine Reise machen will und ein Sayyid (ein Nachkomme Fatimas und Imam Alis) kreuzt seinen Weg, so sollte er das als ein schlechtes Vorzeichen ansehen, denn er würde niemals von dieser beabsichtigten Reise zurückkehren. Im Gegensatz dazu, trifft er einen Fremdling, wird seine Reise angeblich günstig und lohnenswert sein.

Unser geehrter Professor, der verstorbene Mirsa Ali Aqae Schirasi, entdeckte den Ursprung dieses Aberglaubens und sagte, dieser sei wegen der Verbrechen, Drohungen und Unterdrückung durch die Abbasiden entstanden, wodurch die Sadat-Leute9 getötet wurden und sogar ganze Familien, die ihnen Unterschlupf gaben. Daher glaubten

9 Gemeint sind die gesegneten Leute, die Nachkommen des Propheten (s.)

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die Leute allmählich, dass die Sayyids politisch ungünstig seien, obwohl sie in Realität überhaupt nicht ungünstig waren. Da jedes Haus, wo ein Sayyid wohnte, niedergerissen werden musste, verwurzelte sich im Laufe der Zeit in den Köpfen der Leute tief dieser Aberglaube zu einem innerlichen bösen Vorzeichen.

Einstmals begegnete ich selber10 zweimal oder dreimal dieser Situation. Ich wollte von Fariman nach Qum reisen. Meine Mutter (Gott habe sie selig), meine Schwestern, die anderen Weiblichen der Familie und einige Freunde wollten mich verabschieden. Ich bestieg hurtig ein Pferd, um die zwölf Kilometer vom Dorf nach Fariman zu reiten, und dort wollte ich einen Bus zur Weiterreise nehmen. Ich hatte gerade das Pferd bestiegen, da sah ich einen Sayyid auf mich zukommen. Ich betete zu Gott, denn wenn die Frauen das bemerkt hätten, so hätten sie mich nicht wegreiten lassen. Der Sayyid trat an mich heran und wollte wissen, ob ich von Fariman direkt nach Qum reisen würde oder nochmals ins Dorf zurückkommen würde. Er fragte: "Hoher Herr ! So Gott will, wirst du nicht zurückkommen?" Meine Antwort war: "Nein ! So Gott will, ich werde nicht. " Die Frauen jedoch hörten unser Gespräch nicht, andernfalls hätten sie mich nicht wegreiten lassen. Um zum Ende der Geschichte zu kommen: Ich reiste nach Qum ab und nach einer bestimmten Zeitspanne kehrte ich wieder zurück, ohne irgendeine Misslichkeit oder Härte gehabt zu haben.

Ein Muslim sollte daher nicht auf solche abergläubigen Vorstellungen achten. Im Gegenteil sollte er durch Gottvertrauen sie aus seinem Gemüt wegwischen.

Relativität der Moral

"Relativität der Moral" oder Relativität der moralischen Werte ist ein weltweites Problem unseres Zeitalters. Die Menschen sind sich nicht

10 Motahhari

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einig, was das Gute und das Böse ist, und daraus sind viele irreführende Lehren entstanden. Das tatsächliche Ziel ist, allgemeine humane Standards für das Gute und das Böse zu begründen, das heißt: Wie sollte man sich zum Guten verhalten? Dieses Problem ist heutzutage weitverbreiteten Widersprüchen unterworfen, und daher ist es notwendig, das Problem zu diskutieren.

Einige Leute glauben, die Moralität und die Standards des Guten und des Bösen seien relativ. Mit anderen Worten, sie behaupten, dass Menschlichsein etwas Relatives wäre, und das bedeutet, dass die menschlichen Standards sich je nach Zeit und Ort verändern müssen. Das impliziert, dass etwas, das moralisch gut zu einer gewissen Zeit und unter gewissen Umständen ist, zu anderen Zeiten und unter anderen Bedingungen als unmoralisch betrachtet werden kann. Das ist es, was sie unter "Relativität der Moral" meinen.

Es muss hier bemerkt werden, dass Grundprinzipien der Moralität und Urstandards der Menschlichkeit überhaupt nicht relativ sind, aber zweitrangige Standards und Prinzipien sind es. Wir können diese Wirklichkeit auch im Islam beobachten. Soweit das praktische Verhalten des Propheten Mohammed (s.) betroffen ist, gab es einige Prinzipien, die er unter jeglichen Umständen als verboten und ungültig betrachtete. Auch unsere zwölf Imame wandten niemals solche Prinzipien an, denn der Islam hat sie grundsätzlich für alle Zeiten, alle Plätze und alle Umstände verboten.

Anders als unsere sunnitischen Glaubensbrüder sind wir schiitischen Muslime mit einer Schatzkammer ausgestattet. Die sunnitischen Glaubensbrüder haben eine 23-jährige Zeitspanne des Heiligen Propheten nach seiner Berufung, die großteils lehrhaft ist, soweit sein praktisches Verhalten unter verschiedenen Umständen betroffen ist, aber die Schiiten haben zusätzlich eine Zeitspanne von 250 Jahren Unfehlbarkeit der zwölf Imame, was bedeutsam ist, weil überliefert ist, wie die zwölf Imame unter verschiedenen Umständen lebten, und eine tiefschürfende Studie über die zwölf Imame kann uns richtige Methoden und Einsichten liefern, die wir bei unseren täglichen Le-

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benssituationen anwenden können. Diese Wirklichkeit unterscheidet uns von anderen muslimischen Glaubensbrüdern, die nur auf die erste Zeitspanne von 23 Jahren bauen und glauben, der Heilige Prophet (s.) wäre die einzige unbefleckte Persönlichkeit gewesen.

Der sechste schiitische Imam Sadiq (a.) beispielsweise, lebte in der abbasidischen Periode, und was dort passierte, ist dem Heiligen Propheten Mohammed (s.) niemals zugestoßen. So sind wir diesbezüglich reicher, als unsere muslimischen Glaubensbrüder, denn die einmütige Ablehnung gewisser Prinzipien durch den Propheten wie auch durch unsere zwölf Imame unter allen Umständen kann uns zur Tatsache führen, dass sie dem Prinzip der Relativität der Moral nicht unterworfen sind.

Die Vertreter der "Relativität der Moral" mögen darauf hingewiesen werden, dass Verrat eines der Prinzipien der Standards ist, welches die Leute bei ihren gegenseitigen Geschäften anwenden könnten. Die Mehrheit der Politiker der Welt gebraucht Verrat, um ihre Ziele zu erreichen. Einige gründen all ihre Politik darauf, und andere gebrauchen Verrat bei gewissen Gelegenheiten. Sie glauben, dass Moralität in der Politik bedeutungslos ist und daher nicht wert ist, in Erwägung gezogen zu werden. Ein Politiker mag versprechen, schwören oder ein Abkommen unterzeichnen, um dieses oder jenes zu tun oder nicht zu tun, aber er nur solange bleibt loyal dazu, solange sie ihm nützen, aber sobald sie sich als schädlich für seine Interessen erweisen, wird er aller Wahrscheinlichkeit nach seine Versprechungen nicht achten. In seinem Buche "Der Zweite Weltkrieg" erwähnt Winston Churchill den Angriff der Alliierten auf den Iran und sagt, dass sie mit dem Iran übereingekommen waren, weshalb sie den Iran nicht hätten angreifen sollen. Aber, so fügt er hinzu, solche Übereinkünfte können nur in einem kleinen Maßstab getroffen werden, beispielsweise zwischen zwei Personen. Aber in der Politik, wenn Nutzen und Schicksale einer Nation betroffen sind, verliere die Übereinkunft ihre Bedeutung. Weiterhin behauptet er, dass er die Interessen Großbritanniens deswegen nicht ignorieren konnte, auch wenn die Verlet-

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zung eines Abkommens mit einem anderen Staat unmoralisch und gegen die Prinzipien der Humanität sei.

Auch Muawiya gründete seine Herrschaft auf die gleiche Politik des Verrats. Imam Ali (a.) dagegen wollte solch eine Politik nicht betreiben, selbst als es um sein eigenes Kalifat ging; und so zeigte er eine der Eigenschaften, die ihn von allen Politikern der Welt unterscheidet. Imam Ali (a.) war der Hüter wahrer und korrekter Prinzipien. er glaubte, dass die Hut humaner Prinzipien, Wehrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Treue die Philosophie hinter seinem Kalifat begründe. Wie konnte er dann diese Prinzipien opfern, um das Kalifat festhalten zu können? In der Tat, nicht allein, dass er selber solch einer Philosophie folgte, sondern klar notierte er sie in seinem erlauchten Brief an Malik al-Aschtar, seinem Statthalter in Ägypten und er formulierte: Wenn du ein Abkommen zwischen dir und deinem Feinde schließest, oder wenn du ihm etwas eidlich versprichst, dann erfülle deine Zustimmung und halte dein Versprechen treu ... Allah garantiert Abkommen und eidliche Versprechen als ein Zeichen der Sicherheit... (Quelle: Asch-Scharif Ar- Rasi: Nahdsch-ul-Balagha Alis, p. 542, Qum: Institut für islamische Studien, 1975).

Nun fragen wir die Advokaten der absoluten "Relativität der Moral", ob sie glauben, dass ein Führer diesem Prinzip selbst hinsichtlich Verrat folgen sollte, das heißt: verräterisch wie auch ehrlich, je nachdem, wie es Zeit und Ort erforderlich machen? Nein, dieses Prinzip ist absolut falsch.

Überschreitung (Verstoß)

Das bedeutet, dass man nicht über die eigenen rechtmäßigen Grenzen gehen sollte, selbst wenn es sich um Feinde handelt. Gibt es irgendeine Grenze, die beachtet werden muss, wenn man gegen Ungläubige antritt? Ja ! Der Heilige Qur'an sagt:

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Und kämpfet für Allahs Pfad gegen jene, die Euch bekämpfen, doch überschreitet das Maß nicht. Allah liebt nicht die Maßlosen. (HEILIGEN Qur'an, Sure 2, Vers 190)

Mohammed (s.), der Heilige Prophet des Islam und Ali (a.), der I-mam und Kalif der Gläubigen, rieten immer ihren Gefährten, die verletzten Feinde nicht zu töten, auch nicht die Frauen, Kinder, Alten, Waffenunfähigen und Behinderten, und es sollte ihnen Wasser gegeben werden; selbst hinsichtlich der koreischitischen11 Ungläubigen, die nicht nur dem Propheten spinnefeind waren, sondern ihn auch zwanzig Jahre lang bekämpften, ihm jeden Stein in den Weg legten, des Propheten Kinder und Verwandte töteten, ihn und seine getreuen Gefährten folterten - so sehr sie nur konnten, solange der Prophet in Mekka weilte (vor seiner Flucht nach Medina); und sie verletzten seine Zähne und seine Stirne; aber der Heilige Prophet verhielt sich gerecht und mäßig gegen jene, die nach der Eroberung Mekkas noch lebten, als die Muslime die absolute Macht über ihre Feinde hatten. Die Muslime behandelten die Feinde nach dem folgenden Vers der Sure Al-Maidah (und sie ist die letzte Sure, die dem Heiligen Propheten gerade nach der Eroberung Mekkas offenbart wurde):

O die Ihr glaubt! Seid verantwortlich in Allahs Sache, bezeugend in Gerechtigkeit. Und die Feindseligkeit eines Volkes soll euch nicht verleiten, anders als gerecht zu handeln. Seid gerecht, das ist näher der Gottesehrfurcht. Und fürchtet Allah; wahrlich Allah ist kundig eures Tuns. (Heiliger Qur'an, Sure 5, Vers 8)

Ist es nun tatsächlich erlaubt, in gewissen Situationen die eigenen Grenzen zu überschreiten? Niemals ! Jede Angelegenheit ist an gewisse Maßstäbe und Schranken gebunden, die nicht überschritten werden sollten. Warum überhaupt bekämpft der Mensch seine Fein-

11 Stamm in Mekka, dem der Prophet entstammt und die dem Islam gegenüber sehr feindlich gesonnen waren.

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de? Wenn er das tut, um seine Komplexe und Hindernisse loszuwerden, wird es mit dem Islam nicht verträglich sein. Wenn er kämpft, um für die Menschlichkeit ein Hindernis aus dem Wege zu räumen, sollte er das Kämpfen beenden, wenn er sein Ziel erreicht hat, damit er seine Grenzen nicht überschreitet.

Wenn den Tyrannen gehorcht wird

Wenn man die Sympathie des Feindes sucht, indem man sich der Tyrannei und Grausamkeit unterwirft, so ist das ein falsches Prinzip, dem der Heilige Prophet Mohammed (s.) und die zwölf Imame niemals im Leben gefolgt sind. Dieses Prinzip und die anderen obigen falschen Prinzipien werden vom Propheten (s.) und von den zwölf Imamen abgelehnt.

Anerkannte und zu befolgende Prinzipien

Er gibt gewisse Prinzipien, denen der Heilige Prophet Mohammed (s.) und die zwölf Imame immer anhingen, auch in einer relativen Weise. Der Grad der Relativität dieser Prinzipien wird unten diskutiert werden.

Es gibt zwei Prinzipien (im Islam), nämlich "das Prinzip, Macht zu haben" und "das Prinzip, Macht zu gebrauchen". Das erste impliziert, dass die Muslime Macht haben müssen, um Feinde abzuwehren und deren Angriffe zu vereiteln und sie nicht unvernünftigerweise anzugreifen. Der Heilige Qur'an sagt diesbezüglich:

Rüstet euch mit Macht gegen sie, so gut, wie ihr nur könnt und mit einer Reiterschar, um damit in Schrecken zu versetzten die Feinde Allahs und eure Feinden und noch andere außer diesen, die ihr nicht kennt; Allah kennt sie.

(Heiliger Qur'an, Sure 8, Vers 60)

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"In Schrecken zu versetzten" (turhibun) impliziert hier die Macht, dass die Feinde aufhören, muslimische Länder anzugreifen. Dies ist ein absolutes Prinzip, kein relatives, an das man denken sollte und das man jederzeit befolgen sollte, solange es Feinde gibt.

Das andere Prinzip, "das Prinzip, Macht zu gebrauchen" , differiert vom ersteren. Ja, der Islam hält es für relativ gestattet und der Heilige Prophet wendet es auf der gleichen Basis bei spezifischen Angelegenheiten an: bleibt nichts anderes übrig, um den Feind zurückzuschlagen, so muss zu Gewalt und Kraft gegriffen werden.

Im Nahdsch-ul-Balagha bezieht sich Imam und Kalif Ali auf einige kennzeichnende Eigenschaften und im Ganzen auf das praktische Verhalten des Heiligen Propheten und er sagt:

Der Prophet war wie ein wandernder Arzt, der seine Salben zubereitete und seine Instrumente erhitzte. Er gebrauchte sie, wann immer das Bedürfnis entstand, blinde Herzen, taube Ohren und stumme Zungen zu heilen. Er folgte mit seiner Medizin dem Feld der Nachlässigkeit und den Orten der Verwirrung. Die Leute nahmen kein Licht von den Lichtern seiner Weisheit, noch verschafften sie sich eine Flamme vom Funkenflug seines Wissens. So waren sie in dieser Angelegenheit wie grasendes Rindvieh und wie harte Steine.

Wiederum lesen wir im Nahdsch-ul-Balagha:

Jene, die nicht Sünden begehen und mit Sicherheit (vor Sünde) ausgestattet sind, sollten Mitleid haben mit den Sündern und den Ungehorsamen. Dankbarkeit sollte großteils ihre Nachsicht sein und sollte sie davon abhalten, bei anderen Fehler zu finden. Was ist der Verleumder, der seinen Bruder tadelt und Fehler bei ihm findet?

Selbstverständlich sollte ein Kranker, der Sympathie verdient, nicht grob behandelt werden oder sich selbst überlassen werden, sondern er sollte stattdessen gepflegt und geheilt werden. Der Heilige Prophet

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des Islam handelte wie ein Arzt, der Patienten heilt. Ärzte teilen sich grundsätzlich in zwei Kategorien: Eie einen haben ein festes und dauerndes Amtsgebäude und heilen jene Patienten, die zu ihnen hinkommen, und diese Ärzte kümmern sich nicht um andere; und die Ärzte der zweiten Kategorie reisen herum und sie sind nicht damit zufrieden, nur Leute zu behandeln, die zu ihnen kommen. Sie selber gehen zu allen Patienten innerhalb ihres Aktionsradius. Imam Ali (a.) sagt, der Heilige Prophet Mohammed (s.) habe zur Klasse der Wanderärzte gehört. Der Prophet besuchte in seinem ganzen Leben die moralisch und geistig Kranken. Zu diesem Zweck reiste er sogar nach Ta'if (südöstlich von Mekka). Er pflegte zur heiligen Moschee in Mekka zu gehen, den Qur'an zu rezitieren und dadurch die Leute zum Islam zu rufen. Während der verbotenen Monate, wenn den A-rabern verboten war, sich gegenseitig zu bekriegen, kamen die arabischen Stämme nach Mekka, um die Wallfahrtszeremonien gemäß ihrer eigenen Riten zu vollführen, besonders wenn sie sich am Berge Arafat versammelten. Der Heilige Prophet fühlte sich dann sicher und nutzte die Gelegenheit, zu den Leuten zu predigen. Abu Lahab, einer der Onkel des Propheten, war ein Ungläubiger, und er forderte immer die Leute auf, "seinem verrückten und lügenden Neffen" nicht zuzuhören. Aber der Prophet dachte trotz solch gemeiner Kränkungen an seine Verantwortung.

Es wird erzählt, dass einstens Jesus Christus gesehen wurde, wie er das Haus einer Hure verließ. Seine Jünger waren ganz überrascht und fragten: "O Geist Gottes ! Was hast du an solch einem Ort gemacht? " Er antwortete: "Ein Arzt besucht seinen Patienten. "

Solch Ärzte trugen immer die Salben, die Scheren, die Pinzetten mit sich. Die Salben benutzten sie, wo immer es möglich und wirksam war, aber wenn das nichts nutzte, gebrauchten sie die Instrumente zu Operationen und Einschnitten. Tatsächlich waren diese Ärzte in einigen Situationen freundlich und milde und in anderen waren sie schmerzhaft.

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Im ganzen sollte die islamische Gemeinschaft die stärkste in der ganzen Welt sein, damit nicht Feinde die Interessen, Besitztümer, Gebiete und Kulturgüter der islamischen Gemeinschaft begehen mögen. Dies ist ein absolutes Prinzip. Andererseits, die Gewaltanwendung ist ein relatives Prinzip, das zuweilen notwendig ist und zuweilen nicht.

Einfach und natürlich war der Prophet Mohammed (s.)

Einfachheit war unter den relativen Prinzipien, die der Heilige Prophet im Leben befolgte. Es wird erzählt, gestützt auf den Imam Hasan Mudschtaba (s.), diesen gestützt auf seinen Onkel mütterlicherseits, auf Hind Ibn Abi Khalid12, der sagte:

Der Gottesgesandte (s.) hatte nur wenige Sachen.

Der Heilige Prophet Mohammed (s.) erwählte tatsächlich das Prinzip „einfach und ungekünstelt (natürlich)" in allen Lebenslagen zu sein, und er wandte dieses Prinzip in allem und jedem an, wie Speise, Kleidung, Umgang mit anderen und so weiter. Er enthielt sich der Einschüchterung, zu der gewöhnlicherweise die Mächtigen greifen und die zuweilen ins Extrem geht. Als Muhammad Khan Qadschar in

12 Hind war Adoptivsohn des Heiligen Propheten (s.) und so der Halbbruder seiner geehrten Tochter Fatima-tu-Zahra. Hind gilt als Sohn der Khadidscha von ihrem früheren Ehemann Abi Khalid. Ähnlich war es bei Usama bin Zaid, dem Sohn der Zainab. Usama war natürlich jünger als Hind und wurde erst in Medina bekannt. Aber Hind war beim Propheten schon dreizehn Jahre des Prophetenamtes in Mekka (vor der Auswanderung nach Medina) und Hind erlebte die zehn Jahre des Prophetenamtes in Medina. Hind kannte daher das Leben und Verhalten des Propheten in Mekka und Medina. Imam Hasan (a.), der zweite schiitische Imam und Sohn Imam Alis (a.), befragte als Kind den Onkel Hind, ihm den Heiligen Großvater zu schildern, wie er ihn beobachtet hatte. Hind gab Auskunft, und Imam Hasan erzählte anderen genau das weiter, was er gehört hatte. Eine Aussage Hinds, die durch eine Kette von Erzähler an uns weitergereicht wurde, lautet: Der Gottesgesandte hatte nur ein paar Sachen. (Nicht zu verwechseln mit Hind, der Ehefrau Abu Sufjans).

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Kerman regierte, beging er grausame Massaker, blendete vielen die Augen, verfüllte die Untergrundkanäle (Kanale zur Bewässerung) und gab sich unerhörter Zerstörung hin - er war ein Beispiel für diesen Extremismus. Man sagt, dass einstens ein Soldat ihm hinterbrachte, ein anderer Soldat würde einen Mordkomplott gegen ihn planen. Muhammad Khan untersuchte diese Sache, und sie erwies sich als Lüge. Es wurde ihm erzählt, dass zwischen den beiden Soldaten eine Rivalität bestehe, weil beide das gleiche Mädchen heiraten wollten, und da der eine Erfolg hatte, plante der andere Rache durch solch falsche Beschuldigung.

Er sprach zu seinem Neffen Fath'ali Schah (der damals sein Kronprinz war, denn Muhammad Khan war ein Eunuch und hatte deswegen keine Kinder) und bat ihn um seine Meinung, wie geurteilt werden solle. Fath'ali Schah antwortete, es wäre ganz offensichtlich, dass der lügenhafte Soldat bestraft werden müsse. Muhammad Khan bemerkte, dass Fath'ali Schah von einem logischen Standpunkt Recht habe, aber von einem politischen Standpunkt sei seine Logik falsch. Fath'ail Schah fragte, warum denn. Muhammad Khan erwiderte: "Was die Gerechtigkeit betrifft, ist der Soldat der falschen Anklage schuldig und sollte bestraft werden. Aber es ist mehrere Tage und Nächte her, dass die Gemüter aller Involvierten (der Ankläger, der Angeklagte, die Zeugen und alle anderen) die Gedanken an meine Ermordung hegten. Mit solch einem Gedanken können diese Leute beschließen, mich tatsächlich zu ermorden. So, es ist nicht ratsam, irgendeinen von ihnen am Leben zu lassen."

Und so exekutierte Muhammad Schah alle in diese Sache Involvierte nur deswegen, weil sie ungewollt an seinen Tod gedacht hatten.

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Dschingis Khan und Timur Lenk

Auf alle Fälle erschreckten sie die Leute durch ihre prunkhafte Erscheinung, womit sie Respekt einflößten. Imam und Kalif Ali sagt im Nahdsch-ul-Balagha, dass Gott seine Propheten nicht mit solch weltlichen Pomp und Prunk ausstattete und die Propheten selber mochten auch nicht Pomp und Ruhm. Imam Ali (a.) fügt weiter hinzu, dass Moses (s.) und sein Bruder Aaron den Pharao besuchten, und sie waren ganz schlicht und einfach gekleidet, und in schlichter Weise riefen sie ihn auf, sich Gott zu unterwerfen. Imam Ali (a.) sagt:

"Als Moses, Sohn des Imran, mit seinem Bruder Aaron zum Pharao ging, trugen sie wollene Umhänge und hielten Hirtenstäbe in ihren Händen; sie garantierten dem Pharao, er könne das Land Ägypten behalten und seine Ehre würde fortdauern, wenn er sich Gott unterwerfe. Aber der Pharao sagte: , Wundert ihr (Hofleute) euch nicht, dass diese beiden Männer mir die Fortdauer meiner Ehre und das Behalten meines Landes garantieren, wiewohl sie wie arme Strolche ausschauen. Wären sie das nicht, warum haben sie keine Goldringe an ihren Handgelenken?' Der Pharao sagte das so, weil er stolz auf sein Gold und die angesammelten Güter war, und er betrachtete Wolle und Wolltuch als wertlos.

Als Allah, der Gerühmte, Seinen Propheten entsandte, wenn Er gewollt hätte, für sie Schatzkammern und Lagerstätten mit Gold aufzutun, sowie bepflanzte Gärten und darinnen die Vögel des Himmels und die Tiere der Erde eingesetzt hätte, so hätte Er es vermocht. Hätte Gott so getan, dann hätte es keine Erprobung gegeben, keine Vergeltung und keine Nachricht (über das Jenseits). Jene, welche die Botschaft Gottes annehmen, hätte nicht die Vergeltung gegeben werden können, die nach der Prüfung fällig wird, und die Gläubigen hätten nicht die Belohnung für gute Taten verdient, und all diese Worte hätten ihren Sinn nicht behalten. Aber Allah, der Gerühmte, macht Seine Propheten fest in ihrer Entschlossenheit und gibt ihnen eine augenfällige armselige Erscheinung, zusammen mit Zufrieden-

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heit, welche die Herzen und Augen mit Sorgenfreiheit erfüllt und mit Genügsamkeit ohne Habsucht. Falls die Propheten Macht (Autorität) besaßen, konnten sie nicht angegriffen werden, oder wenn sie Ehre besaßen, konnte sie nicht geschädigt werden, oder wenn sie Güter besaßen, nach denen sich die Leute die Hälse verrenkten, wäre es für die Leute sehr leicht gewesen, Lektionen zu suchen, und es wäre schwierig für sie gewesen, uneinsichtig zu sein. Die Leute hätten dann den Glauben aus Furcht angenommen oder aus Faszination und die Absicht aller Leute wäre die gleiche geblieben, wiewohl ihre Taten verschieden wären. Daher beschloss Allah, der Gerühmte, dass die Leute Seinen Propheten folgen sollten, Seine Bücher anerkennen sollten, demütig vor Seinem Antlitz bleiben sollten, Seinem Gebet gehorsam sein sollten und die Gottesknechtschaft mit Aufrichtigkeit annehmen sollten, und kein Jota von irgendetwas Anderem sollte darinnen sein; und je schwerer die Prüfung und Mühsal wären, desto größer auch sollten Belohnung und Vergeltung sein.13

Der Pharao konnte nicht verstehen, wie Moses und Aaron in ihren schäbigen Kleidern und Holzstäbe haltend von ihm verlangten, er solle sich demütig ihrem Gott unterwerfen und seine Großartigkeit aufgeben. Die beiden Männer machten Bedingungen, als ob sie ihres Sieges sicher wären. Pharao dachte: Wenn diese beiden Männer eine erfolgreiche Zukunft hätten, würden sie da nicht ein besseres Aussehen, Gold, Juwelen und prunkhaftes Auftreten haben? Gold erschien dem Pharao als Faktor der Großartigkeit, und schäbige, abgetragene Kleider erschienen ihm als Zeichen der Niedrigkeit. So dachte er, falls Moses und Aaron in Kontakt mit Gott wären, so wären den beiden Gold, Ruhm und Schätze gegeben, zehnmal mehr als er selber besaß.

Im letzten Wort bezieht sich Imam Ali (a.) auf die Philosophie hinter der Entsendung von Propheten und warum sie Gott nicht mit weltlicher Pracht ausstattet; Imam Ali (a.) drückt die Realität aus, dass

13 Quelle: Asch-Scharif Ar-Radi: Nahdsch-ul-Balagha Alis, Vol. 2, Teheran, Welt-Organisation für Islamische Dienste, 1979, pp. 406-407

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falls Gott die Propheten mit solchen Dingen ausgestattet hätte, wäre die Freiheit der Wahl aufgehoben worden, und der Glaube an Gott wäre erzwungen worden, weil Gold und Geld die Menschen geblendet hätten. Imam Ali (a.) sagt, solch ein Glaube wäre von allen Leuten angenommen worden, aber das wäre nicht der wahre gewesen. Wahrer Glaube ist nur dann, wenn er mit reiner Absicht und mit freiem Willen verbunden ist. Gott kann Propheten den Befehl über die Tiere gewähren, wie er es für Salomon (a.) tat, und sie können Vögel über ihren Häuptern herumkreisen lassen und so werden Zweifel an ihrem Prophetentum beseitigt. Aber Glaube, der aus Wundern kommt, ist zwanghaft. Solch ein Glaube ist nicht das Ergebnis intelligenter Wahl, denn wahrer Glaube wurzelt nicht in Gewalt und Zwang.

Was Wunder und Übernatürliches anbelangt, sollte gesagt werden, dass sie begehrenswert sind, soweit sie den Propheten helfen, Gründe für ihre Behauptungen zu geben. Aber darüber hinaus würde Anarchie ausbrechen, denn jedermann möchte ein Wunder zu seinem persönlichen Nutze haben, er möchte Eisen zu Gold verwandelt haben und so weiter.

Im Ganzen sollte noch einmal betont werden, dass Gott von seinen Propheten Prunk und Pracht fern hält, und sie wiederum suchen solches gar nicht. Unabhängig davon welche Macht und welcher Ein-fluss den Propheten von Gott gegeben wird, liegt sie einzig in ihrem kühnen Mut und in ihrer festen Entschlossenheit. Deswegen steht Moses (s.) mit einem einfachen Hirtenstab und Rosenkranz vor dem Pharao und spricht mit beeindruckender Fertigkeit. In der Tat, Gott gewährt seinen Propheten solche Zufriedenheit, dass ihre Augen und Herzen selbst mit wenigen Sachen gesättigt sind, und das führt zu einem schlichten und einfachen Leben, und Prunk und Pomp der Pharaonen wird in Stücke geschlagen.

Es wird in Geschichtsbüchern aufgezeichnet, dass Alexander der Große nach der Eroberung Irans und anderer Länder von den Leuten geehrt und gehuldigt wurde, außer vom berühmten Philosophen sei-

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ner Zeit, Diogenes, der von Muslims "Biuschank" genannt wird, und den Mevlana Rumi in seinem hervorragenden Dichtwerk Divan-i-Schams erwähnt:

Gestern durchsuchte der Scheich die Stadt mit einem Licht, da sie mit Dämonen vollgestopft war und humane Sicht begehrte. Es wurde ihm gesagt: "Das kann nicht gefunden werden, wir haben schon gesucht. " (Er sagte:) "Was nicht gefunden werden kann, ersehne ich Tag und Nacht."

Auf jeden Fall warfen die Leute sich huldigend vor Alexander nieder. Diogenes weigerte sich aber, so zu tun. Alexander beschloss, ihn in eigener Person zu besuchen. Er begab sich in die Einöde, begleitet von einem großen Gefolge, denn Diogenes besaß kein Haus, er lebte in einem Fass. Als sie zu Diogenes kamen, nahm er gerade ein Sonnenbad, wie man das heutzutage nennt. Sie kamen dicht an Diogenes, dass das Wiehern der Pferde und der Klang der Rassel Diogenes störte. Er stand für eine Weile auf, aber bald legte er sich wieder nieder und beachtete sie nicht. Schließlich trat Alexander heran. Diogenes erhob sich und sie wechselten ein paar Worte. Dann sagte Alexander zu ihm, ob er irgendetwas für ihn tun könne, um seine elenden Lebensbedingungen zu erleichtern. Diogenes sagte: "Ja, geh mir aus der Sonne."

Alexander kehrte zurück und die Generäle seiner Armee sprachen, welch ein Trottel doch Diogenes gewesen wäre, da er vom größten Imperator nichts verlangt habe. Aber Alexander, der vom hohen Geiste des Diogenes ernsthaft gedemütigt worden war, sprach ein Wort, das die Geschichte aufbewahrt hat; er sagte: "Wäre ich nicht Alexander, so möchte ich Diogenes sein." Die Realität jedoch ist, dass er schon als Alexander lieber Diogenes gewesen wäre.

Kurz, es ist Gottes Wille, dass die Propheten die Einfachheit und die Genügsamkeit suchen. Sie gewannen die Herzen nicht mit oberflächlichem Pomp und Ruhm, sondern vielmehr mit Schlichtheit und Einfachheit. Der Heilige Prophet des Islam (s.) verachtete weltliche Auf-

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geblasenheit und bekämpfte sie in seinem ganzen Leben. Wenn er sich beispielsweise entschloss, einen anderen Ort aufzusuchen, gestattete er seinen Gefährten nicht, als Eskorte aufzutreten. Wenn er ein Pferd ritt, so gebot er nicht den andern, ihm zu Fuß zu folgen und er bat sie , entweder voranzugehen oder, wenn möglich, gleichfalls auf einem Pferd zu reiten. Niemals gestattete er jemandem, ihm zu Fuß zu folgen, während er zu Pferde ritt, weil er das für ein ungehöriges Verhalten betrachtete. Wann immer er Treffen mit seinen Gefährten hielt, bat er sie, sich in einem Kreise niederzusetzen, so dass jeder in einer gleichen Position war. Niemals nahm er bei Sitzungen einen Ehrensitz ein; er wollte nicht, dass andere sich ihm unterlegen fühlten. Er hing immer an der Einfachheit und Schlichtheit bis zu seinem letzten Atemzuge, und ihm dünkte das als ein Führer gebieterisch.

Imam Ali (a.) verhielt sich auch so während seines Kalifats, denn der Islam verbietet den muslimischen Führern, pompös zu sein. Ihre Großartigkeit und Pracht liegt in ihrer Spiritualität und Selbstgenügsamkeit, nicht im Äußeren. Zur Zeit seiner Regierung reiste Imam und Kalif Ali einstmals nach Klesiphon (Irak) und besuchte den berühmten Palast des sassanidischen Großkönigs Anuschirvan. Dort rezitierte einer der Gefährten ein Gedicht über die Treulosigkeit der Welt - die Könige sterben dahin und lassen ihre Paläste zurück. Ali bat ihn stattdessen die Verse des Heiligen Qur'an zu rezitieren:

Wie zahlreich waren die Gärten und die Quellen, die sie zurückließen! Und die Kornfelder und die ehrenvollen Stätten! Und die Annehmlichkeiten, die sie genossen!

(Heiliger Qu'an, Sure 44, Vers 25-27)

Als Imam Ali (a.) das Grenzland Persiens betrat, begrüßte ihn eine Schar Ältester und Häuptlinge am Dorfrande, da sie von seiner Ankunft hörten, und wie es ihre Sitte war, begannen sie, vor ihm herzurennen. Ali gebot ihnen Einhalt und er fragte sie, warum sie so täten. Sie erwiderten: "Es ist bei uns Sitte, die Aristokraten in dieser Weise zu ehren, und so taten wir für dich." Imam Ali (a.) sagte: "Ihr ernied-

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rigt euch tatsächlich in dieser Weise und das nützt den Aristokraten nicht im geringsten. Ich mag solch ein Getue nicht, denn ich bin ein Menschenwesen wie ihr, und ihr seid freie Männer. warum macht ihr dieses Getue?" Wir sehen daher, wie Ali ein schlichtes und einfaches Leben führte, und er hatte nur wenige Sachen.

Es gibt eine Überlieferung (Hadith), die auch von sunnitischen Glaubensgeschwistern erzählt wird:

Omar Ibn Al-Khattab (der spätere zweite Kalif) betrat einstmals das Zimmer des Heiligen Propheten; der Prophet hatte gerade seine Frauen vor die Wahl gestellt, entweder klaglos einverstanden zu sein und ein schlichtes und einfaches Leben weiterzuführen oder die Scheidung zu erhalten. Einige der Frauen des Propheten hatten sich nämlich bei ihm beklagt, sie müssten ein sehr einfaches Leben führen, und sie baten ihn, er solle einen großen Anteil seines Beutegutes an sie herausrücken. Der Prophet sagte ihnen, dieses Leben würde bis zu seinem Ende schlicht und einfach sein, und sie müssten sich damit abfinden, andernfalls, wenn ihnen so ein Leben nicht passe, würde er sich von ihnen scheiden lassen und sie sehr gut abfinden. Einmütig sagten sie, dass sie ein schlichtes und einfaches Leben (an seiner Seite) doch bevorzugen würden. Omar erfuhr von dieser Sache und dass sich der Prophet geärgert habe, und so wollte Omar den Propheten besuchen. Er erreicht die Zimmertüre, aber ein schwarzer Diener, der als Türsteher fungierte, verweigerte ihm den Zutritt. O-mar sagte dem Mann, er solle dem Propheten sagen, Omar wäre an der Türe. Der Mann ging hinein, kam zurück und sagte, der Prophet habe kein Wort geäußert. Omar bat zum zweiten Mal um die Erlaubnis, eintreten zu dürfen und beim dritten Mal durfte er eintreten. O-mar soll berichtet haben: "Ich trat ein und sah, dass der Heilige Prophet auf einer Matte aus Palmfasern ruhte und, die Matte war das einzige Interieur. Als der Prophet mich sah, erhob er sich, und ich bemerkte die groben Eindrücke, welche die Matte auf seinem heiligen Körper hinterlassen hatte. Ich wurde besorgt und ich fragte ihn, warum er so leben müsse. Die sassanidischen Großkönige und die römischen Kaiser würden doch Gottes Wohltat und Reichtum ge-

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nießen! Warum müsse er als Prophet Gottes so ein kärgliches Leben führen. Meine Worte verärgerten den Heiligen Propheten, und stehend sagte er: , Welch Sinnloses sprichst du da? Hat sich die Welt enthüllt und dich fasziniert und deine Augen betört? Dünkt dir, der Mangel an weltlichen Gütern sei Verelendung für mich? Und meinst du, sie zu haben, sei ein Segen? Ich schwöre bei Gott, dass all solche Dinge die Muslime besitzen werden, aber auf diese (Dinge) braucht man nicht stolz zu sein!' "

Solcherart war die Lebensart des Heiligen Propheten, und als er verschied, hatte er keine weltlichen Güter (keine beweglichen Dinge!) an seine einzige Tochter, an die hohe Herrin Fatima, zu vererben, wiewohl die Elternliebe gewöhnlicherweise etwas fürs eigene Kind zurücklässt.14 Im Gegenteil, einstmals betrat der Heilige Prophet Mohammed (s.) die Hütte der Fatima, und er gewahrte, dass sie ihre Hand mit einem Silbergeschmeide geschmückt hatte und ihre Hütte mit einem wertvollen farbigen Teppich. Er ging sofort hinaus, ohne ein Wort zu sagen, obwohl er seine Tochter Fatima tief liebte. Jetzt begriff Fatima, dass ihr Vater nicht wollte, dass sie irgendetwas Ü-berflüssiges besitze. Denn damals gab es die Leute der Suffa15. So bat Fatima jemand, das Silberarmband und den Teppich zum Propheten zu bringen. Der Überbringer traf den Propheten und sagte: "O Gottesgesandter ! Deine Tochter schickt diese Sachen zu dir, damit du sie verwendest, wie du möchtest. " Der Heilige Prophet freute sich sehr und sagte: "Ich möchte gerne mein Leben für Fatima hergeben. "

14  Fatimas (a.) einziges Erbe war ein kleines Stück Land namens Fadak (siehe nächste Seiten).

15  Suffa ist der Arkadengang der Medina-Moschee und die dort lebenden Obdachlosen hatten gar nichts.

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Für die Hochzeit der Fatima wurde nur ein einziges neues Kleid gekauft, und dazu hatte sie noch das alte Kleid. In der Hochzeitsnacht klopfte eine Bettlerin an die Hüttentür und sagte: "Ich bin nackt, gibt es keinen Menschen, der mich kleidet? " Niemand wollte der Bettlerin etwas geben. Fatima, die Braut, zog ihr Hochzeitsgewand aus, legte wieder das alte Kleid an und gab das Hochzeitsgewand der Bettlerin, denn solche prächtigen Sachen bedeuteten ihr nichts.

Als sie später das Gut Fadak16 als Erbe haben wollte, so nur deshalb weil das Gut ihrem Vater gehörte und weil sie nach islamischem Erbrecht als einzige Tochter erbberechtigt war. Es ging ihr nicht um den ökonomischen Wert des Landgutes an sich. Hätte sie auf das Landgut freiwillig verzichtet, so hätte sie sich der Unrechtshandlung des ersten Kalifen Abu Bakr unterworfen, und das wäre Sünde gewesen. Das Landgut Fadak hatte tatsächlich einen Wert für Fatima, aber weniger von einem materiellen Standpunkt aus, sondern von einem gesetzlichen Standpunkt aus. Hätte das Landgut Fadak irgendeinen materiellen Wert für Fatima gehabt, so hätte sie mit dem Ertrag den Armen und Bedürftigen geholfen. Sie selbst, ihr Vater, ihr Ehemann Ali und ihre beiden Söhne (Hassan und Hussein) waren großherzig genug, um Besitztümer mehrfach wertvoller als Fadak zum Wohlgefallen Gottes (d.h. für karitative Zwecke) herzugeben.

So sehen wir, dass Fatima ebenfalls den Verhaltensweisen ihres Vaters in ihrer gesamten kurzen Lebensspanne folgte.

Teil II

16 Fadak war ein Landgut in der Oase Khaybar, das sich der Prophet nach der Eroberung (628) als persönlichen Besitz aneignete (wobei die Juden als Pächter bleiben konnten). Da der Prophet (632) keinen leiblichen Sohn hatte, war seine einzige leibliche Tochter Fatima für das Landgut erbberechtigt. Der Erste Kalif Abu Bakr, angestiftet von Omar, verweigerte die Herausgabe und machte das Landgut Fadak zu Staatsbesitz. Zur Begründung fabrizierte er eine falsche Überlieferung (Hadith), wonach kein Prophet etwas an seine Kinder vererbe, was selbst dem Heiligen Qur'an widersprach. Durch diesen Trick wurden Fatima und Imam Ali enteignet.

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ANWENDUNG DER MITTEL

Allgemeines

Eine andere Lektion, die aus dem praktischen Verhalten des Heiligen Propheten gezogen werden kann, ist die richtige Anwendung, um Ziele zu erreichen. Allgemein gesprochen, der Mensch sollte heilige und edle Ziele im Leben haben. Überdies sollte der Mensch hinsichtlich seiner Ziele und der angewandten Mittel ein wahrer Muslim sein. Einige Leute sind keine wahren Muslime, soweit es ihre Güter betrifft, und sie denken nur an den eigenen Magen, an den Schlaf und an die weltlichen Freuden. Sie wollen nur ein genussreiches Leben führen. Diese Leute können nicht Muslime genannt werden, nicht einmal Menschenwesen, denn ihre Ziele gehen nicht über die tierische Triebe des Menschen hinaus - ein wahres Menschenwesen hat aber Ziele. Die einzigen Ziele eines wahrhaftigen Menschen liegen im Gehorsam gegenüber Gottes Geboten.

Um seine heiligen Ziele zu verwirklichen, sollte der Mensch notwendigerweise gewisse Mittel benutzen. Hier taucht die Frage auf, welche Mittel er anwenden sollte. Genügt es, dass der Mensch heilige und gottesgewollte Ziele habe, aber unbedenklich böse und unheilige Mittel einsetzt? Oder sollte er heilige Mittel anwenden, um heilige Ziele zu erreichen? Diese Fragen werden unten geklärt werden.

Angenommen, unser Ziel ist, die Religion zu verkünden. Ist es gestattet, jegliches Mittel zu verwenden, um solch ein Ziel zu verfolgen? Die Antwort ist ein klares: „Nein!" In der gleichen Weise ist es verboten, Lügen zu erzählen oder zu schmeicheln, um persönliche Interessen zu erreichen. Ebenso, will z.B. jemand als heiliges Ziel eine Moschee bauen, so darf er keine Lügen erzählen, um Geld oder Baumaterialien aufzutreiben, wiewohl andere das als gut und fromm betrachten könnten. Eine Überlieferung (Hadith) zu fabrizieren und sie dem Propheten Mohammed (s.) und den zwölf Imamen anzudichten, um Leute auf den richtigen Weg zu bringen, selbst ohne eigene

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Interessen, oder mit schlechtem Gerede über andere zum Gebet aufzufordern, wäre auch tadelnswert. Bei der Erreichung von Zielen hat der Islam nicht den Grundsatz : "Der Zweck heiligt die Mittel". Beispielsweise zu sagen, die Rezitation eines bestimmten Qur'an-Verses würde jemanden Glück bringen oder wenn eine Geschichte fabriziert wird oder ein Traum, damit Leute zu Islam-Gläubigen werden - das alles verbietet der Islam.

Es wird berichtet, dass Ali Bin Kab öfters eine Überlieferung (Ha-dith), die Rezitation bestimmter Qur'an-Verse würde bestimmte Wirkungen und Segnungen zeitigen. Jemand fragte ihn, warum gerade nur er solch eine Hadith erzähle. Er erwiderte, er habe die Hadith fabriziert, um Gott zu schmeicheln und er fügte hinzu: "Mir fiel auf, dass bei Versammlungen die Leute meistens Legenden und Abenteuer erzählen und Lyriken aus der vorislamischen Zeit rezitieren und dadurch die Zeit vergeuden. Ich erfand diese Hadith als ein gutes Mittel, dass die Leute stattdessen den Qur'an rezitieren." Gewisslich ist dies falsch, denn die Wahrheit kann nicht auf Falschheit gegründet werden.

Im Ganzen, die Propheten Gottes und unter ihnen der Prophet des Islam griffen niemals zur Falschheit, um die Wahrheit aufzurichten; vielmehr griffen sie immer zur Wahrheit beim Bau der Wahrheit.

Qur'anische Erzählungen sind Authentisch

Von einigen Ägyptern wurde behauptet, dass der Heilige Qur'an nicht ein Geschichtsbuch sei, das tatsächliche Ereignisse und Geschehnisse aufzeichnet. Vielmehr habe er ein heiliges Ziel, nämlich Geschichten und Gleichnisse den Leuten zu erzählen, damit sie von ihnen lernen, egal ob die Geschichten und Gleichnisse wahr seien oder nicht.

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Im Laufe der Geschichte sind von klugen Leuten Tierfabeln erzählt worden, die jedermann eben als Fabeln erkennt. Beispiel dafür sind die Fabeln von "Kalilah und Demnah", in denen Löwen, Füchse, Hasen und andere Tiere die Hauptgestalten sind. In einer Fabel beispielsweise schildert der Literat einen sehr kleinen Hasen, der einen riesigen Löwen in einen Brunnen schleudert, damit der Mensch verstehe, dass Körper und körperliche Kraft nicht mit Weisheit und Intellekt konkurrieren können. Nun, einige Leute haben (was Gott verhüten möge) qur'anische Gleichnisse mit solchen Fabeln gleichsetzen wollen; sie sagten, dass es für uns nicht notwendig sei zu beweisen, ob es wahre historische Erzählungen seien oder nur allegorische, denn wir müssten bloß von ihnen lernen.

Dieses Argument ist völlig falsch und unsinnig, denn die prophetische Logik gestattet den Propheten nicht, unwahre und fabrizierte Vorfälle zu verwenden, um auf die Wahrheit hinzuweisen, selbst allegorische nicht. Es ist unmöglich für den Propheten des Islam, für den Heiligen Qur'an, für die zwölf Imame und für andere hohe Gelehrte aus dieser Denkschule, grundlose Argumente zu benutzen, um ein heiliges Ziel zu erreichen. Wir (Muslime) haben keinen Zweifel, dass alle Erzählungen des Qur'an in ihrer Form und im Inhalt offenkundige Wirklichkeiten sind, und es besteht kein Bedürfnis, die qur'anischen Gleichnisse durch Geschichtsbücher abstützen zu lassen; vielmehr sollte die Geschichte (Historie als Wissenschaft) vom Qur'an gestützt sein.

Es gibt einen grundlegenden Unterschied in der Denklinie der modernen Gelehrten und der antiken Gelehrten. Die modernen Gelehrten glauben, "der Zweck heiligt die Mittel", d. h. , hat man ein heiliges Ziel, kann jedes Mittel gebraucht werden. Dies wird von einigen ägyptischen Gelehrten als ein Prinzip betrachtet. Die antiken Gelehrten haben eine Geschichte erzählt, die der verstorbene Scheich Ansari (Gott habe ihn selig) zweimal in seinem Werke "Makasib-i-Muharrimah" gebracht hat: Wenn Männer die Religion verdrehen, indem sie Ideen fabrizieren, die in der Religion nicht enthalten sind, oder wenn sie aus der Religion Dinge entfernen, die in ihr einge-

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schlossen sind, so sollte man gegen diese Männer mit starker Logik antreten und die Leute auf deren Lügen und Häresien aufmerksam machen.

Erfinderische Neuerung ist in der Poesie, Kunst und Philosophie usw. erlaubt, aber nicht in der Islam-Religion. In der Islam-Religion ist das verboten, denn weder wir (das gewöhnliche Volk) noch die zwölf Imame, welche die Nachfolger und die Erben des Propheten Mohammed (s.) sind, sowie die Vollstrecker seines Willens und die Lagerstätte seines Wissens, haben die Islam-Religion eingeführt. Selbst der Prophet Mohammed (s.) ist nicht der Erfinder der Islam-Religion. In Wahrheit hat Gott die Islam-Religion dem Propheten Mohammed (s.) offenbart. Übermittler war der Engel Gabriel, der Engel der Offenbarung. Der Prophet Mohammed verkündete dann die Islam-Religion den Menschen und erläuterte sie umfassend seinen Nachfolgern und Erben (den zwölf Imamen).

Neue Ableitungen sind gestattet

Idschtihad (selbständige Rechtsfindung) will ein Gebot (aus dem Qur'an und aus anderen verlässlichen Quellen) für die aktuelle Zeit ableiten und anwenden. So kann der Mudschtahid17 eine neue Schlussfolgerung ziehen, auch wenn er und andere früher anders entschieden. Dies ist im Islam gestattet, denn sie ist eine neue Folgerung, aber sie ist keine Bidat18 in der Islam-Religion. Bidat wird als eine der größten Sünden im Islam betrachtet. Hinsichtlich Bidat sagt eine Überlieferung (Hadith): "Wer einen Bidat-Mann besucht, hat wahrhaft seine (Islam-) Religion ruiniert."

Das heißt, es ist verboten, einen Mann zu Rate zu ziehen, der eine Bidat-Sache in die Islam-Religion einführt. Es gibt auch die andere

17 Mudschtahid ist derjenige, der zur selbstständigen Rechtsfindung (Idschtihad) qualifiziert ist.

18 Revision, Abänderung

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Hadith, in der das Wort "fabahituhum" für den Bidat-Denker gebraucht wurde.

Das arabische Wort "buht" hat zwei Implikationen. Die eine Implikation ist "irreführen, irremachen" (oder: verblüffen, bestürzen, in Erstaunen setzen) und so wird "buht" in der qur'anischen Diskussion zwischen Abraham und den Tyrannen seiner Zeit verwendet, und die Qur'an-Stelle besagt: "Das verwirret den Ungläubigen!", (HEILIGER Qur'an, Sure 2, Vers 258) Das heißt, er war von Abrahams Logik verwirrt und verblüfft.

Die zweite Implikation ist "Unheil, Unglück" oder "falsche Beschuldigung (Verleumdung)", was auch im Qur'an zu finden ist, worin gesagt wird: "Gelobt bist Du (O Gott), dies ist eine große Verleumdung. " (Heiliger Qur'an, Sure 24, Vers 16)

Der verstorbene Scheich Ansari behauptet ausdrücklich in einer Textstelle, dass "bahituhum" bedeutet, gegen die Ungläubigen mit starker Logik anzutreten, sie zu verblüffen und sie in der gleichen Weise schuldig zu beweisen, wie Abraham mit Nimrod debattierte und ihn verwirrte (und verblüffte). Einige andere haben es jedoch so interpretiert: Hat man mit Bidat-Männern zu tun, darf man Lügen erzählen und falsche Anschuldigungen machen, um sie zu verdammen, d.h. es könnten unheilige Mittel angewendet werden, um ein heiliges Ziel zu erreichen. Aber diese (Inerpretation) kann von Männern mit gesunder Vernunft niemals akzeptiert werden!

Die Probleme und die betrügerischen Machenschaften der menschlichen "Ideale" sind erstaunlich. Zuweilen täuscht das Unterbewusst-sein den Menschen in solch einer Weise, dass er das selber nicht erkennt. Beispielsweise, in der Nacht vor dem Geburtstag des Heiligen Propheten Mohammed (s.) kann man (angeblich!) eine Sünde oder Laster begehen, um damit den Propheten zu erfreuen19, aber der Prophet hat solch ein sündhaftes Verhalten gerügt.

19 Dies wird hier als Beispiel eines alten Aberglaubens aufgezeigt

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Es wird eine Geschichte erzählt, dass einstmals ein Mann in ein Wirtshaus ging und für einen Groschen Wein verlangte. Der Schank-mann sagte, dass ein Tropfen Wein nicht betrunken mache. Aber der Gast sagte, die Berauschung wäre die gleiche wie bei einer großen Menge Wein. Der Gast verlangte den Tropfen Wein, um Trunkenheit vorzutäuschen und um zu tun, was ihm beliebte. Das gilt auch für einige Leute heutzutage. Sie suchen nach Vorwänden, um ihre Ziele zu verwirklichen. Beispielsweise beleidigen sie und schütten Unheil über ihre Gegner, indem sie diese der Bidat (unerlaubten Neuerung) beschuldigen und unter der Meinung, dass man gegen alle Bidat-Denker mit Lügen und Verleumdung vorgehen dürfe. Was wird mit der Islam-Religion geschehen, wenn sich solch eine Haltung durchsetzt?

Als Abu Huraira Statthalter Muawiyas in Medina war, brachte eines Tages ein Mann Zwiebeln auf den Markt, aber niemand wollte sie kaufen. Der Händler traf Abu Huraira und bat ihn, ein gutes Werk zu tun, damit er eine Vergütung für die unverkauften Zwiebeln erhalte. Der Händler sagte, er sei ein Muslim, und er hätte erfahren, Zwiebeln seien in Medina knapp, und so habe er all seine Habe verkauft, habe dafür Zwiebeln erworben und sie nach Medina gebracht; aber nun seien die Zwiebeln am Verderben, weil die Medinenser sie nicht kauften. Abu Huraira bat ihn, die Zwiebeln zu einer gewissen Stelle zur Zeit des Freitags-Gottesdienstes zu bringen. Abu Huraira wandte sich an die Leute und sagte: "O Leute ! Ich hörte den geliebten Gottesgesandten sagen: ,Wer immer Zwiebeln aus Akka in Medina isst, wird dadurch eindeutig ins Paradies eintreten.' " Als die Leute diese (falsche) Überlieferung (Hadith) hörten, kauften sie innerhalb einer Stunde all diese Zwiebeln und Abu Hurairas Gewissen war befriedigt, dass er einen muslimischen Gläubigen vor dem Ruin gerettet habe.

Falsche Hadithe dieser Art sind zahlreich. Vielleicht fünfundneunzig Prozent der Hadithe werden über die Vorzüglichkeiten von bestimmten Städten (Siedlungen) und anderen Örtlichkeiten erzählt. Sie wur-

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den tatsächlich fabriziert, um einigen Leuten Profit zu bringen. Beispielsweise soll der Prophet angeblich gesagt haben: "Die beste aller Städte ist Baihag." Es ist ganz klar, dass einige Einwohner von Baihag diese Hadith erfanden, um daraus zu profitieren. Wie konnte denn der Heilige Prophet Mohammed (s.) über eine solch weit entfernte Stadt im Iran nachdenken? Diese falschen Hadithe haben die Islam-Religion besudelt.

Die Eigenschaften und echten Hadithe der Propheten erlauben niemals, mit falschen Mitteln zur Wahrheit zu gelangen. Warum folgte Ali einer starren Politik und lehnte Einflüsterungen von Ibn Abbas, Mughairah Ibn Schubah und dergleichen ab, wiewohl seine Ziele zweifelsohne heilig waren? Es wird berichtet, daß Mughairah dem Imam und Kalif Ali vorschlug, zu Beginn dessen Kalifats (658) indifferent zu Muawiya zu sein und ihm seine Position (als Gouverneur von Syrien) zu belassen und ihn erst abzusetzen, wenn sich das Kalifat gefestigt habe. Imam Ali (a.) lehnte diesen Vorschlag ab und sagte, falls er Muawiya als Gouverneur (in Syrien) belasse, selbst nur für eine kurze Zeitspanne, würde es bedeuten, dass er ihn als korrekten Mann akzeptiere, wenigstens für diese Zeitspanne. Er fügte hinzu, er wisse, Muawiya sei boshaft, und er möchte nicht das Volk belügen und ihn dem Volke vorsetzen. Mughairah sah, dass sein Vorschlag Imam Ali (a.) nicht beeinflusste, und er versicherte, Ali verhalte sich richtig, und er widmete sich wieder den eigenen Geschäften. Ibn Abbas sagte später, dass Mughairahs Vorschlag tatsächlich dessen Meinung war, aber weil sich dieser (später) Muawiya anschloss, bezweifelte er, Mughairah meine es ernst mit der Aussage, Imam Ali verhalte sich korrekt.

Imam Alis Standhaftigkeit in solchen Angelegenheiten war wegen der Tatsache, dass er den Wegen und Manieren der Propheten folgte und eine Politik des Betruges für falsch hielt. Die Vorgänger Alis (nämlich Abu Bakr, Omar und Osman) werden Genies genannt, weil sie jegliche Mittel benutzen, um ihre Ziele zu erreichen, und Alis Politik wurde von einigen abgelehnt, weil er zur Verwirklichung seines Zieles nur zu wahren und legitimen Mitteln griff.

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Eines Tages kam ein Vertreter eines arabischen Stammes zum Heiligen Propheten Mohammed (s.) und behauptete, die Stammesleute würden den Islam unter drei Bedingungen annehmen:

1.) Wenn es ihnen erlaubt wäre, ihre Götzen noch für ein Jahr zu verehren und anzubeten.

2.) Wenn sie das tägliche rituelle Gebet nicht zu machen bräuchten, denn das wäre zu hart für sie.

3.) Wenn sie davon befreit wären, ihre großen Götzen mit ihren eigenen Händen zu zerstören.

Der Heilige Prophet erwiderte, die ersten beiden Bedingungen müsse er ablehnen, aber die dritte Bedingung würde er annehmen. Wiewohl der Prophet nicht gern auf den Stamm verzichtete, der zum Islam konvertieren wollte und so die Schar der Muslime verstärken würde, machte er ihnen nicht das Zugeständnis, noch für ein Jahr ihre Götzen zu verehren. Hätte er die erste Bedingung akzeptiert, hätte er tatsächlich den Götzenkult bestätigt und dem konnte er nicht einmal für vierundzwanzig Stunden zustimmen. Gleicherweise, hätten sie den Propheten gebeten, ihnen nur für vierundzwanzig Stunden das rituelle Gebet zu erlassen, so hätte er das sofort abgelehnt.

Noch erstaunlicher ist: Einige Leute gebrauchen nicht allein unheilige und illegitime Mittel, sondern sie beuten der anderen Unwissenheit und Nachlässigkeit aus, um damit die Wahrheit und Religion zu stützen und zu stärken. Beispielsweise gibt es eine erdichtete Geschichte, die hochedle Mutter des vierten schiitischen Imams20 Zain-ul-Abideen sei bei der Tragödie zu Kerbela dabeigewesen. Einige Leute glauben diese Geschichte, während Geschichtsbücher und Ü-berlieferungen erzählen, sie wäre schon bei der Geburt des Babies gestorben. Kein einziges Buch über die Kerbela-Tragödie erwähnt, sie wäre dabei gewesen. Aber einige Volksprediger meinen, weil das

20 Zain-ul-Abideen bedeutet „Zierde der Gottesdiener"; er wird auch „Sadschad" genannt (der sich Niederwerfende).

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Volk die Geschichte gerne höre und glaube, solle sie wiederholt und betont werden, unabhängig davon ob sie echt sei oder nicht. So eine Auffassung ist nicht korrekt. Wir (die Gelehrten und die Prediger) sind verantwortlich, das Volk aus seinem tiefen Schlaf der Unwissenheit aufzuwecken und dies ist eine der Eigenschaften des Heiligen Propheten Mohammed (s.). Imam Ali (a.) deutet darauf mit den folgenden Worten hin:

Der Prophet war wie ein wandernder Arzt, der seine Salben zubereitet hatte und seine Instrumente erhitzt hatte. Er gebrauchte sie, wo immer das Bedürfnis entstand, blinde Herzen, taube Ohren und stumme Zungen zu heilen. Er folgte mit seinen Medizinen den Flecken der Nachlässigkeit und den Stätten der Verwirrung. Die Leute nahmen nicht Licht von den Lichtern seiner Weisheit, noch schufen sie eine Flamme von dem Feuerstein seines funkensprühenden Wissens. In dieser Sache sind sie wie grasendes Rindvieh und wie harte

Steine. (Quelle: Nahdsch-ul-Balagha, Rede Nr. 108 Seite 156, Ausgabe Abhi Saleh)

Der Heilige Prophet gebrauchte heftige Gewalt in einigen Situationen und benutzte Salben (für geistige Wunden) in anderen Situationen, d.h., er verhielt sich sehr streng mit fester Entschlossenheit, und er war auch ganz milde, wenn es zu anderen Situationen passte; und beide Verhaltensweisen zielten darauf ab, das Volk aufzuwecken. In der Tat, er wandte moralische Prinzipien an, wo sie als Mittel dienen konnten, die Leute wach zu machen, und er gebrauchte das Schwert (Gewalt und Autorität), wo es helfen konnte, die Leute voranzubringen.

Ibrahim, der Sohn des Heiligen Propheten Mohammed

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Ibrahim war ein geliebter Sohn des Heiligen Propheten mit der Sklavin Maria Qibtiah.21 Der Sohn Ibrahim starb mit achtzehn Monaten. Der Heilige Prophet war ein sehr feinfühliger Mann, und er brach in Tränen aus, und er sprach:

"O Ibrahim, unsere Herzen sind zerbrochen und wir vergießen Tränen in Kummer um dich. Aber wir können niemals ein Wort gegen Gottes Willen äußern."

Alle Muslime waren gerührt, als sie den Heiligen Propheten trauern sahen. Zufällig gab es eine Sonnenfinsternis am Tage des Todes Ibrahims. Die Muslime meinten, das wäre ein Zusammenhang von Himmel, Erde und Prophet. Sie meinten, die Sonnenfinsternis sei wegen des Todes des Sohnes des Heiligen Propheten gewesen.

Dies bedeutet natürlich nichts in sich selbst. Selbst die gesamte Welt kann für den Heiligen Propheten umgestürzt werden. So nahm das Gerücht Schwingen; und alle Männer und Frauen Medinas meinten, die Sonnenfinsternis sei wegen des Herzenskummers des Propheten gewesen. Folglich wurde ihr Glaube an den Heiligen Propheten stärker. Der Heilige Prophet jedoch wollte der Leute Unwissen und Schwäche nicht für sich ausnutzen; er wollte nur starke Argumente benutzen, wollte ihr Wissen und ihre Intelligenz anregen, während er sie zum Islam rief, denn der Heilige Qur'an hatte ihm geboten:

"Rufe mit Weisheit und schöner Ermahnung auf den Weg deines Herrn und streite mit Ihnen auf die beste Art." (Heiliger Qur'an, Sure 16, Vers 125)

Er wollte seine Ziele nicht mit jeglichen Mitteln verwirklichen. So ging er zur Predigt-Ecke und sagte den Leuten:

21 Qibtiah heißt „die Koptin". Quellen für diese Aussage sind: 1.) Sirah Halabi, Vol. 3, p. 34, 2.) Bihar, Vol. 22, p. 154, 3.) Bihar, Vol. 23, p. 114, 4.) Mihjat Al-Baida, Vol. 3, p. 366

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"Die Sonnenfinsternis ist nicht für meinen Sohn."

So lehnte er diesen unlogischen Grund ab. Er nutzte nicht solche Begründungen, um schweigsam zu bleiben, denn im Islam ist kein Raum für solche Täuscherei. Solche Mittel werden von jenen ergriffen, deren Religion nicht auf Logik gründet, noch auf klarem Beweis. Zweitens, jene, die solche Tricks verwenden, landen letztendlich im Verdruss. Wie das Sprichwort sagt: "Du kannst einige Leute die ganze Zeit narren, aber du kannst nicht alle Leute die ganze Zeit narren. " Drittens, Gott gestattet ihm nicht, so zu handeln. Um das Richtige zu gewinnen, sollte man die richtigen Mittel einsetzen. Wenn man das Richtige und das Falsche zusammenmischt, wird das Richtige ruiniert. Das Richtige verschwindet, wenn das Falsche eindringt.

Einstmals hörte ein großer Gelehrter einen gewissen Sayyid22 falsche Berichte über die Tragödie zu Kerbela erzählen. Der große Gelehrte protestierte: "Was sollen diese Geschichten, die du erzählst?" Der Sayyid antwortete: "Kümmere dich um deine eigene Rechtswissenschaft und um die Prinzipien der Religion. Ich kann mit meinem Vorfahren Hussein machen, was mir gut dünkt." Solche Haltungen waren vielfach schädlich für unsere Religion. Wenn das Ziel heilig ist, sollten die Mittel zur Erreichung dieses Zieles ebenfalls heilig sein. Wir sollten nicht lügen, nicht verleumden, sollten andere nicht beschuldigen, weder um unsretwillen noch um unserer Religion willen. Zu lügen, zu verleumden und Leute zu beschuldigen ist tatsächlich das, was die Religion verbietet. Wir sollten sorgfältig auf die Leben unserer reinen zwölf Imame zurückschauen, um zu sehen, wie sie lebten. Als Imam Ali (a.) auf Muawiya bei der Schlacht von Siffin stieß, achtete Muawiya darauf, das Wasser des Euphrats von Imam Alis Truppen abzusperren. Imam Ali und seine Kampfgefährten waren ohne Wasser, und Ali sandte eine Botschaft an Muawiya, worin er ihm mitteilte, dass er für Verhandlungen sei und vielleicht würde Gott ihnen helfen, die Probleme der Muslime zu lösen. Dann forderte er Muawiya auf, ihnen den Zugang zum Euphrat-Wasser zu gestat-

22 Nachkomme des Propheten (s.)

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ten. Muawiya jedoch lehnte das ab; er hielt die Wassersperre für eine gute Taktik, um den Endsieg zu erringen. Imam Ali durchschaute die Absicht Muawiyas, und er befahl einen Angriff; bei Sonnenuntergang waren die Soldaten Muawiyas gezwungen, sich vom Ufer des Euphrats zurückzuziehen, und die Soldaten Alis besetzten das Euph-rat-Ufer. Die Soldaten Alis wollten nun mit gleicher Münze zurückzahlen und ihnen das Euphrat-Wasser absperren. Aber Imam Ali (a.) sagte zu seinen Soldaten:

"Wir wollen das nicht tun, denn Gott hat das Wasser den Muslimen und den Nichtmuslimen in gleicher Weise gegeben. Das Wasser abzusperren wäre ungebührlich. Wir wollen den Krieg nicht durch solch eine niedrige Tat gewinnen."

In der Geschichte um Amr Ibn Aas, der tatsächlich sehr gemein war, sehen wir, wie einstmals Imam Ali den Muawiya aufforderte, keine Muslime mehr an die Fronten in den Tod zu schicken, und ein Zweikampf zwischen Imam Ali und Muawiya würde das Massentötungen ersparen. Amr Ibn Aas sprach immer wieder auf Muawiya ein: "Du bist ein Mann des Mutes. Ergreife die Waffen und tritt zum Zweikampf gegen Ali an." Aber Muawiya wusste, dass er beim Zweikampf gegen Imam Ali keine Chance hatte, so dass er getötet werden würde, und daher lehnte er das Duell ab. Schließlich konnte Muawiya den Amr Ibn Aas überreden, an seiner Stelle zum Zweikampf anzutreten. Dieser war zweifelsohne ein tapferer Mann und er war der Befehlshaber der Truppen Muawiyas, als sie Ägypten besetzten. Er legte seine Wehr an und ging zum Schlachtfeld; er spähte nach einem Gegner, der nicht so stark wie Ali wäre. Er schrie: "Ich werde euch töten, während Ali nicht hier ist." Abd-al-Fadhl, ein 14-jähriger Jüngling, war angetreten. Imam Ali näherte sich langsam und schweigend, um von Amr Ibn Aas nicht bemerkt zu werden. Als er ihm nahe war, sagte er: "Ich bin der qureischitische Führer, bei dem jedermann sicher ist." Amr Ibn Aas war zu Tode erschrocken und floh reitend davon. Imam Ali verfolgte ihn und schlug ihn mit dem Schwert. Amr Ibn Aas wusste, dass Imam Ali nichts gegen den Islam tun würde, und er sprang vom Pferd und zeigte blitzschnell

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seine Geschlechtsorgane (es ist nämlich im Islam verboten, die Geschlechtsorgane eines anderen anzuschauen). So drehte sich Ali um und ließ Amr bin Aas entfliehen. Imam Ali hätte ihn jederzeit töten können, aber da er zur Erreichung seines Zieles kein unwürdiges Mittel anwenden wollte, achtete er auf den Anstand, wenn er gegen den Feind antrat. Solche Beispiele zeigen, dass unsere reinen zwölf Imame anders als gewöhnliche Menschen waren und dass sie auch andere Denkweisen hatten. Sie waren die Wächter der Aufrichtigkeit und Wahrheit.

Für Imam Hussein (a.) spielte es keine Rolle, ob er getötet werden würde oder nicht. Sein Ziel war tatsächlich, eine Religion vor der Auslöschung zu bewahren; er wollte die Religion nicht unterdrückt sehen; dieses Prinzip mag unbedeutend erscheinen.

Am Tage von Aschura war Schimr, ein unvergleichlich boshafter Mann, gierig danach, die Situation an den Fronten zu sehen. Er wollte unbedingt hinter die Zelte kommen, so dass er die beabsichtigten Verbrechen begehen konnte. Aber er hatte nicht bemerkt, dass Imam Hussein (a.) die Zelte bereits zu einem Halbkreis angeordnet hatte, und ein Graben mit Feuer verhinderte den Zugang zu den Zelten. Als Schimr das sah, wurde er wütend und er fluchte. Ein Krieger Imam Husseins bat um Erlaubnis, Schimr mit einem einzigen Hieb töten zu dürfen. Aber Imam Hussein stimmte nicht zu. Der Krieger dachte, dass Imam Hussein vielleicht nicht wisse, wie boshaft Schimr sei und sagte: "Ich weiß, welch boshafter Mensch Schimr ist." Der Imam antwortete: "Auch ich kenne ihn recht gut." Der Krieger sagte: "Warum erlaubst du dann mir nicht, ihn zu töten?" Imam Hussein antwortete: "Wir sind nur zwei Gruppen von Gegnern, die sich gegenüberstehen; und ich will nicht der Aggressor sein oder der erste, der den Kampf beginnt. Ich werde die Schlacht nicht beginnen, bis sie die Schlacht mit Blutvergießen starten, da ich dieses qur 'anische Prinzip respektiere:

(Entweihung eines) heiligen Monats (soll) im Heiligen Monat (vergolten werden), und für alle heiligen dinge ist Vergeltung. Wer sich

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also gegen euch vergeht, den straft für sein Vergehen in dem Maße, in dem er sich gegen euch vergangen hat. Und seid ehrfürchtig gegenüber Allah und wissen, dass Allah mit den Gottesehrfürchtigen ist. "

(Heiliger Qur' an, Sure 2, Vers 194)

Imam Ali (a.) deutete ebenfalls auf den gleichen Vers des Heiligen Qur'an in der Schlacht zu Siffin und sagte, er würde nicht den Krieg eröffnen, sondern sich nur defensiv verhalten.

Diese Punkte zeigen den Charakter der zwölf Imame und geben uns eine klare Idee, wie sie über islamische Prinzipien dachten, selbst über zweitrangige. Der Feind jedoch dachte nicht in der gleichen Weise.

Die Dämmerung kam allmählich und Imam Hussein war damit beschäftigt, seine Truppen zur Rechten und zur Linken und in das Zentrum zu stellen. Er wählte den Fahnenträger und er achtete nicht auf die Tatsache, dass der Feind eine Armee von 30.000 Mann hatte, wohingegen seine Schar nur aus zweiundsiebzig Personen bestand. Zuhair bekam den Befehl über den rechten Flügel und Habib bin Masahir über den linken Flügel; Imam Husseins Bruder Abulfadhl richtete die Flagge empor, und mutig traten sie gegen eine Armee von 30.000 Soldaten an. Andererseits achtete der Feind weder auf Ehrenhaftigkeit noch unterließen sie Unehrenhaftes. Gier nach weltlichen Besitztümern und der Wunsch Gouverneur der nordiranischen Landschaft namens Rey zu werden, blendete Umar bin Sad. Sein letztendliches Ziel war, sich bei Ubeidullah ibn Ziad einzuschmeicheln, um unbedingt Gouverneur von Rey zu werden. Er war der erste Krieger, der auf die Zelte des Imam schoss. Dann wandte er sich an seine Mannen und sagte: "Ihr alle seid Zeugen, dass ich den ersten Pfeil geschossen habe."

Umar bin Sad hatte über 4.000 Bogenschützen, die beständig auf den Imam und die Gefährten schossen. Imam Hussein hatte auch ein paar Bogenschützen, die tapfer zurückschossen und für jeden Mann, den

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sie verloren, töteten sie mehrere auf der feindlichen Seite. Viele Mannen des Imam Hussein fanden den Märtyrertod während der Schießerei, aber gewiss war Imam Hussein nicht derjenige, der den Angriff startete. Der Aschura-Krieg begann mit dem Pfeil des Umar bin Sad und er endete mit dem Pfeil, der Imam Hussein (a.) vom Pferde warf.

Der Prophet David (a.)

So wie der Heilige Qur'an erzählt, geschah die Geschichte Davids (s.) folgendermaßen:

Ist die Geschichte von den Streitenden zu dir gelangt? Wie sie über die Mauer (seines) Gemachs kletterten; wie sie bei David eindrangen

...... (Wir sind) zwei Streitende, von denen einer sich vergangen hat

gegen den anderen; richte darum zwischen uns in Gerechtigkeit, und handle nicht ungerecht, und leite uns zu dem geraden Weg. (Heiliger Qur'an, Sure 38, Vers 21)

Anscheinend muss es sich um mehr als zwei Männer gehandelt haben, wiewohl der erste Vers des Heiligen Qur'an dazu impliziert, dass es ein einziger Mann war.

Fürwahr, dieser mein Bruder hat neunundneunzig Schafe und ich nur ein einziges.

(Heiliger Qur'an Sura 38, Vers 23)

In anderer Auslegung ist die Schar der Feinde mehr als einer, bis über zehn.

Das war Gottes Prophet und auch König und Herrscher seines Volkes (Israel). Die zwei oben erwähnten Männer kamen zu David. Der eine vertrat seine Familie und sagte, er habe nur ein Schaf, aber sein Bruder habe neunundneunzig Schafe, aber dieser habe ihm das einzi-

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ge Schaf auch noch wegnehmen wollen. Dann bat er David um ein gerechtes Urteil.

Der Heilige Qur'an erwähnt die Klage, aber er sagt nicht, ob sich der andere Mann verteidigte oder nicht; der Qur'an lässt nur David sagen:

"Wahrlich, er hat Unrecht gegen Dich getan, dass er dein Schaf zu seinen vielen Schafen forderte; und gewiss, viele Teilhaber vergehen sich aneinander, außer denjenigen, die glauben und Gute Werke tun; aber derer gibt es nur wenige !" Nun merkte David, dass Wir ihn auf die Probe gestellt hatten; also bat er seinen Herrn um Vergebung und fiel anbetend nieder und bekehrte sich. Dann vergaben Wir ihm dieses; wahrlich, er hatte nahen Zutritt zu Uns und eine herrliche Einkehr. (Heiliger Qur'an, Sura 38, Vers 24)

Hier stoßen wir auf zwei Fragen:

1.) Wer waren jene, die zu David (a.) kamen? Waren sie Menschenwesen? Und ist diese Geschichte eine wahre Erzählung?

2.) Oder waren sie Engel, die von Gott geschickt wurden, um David zu prüfen?

In diesem Falle müsste die Geschichte eine erdichtete sein und es hätte keine wirklichen Schafe gegeben und auch keine Brüder, die miteinander stritten! Sie (die Engel) müssten zu David gekommen sein, um ihn zu verhören und als er das merkte, bat er um Vergebung.

Gemäß der Erzählung unserer sunnitischen Glaubensgeschwister hatte der Prophet David (a.) mehrere Frauen. Einstens betete er in seiner Altarkammer, als der Satan in Gestalt eines wunderschönen Vogels am offenen Fenster der Altarkammer erschien. Der Vogel war so wunderschön, dass David (a.) das Gebet unterbrach, um den Vogel zu fangen. Der Vogel flog etwas weiter weg, und David (a.)

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wollte ihn wieder ergreifen, und der Vogel flog weiter weg und ließ sich auf dem Dache nieder. David (a.) bestieg das Dach, um den Vogel fangen zu können. Gerade hier auf der Dachterrasse badete die Frau des Uria, eines Soldaten Davids (a.), und David (a.) sah sie nackt. Sie war sehr schön, und David (a.) verliebte sich in sie. Er fragte, wer sie wäre, und erfuhr, dass ihr Ehemann, ein Soldat, an der Front diente. David (a.) schrieb einen Brief an den Obersten General, er solle Uria an die vorderste, gefährlichste Front schicken, wo er sicherlich den Tod fände. Der oberste General tat so, und der Soldat wurde getötet. Die Frau war nun Witwe. Als ihre Trauerzeit abgelaufen war, heiratete David (a.) sie. Der Engel erinnerte David (a.) an diese Szene, um ihm gewahr werden zu lassen, er wäre wie der Volksgenosse, der neunundneunzig Schafe hatte, aber das einzige Schaf des anderen unbedingt haben wollte.

Gemäß des Buches Uyun Al-Akbar Ar-Reda, (S. 193), hatte der achte schiitische Imam, Ali Reza (a.) eine Sitzung, um mit Vertretern verschiedener Länder und Religionsgemeinschaften zu diskutieren, mit Juden, Christen, Zoroastriern, Sabäern und auch Vertretern verschiedener muslimischer Rechts schulen, einschließlich sunnitischer Gelehrter. Kalif Mamun wohnte der Sitzung bei. Imam Ali Reza forderte einen sunnitischen Gelehrten auf, was er zur David-Geschichte im Qur'an zu sagen habe. Der sunnitische Gelehrte erzählte es so, wie es oben wiedergegeben ist. Imam Ali Reza (a.) sagte darauf:

"Ehre sei Gott ! Wie sagst du solch eine Sache über den Propheten Gottes? Was für ein Prophet ist das, wenn er sein Gebet unterbricht, um einen schönen Vogel zu fangen, und er wird so fasziniert von ihm, dass er ihm bis aufs Dach folgt?! War denn kein Diener da, der an seiner Stelle den Vogel eingefangen hätte? Und was für ein Prophet ist das, wenn er den Vogel vergisst, weil er eine schöne Frau sieht und sie befragt? Als er erfuhr, ihr Mann sie ein guter Soldat, der sein Leben auf dem Schlachtfeld wage, wie konnte er dann eine List spielen, damit der Soldat getötet würde und er die begehrte Frau heiraten könne? So ein Verhalten wäre ja Ausschweifung und Schurkerei ! Was für ein Prophet wäre David (a.), wenn er all dies täte ? "

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Die Gelehrten fragten Imam Ali Reza nach der wahren Geschichte und er erwiderte:

"Diese Dinge sind nicht im Heiligen Qur 'an. Die Geschichte ist folgendermaßen: Einstmals lief der Prophet David (a.), der wegen seiner Weisheit und seiner Urteile berühmt war, Gefahr, darauf stolz zu werden und sich zu sagen: „ Urteile sind die besten ! Ich mache meine Urteile für das Volk in einer Weise, dass niemand die kleinste Schwäche darin finden kann . " Wie im Falle von Jonas und Adam veranlasste diese kleine Selbsteinbildung Gott dazu, David (a.)zu prüfen, um dessen Scheitern und Übereile zu erweisen, weil David die andere Partei nicht angehört hatte. "

Der Heilige Prophet Mohammed (s.) sagte in seinem Gebet:

"O Gott überlasse mich nicht meiner Selbst, nicht einmal für den Bruchteil eines Momentes oder das Blinzeln eines Auges."

Umm Salama (eine Frau des Propheten) erzählt, wie sie eines nachts bemerkte, dass der Prophet Gottes nicht mehr bei ihr im Bette lag, und sie fragte sich, wo er denn geblieben ist, und die fand ihn in einer Ecke des Zimmers. Sie hörte ihn beten:

"O Gott, bitte lass das Böse nicht an mich herantreten, nachdem Du mir Erlösung gegeben hast. O Gott, bitte bedränge mich nicht mit solch einer Plage, dass mein Feind frohlockt. O Gott, bitte überlasse mich nicht meiner Selbst, nicht einmal für eine Moment.23

Umm Salama sagt, dass sie bei diesem Punkt zu weinen begann. Als der Heilige Prophet fertig mit seinem Gebet war, fragte er sie, warum sie weine. Umm Salama sagte: "Wenn du so demütig sprichst, was ist dann unsere Position vor der Gnade Gottes?!" Der Heilige Prophet antwortete: "Ja natürlich, deine Bemerkung ist richtig. Gott überließ

23 Quelle: Bihar, Neue Edition, Vol. XVI, p. 217, und Qumi Interpretation, S. 432

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meinen Bruder Jonas (den Propheten !) (s.) für einen Moment sich selbst, und du weißt, was ihm widerfahren ist." Die kleinste Eingebildetheit bei Propheten wird sie der Gunst Gottes entziehen. Einbildung und Fall sind gleich.

Imam Ali Reza sagte: "David (s.) lief Gefahr zu glauben, es gäbe auf der ganzen Welt keinen besseren Richter als ihn. Diese Einbildung (Selbsttäuschung) griff ihn an, und Gott unterwarf ihn der Prüfung, und die Folge war, dass David (s.) sich Gott neu unterwarf. "

David (s.) übersah: Wenn jemand mit einer Anklage kommt, sollte der Richter kein Wort der Bejahung und der Vermutung äußern. A-ber wir sehen: Als jemand zu David (s.) kam und behauptete, sein reicher Volksgenosse, der neunundneunzig Schafe besaß, hätte noch sein einziges Schaf haben wollen, da lief David (s.) Gefahr, sich der Selbstüberschätzung hinzugeben. Ohne Verteidigungsworte der anderen Partei anzuhören und ohne jede Überlegung sagte David (s.): "Wenn es ist, wie du sagst, dann hat der andere Unrecht getan. " A-ber plötzlich erinnerte sich David (s.), dass der korrekte Weg der Urteilsfindung darin bestand, beide Parteien anzuhören und dann erst zu einem Urteil zu kommen. Er gewahrte, dass der Grund für dieses Fehlurteil seine Eingebildetheit (Selbsttäuschung) war, die für diesen schweren Schlag verantwortlich war. Imam Ali Reza fügte dann hinzu: "Die Geschichte ist nicht die gleiche, wie du erzählst. Es gibt im Qur'an nichts von einer schönen Taube, die flog oder von einer aufreizenden Frau."

Nun sollten wir sehen, wie diese im alten Judentum verdrehte Geschichte in Büchern der Muslime kopiert und reproduziert wurde! Alles, was ich sagen kann, ist dies: Gott bewahre uns vor solch einem Judentum, welche - wie damals - die Wahrheit verdrehen, und vor den Werken, die es der Welt antat!

Eines der Dinge, die der Heilige Qur'an dem damaligen Volk Israel zuschreibt, ist die Verdrehung und Abänderung von Tatsachen, selbst

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bis zum heutigen Tag24. Die Bani Israil (das Volk Israel) gelten als ein intelligentes, aber listiges Volk, welche die wichtigen ökonomischen und kulturellen Kanäle in der Welt kontrolliert.25 Eine Übertragung ihrer Aktivitäten, wie sie Information, Historie, Geografie und Nachrichten verdreht haben, würde die von ihnen begangenen Verbrechen enthüllen. Gerade jetzt kontrollieren die Israelis die Weltpresse, und dies ist ein sehr wichtiger Kanal der Propaganda. Die Israelis kontrollieren tatsächlich die Massenmedien in jenen Ländern, auf die sie ihre Hände legen können. Die Israelis wollen dann diesem Volk das Gehirn waschen. Das tun sie nicht erst heutzutage; seit jeher haben sie das getan. Berits der Heilige Qur'an sagt dementsprechend:

Erwartet ihr, dass sie (die Juden) euch glauben, wenn ein Teil von ihnen das Wort Allahs hört, es dann verdreht, nachdem sie es begriffen, und sie kennen (die Folgen) davon?

(Heiliger Qur'an, Sure 2 , Vers 75)

O Muslims ! Was erwartet ihr denn von solchen Israelis? Kennt ihr sie denn nicht? Es sind solche Leute, die sogar als Moses (a.) bei ihnen war und Gottes Worte hörte, doch seine Worte verdrehten, wie sie wollten. Und dies taten sie nicht aus Unwissenheit, sondern wohl überlegt. Einige haben jetzt den gleichen Geist, und diese fahren fort, solche Verbrechen zu begehen. Solche Leute verdrehten Tatsachen, tausende Jahre, und solche Leute hielten die Verdrehung als eine Grundpflicht. Solche Israelis erscheinen in den verschiedenen Ecken der Welt, sind gut maskiert und propagieren ihre Ideen in der Kultur und Sprache eines jeden Volkes. Zum Beispiel um Zwiste zwischen Sunniten und Schiiten zu schaffen, sponsern einige von ihnen einen

24 Motahhari bezieht sich auf die Situation der Schahzeit im Iran, in der die wirtschaftliche und politische Macht im Iran sehr ungleichmäßig verteilt war.

25 Wenn Motahhari in seiner Vorlesung hier von den „Israelis" spricht, dann meint er damit nicht ein ganzes oder Teil eines Volkes sondern nur die als „Zionismus" bekannte rassistische Auserwähltheitsideologie und deren Anhänger, zumal der Islam selbst das Judentum schützt! Es sei daran erinnert, dass manche Anspielungen sich im wesentlichen auf die Schahzeit im Iran beziehen.

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strammen Sunniten, der heftig gegen die Schia spricht. Dann verdrehen derartige Israelis listig die Worte der einen Partei, um die zwei Parteien gegeneinander aufzubringen. Das Volk Israel hat ihr Altes Testament mit Unwahrheiten gefüllt. Zum Beispiel fabrizierten solche Leute falsche Geschichten über vergangene Nationen. Der Heilige Qur'an hat derartige abwegigen und erdichteten Geschichten entlarvt. Um den Heiligen Qur'an zu widerlegen und um ihre Erdichtungen im Alten Testament zu stützen, haben sie eine Reihe von Ü-berlieferungen über den Heiligen Propheten Mohammed (s.), über seine Nachkommenschaft, d.h. die Heiligen zwölf Imame, erfunden, um samt und sonders hinsichtlich der Echtheit zu verwirren.

Da gab es die Amalekiter, die einstens das heutige Jerusalem besetzt hatten. Moses (s.) forderte die Juden auf, die Amalekiter anzugreifen, mit Sinn für Ehre und Beharren auf die Rechte. Aber gemäß Heiliger Qur'an sagten die Juden:

"Sie sprachen: O Moses! Siehe eine herrschlustiges (großes) Volks ist darin, und wir werden es nicht betreten, ehe jene es verlassen haben. Doch wenn sie es verlassen, dann wollen wir einziehen. " Da sagten zwei Männer von denen, die (Gott) fürchteten - Allah hatte sie in seiner Huld begabt-: „ Ziehet ein durch das Tor gegen sie; seid ihr eingezogen, dann werdet ihr siegreich sein. Und vertraut auf Allah, wenn ihr Gläubige seid. " Sie sagten: "O Moses(s.), wir gehen nimmer hinein, solange jene darin sind. Gehe du hinein mit deinem Herrn und kämpft. Wir wollen solange hier bleiben." (HEILIGER Qur'an, Sure 5, Vers 22-24)27

Die meisten der Juden im benannten Vers waren ungebührlich und gierig und erwarteten viel, ohne etwas selber tun zu wollen und sie drückten sich vor dem Kampf, obwohl Moses (s.) sie dazu aufrief.

26 Derartige Überlieferungen werden in der islamischen Geschichts- und Überlieferungswissenschaft als „israelitisch" bezeichnet.

27  Bereits diese Verse des Heilige Qur'an selbst sind ein Beleg dafür, dass der Islam jegliche form von Rassismus ablehnt, indem im Vers die Gottesehrfürchtigen Juden genannte werden.

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In der Schlacht zu Uhud sagte Miqad zum Heiligen Propheten (s.): "O Prophet Gottes ! Wir wollen nicht wie die Juden sagen: „ Geh du und dein Gott und kämpft und wenn ihr gewinnt, werden wir nachkommen. " Wir folgen deinem Befehlen, selbst wenn du uns aufforderst, uns ins Meer zu stürzen, dann tun wir das. "

Die Juden28 wollten die qur'anische Kritik an ihnen unterlaufen, und sie wollten die Muslime weiterhin verwirren; deswegen erfanden sie Geschichten über die Amalekiter, und sie behaupteten, es würden dort in Jerusalem keine normalen Menschenwesen leben, sondern sie wären Abkömmlinge einer Frau namens "Anak". Anak wäre eine Frau, die sitzend eine Fläche von zehn mal zehn Acker bedecken würde. Sie hätte einen Sohn namens Aud, der so riesig war, dass Moses, der vierzig Zoll hoch gewesen wäre und einen Stock von vierzig Zoll gehabt hätte und vierzig Zoll hochspringen hätte können, nur auf den Knöchel des Riesen hätte schlagen können.

Dann geht die Geschichte weiter, eine Gruppe der Amalekiter sei zu den Einöden vor Jerusalem gekommen. Moses schickte einige Kundschafter, die sehen sollten, wer sie waren und was sie taten. Die Kundschafter erzählten, die Amalekiter seien Riesen von mehreren Kilometern Höhe. Die Amalekiter würden Fische fangen, indem sie ihre Hände in das Meer und dann die Fische direkt vor die Sonne hielten, um sie zu grillen. Ein Amalekiter sah auf seine Füße hinab und sah winzige Geschöpfe, die sich darauf bewegten. Das waren die Scharen des Moses. Der Amalekiter schnappte sich ein paar Juden und steckte sie in seine Ärmelmuffen. Der Riese sagte: "Seht mal ! Das sind die Leute, die gekommen sind, dieses Land an sich zu rei-ßen."

Wenn solche Riesen tatsächlich in Jerusalem gelebt hätten, so hätte Moses kein Recht gehabt, seinem Volk zu befehlen, das Land zu

28 Das Volk von Medina hatte eine große jüdische Gemeinde, von denen einige zum Islam konvertierten

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erobern. Die Ängstlichen unter den Juden erfanden listig solche Geschichte, um die wahre Geschichte im Qur'an zu widerlegen, worin die damaligen Juden wegen Feigheit kritisiert werden. Diese erfundenen Geschichten wurden dann von den Juden gehegt und an sunnitische Muslime weitergegeben.

In der David-Geschichte hören wir von einem Vogel und von Davids Liebe zu Urias Ehefrau und von Urias Tod und so weiter; das alles wurde von den damaligen Israeliten fabriziert und dann den Muslimen eingetrichtert. Hier gewahren wir die Wichtigkeit der zwölf Schiitischen Imame. Der Achte Imam Ali Reza entlarvt die Lügen und Verleumdungen gegenüber David, indem er sagt, dass die David-Geschichte im Qur'an nicht unwahr wäre, und das, was in den Heiligen Qur'an hineinkommt, nicht fiktiv sei, sondern real. Die Leute, die zu David kamen, wollten nicht sein Richtergefühl erwecken, sondern das, was geschah, erweckte ihn. Wenn gesagt wird, diese Leute wären Engel gewesen, dann muss man sich fragen, wie die Engel eine Szene schufen, um David zu erwecken? Ihr Ziel wäre natürlich ein heiliges, aber die ganze Geschichte wäre ausgeheckt.

Hier sollte ich erwähnen, was Allamah Tabatabai in seinem Tafsir (Qur'an-Kommentar) Al-Mizan dazu sagt. Er sagt, dass wir zunächst nicht sicher sind, ob diese Leute Engel wären oder nicht. Selbst wenn wir annehmen, sie wären maskierte Engel gewesen, so wäre es etwas anderes als eine Fiktion in eine real existierende Welt einzuführen. Die Tatsache, dass es unsere Pflicht ist, die Wahrheit zu sagen und nicht zu lügen und anzuzeigen, dass "diese Sache wahr ist" und "dass jene Sache falsch ist", hat mit dieser materiellen Welt zu tun. Falls in dieser materiellen Welt zwei Männer zu David (a.) kamen und David (a.) anlogen, dann würde es bedeuten, dass sie profane29 Mittel benutzten, um ein heiliges Ziel zu erreichen. Aber eine Parabel (Gleichnis) ist eine andere Sache, worin eine Tatsache in einer anderen Maske dargestellt wird, wie im Falle wahrer Träume. In wahren

29 nicht dem Dienst an Gott dienende

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Träumen, wiewohl dort Ähnlichkeit (Gleichnis) ist, gibt es keinen Raum für profane Mittel.

Der Heilige Prophet (s.) beispielsweise träumte, eine Gruppe von Affen würde an der Predigt-Kanzel der Medina-Moschee auf- und abturnen, während die Muslim-Hörerschaft zum Predigt-Pfosten guckte und sich langsam zurückzog. Der Prophet wachte auf, war traurig und unglücklich und betrachte das Geträumte als Zeichen eines Schlages, der die Welt des Islam treffen würde. Der edle Engel Gabriel stieg hernieder und interpretierte diesen Traum für den heiligen Propheten:

Und wir haben das Traumgesicht, dass wir Dich sehen ließen, nur als Prüfung für die Menschen gemacht und ebenso den verfluchten Baum im Qur 'an. Und wir warnen sie, jedoch es bestärkt sie nur in großer Ruchlosigkeit.

(Heiliger Qur'an, Sure 17, Vers 60)

O Prophet ! Nach dir werden die Omayyaden dein Volk regieren. Sie werden deine Predigtstelle besetzen, sie werden vom Islam schwätzen, werden anscheinend sich dem Islam fügen, aber in Wirklichkeit werden sie das Volk vom Islam wegtreiben. Dies ist ein Traum, durch den Gott etwas dem Heiligen Propheten enthüllte. Wenn wir sagen, Träume seinen nur wahr, wenn sie tatsächlich in der gleichen materiellen Form wie im Traum gesehen werden, dann müsste wir den Traum des Propheten als unwahr betrachten, denn die Omayyaden erkletterten die Propheten-Kanzel nicht als wirkliche Affen. Dieser Traum jedoch war ein wahrer, denn er repräsentierte die Wirklichkeit in einer anderen Maske. Die Affen waren allegorisch die Omayyaden, und die Volksschar, die von der Predigt-Kanzel zurückwich, bedeutet, dass der Islam nur im Äußeren beobachtet werden würde, aber sein Inhalt und Geist würden verschwinden. Wenn Engel in Verkleidung einem Propheten erscheinen, so sind sie keine falschen Wesen, sondern wirkliche Engel. Wahrheit und Unwahrheit in Gleichnissen der Engel für einen Propheten fallen mit einem wirklichen Ereignis zusammen, und im Falle Davids (s.) fiel die Erschei-

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nung mit der Wirklichkeit zusammen; daher wurden hier keine profanen Mittel eingesetzt.

Die andere Frage hier ist: Falls der Islam den Gebrauch profaner Mittel zur Erreichung heiliger Ziele verbietet, warum gestattete dann der heilige Prophet den Muslimen, die Karawane der mekkanischen Ungläubigen anzugreifen und die Güter zu konfiszieren? Dies wurde natürlich für einen heiligen Zweck getan, nämlich für den Sieg des Islam. Viele mögen sagen, dass Dschihad30 im Islam gestattet ist, wenn dadurch ein heiliges Ziel erreicht werden kann. Oder (so glauben viele) eine weiße Lüge31 ist besser, als eine Wahrheit, die zum Unglück führt. Wenn jemand zu wählen hat, das Leben eines würdigen Menschen durch die weiße Lüge zu retten oder dessen unschuldiges Leben durch eine wahre Aussage zu gefährden, dann gebiete der Islam die weiße Lüge, um sein Leben zu retten. Ist das nicht, ein profanes Mittel zu gebrauchen, um ein heiliges Ziel zu erreichen?

Die Antwort ist: Zuweilen ist das Mittel nicht einfach ungesetzlich oder hassenswert, beispielsweise der Dschihad. Es ist falsch zu meinen, Leben und Eigentum eines Menschen sollten bewahrt werden, koste es was es wolle, mit der biologischen Begründung, er gehöre zur Menschheit.

Solche Ideen kommen vom Westen. Von einem biologischen Blickwinkel war Muawiyah ein Menschenwesen, und so war Abu Dharr. Es ist nicht so, dass Abu Dharrs Blutgruppe derjenigen Muawiyas überlegen gewesen wäre. Wenn wir Menschenwesen vergleichen oder beurteilen, betrachten wir nicht die biologische Form, sondern die menschlichen Eigenschaften und Standards, die menschlichen Kriterien. Wer antihuman ist, der ist in Wirklichkeit kein normales Wesen. Muawiya war ein antihumanes Wesen. Schimr bin Dhild-schouschan war ein antihumanes Wesen. D.h. sie ermangelten der menschlichen (humanen) Qualitäten, wie Edelsinn, Vorzüglichkeit,

30 Anstrengung auf Gottes Weg

31  gemeint ist eine Lüge, die einem guten Zweck dient

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Ehrlichkeit, Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Unabhängigkeitsliebe, Freiheitsliebe, Geduld, Nachsicht usw.

Eine biologische, menschliche Form ist potentiell und nicht in sozialer Wirklichkeit. Wenn ein Mensch gegen Humanität rebelliert, gegen Freiheit, Monotheismus, Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit usw., so kann er nicht für ehrenwert gehalten werden, und sein Leben und Eigentum sind nicht unantastbar32. Wenn man einem Mörder sein Leben nimmt, indem man ihn tötet oder hinrichtet, so ist das nicht etwas Abscheuliches oder Hassenswertes, sondern es wäre für einen heiligen Zweck getan. Wenn ein Mörder, der jemand anderen getötet hat, hingerichtet wird, so ist das nicht abscheulich. Die Hinrichtung eines Mörders ist für einen erhabenen Zweck. Wenn ein Mensch so weit kommt, dass er unschuldige Menschen tötet, hört er auf, ein humanes Wesen zu sein.

Abul ala Muari sagte: "Ich verstehe nicht die islamische Bestrafung, die Hand eines Diebes abzuschneiden, weil er einen Viertel-Dinar gestohlen hat aber eine Geldstrafe von 500 Dinare für die Verletzung einer Hand bekommt. "Da gab Sayyid Murtadha eine wunderschöne Antwort: "Die Ehre der Hand ist wegen der Ehrlichkeit, und Verrat beraubt die Hand des Respekts. Das ist es, wie du die Weisheit Gottes verstehen sollst. "33

Ja, die Hand als ein physikalisches Organ des menschlichen Körpers ist nicht achtenswert durch sich selbst. Wenn sie sagen, ihr Wert wäre fünfhundert Dinare, aber wenn sie als Strafe von Einvierteldinar abgeschnitten wird, so ist das deswegen, weil die Hand achtenswert und ehrenwert und äußerst wertvoll ist; aber wenn die Hand verräterisch ist, so ist sie wertlos; die Hand ist für den Dieb sogar schädlich.

32 Gemeint ist, dass jemand, der gegen die Gesetze verstößt, bestraft werden kann.

33 Es sei hier ergänzend erwähnt, dass die drastischen Strafen für Diebstahl erst bei Erfüllung von zahllosen Voraussetzungen eintreten können, die hier nicht Gegenstand der Diskussion sind.

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Über die qureischitischen Ungläubigen34 jedoch sollten wir sagen, dass sie Leute waren, die dreizehn Jahre lang nichts anders taten, als die Stimme des Heiligen Propheten daran zu hindern, die Menschen zu erreichen, denn das wäre gegen ihre Interessen gewesen. Sie schikanierten die Muslime und folterten sie zu Tode, vergrößerten die Verbrechen ins Extreme und beraubten sie ihrer Güter. Die Qurei-schiten waren eine Gruppe von Wucherern, die auf diese Weise Reichtum angehäuft hatten. Können wir noch sagen, ihr Besitz wäre würdig der Ehre und müsste bewahrt werden? Nein, solch Eigentum kann nicht geachtet werden. Da selbst das Ziel nicht heilig war, war dieser Besitz nicht der Ehre und des Schutzes würdig. Letztendlich ist dieser Besitz nicht weniger bedeutsam und wichtig als das Problem, wie man das Leben eines Gläubigen durch eine täuschende Lüge rettet.

Teil III

AUFRUF ZUR WAHRHEIT UND VERKÜNDIGUNG

Allgemeines

Verkündigung und Aufruf zur Wahrheit gestatten nicht, zu Fabrikationen und falschen Mitteln zu greifen. Im Heilige Qur'an spricht Gott zum Propheten:

Und wenn wir dich nicht (mit dem Qur 'an) gestärkt hätten, so hättest du dich ihnen nur wenig zugeneigt.

(Heiliger Qur'an, Sure 17, Vers 74-75)

34 Mit Bezug auf den vorher erwähnten Angriff auf die Karawane

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O Prophet ! Wäre nicht unsere Gunst gewesen, hättest du einen Fehler gemacht. Was war der Fehler des Heiligen Propheten? Die Ungläubigen baten ihn, ihre Götzen ein Jahr lang in Ruhe zu lassen, wenn er von ihnen die Annahme des Islam wolle. Wiewohl der Heilige Prophet nicht so entschied, vielleicht spekulierte er mit einem Kompromiss, um diese Leute zur Wahrheit hinzuleiten. Er empfing (von Gott) den Befehl, keinen Kompromiss einzugehen, denn dieser ist mit der Natur des Glaubens unverträglich. Wäre diese Sache nicht eine Frage des Islam-Glaubens und der Wahrheit gewesen, und wären einzig die sozialen Rechte des Individuums betroffen gewesen, wie beispielsweise eine Lüge, um das Leben eines Menschenwesens zu retten, so wäre solch ein Kompromiss nicht negativ gewesen, da er später fruchtvolle Ergebnisse gebracht hätte. Aber hinsichtlich Glauben, wenn die Leute zu Gott hingerufen werden, wenn sich die Erörterung nicht auf Wahrheit gründet und das später aufgedeckt wird, werden die Menschen abgestoßen werden. Das wiederum wird ein schwerer Schlag für den Islam sein, mit dem man sich nicht abfinden kann, und der Islam gestattet keineswegs, zu Lügen zu greifen, um zur Wahrheit zu kommen.

Der verstorbene Hadschi Mirza Hussein Nuri (Gott habe ihn selig), ein führender Kopf der schiitischen Überlieferung - ein wirklich erfahrener Erzähler von Überlieferungen - starb im Jahre 1321 nach Hidschrah35. Mein verstorbener Vater (Gott habe ihn selig) sagte, dass er nach Nadschaf (im Irak) zum Studium ging, und dort hörte er den verstorbenen Hadschi Nuri predigen und diesen Qur'anvers erwähnen:

Von keiner Sache sage: "Morgen will ich das tun !" außer du fügst hinzu: "So Allah will !"

(Heiliger Qur'an, Sure 18, Vers 23-24)

Hadschi Nuri wurde kurz danach krank und starb. Er war der Lehrer des verstorbenen Hadschi Scheich Abbas Qumi (Gott habe ihn selig).

35 ca. 1903 A. D.

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Ich las sein Büchlein „Lu'lu wa Mardschan" in einem Mal vom Anfang bis Ende. Ich war sehr bewegt durch dieses Buch, das davon handelt, wie man predigen solle, und es wurden einige Prediger kritisiert, die nicht immer die korrekte Methode beachten. Die Dinge, die von einigen Predigern vergessen werden sind:

1.) Sie sagen nicht die Wahrheit, wenn sie meinen, falls sich eine schwache Hadith (Überlieferung) später als irrig erweist, so wäre das nicht schlimm, denn das Ziel sei wichtig.

2.) Sie glauben, ihr Ziel sei, die Leute so aufzustacheln, dass sie über Imam Hussein klagend schreien, und daher wäre das Ziel ein heiliges Ziel.

Er widmete die Hälfte des Buches der Falschheit und der Wahrheit; er betont dabei, wie streng der Islam unter allen Umständen verbietet, zur Lüge zu greifen, auch wenn man die Religion verkünde. Die andere Hälfte des Buches beschäftigt sich mit der Aufrichtigkeit in der Verkündigung, selbst wenn man die Leute zum Tränenvergießen über Imam Hussein bringt.

Hinsichtlich Mittel und Ziele erwähnt er auch interessante Punkte. Beispielsweise spricht er über einen indischen Gelehrten, der ihn bat, ein Buch zu schreiben, worin jene verurteilt werden, die lügen oder eine falsche Ahadith (Überlieferungen) auf dem Lehrerpult rezitieren. Er antwortete ihm, dass diese Lügen schon in dem eigentlichen Zentrum der Gelehrsamkeit fabriziert werden. Dann erwähnte er die Geschichte vom Gelehrten aus Yazd, der die Wüste durchreiste, um die Grabmal-Moschee des Achten Schiitischen Imams, Ali Reza in Maschhad zu besuchen. Da dies geschah während des Monats Muharram und während der Aschura-Nacht, war er besorgt, er könne Maschhad oder eine größere Stadt nicht erreichen, wo er der Klagefeier für Imam Hussein beiwohnen könne. Da er keine andere Wahl hatte, entschloss er sich, in einem Dorf zu bleiben und der dortigen Klagefeier beizuwohnen. Dort war ein Prediger, der die Lehrkanzel (Minbar) bestieg und der Moschee-Helfer übergab ihm einen Sack voller Steine. Er (der Fremdling) war überrascht zu sehen, dass

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niemand bei der Rezitation des Predigers schrie und der Prediger löschte die Lichter aus und warf die Steine ins Volk. Die Leute begannen zu schreien und zu rufen. Nach der Feier fragte der Gelehrte aus Yazd den Prediger, warum er solch ein Verbrechen begangen habe. Der Prediger antwortete: "Das ist die einzige Weise, um die Leute zum Schreien über den Imam Husayn zu bringen, und ich muss jegliches Mittel benutzen, um sie zum Schreien zu bringen."

Der Gelehrte aus Yazd sagte ihm, er irre sich, und Imam Hussein (a.) hätte genug herzzerreißende Geschichten, welche die Leute zum Weinen brächten, wenn sie wahre Anhänger Husseins wären. Aber wenn die Leute nicht wüssten, wer Imam Hussein sei, würden sie die nächsten hundert Jahre nicht weinen.

Wenn man die Leute zum Islam aufruft und die Botschaft des Islam verkündet, sollte man nicht den geringsten Fehler machen, denn Gott hat garantiert, Seinem Gesandten bei der Verkündung des Gotteswortes zu helfen:

Wahrlich helfen werden wir unseren Gesandten und denen, die gläubig sind, im Leben Diesseits und an dem, an welchem die Zeugen auftreten ... (Heiliger Qur'an, Sure 40, Vers 51)

O Propheten! Ihr folgt dem richtigen Pfad und der Wahrheit und Wir werden die Wirklichkeit garantieren. Die Propheten handelten auf Gottes Befehl, um Ziele zu verwirklichen. Daher ist es uns Predigern nicht gestattet, jegliches Mittel einzusetzen, um die Leute zur Islam-Religion und zum Glauben zu rufen. Ein bedenkenloser Mitteleinsatz wird negative Ergebnisse bringen.

Jene die über keine umfangreichen echten Quellen verfügen, müssen Lügen fabrizieren. Wir sind so reich an wahren Quellen, dass es selbst ein Fehler wäre zu meinen, man müsse eben Lügen fabrizieren. Wenn wir die Leute über Imam Hussein zum Weinen bringen wollen, so ist das Aschura-Ereignis voller heroischer, sentimentaler, pathetischer, attraktiver und erhebender und herzzerreißender Sze-

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nen, dass die bloße Erwähnung des Namen Hussein genug ist, um bei Leuten Tränen vergießen zu lassen, vorausgesetzt sie haben einen Funken von Glauben in ihrem Herzen. Man sagt, dass die Liebe zu Imam Hussein im Herzen eines jeden Gläubigen verborgen ist: "Mein Opfertod ist mit Tränen verbunden. "36

Der verstorbene Muhaddith Qumi sagt in seinem Buch "Nafthat-ul-Masdur", dass Abu Harun ein blinder aber sehr fähiger Poet war. Er schrieb gelegentlich Lobeshymnen auf Imam Hussein. Er war der Gefährte des sechsten Schiitischen Imam Sadiq, und er sagt, dass er einstens den Imam besuchte. Der Imam bat ihn, einen Lobeshymne über seinen berühmten Urgroßvater Imam Hussein zu rezitieren. Abu Harun kam dem Wunsche nach, und der Imam forderte alle Frauen des Hauses auf, der Hymne hinter einem Vorhang zuzuhören. Abu Harun begann mit seiner neuesten Hymne. Schon beim fünften rezitierten Vers gab es einen Aufschrei im Hause, und Imam Sadiq ver-goss Tränen und seine Schultern zitterten. Als sich das Schreien verstärkte, bat der Imam den Poeten, das Rezitieren zu stoppen. Ich sollte sagen, dass die Hymne zu den besten der Lobpreisungen gehörte, denen ich jemals lauschte. Ich memorierte die Hymne aus dem Buche "Nafthat-ul-Masdur", während ich noch ein junger Student in Maschhad war. DieHymne lautet wie folgt:

"O Wandersmann !

O milder Wind !

Verharre am Grabe Husseins, der Sohn Alis, und gib ihm die Botschaft seiner Freunde und Anhänger !

O milder Wind !

Nimm unsere Botschaft zu den heiligen Gebeinen des Imam Hussein. Sage: O Gebeine, ihr seid immer gesättigt

mit den Tränen der Freunde Husseins.

Wenn sie (die Freunde Husseins) dich vom Wasser absperrten, wenn sie Imam Hussein peinigten durch höchsten Durst, die Freunde des Imam Hussein sättigen nun die Gebeine

36 Quelle: Bihar-ul-Anwar, Neue Edition, Vol. 44, Seite. 279-280

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mit ihren Tränen alle Zeiten.

O milder Wind !

Wenn du am Leichnam dieser Menschen vorbeistreichst, begnüge dich nicht mit einem schnellen Gruß,

sondern verharre dort für eine gute Weile.

Gedenke der Mühsale, die Imam Hussein hatte

und vergieße Tränen wie eine Mutter,

die den einzigen Sohn verlor.

Schreie so wie sie für den reinen Sohn (Hussein)

dieses reinen Vaters und dieser reinen Mutter.

Wie die Botschaft der Wahrheit zu verkünden ist

Der Heilige Prophet hat unterwiesen, wie die Botschaft Gottes unter den Menschen zu verkünden ist. Zunächst mag es unbedeutend für einige Leute klingen, die keinen Unterschied zwischen der Verkündigung der Gottessache und der Verkündigung anderer Sachen bemerken. Wir werden zuerst die Wichtigkeit prüfen, die der Qur'an dieser Art der Verkündigung und der involvierten Schwierigkeiten beilegt. Dann erklären wir den Unterschied zwischen den beiden Arten der Verkündigung.

Dieses Thema wird in der glorreichen Sure Taha behandelt, über Moses, den Sohn des Imran. Offenbar war die Sache des Moses eine eigenartige. Er hatte beschlossen, nach Ägypten zurückzukehren. Unterwegs wurde seine Frau von Geburtswehen befallen. Er wollte ein Feuer entzünden, damit seine Frau sich aufwärme. Plötzlich sah er ein brennendes Feuer auf einem Berge und er ging hin, vom Feuer zu holen. Dort empfing er zum erstenmal die göttliche Offenbarung: Er solle die Botschaft Gottes dem Pharao und dessen Hofstaat übermitteln. Von da an war Moses zum Gottesgesandten ernannt und er war kein gewöhnlicher Mann mehr. Als er erfuhr, er habe die Bot-

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schaft Gottes dem Pharao zu verkünden, fühlte er die Schwere der Verantwortung und er bat Gott um einige Gunst:

"O Herr, weite meine Brust und erleichtere meine Aufgabe, und löse den Knoten meiner Zunge, dass sie meine Rede verstehen. Und gib mir einen Helfer von meiner Familie, Aaron, meinen Bruder, mehre meine Kraft durch ihn, und lass ihn Anteil haben an meinem Werk, auf dass wir Dich oft preisen mögen. " (Heiliger Qur'an, Sure 20, Vers 25-34)

Einige meinen, dass Moses Gott bat, einen Knoten aus seiner Zunge zu lösen, weil er stotterte und nicht richtig reden konnte. Einige andere haben sogar behauptet, dass der Pharao das Kind Moses prüfen wollte und ihm eine brennende Holzkohle auf die Zunge legte, was Moses zum Stotterer machte. Nein, das sind nicht die Gründe, weswegen Moses Gott anflehte. Die Tatsache gemäß des Heiligen Qur'an ist, dass die Botschaft eines Propheten klar, umfassend und ein Leuchtfeuer sein sollte. Mache meinen Bruder zu meinem Helfer, nicht weil ich Dich, o Gott, gebeten habe, sondern um die Wirksamkeit meiner Mission zu steigern.

In einer anderen Sure, in der Sure Al-Inschirah (Die Erschließung) spricht der Heilige Qur'an den Heiligen Propheten Mohammed (s.) an und erinnert ihn:

„Haben wir Dir nicht deine Brust erschlossen, haben deine Bürde erleichtert, welche deinen Rücken niederdrückte? Haben wir nicht deinen Ruf erhöht? Wahrlich, mit der Drangsal kommt auch die Erleichterung; mit dem Drangsal kommt auch Erleichterung. Wenn du nun entlastet bist, mühe dich eifrig. Und deinem Herrn widme dich ganz. (Heilige Qur'an, Sure 94)

Moses bat Gott seine Brust zu erweitern, aber dem heiligen Propheten Mohammed (s.) wurde diese Gunst schon erwiesen, ohne dass er darum bat, und das bedeutet, dass die gottgewollte Mission der Ver-

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kündigung eine große Verantwortung ist und großes Talent erfordert. Wir (Gott) haben dich (Mohammed [s.]) mit jenem Talent ausgestattet und deine Bürde erleichtert. Dort bittet Moses Gott darum, ihm die Bürde zu erleichtern, und hier wird dem Heiligen Propheten Mohammed (s.) gesagt, dass die schwere Bürde ihm schon erleichtert ist, die ihm den Rücken gebrochen hätte.

Der Heilige Prophet Mohammed (s.) war sehr erfreut, den Vers zweimal zu hören: "Mit Drangsal kommt auch die Erleichterung." So schloss der Prophet, für jede Härte kämen auch zwei Erleichterungen. Er wurde gefragt: Was ist die eine Härte verglichen mit zwei Erleichterungen? Er sagte, Gott hätte ihm viel Erleichterung in Zeiten der Härte versprochen.

Lasst uns diesen Vers mit der Moses-Geschichte vergleichen und dann die nachfolgende Hadith (Überlieferung) betrachten, die von den sunnitischen und schiitischen Muslimen akzeptiert wird, wonach der Heilige Prophet gesagt haben soll:

"O Ali ! Deine Beziehung zu mir ist wie jene Aarons zu Moses. "

Das bedeutet, dass Ali Statthalter des Propheten Mohammed (s.) war, wie Aaron Statthalter des Propheten Moses (s.) war, wiewohl einige Israeliten Aaron im Stich ließen und Korah (Samiri) folgten. In obigem Vers fordert Gott den Propheten Mohammed (s.) gemmäß einer Interpretation auf: "Wenn du erleichtert bist, nominiere (deinen Stadthalter, Nachfolger) und arbeite, um deinem Herrgott zu gefallen."

Diese Interpretation des Qur'an-Verses für die Ernennung Alis zum Imam zu nehmen ist durchaus angemessen, denn der Gottesprophet Mohammed (s.) und sein ernannter Imam (Ali) leiten eine Gemeinschaft wie ein Vater.37

37 Quelle: Safinat-al-Bihar, Vol. II, p. 583-584

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Ein anderer Vers, der die extreme Bedeutung der Verkündigung der Gottesbotschaft zeigt, ist der Vers in der Sure "Al-Muzzammil". Die Sure "Al-Muzzammil" und die Sure "Muddathir" wurden ziemlich zu Anfang der Berufung Mohammeds (s.) zum Propheten geoffenbart. Gott spricht den Heiligen Propheten Mohammed (s.) mit diesen Worten an:

Denn Wir beauftragen dich mit einem gewichtigen Wort.

(Heiliger Qur'an Sure 73, Vers 5)

Und dies ist nichts anderes, als die Leute zu Gott zu rufen und sie zum richtigen Wege hinzuleiten. Der Sinn von "ein gewichtiges Wort" ist in Inhalt und im Bezug schwierig zu verstehen. Es gibt Themen, die wir gebührend verstehen und daher ihren Wert verstehen; beispielsweise das Erlassen religiöser Dekrete. In unserer (iranischen) Gesellschaft sind glücklicherweise wenigstens 95 % der Leute mit der großen Bedeutung der Juristen vertraut und erkennen die extreme Schwierigkeit an, religiöse Dekrete zu erlassen. Daher beanspruchen nur wenige das Amt der selbständigen Rechtsfindung (Idschtihad). Andererseits, wenn unfähige und unqualifizierte Personen behaupten, sie wären qualifizierte Juristen, so werden sie von den Leuten nicht akzeptiert werden. Aber das wichtige Thema der Verkündigung wird jedoch nicht gebührlich von den Leuten anerkannt, verglichen mit der Jurisprudenz:

Auf diesem Pfad sind die Propheten Karawanenführer, welch die menschliche Karawane zum Ziel führen. Und unter den Propheten hat unser Prophet Mohammed (s.) die Führungsrolle. Er erreicht als Erster und Letzter das Ziel. Er ist das Licht der Wiedervereinigung; sein Gesicht gibt Leben. Er ist das "vollkommene Wesen". Er besitzt einen glorreichen Platz. Er schreitet voran, und die Herzen folgen ihm alle nach. Er bahnt den Weg, dass ihm die menschliche Seele folge.

Das Thema betrifft Tat und Bewegung. Es gibt viele Denkschulen, welche die Leute sogar sehr gut zur Tat erregen und bewegen, aber

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nur hin zu eigenen Interessen und Rechten. In ähnlicher Weise motivierten auch die Propheten die Leute, um ihre Rechte zu verwirklichen, aber diese Motivation ist am wenigsten wichtig, denn auch des Menschen materialistische Interessen und Tendenzen drängen ihn in diese Richtung. Diese Denkschulen rufen Losungen wie: "Arbeiter! Vereinigt euch und trotzt den Unterdrückern eure Rechte ab !" Für Propheten jedoch wäre diese Art der Motivation eine geringe Angelegenheit, denn sie haben das weitaus besser getan, als die anderen. Der große Antrieb und Drang von bedeutsamer Wichtigkeit ist aus dem Inneren des Menschen und stößt den Menschen aus seinem inneren Selbst hin zur Entdeckung der Wahrheit Gottes und der Wirklichkeit Gottes. Hafis formuliert es so:

Rufe, o Kellner (saki) den Alten Häuptling zum göttlichen Trunke.

Mir dünkt, dass Aufschub damit unheilvoll wäre.

Selbstlosigkeit ist der Schlüssel zur Liebe beim richtigen Anblick.

Hier werden Stationen nicht ausgelassen

und Entfernung wird überbrückt.

Die wichtigste Aufgabe der Propheten war, das Selbst des Menschen zu erleben, indem er vom Übel innerhalb seines Selbstes befreit wird und zur Wahrheit Gottes hingeleitet wird. Verkündigung bedeutet, den Menschen gegen sein eigenes Selbst im Inneren aufzubringen. Diese Art der Motivation erregt nicht nur die Unterdrückung gegen den Unterdrücker, sondern erregt ebenfalls den Unterdrücker gegen sein eigenes Selbst. Das ist es, was wir die Rückkehr des Menschen zum wahren Selbst nennen, d.h. Reue und Buße.

Es ist eine äußerst schwierige Aufgabe, den Menschen gegen sein eigenes Selbst und gegen seine Selbstsucht zu motivieren und ihn zur Wahrheit Gottes hinzuleiten, und jeder ist wichtig und würdig, wenn er bei dieser Aufgabe so fähig wie die Propheten ist. Es gibt viele, die in diesem Wege kämpften und Härten und Leiden ertrugen, um den Rang eines Aufrufes zu Gott zu erringen. Es gibt den Spruch: "Die Leute sehen das klare Sesamöl in der Flasche, aber sie wissen

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nicht, welchen Verfahrensweg und Druck das arme Sesamkorn mitmachen musste."

Die Leute sehen das Ergebnis der Verkündigung, aber sie kennen nicht die Leiden, die der Verkünder mitmachen musste. Der Heilige Qur'an erklärt dieses Thema in hervorragender Weise und macht es lebhaft für die Leute. Wiewohl das meiste dessen, was zwischen Gott und Seinem Heiligen Propheten vorgeht, auf jenem hohen Niveau bleibt, ist das Thema der Verkündigung und des Aufrufes zur Rechtschaffenheit, etwas, das Gott Seinem Propheten ans Herz legt und der Prophet es ebenfalls und den Leuten vorlebt. Das zeigt, dass die Leute den korrekten Weg der Einladung und des Aufrufs zu Gott lernen sollten.

Einladung und Verkündigung - eine schwierige Aufgabe, die gewisse Bedingungen erfordert

Die erste Sache, die wir bei der Verkündigung und im Aufruf zu Gott vom Heiligen Qur'an lernen, ist das Problem, "die eigene Brust auszudehnen", d. h. die eigene Fähigkeit für den Gottesglauben zu steigern. Alle anderen Arten der Verkündigung sind natürlich nicht so schwierig wie diese. Zuweilen wird die Botschaft leicht durch offenkundige Mittel empfunden, wie z.B. der Haftbefehl eines Gerichts, der dem Beschuldigten das Verbrechen bekannt macht und ihn zum Gerichtshof zitiert. Das ist keine schwierige Aufgabe.

Zuweilen ist die Übermittlung der Botschaft durch offenkundige Sinne nicht genug. Man sollte auch den Verstand beeinflussen, indem man die Botschaft korrekt präsentiert. Was den Augen und den Ohren vorgelegt wird, wird von der Weisheit nicht notwendigerweise angenommen. Was eine Botschaft an die Weisheit heranbringt, ist nicht der Klang oder die Gestalt geschriebener Symbole, sondern etwas anderes, das Logik und Vernunft genannt wird. Weisheit akzeptiert nichts anderes als Logik und Vernunft. Alle Propheten woll-

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ten zunächst ihre Botschaften durch Weisheit mitteilen. Wenn das Christentum dies ablehnt und sagt, Glaube und Religion hätten nichts zu tun mit Weisheit und Logik, so ist das deswegen, weil die Christen das wahre Christentum verdrehten. Jesus Christus (s.) hat niemals so etwas gesagt. Er sprach weder über die Dreifaltigkeit noch über den Mangel an Beziehung zwischen Glaube und Weisheit. Der Heilige Qur'an sagt:

Rufe auf den Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und streite mit ihnen auf die beste Art.

(Heiliger Qur'an, Sure 16, Vers 125)

Als erstes erwähnt der Qur'an die Weisheit:

O Prophet! Wir haben dich gesandt als Zeuge und als Bringer froher Botschaft und als Warner. Und als Aufrufer zu Allah nach seinem Gebot, und als eine leuchtende Sonne. Verkünde daher den Gläubigen die frohe Botschaft, dass ihnen von Allah große Huld zuteil werden soll. (Heiliger Qur'an, Sure 33, Vers 45-47)

Ein Warner ist nicht einfach ein Mensch, der die Leute erschreckt, sondern er benachrichtigt Leute im Falle der Bedrängnis, er macht ihnen die Gefahr bewusst, die ihnen droht.

Während der ersten Jahre seiner Berufung stand der Heilige Prophet (s.) am Fuße des Berges Safa (in Mekka), und er rief und warnte die Leute. Die Leute (Wallfahrer) versammelten sich dort und fragten sich, warum er sich so verhielt. Zuerst fragte sie der Heilige Prophet, ob sie ihm vertrauten oder nicht. Als sie sagten, sie würden ihm vertrauen, verkündete er, dass er sie warnen möchte, der Feind warte schon hinter dem Berge, um sie anzugreifen. Er fragte sie, ob sie ihm noch vertrauten. Sie bejahten. Da sagte er: "Ich warne euch: Was ihr tut bringt euch die schwere Strafe Gottes ein, hier und im Jenseits. " Die Propheten sind solcherart beauftragt, die Leute zu Gott zu rufen.

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Die Art, wie man Leute zu Gott ruft

Der Heilige Qur'an erläutert die Weise, wie man die Leute zu Gott ruft und zu den größten Wahrheiten der Welt, und der Qur'an erläutert die Weise, wie man die menschliche Weisheit erneuert. Es ist nicht genügend, die Gottesbotschaft einfach zu übermitteln. Die Tat und die Einladung ist ein Schritt vor der Verkündigung. Die Pflicht eines Lehrers ist, sein Wissen den Schülern zu übermitteln. Er steht an der Tafel und löst für die Schüler die Probleme. Andererseits stellen die Schüler Fragen und suchen Gründe, um alles anzunehmen, was der Lehrer sagt. Wenn der Lehrer Beweise und Lösungen für Probleme liefert, vermehrt seine Lektion die Weisheit des Schülers.

Die Philosophen sind ebenfalls die Lehrer. Das Maximum, das sie tun, ist den Geist der Menschen zu beeinflussen. Aber im Falle der Gottesbotschaft ist es nicht genug, den Verstand zu beeinflussen; die Botschaft sollte zu den Herzen und zur Tiefe des Menschengeistes gehen, um alle Gefühle zu kontrollieren. Das ist es, was die Propheten tun, und sie sind die Männer, welche die Menschheit zum richtigen Pfade der Weisheit und Gottes führen, und nicht die Philosophen sind es. Ein Philosoph kann sich noch so anstrengen, aber er kann die Leute nur mit einer Idee beeinflussen. Das kann er nur bei einer besonderen Gruppe von Leuten tun, die jahrelang seine Schüler waren, und er muss eine spezielle Terminologie gebrauchen, mit hunderten herkömmlicher Phrasen und Ausdrücken. Wie einer meiner großen Lehrer es formulierte: Wenn die Philosophen so viele Ausdrücke gebrauchen, wie: wesentliche Möglichkeit, zukünftige Möglichkeit, geeignete Möglichkeit, notwendiges Sein in sich selbst, Urweisheit, zweitrangige Weisheit usw., so tun sie es nur deswegen, weil sie unfähig sind, sich einfach auszudrücken. Auf der anderen Seite haben Propheten kein Bedürfnis, solche Ausdrücke zu verwenden. Sie sprechen in klaren Termen. Was in verwirrender philosophischer Phraseologie gesagt wurde, wird von Propheten in zwei klaren Sätzen ausgedrückt, leicht fassbar und die Philosophen sind verblüfft über die einfache Formulierung:

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Sprich: Er ist Allah, der Einzige! Allah, der Absolute! Er zeugt nicht, und ward nicht gezeugt. Und nichts ist Ihm gleich.

(Heiliger Qur' an, Sure 112)

Was in den Himmeln und was auf Erden ist, preist Allah; und Er ist der Allmächtige, der Allweise. Sein ist das Reich der Himmel und der Erde, Er belebt und tötet und vermag alle Dinge zu tun. Er ist der Erste und der Letzte, der Sichtbare und Verborgene; und Er ist der Wisser aller Dinge. Er ist es, der die Himmel und die Erde in sechs Zeiten erschaffen hat und er setzte sich auf den Thron. Er kennt, was in die Erde eingeht und was aus ihr hervorgeht, was von den Himmeln herabkommt und was zu diesen aufsteigt, und er ist bei euch, wo immer ihr auch sein mögt. Und Allah sieht alles, was ihr tut. (Heiliger Qur'an, Sure 57, Vers 1-4)

In diesen Qur'anversen ist die Einheit (Tauhid) Gottes in sehr einfachen Worten ausgedrückt. Wer an den Propheten Mohammed (s.) glaubt, wird mit Herz und Seele an ihn gebunden. Es gibt eine berühmte Geschichte über Ibn Sina (Avicenna), der ein Genie seiner Zeit war. Er hatte funkelnde Augen und scharfe Ohren und so fingen die Leute an, Geschichten über ihn zu erzählen. Z.B. sagten sie, er könne den Klang des Hammers der Schmiede von Kaschan (Iran) im hundert Kilometer entfernten Isfahan (Iran) hören. Einstmals sagte einer seiner Studenten namens Bahmanyar zu ihm: "Du bist einer jener Männer, den die Leute als Propheten annehmen, wenn du das behauptest." Ibn Sina sagte, das wäre doch Unsinn, aber der Student Bahmanyar beharrte darauf. Ibn Sina entschloss sich, ihm eine praktische Antwort zu geben. Einstmals reisten sie im Winter, und es schneite auch sehr. Es war die Morgendämmerung, und der Muezzin rief die Leute zum Gebet. Ibn Sina weckte Bahmanyar auf und bat ihn um ein Glas Trinkwasser. Bahmanyar erläuterte: "O mein Meister! Du bist Arzt und du weißt sehr gut, dass kaltes Trinkwasser auf einen leeren entzündeten Magen Schmerzen verursacht." Ibn Sina

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erwiderte: "Ich bin Arzt und du bist mein Student. Ich sage dir, dass ich durstig bin und warum zögerst du dann?" Bahmanyar beharrte: "Ja, du bist mein Lehrer, aber ich wünsche nur das Gute für dich, statt dass ich blindlings dir gehorche und deinen Befehl ausführe." Nachdem Ibn Sina dem Bahmanyar bewiesen hatte, dass das Aufstehen für ihn schwierig sei, sagte er: "Ich bin gar nicht durstig. Ich wollte dich nur testen. Erinnerst du dich, als du mich fragtest, warum ich nicht das Prophetsein behaupte? Du hast gesagt, die Leute würden mich als Prophet annehmen. Hier ist die Antwort für dich ! Du bist seit langen Jahren mein Student, aber als ich dich bitte, aufzustehen und mir etwas Wasser zu bringen, zögerst du und willst mit mir debattieren. Aber man sieht: Der Muezzin gehorcht dem Heiligen Propheten noch tausend Jahre nach seinem Tode, steht auf, ver-lässt sein warmes Bett, um aufs Minarett zu steigen und er verkündet Mohammed (s.) als Propheten des Allmächtigen Gottes. Mohammed (s.) ist dann der Prophet und nicht ich Ibn Sina."

Nun, wir sehen, falls eine Gottesbotschaft zu den Menschenherzen zu übermitteln ist, sollte sie die Herzen faszinieren, sollte die Gesellschaften zur Tat bewegen, damit sie nicht nur ihre Rechte einfordern, sondern auch Reuetränen vergießen , wenn der Heilige Qur'an rezitiert wird:

Und weinend fallen sie nieder auf ihre Gesichter, und das mehrt in ihnen die Demut.

(Heiliger Qur'an, Sure 17, Vers 109)

Dies ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Im Heiligen Qur'an sind viele Verse, welche die geeigneten Weisen für die Verkündigung erwähnen, die von früheren Propheten wie auch von unserem Propheten Mohammed (s.) ausgesagt werden, sie betreffen das Übermitteln der Botschaft und wie die Herzen zu faszinieren sind.

Einige Worte und Terme implizieren böse Folgen und einige andere implizieren gute verheißende Ergebnisse. Das Wort Verkündigung oder Propaganda, wie es von modernen Gelehrten gebraucht wird,

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bekam einen schlechten Sinn aufgedrückt, nämlich Täuschung und Aufhetzung. Dieser Gebrauch des Wortes Verkündigung im falschen Sinne bedeutet jedoch nicht, dass wir das Wort nicht gebrauchen sollten. Wir greifen zum Wort Verkündigung, weil der Term auch vom Heiligen Qur'an gebraucht wurde (Sure 16, Vers 35; Sure 21, Vers 18; Sure 24, Vers 54).

Nur ein Prediger (Verkünder), dessen Botschaft in wahren und starken, aber einfachen und aufklärenden Worten dargelegt wird, kann die Leute erfolgreich zu Gott rufen. Imam Alis (a.) Reden, beispielsweise, sind auf der Höhe der Beredsamkeit und sie werden noch heute vom einfachen Volk verstanden, und die Zuhörerschaft profitiert von diesen Reden gemäß des Grades des Verständnisses.

Im Heiligen Qur'an werden die Worte "aufrichtiger Rat" („nasch") öfters benutzt, um Verkündigung und Aufruf zu Gott zu bezeichnen. Das Gegensatz zu den Worten "aufrichtiger Rat" steht "trügerischer Rat" („ghasch"). Jeder Trug ist nicht aufrichtig. Daher können, nur jene, die aufrichtige Absichten haben und die Wahrheit sprechen, andere zu Gott rufen, d.h. sie beabsichtigen allein die Wohlfahrt der Leute.

Worte, die aus dem Herzen quellen,

werden die Herzen beeinflussen.

Und Worte, die von der Zunge kommen,

gehen nicht weiter als zum Ohr.

Die Worte des Heiligen Propheten Mohammed sind alle zu Herzen gehende Mahnungen. Der Heilige Qur'an sagt:

Ich übermittle Euch die Botschaften meines Herrn und gebe euch aufrichtigen Rat, und ich weiß durch Allah, was ihr nicht wisst.

(Heiliger Qur'an, Sure 7, Vers 62)

Und mein Rat wird euch nicht nützen, wenn ich euch raten will, falls Allahs euch irreführen will. Er ist euer Herrgott und zu Ihm werdet ihr zurückgebracht werden.

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(Heiliger Qur'an, Sure 11, Vers 34)

Ich übermittle euch die Botschaft meines Herrn, und ich bin für euch ein aufrichtiger Ratgeber.

(Heiliger Qu'an, Sure 7, Vers 68)

Und er schwor ihnen: Sicherlich, ich bin für euch ein aufrichtiger Ratgeber

(Heiliger Qur'an, Sure 7, Vers 21)

... ich übermittelte euch die Botschaft meines Herrn und gab euch aufrichtigen Rat, aber ihr liebt nicht den guten Ratgeber.

(Heiliger Qur'an, Sure 7, Vers 79)

So wandte er sich von ihnen ab und sprach: O mein Volk ! Ich übermittelte euch die Botschaften meines Herrn und gab euch aufrichtigen Rat ...

(Heiliger Qur'an, Sure 7, Vers 93)

Wenn Moses (s.), der Sohn des Imran, zu Gott spricht, sagt er, dass die Schwierigkeit der von ihm unternommenen Aufgabe nicht darin liegt, dass sie im Kampf gegen den Pharao mit all dessen Macht und Despotismus liege, sondern dass es andere Schwierigkeiten gäbe. Dann bittet er Gott, ihm zu helfen, ein solcher Moses zu sein, der Moses ignoriert und keine Selbstsucht und keinen Eigensinn hat, so dass er in aller Aufrichtigkeit die Botschaft Gottes übermitteln kann.

Ein anderes Kennzeichen der Propheten ist, dass sie den anderen keinen Verdruss verursachen wollen. In der Sure Sad sagt der Qur'an:

Sprich: "Ich verlange von euch keinen Lohn dafür, und ich bin nicht einer jener, der euch Verdruss bereiten möchte."

(Heiliger Qur'an, Sure 38, Vers 86)

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Verdruss (Ärger, Mühsal) zu bereiten bedeutet, Mühsale und Unbehaglichkeiten anzufassen oder auf Formalitäten zu bestehen. Es gibt Zeiten, da jemand eine Idee andern aufdrängen will, wiewohl er selber nicht daran glaubt. Es ist sehr schwierig, sich so zu verhalten:

Was keinen Anteil hat im "Kreise des Seins",

wie kann es ein Born des Lebens werden?

Und die alte, abgeregnete und trockene Wolke,

wie kann sie so großzügig sein zu regnen und zu fliegen?"

Das ist der eine Sinn des Terms "Verdruss sich selbst bereiten". Ein anderer Sinn wird von Ibn Masud und anderen erwähnt und ist: „Sprechen ohne Wissen."

Niemand in der Welt außer dem Heiligen Propheten Mohammed (s.) und den zwölf Schiitischen Imamen kann jede Frage beantworten.

Ein Jude fragte: "Wer kann behaupten, absolutes Wissen zu haben?" Nun, der Heilige Prophet Mohammed (s.) kann das von sich behaupten (weil er wie die zwölf Imame sein Wissen von Gott bezieht). Und Imam Ali verkündete: "Fragt mich alles, bevor ihr mich verliert !"38

Von keinem anderen Menschen kann man erwarten, dass er alles weiß, und man sollte sich selbst gut kennen und sollte nicht so etwas daherreden, was man nicht kennt. Ibn Masud sagte: "Sagt was ihr wisst und redet nicht über das daher, was ihr nicht wisst ! Wenn euch eine Frage gestellt wird, die ihr nicht beantworten könnt, so seid tapfer genug, das zuzugeben." Dann erzählte er diesen Vers des Heiligen Qur'an (Sure 38, Vers 86):

Sprich: "Ich verlange von euch keinen Lohn dafür, und ich bin nicht einer jener, der euch Verdruss bereiten möchte."

Ibn Dschausi war ein berühmter Prediger in seiner Zeit und einstmals sprach er von der Redestiege (Minbar). Eine Frau aus der Zuhörer-

38 Quelle: Safinat-al-Bihar, Vol 1, p. 586 Neuer Bihar, Vol. 40, S. 139

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schaft fragte ihn etwas, was er nicht wusste. Die Frau sagte: "Wenn du die Antwort nicht kennst, warum bist du die drei Stufen der Redetreppe emporgestiegen?" Ibn Dschausi antwortete: "Die drei Stufen, die ich emporgestiegen bin, sind für das, was ihr nicht wisst. Hätte ich die Redetreppe zum Ausmaß meiner Unwissenheit bestiegen, bräuchte ich eine Redetreppe (Minbar), die bis zum Himmel reicht."

Der verstorbene Scheich Ansari (Gott habe ihn selig) war ein Genie in seiner Zeit, und die Gelehrten waren stolz darauf, seine Denkfeinheiten zu verstehen. Wann immer sie ihm eine Frage stellten, die er nicht beantworten konnte, wiederholte er absichtlich laut: "Das weiß ich nicht ! Das weiß ich nicht !" Damit wollte er seinen Studenten beibringen, sie sollten sich genauso verhalten, wenn sie etwas nicht wüssten, und sie sollten sich nicht schämen, Unwissenheit zuzugeben.

Vor ein paar Jahren, als ich noch Student war, ging ich zum Institut Nadschaf Abad in Isfahan (Iran); es war der Fastenmonat Ramadan. Ich war dort mit ein paar Freunden, aber die Klassen wurden noch nicht unterrichtet. Eines Tages überquerte ich die Straße; ein Dorfmann stoppte mich und sagte: "Ich habe ein Problem." Ich fragte: "Was ist das?" Er fragte: "Gehört Dschanabat-Ghusl39 zum Körper oder zur Seele?" Ich bemerkte: "Ich verstehe deine Frage nicht. Das Dschanabat-Ghusl ist wie jedes andere Ghusl." Dann dachte ich scharf nach entdeckte noch einen Punkt und fügte hinzu: "Von einem Standpunkt ist Dschanabat-Ghusl auf die Seele bezogen, denn man fasst den Vorsatz, sich zu reinigen, aber Dschanabat-Ghusl ist auch auf den Körper bezogen, denn man wäscht den eigenen Körper." Dann fragte ich ihn: "Bist du zufriedengestellt?" Er sagte: "Nein." Ich sagte darauf, dass ich die Antwort nicht wüsste. In seinem Dialekt protestierte er: "Warum trägst du dann diesen Turban?" Und er wiederholte die Frage: "Reinigt die Waschung auch die eigene Seele?"

39 Ganzkörperwaschung zur rituellen Reinigung wegen Geschlechtsverkehr und/oder Erguss

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Die Propheten und die frohen Botschaften

Ein anderes Kennzeichen der Propheten und Gottesgesandten ist, dass sie frohe Botschaften bringen. Der heilige Qur'an sagt:

O Prophet! Wir haben dich gesandt als Zeuge und als Bringer froher Botschaft und als Warner. Und als Aufrufer zu Allah nach seinem Gebot, und als eine leuchtende Sonne. Verkünde daher den Gläubigen die frohe Botschaft, dass ihnen von Allah große Huld zuteil werden soll. (Heiliger Qur'an, Sure 33, Vers 45-47)

Frohe Botschaft zu geben ist aufmuntern. Wenn man das eigene Kind überreden will, etwas zu tun, gibt es dafür zwei im folgenden aufgelistete Wege; entweder dient die eine Methode zu einer Zeit oder beide Methoden zur gleichen Zeit dem Zweck.

1.) Ermunterung und frohe Botschaft.

Wenn z.B. jemand den eigenen Sohn auf die Schule schicken will, so weil die Schule einen guten Ruf hat und weil ein Absolvent dieser Schule im Leben Vorteile hat. Das wird den Sohn ermuntern und wird seine Gefühle und seine Liebe für die Schule ermuntern.40

2.) Warnung vor den üblen Folgen.

Wird dem Sohn erläutert, welche üblen Folgen es hat, die Schule nicht zu besuchen und ungebildet zu bleiben, wird er doch lieber zur Schule gehen wollen.

Ermunterung und frohe Botschaft kommen immer zuerst, und dann folgt die Warnung, um zu motivieren. Folglich werden beide Methoden benötigt, weil beide notwendig sind, und die frohe Botschaft allein genügt nicht. Frohe Botschaft ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Methode. Das gleiche gilt für die Warnung. Der Grund,

40 Im Iran gibt es auch viele Privatschulen

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dass der Heilige Qur'an "Sab al-mathani" (der Siebenfache) genannt wird, ist, weil Frohe Botschaft und Warnung siebenmal kombiniert auftauchen. Bei der Verkündung sollten ebenfalls diese beiden Methoden so eingesetzt werden, dass die eine die andere ergänzt. Es ist falsch, nur auf der frohe Botschaft zu beharren und das Warnen zu vergessen. Beides sollte eingesetzt werden, obwohl die frohe Botschaft Übergewicht vor dem Warnen haben sollte. Daher kommt im Heiligen Qur'an in Versen das Wort "frohe Botschaft" vor "Warnen".

Tanfir (Erschrecken, Verscheuchen)

Nach der frohen Botschaft und der Warnung gibt es eine dritte Methode, nämlich „Tanfir" (Erschrecken, Verscheuchen). Wer das Hört, möchte am liebsten flüchten. Einige Leute interpretieren „Tanfir" als Warnen. Warnen wird gebraucht, um zu motivieren, aber „Tanfir" lässt den Hörer davonrennen. Beispielsweise wird ein Tier vom Seil gezogen, kann man durch Lärm das Tier dazu bringen, schneller zu gehen, wiewohl der erschreckende Lärm das Tier soweit bringen kann, dass es durchgeht und außer Kontrolle gerät. Die Predigt kann zuweilen so sein, dass die Menschen nicht im Glauben und Tun ermuntert werden, sondern vor Ekel und Hass davonrennen möchten. Dies ist ein psychologisches Prinzip. Viele Eltern beispielsweise ermuntern die Kinder nicht durch gute Worte oder Warnen zum Schulbesuch, sondern schüchtern sie so ein, dass sie sich lieber verstecken möchten.

Als der Heilige Prophet Mohammed den Ma'adh Ibn Dschabal nach Jemen schickte, um dort das Wort Gottes zu verkünden, sagte er: "O Ma'adh ! Bringe den Leuten frohe Botschaft und bringe sie nicht zum Flüchten ! Gib Ihnen frohe Botschaft und bereite ihnen nicht Ver-druss."41

41 Quelle: Sirat-Ibn-Hischam, Vol. IV, S. 237

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Der Prophet sagte nicht: "Warne sie nicht !", denn Warnen ist ein Teil des qur'anischen Befehls. Der Prophet sagte: "Rede so, dass sie den Islam nicht hassen!"

Jemen

Jemen ist ein Land, in dem die Leute ohne Druck und Zwang zum Islam konvertierten. Der Grund, warum sie den Islam annahmen, war der Brief, den der Heilige Prophet an den persischen Großkönig Khosrau II. Parvis schrieb. In diesem Brief lud der Prophet den Großkönig zum Islam ein. Einige Herrscher ignorierten die Briefe, die Ihnen der Heilige Prophet schrieb, aber andere Herrscher antworteten respektvoll. Einige Herrscher schickten sogar Geschenke dem Heiligen Propheten und behandelten seine Botschaften recht freundlich. Ein Herrscher, der nicht respektvoll antwortete und den Brief zerriss war der persische Großkönig Khosrau II. Parvis. Er schickte jemanden nach Jemen, um den persischen Gouverneur (namens Badhan) aufzufordern, er solle herausfinden, wo der Frechling sei, der den Großkönig zum Islam einlud und dieser Frechling habe den Großkönig beleidigt, weil er in seinem Brief seinen eigenen Namen vor den Namen des persischen Großkönigs setzte! Der Gouverneur von Jemen wurde aufgefordert, Agenten nach Yathrib42 zu schicken, um dort die Sache zu untersuchen, Mohammed (s.) zu verhaften und zum persischen Gouverneur zu bringen, damit er verhört und bestraft werde.

Der persische Gouverneur von Jemen bat den Botschafter des Großkönigs, zusammen mit seinem eigenen Botschafter den Antwortbrief Khosraus zu Mohammed (s.) zu bringen und dessen Stellungnahme einzuholen. Der Heilige Prophet ließ die beiden Botschafter warten, und immer wieder verlangten sie seine Stellungnahme. Nach vierzig Tagen sagten die beiden Botschafter, sie hätten nun genug gewartet, und sie möchten unbedingt eine Stellungnahme zum Briefe des

42 Das spätere Medina

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Großkönigs. Da sagte endlich der Heilige Prophet: "Der Großkönig wurde von seinem Sohn Schiruye erdolcht und er ist tot - die Sache hat sich erledigt. Ihr könnt gehen!"43

Die beiden Botschafter reisten nach Jemen zurück. Der dortige persische Gouverneur hatte aber die Nachricht von der Ermordung des Großkönigs noch nicht aus Persien erfahren. Der Gouverneur hörte sich die Geschichte der Beiden an und sagte: "Ehre sei Gott ! Wenn das wahr ist, was ihr sagt, dann muss dieser Mann ein Prophet Gottes sein." Ein paar Tage später kamen die Botschafter Schiruyes und erzählten dem persischen Gouverneur in Jemen, der persische Großkönig Khosrau II. Parvis sei von seinem eigenen Sohn Schiruye ermordet worden, und Schiruye sei nun persischer Großkönig. Die Botschafter sagten dem Gouverneur, er solle nicht den Befehl Khos-raus hinsichtlich des Mannes in Yathrib befolgen, der behaupte, er sei Prophet Gottes.

Dies war es, wie der Islam Eingang im Jemen fand. Überdies, es gab etliche Iraner (Perser) im Jemen; ich habe im Buche "Die gegenseitigen Beiträge von Islam und Iran"44 erwähnt, dass die Iraner im Jemen die ersten waren, die Muslime wurden, und sie verbreiteten dann den Islam im Iran. Die Iraner im Jemen akzeptierten den Islam aufrichtiger als andere. Zu Lebzeiten des Heiligen Propheten konvertierte die Hälfte der Bevölkerung des Jemen zum Islam. Um die andere Hälfte des Jemen zum Islam zu bringen, entsandte der Heilige Prophet den Ma'adh Ibn Dschabal und danach Imam Ali (a.). Imam Ali (a.) wurde während der Abschiedswallfahrt des Propheten entsandt, zwei Monate vor dem Tod des Propheten.

Als Imam Ali (a.) von Jemen zurückkehrte, traf er den Heiligen Propheten (s.) in Mekka. Er fragte Imam Ali, was seine Absicht (Niyyat) für die Wallfahrt sei. Imam Ali antwortete: "Als ich meine Absicht (Niyyat) zu Miqat45 machte, wollte ich die gleiche Niyyat wie du."

43 Quellen: 1.) Tabaqat Al-Kubra, 2.) Tarich Tabari, 3.) Bihar-ul-anwar, 4.) Tarich Yakubi, u.v.a.m.

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Das Buch ist auch in deutscher Übersetzung vorhanden Eintrittsort in den Heiligen Bezirk

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Der Heilige Prophet sagte, das sei richtig und ideal. Als Ma'adh in den Jemen geschickt wurde, riet ihm der Heilige Prophet, den Leuten von Jemen frohe Botschaft zu geben und sie nicht vom Islam abspenstig zu machen. Die menschliche Seele ist äußerst heikel und reagiert sehr schnell. Zu viel Druck auf die menschliche Seele lässt sie davon flüchten. Beispielsweise empfahl der Heilige Prophet für das rituelle Gebet, dass man nur so viel beten solle, wie er gutgelaunt sei und willig und freudig dabei sei. Man sollte das Gebet nicht sich selbst aufzwängen, andernfalls werde die Seele revoltieren und einen schlechten Eindruck vom Gebet haben.

Der Heilige Prophet Mohammed (s.) sagte zu Dschaber: "Fürwahr! Diese Religion (Islam) ist ein festes Bollwerk. So betrete sie mit Höflichkeit und Besinnung. Ein Mensch, der hastet und Abkürzungen nehmen will, wird nirgendwohin kommen, und er wird sein Pferd kaputtmachen. So pflege das Land, als wenn du dort für immer leben willst. Und handle so, als ob du morgen sterben wirst. "46

Islam ist eine Religion des seelischen Gleichgewichts, so sei fair zu dir selbst. Jene, die meinen, sie könnten das Ziel erreichen, indem sie sich selbst unter Druck setzen, irren sich. Solche Leute kommen zu nichts. Sie sind wie ein Mensch, der ein Pferd von einer Stadt zur anderen reitet. Er meint, wenn er schneller reitet, kommt er schneller ans Ziel. Tatsächlich mag er eine Wegstrecke schneller durcheilen, aber dann merkt er doch, dass er nicht nur sein Ziel verfehlt, sondern auch noch sein Pferd kaputt gemacht hat.

Ein Mensch, der sich überanstrengt, mag zwar meinen, er sei schneller als die anderen, wird aber am Ziel nicht ankommen, und er wird den Eifer zum Vorrücken verlieren, gerade wie ein ruiniertes Pferd, das nicht mehr gehen kann.

"Es gab einmal einen Muslim, und er hatte einen christlichen Nachbarn. Der Christ zeigte immer mehr Hinneigung zum Islam, und zum

46 Quelle: Safinat-al-Bihar, Vol. 1, S. 532

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Schluss konvertierte er zum Islam, wobei der muslimische Nachbar mithalf. Am Tage nach der Konversion hörte er jemand frühmorgens an die Tür klopfen. Als er antwortete, war es sein muslimischer Nachbar, der gekommen war, um ihn mit zur Moschee zu nehmen. Sie gingen und sie machten das Morgengebet, dann das Nafillah-Gebet, dann das Gebet kurz vor Sonnenaufgang usw. Sie blieben dann für das Mittagsgebet und sie lungerten umher, bis es Zeit für das Abenddämmerungsgebet war. Der Muslim sagte dann zum Neumuslim: "Nun machen wir unsere Niyyat-Gebete für das Fasten am morgigen Tag. "Am Tag danach, als der Altmuslim zu seinem Nachbar ging, um ihn zur Moschee mitzunehmen, sagte der Mann: "Ich komme nicht mit. Die Religion, die du praktizierst, ist gut für Leute, die nichts anderes zu tun haben als zu beten. Ich bin kein Muslim mehr. "47

Der Sechste schiitische Imam Sadiq sagte dazu: "Seid nicht wie dieser Mann, der einem Christen half, den Islam anzunehmen, aber ihn dann flüchten ließ."

Es gibt viele Dinge, welche viele Leute vom Islam vertreiben. Zuweilen bringt die Erscheinung eines Muslim einen Nichtmuslim dazu, den Islam zu hassen, wiewohl Sauberkeit vom Islam sehr empfohlen wird48, und der Heilige Prophet gehörte zu den saubersten Menschen seiner Zeit, und er wäre es auch heute noch, wenn er noch leben würde.

Dialektiker glauben, dass eine Bedingung des Prophetenamtes ist, dass es im Propheten oder im Imam keine Eigenschaften gäbe, die auf die Leute abstoßend wirken. Der Prophet oder der Imam sollte keinen körperlichen Fehler oder Makel haben, denn solche Dinge schaffen Abscheu und Ekel. Der Prophet oder Imam sollte attraktiv sein, oder wenigstens nicht abstoßend in der Erscheinung.

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7 Aus "Geschichte des Wahrhaftigen" Quelle: Safinat-al-Bihar, Abschnitt über die Sauberkeit, Vol. II, p. 597

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Wer den Islam verkündet, sollte ebenfalls solche Qualifikationen haben. Seine Worte sollten die Leute nicht vom Islam wegscheuchen - es ist nicht gut, wenn der Prediger zu viel tadelt, und wenn er beispielsweise zu roh ist. Es gibt Fälle, wo Tadel Früchte trägt. Beispielsweise kann ein Bösewicht sein Verhalten ändern, wenn der Rüffel eines anderen wirkt. Aber meistens macht ein Tadel die Leute widerspenstig.

Einige Leute betonen immer wieder das Problem, religiös zu sein, aber der Heilige Prophet sagte zu Ma'adh: "Mache die Sache leicht für sie (die Jemeniten) und nicht lästig." Der Prophet sagte auch: "Gott sandte mich mit einer Religion, die nachsichtig und großzügig ist."49

Wie kann eine Religion nachsichtig sein? Eine Religion hat ihre Prinzipien. Z. B. sagt sie, dass die rituelle Waschung (Wudu) eine Pflicht ist, aber wenn der Mensch eine Wunde oder Krankheit hat, die durch Waschung schlimmer wird, ist die rituelle Waschung nicht notwendig. Das ist ein Fall, in dem die Religion nachsichtig ist. Islam ist keine Religion, die auf Härte und Sturheit gründet, sondern auf wahre Nachsicht. Der Islam sagt, dass Fasten Pflicht ist, und das absichtliche Brechen des Fastens ist eine große Sünde. Gleichzeitig sagt der Islam: Wenn du auf Reisen bist oder das Fasten könnte schaden, weil du krank bist, dann kannst du das Fasten auf später verschieben, wann immer möglich.

Wer aber krank oder auf Reise ist, der faste ebenso viele andere Tage dafür. Doch wer es schwer vermag, der soll zur Ablösung einen Armen speisen ... denn Allah will es euch leicht machen und nicht schwer.

(Heiliger Qur' an, Sure 2, Vers 184)

49 Motahhari in der Fußnote: Ich kann mich nicht daran erinnern, genau die gleiche Aussage irgendwo gesehen zu haben; aber im Buche Kafi, Band. V, S. 497, sah ich: "Ich (Prophet Mohammed) wurde nicht für Einsiedelei (Mönchtum) gesandt, sondern dass ich zum richtigen Pfad geleite, der leicht und freigiebig ist."

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Wenn du befürchtest, dass Fasten oder die rituelle Waschung dir schaden können, dann verzichte darauf, selbst wenn sich deine Furcht auf den medizinischen Rat eines Ungläubigen oder Häretikers gründet. Es gibt auch andere Fälle, wo Muslime vom Fasten befreit sind, wie z.B. betagtes Alter oder Schwangerschaft.

Der verstorbene Ayatollah Hadschi Scheich Abdulkarim Haeri (Gott habe ihn selig) pflegte zu fasten, selbst als er sehr alt und schwach war und das Fasten schwierig für ihn war. Daher fragten die Leute ihn nach dem Grund, da er ja selber in seinem Buch geschrieben habe, dass Fasten für alte Leute nicht verpflichtend wäre. Er antwortete, dass sein Urteil korrekt sei und er bekannte, er sei nun alt genug und eigentlich vom Fasten befreit. Sie fragten ihn, warum er sich so ans Fasten halte. Er erwiderte, seine Natur zwinge ihn dazu. Der Islam ist eine großzügige Religion und es ist diese Nachsicht, welche die Leute anzieht. Deswegen sagte der Prophet: "Ein Prediger sollte die Nachsicht und die Leichtigkeit verkünden, die mit dieser Religion verbunden sind; und er sollte ein praktisches Beispiel setzen, so dass die Leute ermuntert werden, den Islam anzunehmen."

Teil IV

GOTTESFURCHT UND ANGST

Ein anderer Umstand für die Einladung zum Islam ist das Problem der Gottesfurcht und der Angst. Der Heilige Qur'an sagt: "... die Allahs Botschaften ausrichteten und Ihn fürchteten und niemanden außer Allah fürchteten."

(Heiliger Qur'an, Sure 33, Vers 39)

Dies ist einer der Verse des Heiligen Qur'an, die den Rücken mit der schweren Bürde der Verantwortung brechen. Der Qur'an-Vers erklärt, dass die Verkünder der Religion, welche die Botschaft Gottes

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den Leuten übermitteln, im Kern zwei Eigenschaften haben sollten. Zunächst sollten sie Gottesfurcht haben:

Und daher fürchten Allah nur diejenigen, die mit Weisheit begabt sind. (Heiliger Qur'an, Sure 35, Vers 28)

Die Gelehrten und Weisen unter seinen Dienern fürchten Allah alleine.

Eines der Gebete des Heiligen Propheten wird empfohlen, in der Nacht des 15. Schaban50, des Geburtstages des zwölften Schiitischen Imam Muhammad Mahdi, zu rezitieren und es lautet folgendermaßen:

"O Gott ! Gib uns Gottesfurcht, damit sie zwischen uns und dem Bösen stehe; und gib uns Gottesknechtschaft, damit sie uns zu deinem Paradiese führe; und gib uns Gottesglauben, so dass wir mit Leichtigkeit die Härten dieser Welt tragen. "51

Ein Verkünder sollte selber Gott erfürchten in einer Weise, dass die Gottesfurcht und die Großartigkeit Gottes sein Herz überwältigen sollten, so dass er im gleichen Augenblick, da er etwas Falsches tun will, kontrolliert und gezügelt wird.

Die zweite Eigenschaft eines Verkünders ist, niemanden als Gott zu fürchten.

Unterschied zwischen Gottesfurcht und Angst

Es gibt eine Nuance oder einen Unterschied zwischen Gottesfurcht und Angst. Angst betrifft die eigene Zukunft und das eigene Ende. Gottesfurcht ist ein Zustand des Gemüts, in dem man nicht wagt,

50 Name eines Monats im islamischen Mondkalender

51  Quelle: Mafatih-al-Dschanan

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Falsches zu verüben. Der Heilige Qur'an sagt, dass die Verkünder der Sache Allahs Gott so sehr fürchten, dass sie nicht wagen, Falsches zu tun, und sie zeigen nicht den geringsten Ungehorsam gegenüber Gott. Andererseits, wenn sie gegen jemand anders als Gott antreten, sind sie ganz tapfer und kühn.

Standhaftigkeit

Ein anderes Merkmal der Propheten und besonders des Propheten Mohammed (s.) ist ihre Standhaftigkeit und Kühnheit.

Ein westlicher Schriftsteller schrieb ein Buch mit dem Titel "Muhammad (s.), a Prophet, whom we should know again" (Mohammed (s.) , ein Prophet, den wir wieder kennen sollten). Das Buch hat zwar Ungereimtheiten, aber es enthält zwei erwähnenswerte Punkte. Die zwei Punkte sind im Buch gut dargestellt worden, und wahrscheinlich war kein anderes Buch fähig, sie so gut zu schildern. Der erste Punkt betrifft die Merkmale des Heiligen Propheten Mohammed (s.), nämlich Taktgefühl und große Weisheit, was selbst von Nichtmusli-men nicht geleugnet werden kann. Das zweite Merkmal ist seine Standhaftigkeit, d h. er war unter allen Umständen hartnäckig in seinen Entscheidungen und politischen Schachzügen. Viele Geschehnisse während seiner Zeit schienen offensichtlich so pessimistisch, dass jeder andere die Hoffnung verloren hätte und aufgegeben hätte, aber der Heilige Prophet Mohammed (s.) blieb standhaft und fest wie ein Berg.

Ermahnung

Das andere Thema bei der Einladung und Verkündigung ist das Thema des Hinweises (Ermahnens). Der Heilige Qur'an erwähnt dies:

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Fahre aber fort zu ermahnen, denn Ermahnung nützt den Gläubigen.

(Heiliger Qur'an Sure 51, Vers 55)

Ein anderer Qur'an-Vers besagt:

Kehren sie sich (vom Glauben) ab, so haben Wir dich nicht als deren Wächter entsandt. Deine Pflicht ist nur die Verkündigung.

(Heiliger Qur'an, Sure 42, Vers 48)

Denken und Ermahnen hervorrufen

Zwei Themen werden im Heiligen Qur'an Seite an Seite erwähnt: Denken und Ermahnen hervorrufen.

Das Denken hervorrufen (herausreizen) bedeutet, über etwas nachdenken, was man nicht weiß und etwas entdecken, was man nicht kennt.

Ermahnen bedeutet, etwas ins Gedächtnis rufen, was man schon weiß. Mit anderen Worten, es gibt zwei Geisteszustände gegen Unwissenheit und Schläfrigkeit. Zuweilen kennt jemand eine Umgebung nicht, denn er ist unbewusst und nicht aufgeweckt. Zuweilen kennt jemand sein Umfeld nicht, denn er ist in einem Zustand des Schlafens oder Traumes und daher kann er sein Wissen nicht nutzen. Das ist offensichtlich ein Zustand des Traumes. Gott ermahnt seinen Heiligen Propheten, dass er nicht allein gegen unwissende Leute antritt, sondern auch gegen nachlässige Leute. Dann befielt Gott ihm, das Denken in den Unwissenden zu provozieren, damit sie Wissen erwerben, aber er soll die Nachlässigen und Ungebildeten ermahnen. Die Leute sind allgemein nachlässig, aber (total) verdummte gibt es wenige. Gott sagt dem Propheten, er solle jene ermahnen, die nachlässig sind, und er solle das Denken in jenen provozieren, die unwissend sind, so dass sie bewusst werden und ihre eigenen Probleme anpacken. Angenommen, ein Mann schläft, und sein Zug will abfah-

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ren. Wenn du solch einen Mann aufweckst, wird er eilig zum Zug rennen, und du brauchst ihn nicht an die Nachteile des Weiterschlafens zu erinnern. Die verborgenen Gefühle sind ebenfalls so. Der Heilige Prophet kam, um solche Gefühle wachzurufen. Der Glaube erhebt sich durch die Wachsamkeit der verborgenen Gefühle des einzelnen, und daher gibt es im Islam keinen Zwang im Glauben.

Es gibt keinen Zwang im Glauben. Der richtige Weg ist nun klar erkennbar geworden gegenüber dem unrichtigen. Wer nun an die Götzen nicht glaubt, an Allah aber glaubt, der hat gewiss den sichersten Halt ergriffen, bei dem es kein Zerreißen gibt. Und Allah ist Allhörend, Allwissend.. (Heiliger Qur'an, Sure 2, Vers 256)

Es gibt keinen Zwang in der Religion, und was der Prophet anstrebt, ist Glaube, nicht eine scheinbare, aufgesetzte Religion. Bekenntnis ist Glaube, Interesse und Neigung und das kann nicht durch Gewalt erreicht werden. Der richtige Weg ist die faire Ermahnung und der Appell an die Weisheit (siehe dazu Heiliger Qur'an, Sure 16, Vers 125).

Imam Ali (a.) sagte einstmals: "Fragt mich, bevor ihr mich verliert! O Leute, stellt mir jede Frage, und ich werde sie beantworten! Ich kenne die Antworten für die kosmischen Prozesse besser als für die irdischen Prozesse. "52 An dieser Stelle erhob sich protestierend ein arabischer Jude und sagte ungebührlich: "Du arroganter Mann ! Du behauptest Dinge zu wissen, die du nicht weißt. Kannst du jede gestellte Frage beantworten?" Einige der Gefährten Imam Alis wollten den Juden grob zurechtweisen, aber Imam Ali stoppte sie und sagte: "Die Gotteswege können nicht durch Gewalt gebahnt werden. Falls dieser Mann Fragen hat, so möge er sie stellen. Wenn ich seine Frage beantworte, wird er sich seines groben Verhaltens schämen und wird sich ändern."

52 Quelle: 2. und 3. Safinat-al-Bihar, Band. 1, S. 286; New Bihar, Band 40, Vers 139

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Der Schlüssel, um mit Weisheit die göttliche Erkenntnis zu erlangen und zu begründen, ist Edelsinn und der Appell ans Herz, an die Seele und an das Denken. So sollte die Einladung sein.

Wann immer Imam Hussein auf einen Feind stieß, kämpfte er tapfer. Aber wenn er mit Leuten zu tun hatte, die er zum rechten Pfade hinleiten wollte, war er demütig und war nachsichtig zu ihrer mangelnden Aufmerksamkeit.

Viele stellen die Frage auf, ob der Aufruf zu Gott im Islam auf Zwang oder freien Willen gründet. Das ist ein Thema, auf dem christliche Priester herumreiten, um den Islam zu kritisieren und sie nennen den Islam "eine Religion des Schwertes". Irrigerweise betrachten sie den Islam als eine Religion, die nur auf Gewalt baut. Aber der Heilige Qur'an sagt:

Rufe zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung auf, und streite mit ihnen auf die beste Art. ... (Heiliger Qur'an, Sure 16, Vers 125)

Selbst in einigen ihrer Bücher haben die christlichen Priester Karikaturen, die einen Mann abbilden, der in der Hand den Heiligen Qur'an hat und ein Schwert in der anderen, während er über jemandem steht, was impliziert, dass man entweder den Islam annimmt, oder man verliert seinen Kopf. Unglücklicherweise sagen einige ungebildeten Muslime Dinge, die mit der Historie nicht verträglich sind, noch mit dem Heiligen Qur'an. So bestätigen sie die Kritik des Feindes.

Diese ungebildeten Muslime missdeuten Dinge und erwähnen, was nur teilweise wahr ist, sie überdenken nur einen Aspekt des Islam, und so liefern sie den Feinden Vorwände. Sie verurteilen beispielsweise den Islam, indem sie sagen, zwei Faktoren hätten zum Siege des Islam geführt: Der Reichtum der Khadidscha (Mohammeds (s.) erste Frau) und das Schwert Alis. Merkt die Worte: Reichtum und

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Gewalt! Wenn sich eine Religion nur durch Reichtum und Gewalt ausbreitet, was wäre das dann für eine Religion?

Der Heilige Qur'an erwähnt kein einziges Mal, dass der Islam so voran schritt. Zweifellos half der Reichtum der Khadidscha bei der Verkündigung des Islam, aber das bedeutet nicht, dass Gold an Leute gezahlt worden wäre, damit sie Muslime werden. Khadidscha verhielt sich niemals so, aber sie gab all ihr Eigentum dem Heiligen Propheten (s.), um bedürftigen Muslims in ihrem täglichen Existenzkampf zu helfen. Khadidscha war eine reiche Frau, verglichen mit anderen, aber sie war keine Kapitalistin, keine Millionärin, wenn man heutige Begriffe verwenden will, Mekka war damals eine Kleinstadt, und wäre nicht der Reichtum der Khadidscha gewesen, so hätte wahrscheinlich die Armut die Muslime liquidiert. Der Reichtum der Khadidscha half aber nicht in dem Sinne, dass Leute bestochen wurden, damit sie Muslim werden. Der Reichtum rettete das Leben von muslimischen Armen.

Zweifellos half auch Imam Alis Schwert, den Islam auszubreiten. Wäre das Schwert Alis nicht gewesen, so hätte der Islam ein anderes Schicksal gehabt. Aber dies bedeutet nicht, dass Imam Ali mit seinem Schwert Leute zwang, Muslim zu werden. Im Gegenteil, das bedeutet: Der Feind wollte den Islam mit Gewalt ausrotten, aber Ali stellte sich ihm tapfer als Verteidiger des Islam entgegen. Um ein paar Beispiele zu geben: Die Schlacht zu Badr, die Schlacht zu U-hud, die Graben-Schlacht mögen erwähnt werden, wo das Schwert Imam Alis den Islam vor der Niederlage rettete.

Im Grabenkrieg, als die qureischitisch-mekkanischen Ungläubigen und ihre Verbündeten mit 10.000 die Muslime in Medina umzingelten und belagerten, waren die Muslime in einer schwierigen Lage. Die Umstände waren ökonomisch und sozial so schlecht, dass offensichtlich keine Hoffnung bestand.

Amru-bin-Abd-Wud und seine Gefährten belagerten den Graben, den die Muslims rund um Medina-Stadt ausgehoben hatten, und sie fan-

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den eine Stelle, wo sie zu Pferde den Graben überspringen konnten, und sie traten gegen die Muslime an. Sie forderten Zweikämpfe heraus, aber nur der etwa 25-jährige Jüngling Ali erhob sich und bat den Heiligen Propheten um Erlaubnis, zum Zweikampf antreten zu dürfen. Der Heilige Prophet gab Ali nicht die Erlaubnis, denn er wollte den älteren Prophetengefährten (Sahaba) eine Chance geben. Amru-bin-Abd-Wud dagegen paradierte auf seinem Pferd und forderte einen Duellanten. Der Heilige Prophet forderte noch einmal die bewaffneten Sahaba auf, aber keiner wollte zum Zweikampf antreten. Ali bat nochmals um die Erlaubnis, aber der Heilige Prophet verweigerte sie wieder. Dies geschah mehr als dreimal und Amru-bin-Abd-Wud sagte etwas, was die Muslime bestürzte und ihre Ehre berührte. Er sagte: Ich bin müde vom Rufen, einen Duellanten zu verlangen, aber ich sehe niemanden. Gibt es denn keinen echten Mann unter euch? O Muslime! Ihr behauptet, eure Gefallenen würden ins Paradies eingehen und unsere Toten in die Hölle! Wenn dem so ist, wagt denn niemand gegen mich anzutreten, dass er mich töte und zur Hölle sende oder dass ich ihn töte und ihn ins Paradies befördere?"

An diesem Punkt sprang Ali hervor und sagte: "Sei nicht ungeduldig! Hier bin ich, dein Gegner und ich bin auch ein fähiger Krieger."

Omar ibn Khattab erfand eine Entschuldigung für die Muslime, die nicht zum Zweikampf anzutreten wagten; er sagte: "O Gottesgesandter! Wenn unsere Männer nicht zum Zweikampf antreten, dann ist es deswegen, weil sie wissen, dieser Herausforderer ist tausend Krieger wert. Jeder, der gegen ihn antritt, wird sicherlich getötet werden. "53

Schließlich verkündete der Heilige Prophet: "Hier tritt der ganze Glaube des Islam gegen den ganzen Unglauben der Heiden an. " Dann stellte sich Ali dem Amru-bin-Abd-Wud zum Zweikampf und er tötete ihn. So wurde der Islam gerettet. Daher, wenn gesagt wird, Alis Schwert habe den Islam ausgebreitet und wäre das Schwert Alis

53 Quelle: Sira-i-Halabi, Vol. II, p. 335- 345; Mustadrak Hakem, Vol. III, S. 33, Alanta, S. 240

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nicht gewesen, dann hätte es keinen Islam gegeben, so meint man nicht, dass Imam Ali die Leute zwang, Muslim zu werden, sondern man meint: Wäre der Islam nicht durch Imam Alis Schwert verteidigt worden, so wäre der Islam durch die Feinde ausgerottet worden. Islam ist die Religion des Schwertes, aber ein Schwert, das immer bereit ist, die Muslime zu verteidigen, ihr Land und ihren Monotheismus.

Dieses Thema wurde gebührlich behandelt vom verstorbenen Ayatollah Tabatabai; er diskutierte die qur'anischen Verse über den Krieg und auch diesen Vers:

Es gibt keinen Zwang im Glauben. Der richtige Weg ist nun klar erkennbar geworden gegenüber dem unrichtigen.

(Heiliger Qur'an, Sure 2, Vers 256)

Ayatollah Tabatabai sagt: Wann immer der Monotheismus in Gefahr ist, will der Islam ihn retten, denn der Monotheismus ist der kostbarste humane Wert. Diejenigen, die über Freiheit und Unabhängigkeit daher reden, sind sich nicht bewusst, dass der Monotheismus der Freiheit weit überlegen ist. Wenn man das eigene Leben, seinen eigenen Besitz, die eigene Ehre und das eigene Land verteidigt, so ist das sicherlich das eigene Werk, aber einem unterdrückten Menschen beizustehen, ist viel heiliger. Denn dabei verteidigt man nicht das eigene Leben und Besitztum. Beispielsweise ist es ehrenwert, das Wissen und die Gelehrsamkeit zu verteidigen. Auch der Monotheismus bezieht sich nicht auf eine bestimmte Person, sondern auf die gesamte Menschheit. Er ist ein Teil der menschlichen Natur, und das menschliche Denken lenkt ihn niemals gegen den Monotheismus. Der Heilige Qur'an sandte Richtlinien, um den Monotheismus von den Faktoren zu befreien, die ihn zum Verschwinden bringen. Sind diese beseitigt, zeigt sich der Monotheismus selbst.

In der Geschichte über Abraham sagt der Heilige Qur'an:

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Und vordem gaben Wir Abraham seine Rechtschaffenheit, denn Wir kannten ihn. Da er zu seinem Vater und seinem Volke sprach: «Was sind das für Bildwerke, denen ihr so ergeben seid?» Sie antworteten: «Wir fanden unsere Väter bei ihrer Verehrung.» Er sprach: «Wahrlich, ihr selbst sowohl wie eure Väter seid in offenbarem Irrtum gewesen.» Sie sprachen: «Bringst du uns die Wahrheit, oder gehörst du zu denen, die Scherz treiben?» Er antwortete: «Nein, euer Herr ist der Herr der Himmel und der Erde, Der sie erschuf; und ich bin einer der davon Zeugenden. Und, bei Allah, ich will gewisslich gegen eure Götzen verfahren, nachdem ihr kehrend weggegangen seid.» So schlug er sie in Stücke, (alle) außer ihrem Obersten, damit sie sich an ihn wenden könnten. Sie sprachen: «Wer hat unseren Göttern dies angetan? Er muss fürwahr ein Frevler sein.» Sie sprachen: «Wir hörten einen Jüngling von ihnen reden; Abraham heißt er.» Sie sprachen: «So bringt ihn vor die Augen des Volkes, damit sie urteilen.» Sie sprachen: «Bist du es, der unseren Göttern dies angetan hat, o Abraham?» Er antwortete: «Irgend jemand hat es getan. Ihr Oberster ist hier. Fragt sie doch, wenn sie reden können.» Da wandten sie sich zueinander und sprachen: «Ihr selber seid wahrhaftig im Unrecht.»Und ihre Köpfe mussten sie hängen lassen in bitterer Scham: «Du weißt recht wohl, dass diese nicht reden.» Er sprach: «Verehrt ihr denn statt Allah das, was euch nicht den geringsten Nutzen bringen noch euch schaden kann? Pfui über euch und über das, was ihr statt Allah anbetet! Wollt ihr denn nicht begreifen?» Sie sprachen: «Verbrennt ihn und helft euren Göttern, wenn ihr etwas tun wollt.» Wir sprachen: «O Feuer, sei kühl und ohne Harm für Abraham!» Und sie strebten, ihm Böses zu tun, allein Wir machten sie zu den größten Verlierern. (Heiliger Qur' an, Sure 21, Vers 51-70)

So beseitigte Abraham alle Hindernisse, und die Leute gewannen ihre eigene Natur wieder, indem sie ihren Fehler erkannten. Leute, welche die Götzentempel besuchen, äußern kein Wort gegen Götzenkult, denn der Mensch hat einen freien Willen, und er kann einer beliebigen Ideologie nachfolgen. Die Königin von Großbritannien beispielsweise reist nach Indien, um den Glaubensvorstellungen der

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Hindus Respekt zu zollen; aber solche Glaubensvorstellungen sind nicht Ideologie, sondern blindes Nachahmen der Vorväter und eine Kette des Aberglaubens, welche die Hände und Füße der Menschen fesselt.

Ein Mensch, der von Herzen spricht, wird die Herzen der anderen gewinnen. Wer aber nur mit seinem Mund spricht, dessen Worte werden nicht in die Herzen eindringen. In den Botschaften, die von Gottesmännern übermittelt werden, wird dieser Punkt klar beachtet, aber nicht in den Botschaften anderer Häuptlinge dieser Welt.

Jene Parsen, die von Iran nach Indien (Bombay) auswanderten, konnten dort die Zarathustra-Religion nicht ausbreiten. Der Islam ähnelt dem Christentum in einem Punkte, dass er seine Horizonte eröffnet, und der Islam blieb nicht auf die Arabische Halbinsel beschränkt, wo er entstand. Heutzutage hat sich der Islam in Asien, Afrika, Europa und Amerika und unter verschiedenen Völkern ausgebreitet, so dass die Anzahl der Muslime größer ist als die Anzahl der Christen. Die Christen versuchen zwar, die Anzahl der Muslime tiefer anzusetzen, und die meisten Statistiken kommen aus westlichen Quellen; aber exakte Nachforschungen zeigen, dass die Anzahl der Muslime größer ist als die Anzahl der Christen. Dieses Merkmal der schnellen Ausbreitung des Islam gilt nicht für das Christentum. Das Christentum hat sich sehr langsam ausgebreitet; aber die Ausbreitung des Islam war ungeheuer schnell in Arabien und woanders, in Asien, Afrika und in anderen Ländern.

Viele Forscher haben sich gefragt, wie sich der Islam so schnell ausbreiten konnte - so sehr, dass ein berühmter französischer Schriftsteller sagte: "Der Heilige Prophet des Islam war einzigartig in drei Aspekten:

1.) Seine materiellen Mittel waren dürftig. Ein Mann steht auf und ruft die Leute zu Gott, während er keine Macht und Autorität hat, und selbst seine Stadtgenossen werden seine heftigen Feinde und stehen gegen ihn auf. Dieser Mann ist allein und hat keine Hilfe. Er

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startet alleine, ganz alleine. Sein Weib Khadidscha und sein Cousin Ali werden seine ersten Anhänger. Allmählich konvertieren mehr Leute zum Islam und leben unter schwierigen Bedingungen.

2.) Der Faktor der ungeheuer schnellen Ausbreitung und der Faktor der Zeit.

3.) Die Größe des Ziels: Betrachtet man die Wichtigkeit des Ziels und trotz der dürftigen Mittel, es zu erreichen, wurde das Ziel ungeheuer schnell erreicht - und deswegen sollten wir sagen, dass der Heilige Prophet des Islam einzigartig in der Welt ist. "

Die Gründe für den Fortschritt des Islam

1.) Ein Grund für den Fortschritt des Islam waren vorzügliches Benehmen, Verhalten und Wesen des Heiligen Propheten Mohammed (s.) und wie er lebte.

2.) Der andere Grund war der Heilige Qur'an, der ein Wunder des Heiligen Propheten Mohammed (s.) war. Die einzigartige Schönheit, Tiefe und Attraktion des Qur'an beschleunigte die Ausbreitung des Islam.

3.) Die Persönlichkeit und die Führereigenschaft des Heiligen Propheten Mohammed (s.).

4.) Einfluss der historischen Biografie des Propheten Mohammed (s.). Der Heilige Qur'an, Gottes Wort an den Propheten sagt:

Es geschieht um Allahs Barmherzigkeit willen, dass du zu ihnen milde bist; und wärest du schroff, hartherzig gewesen, sie wären gewiss rings um dich zerstoben. So verzeih ihnen und erbitte Vergebung für sie; und ziehe sie zu Rate in Sachen der Verwaltung; wenn du aber

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dich entschieden hast, dann setze dein Vertrauen auf Allah. Allah liebt die Vertrauenden.

(Heiliger Qur' an, Sure 3, Vers 159)

Dies zeigt, dass Mohammeds (s.) Verhalten ein Faktor war, der Menschen anzog. Jeder Führer, der heute zu Gott auffordern will, sollte ebenfalls so sanft und milde in seinem persönlichen Verhalten sein. Die Wichtigkeit dieses heiligen Verses ist, dass man als Individuum milde sei, aber nicht, was die Prinzipien anbelangt. Der Heilige Prophet (s.) war sehr streng, wenn es um Prinzipien ging, und darin zeigte er keine Flexibilität. Wenn aber jemand ihn beleidigte, so vergab er ihm freundlich, denn das war etwas, was sich auf ihn bezog. Aber wenn jemand die islamischen Prinzipien vorsätzlich verletzte, so behandelte ihn der Heilige Prophet mit Strenge.

Einstmals stoppte jemand den Heiligen Propheten und behauptete, dieser schulde ihm eine bestimmte Summe Geld, und er würde ihn nicht weitergehen lassen, wenn er nicht sofort die Geldsumme zurückerhalte. Der Heilige Prophet sagte: "Ich habe gar nichts dabei; aber selbst wenn ich etwas hätte, lass mich nach Hause gehen, damit ich dein Geld auftreibe." Der Mann sagte, er würde den Propheten keinen Schritt weitergehen lassen. Der Mann handelte heftig und ignorierte, wie milde sich der heilige Prophet verhielt, und der Mann zerrte den Propheten am Mantel, wickelte den Mantel um die eigene Brust, so dass die Brust des Heiligen Propheten gepresst wurde. Der Heilige Prophet war auf dem Wege zur Moschee und als die Leute bemerkten, dass er sich verspätete, gingen sie ihn suchen, und sie fanden einen Juden, der dem Propheten den Weg versperrte. Die Muslime wollten den groben Juden schlagen und bestrafen, aber der Heilige Prophet sagte: "Nein, ihr Leute, mischt euch nicht ein. Ich weiß, was ich mit meinem Freunde tun muss." Der Jude sah, wie milde der Prophet war und wurde auf der Stelle ein Muslim und sagte: "Du bist so mächtig und doch bist du so milde, und dies ist für einen gewöhnlichen Menschen nicht möglich. Ich bezeuge, dass sicherlich Mohammed der Gesandte Gottes ist und dass es außer Gott keinen Gott gibt."

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Nach der Eroberung Mekkas betrat der Heilige Prophet diese Stadt; und eine Frau der qureischitischen Aristokraten hatte etwas gestohlen, und gemäß der islamischen Regeln würde ihr die Hand abgeschnitten. Die Frau war eine einflussreiche Qureischitin, und ihre Verwandten wollte sie retten und erinnerten den Heiligen Propheten daran, dass sie doch die Tochter eines hochangesehenen Mannes wäre, und würde man ihr die Hand abschneiden, so wäre doch die gesamte Sippe entehrt. Der Heilige Prophet sagte: "Unmöglich! Ich kann die islamischen Regeln nicht aufheben. Wäre diese Frau kein Mitglied der Aristokraten, würdet ihr alle bekräftigen, dass sie bestraft werden müsse; aber nun sagt ihr, sie solle nicht bestraft werden, denn eine aristokratische Sippe würde entehrt werden. Wie kann ich ihr denn vergeben? Niemals ! Die Gesetze Gottes werden niemals aufgehoben, und keine Empfehlungen diesbezüglich werden angenommen."

Bei Prinzipien blieb der Prophet beharrlich, aber wenn seine persönlichen Interessen betroffen waren, war er äußerst milde und großzügig.

Imam Ali war sehr milde und freundlich in seinen praktischen Angelegenheiten, aber bei Prinzipien blieb er beharrlich und unnachgiebig. Wir meinen, das unsere Heiligen immer finster drein blickten und niemals lächelten, als ob Heiligkeit mürrisch sein oder streng sein müsse. Aber Imam Ali war ganz anders: er war sehr fröhlich und leutselig.

Warum muss ein Muslim grimmig sein? Ein gläubiger Muslim ist niemals so. Imam Ali (a.) sagte: "Ein Islam-Gläubiger hat Lächeln und Frohsinn auf seinem Gesicht und Kummer in seinem Herzen. "54

Imam Ali hatte immer ein Lächeln auf dem Gesicht, wenn er mit Leuten zu tun hatte. Wie der Heilige Prophet Mohammed (s.) scherz-

54 Quelle: Nahdsch-ul-Balagha, Spruch Nr. 333

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te er mit den Leuten, aber er riss keine sinnlosen Witze. Imam Ali war so frohgesinnt, dass einige Leute das für einen schwachen Punkt bei einem Kalif-Kandidaten hielten, denn sie meinten, ein Kalif müsse grimmig sein, und die Leute müssten vor ihm zittern.

Warum aber war der Heilige Prophet Mohammed (s.) nicht grimmig? Gott sagt über den Heiligen Propheten:

Es geschieht um Allahs Barmherzigkeit willen, dass du zu ihnen milde bist; und wärest du schroff, hartherzig gewesen, sie wären gewiss rings um dich zerstoben. So verzeih ihnen und erbitte Vergebung für sie; und ziehe sie zu Rate in Sachen der Verwaltung; wenn du aber dich entschieden hast, dann setze dein Vertrauen auf Allah. Allah liebt die Vertrauenden. (Heiliger Qur' an, Sure 3, Vers 159)

In der Führungsrolle war der Prophet sanft und freundlich, nicht harsch und grob. Imam und Kalif Ali sagt über den zweiten Kalif Omar: "Dieser Mann steckte das Kalifat in eine Zwangsjacke, worin die Worte hochmütig waren und der Verkehr mit den Leuten grob war. "55

Ibn Abbas erzählt auch, dass er ein Problem mit Kalif Omar diskutieren wollte, aber er wagte es nicht, an Omar heranzutreten und er sagte: "Die Peitschehiebe Omars sind mehr gefürchtet als das Schwert des Hadschadsch."

Aber Imam Ali (a.) war sehr milde in seinen persönlichen Angelegenheiten; er war nur beharrlich, wenn Prinzipien am Werke waren. Einstmals bat ihn sein Bruder Aqil um finanzielle Hilfe. Imam Ali sagte, er würde ihn aus seinem eigenen Gehalt bezahlen. Aqil sagte: "O teurer Bruder ! Dein Gehalt ist sehr niedrig. Warum bezahlst du mich nicht aus dem Bait-ul-Mal (Gemeinwohlkasse)?" Aqil war blind. Ali befahl seinen Dienern, ein erhitztes Eisenstück herbei-

55 Quelle: Nahdsch-ul-Balagha, Rede 3

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zuschaffen und er forderte Aqil auf, es zu ergreifen. Agil dachte, es wäre ein Beutel Geld vor ihm, und so griff er zu, und seine Hand bekam Brandblasen. Er rief und jammerte. Imam Ali sagte dann: "Klagende Weiber mögen über dich, o Aqil, jammern ! Du schreist wegen dieses Eisenstücks, das Männer spaßeshalber heiß gemacht haben; aber dabei willst du mich ins Höllenfeuer treiben, das Allah der Mächtige für seinen Zorn bereitet hat. "56

So war Imam Ali milde in seinen persönlichen Angelegenheiten, aber streng, wenn es um die Ausführung der Gesetze Gottes ging. Kalif Omar war grob, selbst zu seiner Ehefrau und zu seinem Sohn; aber bei der Ausübung von Prinzipien war er schwankend. Die unbillige und ungerechte Verteilung des Bait-ul-Mal (Gemeinwohlkasse) begann während des Kalifats Omars. Er handelte gegen die Prinzipien des Heiligen Propheten Mohammed (s.), und er gründete seine Entscheidungen auf Opportunismus und persönliche Beziehungen.

Der Heilige Prophet war so freundlich und milde zu den Muslimen, dass sie alle ihn liebten. Eine Frau kam zu ihm und sagte: "O Prophet Gottes! Nimm mein sechs Monate altes Baby auf deinen Schoß, so dass es ein gutes Schicksal in Zukunft haben wird, und bete für das Baby." Der Heilige Prophet tat das. Szenen wie diese passierten öfters und die Babies urinierten zuweilen auf den Schoß des Propheten. Ihre Eltern waren darüber bekümmert und traten unruhig auf der Stelle, aber der heilige Prophet sagte nur dazu: "Lasst die Babies in Ruhe!"

56 Quelle: Nahdsch-ul-Balagha, Rede 222

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Räte und Beratungen

Ein anderer Aspekt des Edelsinns des Heiligen Propheten war seine Beratschlagung mit anderen. Der Heilige Prophet brauchte an sich keinen Rat von anderen, aber er tat so, um dieses Prinzip jedem Machthaber nach ihm aufzuerlegen, damit dieser sich nicht anderen überlegen fühle und auf Rat und Beratung nicht verzichte. Überdies, wenn der Heilige Prophet seine Anhänger konsultierte, so stärkte er die Moral unter ihnen und erhob ihr Prestige. Wenn ein Führer seine Anhänger nicht konsultiert, selbst wenn er sich seiner eigenen Entscheidung hundertprozentig sicher ist, werden sich seine Anhänger unterlegen und dürftig vorkommen. Wenn sie aber konsultiert werden und in die Entscheidungsfindung eingebunden werden, werden sie sich ihrer Persönlichkeit bewusst werden, und sie werden besser gehorchen.

Der Heilige Qur'an sagt:

und ziehe sie zu Rate in Sachen der Verwaltung; wenn du aber dich entschieden hast, dann setze dein Vertrauen auf Allah. Allah liebt die Vertrauenden.

(Heiliger Qur'an, Sure 3, Vers 159)

O Prophet! Sei vorsichtig, damit deine Konsultationen nicht zur Unentschlossenheit führen. Konsultiere, bevor du Entscheidungen triffst; aber hat das Oberhaupt einmal eine Entscheidung getroffen, so vertraue in Gott und bitte ihn, dir zu helfen.

Die obigen Prinzipien wurden erwähnt hinsichtlich des Prinzips, Gott zu rufen und Gott zu verkünden. Eins der Prinzipien der Verkündigung ist Freundlichkeit, Milde, Leutseligkeit und das Vermeiden jeder Gewalt, Härte und Zwanghaftigkeit. Das Thema der Führerschaft, natürlich, ist etwas anderes, das wir getrennt ausführlich behandeln sollten.

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[Das Original-Manuskript bricht aufgrund des Martyriums von Mo-tahhari hier ab! Hossein Vahid Dastjerdi, der Bearbeiter des Motah-hari-Textes, erlaubt sich diese abschließende Fußnote und Bemerkung:

Es ist sehr schade, dass kriminelle Heuchler ihn zum Märtyrer machten und diesen großen Gelehrten von uns wegnahmen. Gott strafe sie!]

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