MEINUNGSFREIHEIT
ODER
MASSEN BELEIDIGUNG
"DIE SATANISCHEN VERSE"
Symbol der westlichen Literatur?
EINE KRITISCHE ANALYSE
AUS DER PERSPEKTIVE
DER BETROFFENEN MUSLIME
von
Abu Hussain
INN-VERLAG, Innsbruck 1989
ISBN 3-85123-112-0
Veröffentlicht im Internet mit freundlicher Genehmigung des Verlages,
unverändert wiedergegeben allerdings ohne Bilder
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Im Namen Gottes,
des Erbarmers, des Barmherzigen
Gewidmet allen Gottesgesandten und SEINEN Propheten,
insbesondere dem heiligen Propheten Muhammad (s. ),
der den Islam verkündete,
und allen Aufrichtigen, die der Rechtleitung folgen,
wie dem großen Imam Khomeini,
der die Muslime wieder erweckte, die Religion belebte und
die gesamte Menschheit zu Gott einlud.
Inhaltsverzeichnis
Nachstehende Zeilen sind literarisch wasserfest und rechtlich
abgesichert, denn es handelt sich nur um einen Roman. Ein Erzähler gibt den Traum eines
Freundes wieder, der sich mit Ereignissen um ein Buch beschäftigt hat, das "Satanische
Verse" heißt. Ähnlichkeiten der im Traum vorkommenden fiktiven Personen mit
lebenden oder verstorbenen Personen sind zwar nicht zu bezweifeln, aber rein zufälliger
Art; der Erzähler kann schließlich die Träume seines Freundes nicht beeinflussen. Die
hiermit vorgelegten, aus sorgfältiger Recherche hervorgegangenen Aufzeichnungen sind
demnach nur ein Roman! Falls dennoch der Eindruck entsteht, es würde sich um einen
fundierten Bericht mit Dokumenten und Kommentaren handeln, so beruft sich der Autor auf
sein Recht auf Meinungsfreiheit, das ihm vorbehalten muß, das eigene Werk genauso als
Roman zu bezeichnen, wie es bei der Beschimpfung der Muslime und des Islam durch Rushdie
geschehen ist.
Der Traum beginnt hier:
Und wenn zu ihnen gesprochen wird: Folget dem, was Allah*
herniedergesandt hat, dann sagen sie: Nein, wir wollen dem folgen, wobei wir unsere Väter
vorfanden. Wie?! Selbst wenn der Satan sie zu der Strafe des brennenden Feuers lädt?
(Heiliger Qur'an 31/21)
Im tiefsten Inneren weiß jeder, daß sich die Menschen nicht
grundlegend unterscheiden, unabhängig davon wo sie geboren werden. Zwar haben
historische, gesellschaftliche, soziale und umweltbedingte Aspekte einen großen Einfluß
auf den Menschen und seine Entwicklung, doch steckt in jedem Menschen das Potential, sich
davon zu lösen, um unbelastet Ideale anzustreben. Das ist auch einer der Gründe dafür,
daß das islamische Glaubensbekenntnis (keine Gottheit existiert außer dem einen Gott)
mit der arabischen Verneinungsform "la" beginnt. Damit soll zum Ausdruck
kommen, daß der Mensch erst alle vorhandenen Bindungen und Zwänge aufgeben muß, um das
wahre Ideal anstreben zu können.
Die Menschen, welche meinen oder vorgeben, bestimmte Ideale
anzustreben, stehen in einem Wettstreit mit Menschen, die andere Vorstellungen in ihrem
Leben verwirklichen wollen. Die westliche Welt, die vorgibt Grundsätze wie Frieden und
Freiheit zumindest für das eigene Volk anzustreben, befindet sich dabei in ständiger
Konkurrenz zu Systemen, welche gleiche oder ähnliche Ziele für alle Menschen mit anderen
Argumenten verfolgen.
* Allah: Der islamische Begriff für allmächtiger, allbarmherziger,
allwissender, allgütiger, einziger und einiger Gott, Schöpfer allen Seins.
Wird dabei ein konkurrierendes System oder eine Gesellschaftsordnung
nicht vom eigenen Volk getragen, wie meist in den totalitären Regimen des Ostblocks, so
sieht sich der Westen in seinem Gesellschaftsmodell bestätigt, zumal dieses mit Wahlen
durch das Volk legitim gemacht wird. Kommt dagegen ein Konkurrenzsystem auf, das alles
Eingespielte über den Haufen wirft, eine für unsere Zeit völlig neue Ordnung schafft
und von der überwältigenden Mehrheit des eigenen wie auch Teilen anderer Völker
getragen wird, so gerät das westliche Wertesystem durcheinander. Die Selbstzweifel
können dabei langfristig nur eine von zwei Konsequenzen haben: Entweder beschäftigt man
sich mit dem neuen System, um dann möglicherweise die eigenen Vorurteile abzubauen und
entsprechenden Respekt zu zeigen, oder aber man verdammt es, ohne es zu untersuchen, um
damit die eigenen Selbstzweifel zu überdecken. Genau nach dieser zweiten Methode verfuhr
bis heute der Westen, wenn es um den Islam sowie die Islamische Revolution in der Welt und
speziell im Iran ging.
Da im allgemeinen nicht die Bereitschaft vorhanden war, sich ernsthaft
mit den Zielen der islamischen Revolution zu beschäftigen, weil dabei die Gefahr bestand,
Schwächen des eigenen Systems zu erkennen, wurden die islamische Revolution und ihr
heutiges Aushängeschild Islamische Republik Iran durchgehend, seit ihrer Begründung,
diffamiert und als neues Feindbild aufgebaut. Personifiziert wurde das Feindbild in der
Person Imam Khomeinis. Sehr leicht konnte auf die Regierung in der Islamischen Republik
Iran herabgesehen werden, mit dem Vorurteil, die Regierung würde gegen das eigene Volk
handeln. Die verfälschten Nachrichten von den großen internationalen
Nachrichtenagenturen sowie der Größenwahn sogenannter oppositioneller iranischer Gruppen
im Ausland verstärkten diese Fehlinformationen. Spätestens seit Imam Khomeinis Rückkehr
zu Gott aber ist es nicht mehr zu verbergen; die Fernsehbilder haben es für jeden
verdeutlicht: Die Islamische Revolution im Iran wird von fast dem gesamten gläubigen Volk
des Landes mit unvergleichbarer Begeisterung getragen und opferbereit unterstützt. Das
weltweit positive Echo der Muslime auf die Fatwa (Richterspruch) Imam Khomeinis gegen
Salman Rushdie, verdeutlichte, daß die islamische Befreiungsbewegung, auch außerhalb der
Grenzen Irans, eine unaufhaltsam wachsende Zahl von Anhängern hat.
Die immer weiter reichenden Folgen um die Veröffentlichung des Buches "Satanische
Verse" von Salman Rushdie machen es notwendig, die Argumente der Muslime als
Grundlage zum gegenseitigen Verständnis aufzugreifen - sowohl bei weiteren noch zu
erwartenden Diskussionen über diesen Fall, als auch über ähnliche Fälle. Nur durch die
Kenntnis der beidseitigen Argumente, sowie dem gegenseitigen Respekt vor den Heiligkeiten
des Anderen, können heute noch nicht absehbare fatale Konsequenzen für das friedliche
Zusammenleben der Menschen auf Erden abgewendet werden.
Die Behandlung dieses Themas soll der Entkrampfung der Beziehungen
zwischen den Religionsgemeinschaften durch die Aussprache von im Westen wenig bekannten
Argumenten dienen. Es ist eine Betrachtung aus der Perspektive der betroffenen Muslime.
Als Belege werden größtenteils nicht-islamische Quellen in deutscher und englischer
Sprache verwendet, um dem Leser im deutschsprachigen Raum die Gelegenheit zu geben, die
gemachten Angaben zu überprüfen. Werden auch einmal islamische Belege angeführt, so
handelt es sich meist auch um deutsch- oder englischsprachige Quellen. Nur bei einigen
Überlieferungen aus dem Leben des Propheten des Islam muß auf arabische Quellen
verwiesen werden. Zitate werden kursiv gekennzeichnet.
Diese Abhandlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Jede
konstruktive Kritik kann der Verbesserung und Ergänzung dieser Arbeit dienen.
Aller Lob und Preis gebührt einzig und allein Allah, der uns zum Leben
erweckt hat, und diese Arbeit ermöglichte. Allahs Segen und Seine Barmherzigkeit sei mit
allen muslimischen Geschwistern, die beim Zustandekommen dieser Arbeit mitgewirkt haben.
Mohammad-Heiner Rüger
Islamische Gemeinschaft in Clausthal*
Rabi'ul-thani 1410 / November 1989
* * *
Heilige Personen im Islam werden von den Muslimen so hoch geschätzt, daß
die Gläubigen bei Nennung der heiligen Namen eine Segnung auf die betreffende Person
aussprechen. Deswegen steht in diesem Buch hinter der Nennung des Namens des Propheten
Muhammad ( ) das arabische Kürzel "( )", was für "der Friede sei mit
ihm und mit seiner Familie" steht. Das zweite Kürzel "( )" wird bei
allen anderen auserwählten Gottesdienern verwendet und bedeutet "der Friede sei
mit ihm/ihr/ihnen".
* Islamische Gemeinschaft in Clausthal, Postfach 1145, D-3392
Clausthal-Zellerfeld
Und folget nicht den Fußstapfen Satans; wahrlich er ist euch ein
offenkundiger Feind. Er heißt euch nur Böses und Schändliches und daß ihr von Allah
redet, was ihr nicht wißt. (Heiliger Qur'an 2/168-169)
Das, was die Welt bedroht, sind nicht die Waffen, Bajonette, Raketen
und ähnliches; das, was unseren Planeten in den Abgrund der Dekadenz führen will, ist
der moralische Irrweg. Wenn es keine moralische Verirrung gäbe, würden keine dieser
Kriegswaffen der Menschheit Schaden zufügen. (Imam Khomeini 1979)
Die Angriffe gegen alles Heilige und der weltweite Medienkampf gegen
Gott haben Ausmaße angenommen, die selbst den Uninteressierten nicht verborgen geblieben
sein können. Der Film "Die letzte Versuchung Christi" und "Die
Satanischen Verse" sind lediglich bisherige Höhepunkte einer Entwicklung, die
zum Ziel hat, den Menschen vollends von seinem Schöpfer zu entfernen und ihn damit von
seiner eigenen Natur zu entfremden.
Weitere aktuelle Beispiele für Verunglimpfung von Heiligkeiten und den
Glauben an Gott, sind unter anderem eine Bibel-Version, die als Sex-Thriller auf den Markt
gebracht wird (siehe "Die Welt" 15.2.89), und eine TV-Werbung einer
Automobilfirma (ausgestrahlt ab 5.89 im TV), in der Engel und Teufel um die Wette ein PKW
konstruieren, wobei Gott als Schiedsrichter fungieren soll. Bereits seit Jahren wird in
Deutschland versucht, die letzten Reste von Respekt für Heiligkeiten abzubauen. Die
Beleidigungen konzentrierten sich dabei auf die Heilige Person Jesu ( ) und seine
gesegnete Mutter Maria ( ). Hierfür werden vorzugsweise Medien wie Film und Fernsehen
oder z. B. die Form des Romans gewählt, um ein breites Publikum zu erreichen.
Blasphemische Filme über Jesus ( ) oder infame Angriffe gegen die Unberührtheit Marias (
) bei Jesu ( ) Geburt bedeuten eine Verletzung der Ehre und Würde von großen Dienern
Gottes; daneben gab es zahlreiche andere Angriffe und Beleidigungen: Häufig werden
religiöse Symbole in den für Jugendliche so attraktiven Musik-Video-Clips als Kitsch
mißbraucht. Weitere Beispiele werden in dieser Abhandlung noch erwähnt.
Die Intention, welche hinter solchen Aktionen steht, besteht darin, das
weltweite Erwachen des Glaubens an den Schöpfer allen Seins zu unterdrücken, zu
entstellen und die innere Dynamik religiösen Bewußtseins zu schwächen. Dieses Erwachen
geht Hand in Hand mit dem Wunsch der Menschen nach Freiheit und ihrem Kampf gegen
Unterdrückung und Ausbeutung; denn nur die vollständige Hingabe in Gott den Erhabenen
befreit die Menschheit von allen anderen Unterwürfigkeiten. Deswegen werden nicht nur die
Anhänger der Islamischen Revolution bekämpft, sondern z.B. auch die Anhänger der
christlichen Befreiungstheologie in Mittel- und Südamerika. Es liegt in der Natur der
Sache, daß die Urheber der Unterdrückung und Ausbeutung dafür sorgen müssen, dieses
Wiedererwachen der Gotterkenntnis einzudämmen.
Natürlich sind nicht unbedingt jedem Hersteller oder Verkäufer von
Produkten gotteslästernden Charakters solche Zusammenhänge klar. Aber auch wenn es dem
Einzelnen teilweise nicht bewußt wird, handelt es sich bei den zahllosen Angriffen auf
Heiligkeiten nicht um spontane Aktionen von Provokateuren, sondern um einen bereits lange
bestehenden, langfristig angelegten und allumfassenden Plan (siehe dazu u. a.
"Protocols of the Learned Elders of Zion"). Deswegen ist es nicht möglich den
Fall Rushdie separat zu betrachten. Er steht im Zusammenhang mit einem Eisberg von
Angriffen auf den Glauben an den Schöpfer allen Seins, dessen heutige sichtbare Spitze er
darstellt. Der Unterschied zu den vorangegangenen Angriffen und deren Folgen besteht
außer in ihrer einmaligen Obszönität hauptsächlich darin, daß Rushdie auf den
Widerstand des Dieners Gottes Imam Khomeini stieß, der gewillt war, den Angriff
abzuwehren.
Freue dich nicht über deine Sünde, denn die Freude über die Sünde
ist schlimmer als die Sünde selbst! (Imam Zain-ul-Abidiyn ( ))
Inzwischen wurde das Buch Rushdies "Die Satanischen Verse"
von vielen Medien in Auszügen veröffentlicht (z.B. taz 22.2.89), so daß sich
interessierte Leser über den Inhalt des Buches informieren konnten, auch ohne das teure
Buch zu kaufen. Deswegen wird an dieser Stelle nur angedeutet, wie die Muslime den Inhalt
des Buches auffassen, und wie die Ereignisse um das Buch auf die Muslime wirken:
Ein öffentlich vom Islam abgefallener indisch-britischer Autor und
ehemaliger Werbetexter, Mitglied der British Royal Literary Society (Britisch
Königliche Literatur-Gesellschaft) verfaßt ein Buch, in dem er zahllose Heiligkeiten des
Islam durch den Dreck seiner abartigen Phantasien zieht. Er nennt den Propheten Muhammad (
) mit einem Namen, der aus schlimmster britischer Kolonialzeit in Indien stammt, und den
größten aller Propheten als Hund beschimpft. Das von Rushdie verwendete
Schimpfwort Mahound geht auf den italienischen Poeten des Mittelalters Dante
zurück und setzt sich aus Ma wie Mahomet und hound wie Schurkenhund (aus d.
engl.) zusammen. Rushdie beschreibt den Heiligen Propheten des Islam als einen listigen
Geschäftsmann und den Heiligen Qur'an als Mischung aus Märchen, Fabeln und
Teufelseingebungen. Auch zahlreiche andere große Propheten der Weltreligionen werden
unverschämt beschimpft. So wird z.B. der Stammvater der großen Weltreligionen Abraham (
), bei seiner Gründung Mekkas, als Bastard tituliert. Rushdie verzichtet auch
nicht auf die namentliche Nennung anderer Propheten, wie Adam ( ) (Adam ist der erste
Prophet der Menschheit), Moses ( ), Salomon ( ), Jesus ( ) sowie seine Mutter die Heilige
Maria ( ). Der Autor stempelt die heiligen Frauen des Propheten Muhammad ( ) zu
Prostituierten in einem Bordell ab, das den Namen der heiligen islamischen
Frauenbekleidung hijab trägt. Dabei werden alle zwölf Frauen teilweise mit ihren
geschichtlich authentischen Verwandtschaftsverhältnissen namentlich genannt. Im
Zusammenhang mit dem Bordell fallen auch die Namen Abraham ( ), Moses ( ) und Salomon ( ).
Die Umkreisung der heiligen Kaaba, Pflicht für jeden Muslim bei der Pilgerfahrt, wird als
Warteschlange für das Bordell dargestellt. Der erste Muezzin (Gebetsaufrufer) des Islam
namens Bilal, ein von den Muslimen befreiter dunkelhäutiger Sklave aus Abessinien, wird
als enormes schwarzes Monster beschimpft. Der große Gefährte und einer der
Schreiber des Propheten namens Salman-e-Farsi (Salman der Perser) wird namentlich
aufgeführt und als Hintern bezeichnet. Salman und Bilal zusammen bekommen von
Rushdie zusätzlich die Bezeichnung Abschaum der Menschheit. Weiterhin werden die
großen Engel (wie Gabriel ( ) und Azrael ( )), zahlreiche weitere große Gefährten des
Propheten (z. B. Hamza, Onkel des Propheten) sowie die Muslime als ganzes auf eine
unverschämte Art und Weise mit vokabularem Dreck beworfen. Der Autor mischt dabei seine
nicht aufhörenden Beleidigungen mit abartigen pornografischen Gespinsten. So wird u.a. in
einer an Verabscheuungswürdigkeit kaum zu übertreffenden Szene eine homosexuelle
Beziehung zwischen dem Erzengel Gabriel ( ) und dem Propheten Muhammad ( ) erfunden und
detailliert geschildert, und zwar im Szenario der für die Muslime so heiligen ersten
Offenbarung Gottes an den Propheten des Islam in der Höhle Hira. Rushdies abartige
pornografische Halluzinationen lassen weder Inzest (Sexualität mit nahen Verwandten) noch
Nekrophilie (Sexualität mit Leichen) noch Sodomie (Sexualität mit Tieren) aus.
Zahlreiche andere Beleidigungen stehen in Rushdies Buch teils offen,
jedoch meist in für Nicht-Muslime kaum erkennbaren Zusammenhängen. So ist das gesamte
Buch Rushdies eine unerträgliche Entwürdigung der Muslime, eine Parodie auf die
islamische Geschichte, begonnen mit dem Propheten des Islam bis zu Imam Khomeini, mit
einigen Ausflügen in die vorislamische Religionsgeschichte. Im Gegensatz zu den
Behauptungen der Medien werden alle geschichtlichen Personen auch namentlich erwähnt!
Allerdings ist das Buch eine für Nicht-Muslime verwirrende Aneinanderreihung von für sie
völlig bedeutungslosen Ereignissen, welche dazu in verschiedenen Zeitepochen spielen. Ein
Muslim mit Kenntnis der islamischen Geschichte hingegen erkennt nahezu in jeder Szene
einen unübersehbaren Angriff auf seine heiligen Werte. Dieses soll an einem kurzen
Beispiel verdeutlicht werden: In einer Szene taucht die Frau des Propheten namens Aysha
nach längerem Verschwinden bekleidungslos wieder auf. Während der nicht-muslimische
Leser schlimmstenfalls eine zusammenhanglose Geschmacklosigkeit vermutet, weiß der
Muslim, worauf sich diese Szene bezieht. Tatsächlich war die Frau des Propheten bei einer
Karawane unverschuldet zurückgeblieben. Darauf warfen einige Menschen ihr Ehebruch vor,
was aber, wie sich durch Gottes Offenbarung herausstellte, völlig haltlos war. Ähnlich
beleidigende und entwürdigende Abhandlungen der islamischen Geschichte füllen Rushdies
Buch. Während ein geschichtsbewanderter Muslim davon schmerzhaft getroffen wird, kann der
Nicht-Muslim aus Unkenntnis der Details in der islamischen Geschichte keinen Sinn in
Rushdies Zeilen erkennen. Ähnlich verhält es sich mit den zahlreichen Personen, die in
den "Satanischen Versen" zwar in verschiedenen Sequenzen verschiedene
Namen tragen, aber für den informierten Muslim sehr leicht als ein und dieselbe Person
identifizierbar sind. Zum Beispiel heißt einer der größten Feinde des Islam bis zur
Eroberung Mekkas an einer Rushdie-Stelle Abu Sinbal, an anderer Stelle Muhammad
Sufyan. In Wirklichkeit hieß er Abu Sufyan. Neben dem bereits Erwähnten werden u. a.
die Himmelfahrt des Propheten, seine Beziehungen zu seinen Ehefrauen, insbesondere zu
seiner ersten Ehefrau Khadidja, die Auswanderung nach Medina, zahlreiche Qur'an-Verse und
Aussprüche des Propheten, das Glaubensbekenntnis der Muslime, ihr Gebet, wie auch viele
andere islamische Riten in verfälschter und verstümmelter Art und Weise dargestellt.
Rushdies Beschimpfungen schließen die heiligen Orte des Islam genauso ein, wie z. B. den
Heiligen Brunnen Al-Zamzam in Mekka, sowie zahlreiche islamische Begriffe wie Najmuddin
(Stern des Glaubens) und vieles andere mehr ....
Auch vor Zeitgenossen macht Rushdie keinen Halt. Imam Khomeini ist
dabei nicht seine einzige Zielscheibe. Doch die anderen Personen dürften für
Nicht-Muslime kaum erkennbar sein. So wird beispielsweise der zum Islam konvertierte
schwarzhäutige Baptisten-Prediger und Führer der amerikanischen Muslime in den sechziger
Jahren Malcolm X (er wurde bei einer Rede erschossen), der bei Rushdie Bilal X
heißt, genauso verunglimpft wie einer der heutigen islamischen Führer in Pakistan namens
Saed Akhtar Rizvi; bei Rushdie heißt er Mirza Saed Akhtar.
Die "Satanischen Verse" umfassen über 500 Seiten.
Wollte man alle Beschimpfungen von Rushdie nur unkommentiert aufzählen, bedürfte es
eines genauso umfangreichen Buches. Deswegen sollen die genannten Beispiele genügen. Es
sei aber betont, daß es sich bei den erwähnten Beispielen lediglich um eine kleine und
leicht erläuterbare Auswahl seiner schmutzigen Verleumdungen handelt.
* * *
Auf die erste Empörungswelle der Muslime in England, die ihren ersten
Höhepunkt mit der öffentlichen Verbrennung des Rushdie-Buches im Januar 1989 in Bradford
erreichte, reagierte Rushdie im britischen Fernsehen mit der Aussage: "Offen
gestanden, wenn ich diese Reaktion sehe, dann wünsche ich fast, ich hätte ein sehr viel
kritischeres Buch geschrieben" (Auslandsjournal/ZDF 17.2.1989), wobei Rushdie
versucht, seine wüsten Beleidigungen als Kritik zu verkaufen. Diese Aussage stand
im Gegensatz zu einer Äußerung, in der er für seine Schilderungen keinerlei Anspruch
auf Wahrheit erhob (Kulturweltspiegel ARD 5.3.89). Deswegen, und weil das Buch den
Decknamen "Roman" erhielt, wurden seine Beleidigungen als literarisch
wasserfest bezeichnet.
Der britische Verleger wurde bereits vor der Herausgabe des Buches
eindringlich von seinem indischen Lektor Khuswat Singh davor gewarnt, das Buch zu
veröffentlichen. Er nannte das Buch tödlich (Die Welt 18.2.1989). Monate vor
der Veröffentlichung der 'Satanischen Verse' im vergangenen Jahr soll ein Gremium von
neun Experten verschiedener Religionszugehörigkeit Viking-Penguin gewarnt haben (Spiegel
14/89, 3.4.89). Trotz dieser Kenntnis zahlte der Verleger dem Autor noch vor der
Veröffentlichung des Buches ein Honorar in Rekordhöhe von umgerechnet ca. 1,5 Millionen
DM (Die Welt 17.2.89); eine bislang nie dagewesene Summe (Stern 26.2.89), und ein für
ein belletristisches Werk in England unerhörter Vorschuß (Die Welt 18.2.1989).
Rushdie hat für seine "Satanischen Verse" allein durch die
englischsprachigen Rechte ca. drei Millionen Mark eingenommen (Spiegel 46/88).
Der Autor erhielt kurz nach Veröffentlichung der "Satanischen
Verse" den höchstdotierten englischen Buchpreis (Whitbread-Preis dotiert mit
umgerechnet 65000 DM) für sein Buch (Die Welt 17.2.89). Die westlichen Medien feierten
den Autor und sein neuestes Machwerk als literarische Glanzleistung, was nicht anders zu
verstehen ist, als der Ausdruck ihrer Verachtung gegen den Islam und die Muslime. So
bezeichnete z.B. Michael Foot, Ex-Chef der Labour Party in England, das Buch gleichzeitig
als großartig und antireligiös (Auslandsjournal/ZDF 17.2.1989). Das Buch
sollte auch für den preisträchtigen Booker Prize nominiert werden. Der
ursprünglich für Deutschland vorgesehene Verleger Reinhold Neven Du Mont bezeichnete das
Buch als Werk der Weltliteratur. Kurz nach der Veröffentlichung der deutschen
Ausgabe des Buches druckte der "Spiegel" eine Werbung für Rushdie sowie für
die Verleger und Autoren, die durch Verbreitung dieser Massenbeleidigung die Freiheit
des Wortes geschützt hätten. Dabei wird Rushdies Buch ein üppiges Meisterwerk
und das politische und literarische Ereignis unserer Zeit genannt.
Andererseits kam es noch bevor Imam Khomeini das historische Urteil
aussprach, überall dort, wo das Buch verbreitet war, zu Protestaktionen der Muslime gegen
das Buch. Nach Imam Khomeinis Urteil gegen den Autor nahmen die Proteste zu. Sogar
erklärte Gegner Imam Khomeinis aus dem arabischen Raum verurteilten, wenn auch meist aus
Angst oder Heuchelei, die skandalöse Veröffentlichung des Rushdie-Buches: Prof. Khalid
Duran schrieb in einem FAZ-Artikel: ... für die 'Satanischen Verse' kann man kaum auf
die Barrikaden gehen, denn was Rushdie da schreibt muß jeden ehemals Kolonisierten
anwidern, ob Muslim oder nicht. In einem kurzen Abschnitt seines Buches benutzt er die den
Muslimen heiligen Namen und das Panorama der Prophetengeschichte, um etwas zu sagen, was
er ebenso erfundenen Personen hätte zuschreiben können. Weshalb bedient er sich dann
dieser religiösen Symbolik, die unweigerlich den Eindruck erweckt, als wolle er
entstellen, was Millionen anderer die höchsten Werte sind? Weshalb benutzt er typisch
kolonialistische Schimpfwörter? (FAZ 27.2.1989). Fragen, auf die der Fragensteller
keine Antwort gibt. Er scheint jedenfalls das Buch Rushdies darüberhinaus nicht näher zu
kennen, denn sonst würde er nicht die unwahre Behauptung mitverbreiten, Rushdies
Beleidigungen beschränkten sich auf einen kurzen Abschnitt. Obige Fragen zu untersuchen
und die Antworten wiederzugeben, welche sich bei Kenntnis zahlreicher Fakten zwangsläufig
für die Muslime ergeben, sind dennoch notwendige Voraussetzung für das Verständnis der
Ereignisse um Rushdies Buch.
Eines sei bereits vorweggenommen: Die Muslime betrachten Rushdies Buch
als einen Anschlag auf ihre heiligsten Werte. Deswegen ist der Vorschlag, die Muslime
brauchten das Buch ja nicht zu lesen, haltlos. Denn dieser Anschlag verliert nicht seine
verletzende Wirkung, indem er übersehen wird. Genauso wenig könnten schließlich durch
Ignorieren der TV-Nachrichten die täglichen Massaker an den palästinensischen Kindern
abgewendet werden.
Und ihr sollt eure Kinder nicht töten aus Armut (Heiliger Qur'an
6/151)
und das Todesurteil gegen einen Autor
Nahezu ein halbes Jahr hatten die Muslime in England durch rechtliche
Maßnahmen sowie durch zahllose Demonstrationen versucht, die Verbreitung des Buches "Die
Satanischen Verse" zu verhindern. Unverständlicherweise aber wurden diese
Protestaktionen von der britischen Regierung demonstrativ ignoriert. Selbst die Anrufung
der englischen Gerichte mit Bezug auf das britische Blasphemie-Verbot führte zu keinem
Erfolg, da das Gesetz nicht für den Islam angewandt wurde.
Auf eine Anfrage hin ließ Imam Khomeini den Sachverhalt des Buches,
die Umstände seiner Veröffentlichung sowie alle weiteren zu einer Urteilsfindung
notwendigen Fakten untersuchen. Nachdem ihm die Untersuchungsergebnisse vorlagen,
verurteilte Imam Khomeini am 14. Februar 1989 gemäß der islamischen Gesetzgebung den
Autor des Buches "Die Satanischen Verse" in Abwesenheit zum Tode. Er
forderte die Muslime auf, das Urteil zu vollstrecken.
Es kann aus der im Westen herrschenden Denkanschauung und dem
westlichen Weltbild heraus als befremdlich erscheinen, den Autor eines Buches zum Tode zu
verurteilen. Doch unterliegen die Anhänger westlicher Denkmodelle lediglich der Idee, die
westliche Interpretation der menschlichen Werte müßte von allen Menschen der Welt
kritiklos übernommen werden. Dabei gehen die Verfechter solcher Gedanken davon aus, daß
nur ihre selbsterfundene Vorstellung über sogenanntes lebenswertes Leben gültig ist. Sie
gehen sogar so weit, selber zu bestimmen, was Leben als solches überhaupt ist.
An einem einfachen Beispiel läßt sich zeigen, daß verschiedene
Handlungsweisen unter anderem in Deutschland aus islamischer Sicht einem Massenmord an
Hunderttausenden von Menschen gleichkommt, ohne daß die Islamische Republik Iran jedesmal
die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland abbricht. Der folgende Vergleich dient aber
nicht dazu, mutmaßlich Falsches mit Falschem zu rechtfertigen, sondern ist lediglich ein
Beispiel, um die Problematik aufeinanderstoßender Wertvorstellungen zu verdeutlichen.
Aus muslimischer Betrachtungsweise ließe sich folgendes feststellen:
Seit Jahren wird in der Bundesrepublik Deutschland jährlich 200000 bis 300000 Menschen
das Recht auf Leben aberkannt, weil einige andere Menschen sich sonst einschränken
müßten. Die Durchführung des Mordes wird staatlich bezahlt, was einer Beihilfe zum Mord
gleichkommt. Die eigentlichen Mörder werden durch Krankschreibung staatlich gefördert
und in keiner Weise geächtet. Der Mord wird legitimiert, indem das von Gott geschenkte
Leben einfach zu ungeborenem Leben, also zu nicht gleichberechtigtem Leben
umdefiniert wird. Durch diese selbstgewählte Definition wird ein ungeborenes Kind
anders betrachtet, als z.B. ein einjähriges. So kann das sogenannte ungeborene
Kind unter Umständen getötet werden, das geborene aber nicht. Was hier als Hilfe für
zu ertragende Schwierigkeiten für die Mutter und Arbeitslohn für den Arzt
interpretiert wird, kann aus der Sicht eines Muslim als Kopfgeld betrachtet werden. Was
hier Abtreibung aus sozialer Indikation genannt wird, muß aus islamischer Sicht
als Mord aus niedrigsten Motiven an unschuldigen und völlig wehrlosen Menschen
interpretiert werden. Ohne Zweifel aber behandeln die hiesigen Ärzte nicht nur deutsches,
sondern auch ausländisches Leben auf diese Art. So sind wahrscheinlich auch schon
unzählige iranische Staatsbürger dem hier herrschenden Wertesystem zum Opfer gefallen,
weil westlich orientierte iranische Eltern dieses anordneten. Da die Islamische Republik
Iran nicht nur die Heimat der Iraner ist, sondern vor allem von vielen Muslimen aus aller
Welt als ihre geistige Heimat verstanden wird, erhöht sich die Zahl der Opfer um ein
vielfaches.
Dennoch kann die Abtreibungspraxis in Deutschland nicht mit Rushdies
Veröffentlichung in einen Topf geworfen werden. Während die Abtreibung einem Menschen
lediglich sein hiesiges Leben nimmt, trachtet Rushdies Veröffentlichung nach dem ewigen
Leben aller gottgläubigen Menschen. Nein, Abtreibungspraxis und "Die Satanischen
Verse" haben nichts miteinander zu tun! Trotzdem ist das genannte Beispiel eine
gute Gelegenheit für jeden Nicht-Muslim zu erkennen, daß im Todesurteil gegen Salman
Rushdie kein Angriff auf menschliche Werte, sondern die Anwendung eines anderen,
mindestens gleichberechtigten Verständnisses menschlicher Werte zu sehen ist. Denn aus
dem oben genannten Beispiel ist gut ersichtlich, daß die Frage, was lebenswertes Leben
ist, und wer Recht auf Leben hat, auf Definitionen beruht. Und es kann schließlich nicht
von den Muslimen erwartet werden, daß sie Gottes Definitionen beiseite legen, um sich den
Definitionen der westlichen Welt unterzuordnen. Verschiedenen Urteilen über das Leben
aber liegen verschiedene Auffassungen über das Leben zugrunde. Um die Auffassung der
Muslime verstehen zu können, ist es notwendig, ihre Argumente frei von Vorurteilen zu
studieren.
Oh, die ihr glaubt, wenn ein Ruchloser euch eine Nachricht bringt,
überprüft sie, damit ihr nicht einem anderen Volk in Unwissenheit ein Unrecht zufügt
und anschließend (spätestens am Tag des Gerichtes) bereuen müßt, was ihr getan habt.
(Heiliger Qur'an 49/6)
Aus dem Beispiel des letzten Abschnitts ist ersichtlich, daß die
gleiche Zahlung für eine ausgeführte Handlung von den einen als Kopfgeld und von den
anderen als Arbeitsentgelt verstanden werden kann. Wer käme im Westen schließlich auf
die Idee, den Arbeitslohn für eine Abtreibung als Kopfgeld zu bezeichnen? Bei einer
derartigen Betrachtungsweise könnte die Aussetzung einer Belohnung für die Vollstreckung
eines Todesurteils ebenfalls als Arbeitsentlohnung aufgefaßt werden. Die besondere Höhe
dieses Lohnes ließe sich dann mit den schweren Konsequenzen erklären, die ein solcher
Vollstrecker zu tragen hätte. So zumindest werden diejenigen argumentieren, welche die
ausgesetzte Belohnung rechtfertigen wollten. Und schließlich sind in Deutschland
Belohnungen als Hilfe zur Strafverfolgung jedem Zuschauer der Fernsehsendung Aktenzeichen-XY
bekannt. Die jeweils ausgesetzten Belohnungen richten sich dabei meist nach dem Interesse
von Geldgebern.
Es ist aber in diesem Zusammenhang sehr wichtig zu erwähnen, daß weder
Imam Khomeini noch die Regierung der Islamischen Republik Iran jemals eine Belohnung für
die Vollstreckung der Todesstrafe ausgesetzt haben! Die Schlagzeile Khomeini setzt
Kopfgeld aus, wie sie in vielen deutschen Zeitungen zu lesen war (z.B. Hmb.Abendbl.
16.2.89), ist die unverschämte Lüge einer sensationslüsternen Presse, die sich
anscheinend jede Verleumdung erlauben darf, ohne dafür ernsthafte und wirkungsvolle
Konsequenzen fürchten zu müssen. Die durch die Medien bekanntgewordenen Summen waren
vielmehr von einer Organisation, geleitet von einer unabhängigen Person und zumeist
reichen Kaufleuten aus der Stadt Rafsandjan im Iran, ausgesetzt worden (Keyhan
International 21.2.89). Bereits einen Tag nach Bekanntwerden der Belohnung wies der
damalige Staatspräsident der Islamischen Republik Iran und Nachfolger Imam Khomeinis,
Ayatollah Chamene'i, bei der Freitagsansprache darauf hin, daß die Ausführung eines
islamischen Richterspruchs weder eine derartige Belohnung benötigt, noch mit dieser zu
koppeln sei. Diese Tatsache wurde allerdings von den westlichen Medien total ignoriert und
somit dem durch die Medien gegen den Iran voreingenommenen Volk im Westen vorenthalten.
Zwar wurde die Belohnung von Muslimen ausgesetzt, aber es waren ebenfalls Muslime, und
zwar mit viel höherem islamischen Rang, wie z.B. Ayatollah Chamene'i, welche eine
derartige Belohnung ablehnten. Auch der Kommentator der halbamtlichen iranischen Zeitung
Keyhan (Keyhan International 19.2.89) verurteilte die Aussetzung der Belohnung. Es ist
völlig unverständlich, daß der geballte Unmut über das Kopfgeld sich gegen Imam
Khomeini entlud, obwohl er nichts damit zu tun hatte. Dagegen gab es keinerlei offizielle
Proteste gegen einen der Oppositionsführer in Pakistan: Scheich Rashid hatte persönlich
50000 DM für die Vollstreckung des Todesurteils gegen Rushdie ausgesetzt (ZDF Spezial
23.2.89).
Nicht zuletzt sollte auch nicht vergessen werden, daß keine offizielle
Stimme im Westen Anstoß daran nahm, daß Rushdie für seine Massenbeleidigung der Muslime
und seinen Rufmord an den Heiligkeiten des Islam ein fürstliches Kopfgeld erhielt.
Die höchste Stufe des Verstandes ist die Selbsterkenntnis.
(Imam Riza ( ))
Eines der Argumente aus westlicher Sicht zur Verteidigung des Buches
ist die Behauptung, es handle sich schließlich nur um einen Roman. Es sei eine fiktive
Geschichte, und daher könne sie nicht als Beleidigung aufgefaßt werden. Dieses Argument
ist sehr irreführend, denn es ist unerheblich ob eine Beleidigung gegen lebende oder
verstorbene Personen direkt ausgeschrieben oder im Deckmantel eines Romans veröffentlicht
wird. Für einen Muslim zumindest ist es völlig unerheblich, ob jemand ihn direkt ins
Gesicht beschimpft: "Deine Mutter ist eine Hure", oder ob er sagt: "Ich
schreibe in einem fiktiven Roman, daß jemand träumt, daß eine Frau, die alle Merkmale
und den Namen deiner Mutter trägt, eine Hure ist". In beiden Fällen wäre die
Schwere der Beleidigung gleich. Genau diese Beleidigung aber schrieb Rushdie in seinem
Buch gegen eine Milliarde Muslime aus, denn gemäß dem Heiligen Qur'an sind die Frauen
des Propheten Mütter aller Gläubigen:
Der Prophet steht den Gläubigen näher als sie sich selber, und seine
Frauen sind ihre Mütter (Heiliger Qur'an, Sure 33/6).
Ohne Zweifel war Rushdie sich darüber im klaren, welche Beleidigung er
aufschrieb, zumal er aus einer muslimischen Familie stammt. Für Muslime ist Hurerei eine
der großen Sünden. In einem Wertesystem jedoch, in dem Prostitution ohnehin legalisiert
bzw. geduldet ist, und Ehebruch von der Mehrheit als gewöhnlich betrachtet wird, kann das
Ausmaß einer derartigen Beleidigung kaum verstanden werden.
Wahrscheinlich im Bewußtsein der Schwere seiner Beleidigung leugnete
Rushdie Ende Januar 1989 in einer Fernsehdiskussion in England, die Frauen des Propheten
beleidigt zu haben (Auslandsjournal 17.2.89). Doch die Beleidigung ist für jeden lesbar
abgedruckt (Satanic Verses u. a. S.376-380) und durch die Zunge des Autors nicht
wegdiskutierbar. Wohlgemerkt, er distanzierte sich nicht von den geschriebenen
Beleidigungen, sondern leugnete diese.
Der versuchte Betrug Rushdies im englischen Fernsehen ist nur die
Fortsetzung einer versuchten Manipulation in Rushdies Brief an den indischen
Ministerpräsidenten Ghandi. Nach dem Verbot von Rushdies Buch in Indien im Oktober 1988
schrieb Rushdie an Ghandi mit der Aufforderung, das Verbot aufzuheben. In seinem Brief
heißt es u.a.: .. Im fraglichen Teil des Buches ... geht es um einen Propheten, der
nicht Muhammad heißt - er ist von fiktiven Anhängern umgeben, von denen einer zufällig
meinen Vornamen trägt (nachzulesen in taz 21.2.89). Abgesehen davon, daß Rushdie den
Propheten des Islam im Roman sowohl namentlich nennt als auch mit einem Schimpfwort
belegt, und abgesehen davon, daß die, wie er __gt, fiktiven Gefährten in seinem
Buch viele Merkmale der tatsächlichen Gefährten aufweisen und ihre Namen tragen, steckt
in Rushdies Brief ein unglaublich unverfrorener Versuch der bewußten Täuschung: Rushdie
schreibt von einem Gefährten, der seinen Vornamen trägt. Um den fiktiven Charakter
seines Romans zu unterstreichen versucht er mit dieser Erklärung zu behaupten, daß auch
heute lebende Personen in der Rolle von Prophetengefährten im Buch vorkommen. Selbst wenn
Rushdies Aussage korrekt wäre, würde das in keiner Weise den sonstigen beleidigenden
Charakter seines Buches schmälern. Zwar kommt im Roman Rushdies ein Gefährte des
Propheten mit dem Namen Salman vor; doch verschweigt Rushdie, daß es tatsächlich
einen großen Gefährten des Propheten namens Salman-e-Farsi (Salman der Perser)
gegeben hat, den die Romanfigur darstellt, zumal auch die Romanfigur aus dem Iran stammt.
Rushdie muß bei seinem Brief an Ghandi davon ausgegangen sein, daß Ghandi sich in der
islamischen Geschichte nicht auskennt. Auch die Zeitung taz, die den Brief
veröffentlichte, muß entweder selbst die islamische Geschichte nicht kennen oder davon
ausgegangen sein, daß zumindest ihre Leser wenig über den Islam wissen. Denn sonst
hätten sie Rushdies krampfhaften und manipulatorischen Versuch, sich zu verteidigen,
nicht dermaßen bloßgestellt.
Es heißt oft, daß ein derartiges Buch schon wegen der herrschenden
Meinungsfreiheit nicht verboten werden darf. Der Islam ist weltgeschichtlich gesehen einer
der Vorreiter bei der Etablierung der Meinungsfreiheit. Diskussionsrunden mit These und
Antithese sind Grundbestandteil der islamischen Ausbildung bei vielen theologischen
Vorlesungen. Meinungsfreiheit jedoch setzt eine Meinung voraus. Eine Beleidigung aber ist
keine Meinung, sondern ein Straftatbestand.
Es gibt schließlich Hunderte von Büchern, geschrieben von westlichen
Autoren, gedruckt und verbreitet im Westen, welche sich kritisch mit dem Islam
auseinandersetzen. Doch in keinem Fall kam es von Seiten der Autoren, trotz ablehnender
Haltung zum Islam, jemals zu solchen Beleidigungen. Autoren, die eine Meinung haben,
bedürfen nicht des Mittels der Beleidigung. Andersherum könnte festgestellt werden, daß
Rushdie nichts Kritisierbares am Islam finden konnte, und deswegen zum Mittel der
Beleidigung greifen mußte, um den Islam anzugreifen.
Die Gelegenheit der Rushdie-Affaire wurde wieder einmal dafür benutzt,
die angebliche Meinungsbeschränkung im Iran anzuprangern. Doch jeder Iran-Reisende weiß,
daß es im Iran persische Übersetzungen von wahrlich unislamischen Autoren wie z.B.
Nietzsche, Sartre und Castro frei zu kaufen gibt. Auch wurde ein früheres Buch Rushdies
im Iran verkauft. Die Muslime scheuen keine sachliche Auseinandersetzung mit irgendeiner
Ideologie dieser Erde.
So wie im Fall Rushdie von den fanatischen Verfechtern der
Meinungsfreiheit argumentiert wird, darf ein Autor alles nur Erdenkliche schreiben. Dabei
sind ihm absolut keine Grenzen gesetzt. Dann aber darf nach diesen Maßstäben auch Imam
Khomeini seine Meinung niederschreiben. Und Imam Khomeini war der Meinung, daß Rushdie
bestraft werden muß. Gibt es dagegen Grenzen in der Meinungsfreiheit, so müssen diese
doch zuallererst zur Wahrung der Würde aller Menschen, auch der Propheten dienen. Ursache
und Wirkung dürfen nicht vertauscht werden. Die Ursache von Imam Khomeinis
Meinungsäußerung war die Veröffentlichung, die Verbreitung und die allseitige
Unterstützung der "Satanischen Verse" durch den Westen.
Darüberhinaus ist für die Muslime unverkennbar, daß der Westen, was
Meinungsfreiheit angeht, eine Doppelmoral demonstriert. Einen Beweis dafür lieferte die
internationale Buchmesse in Genf in der letzten Aprilwoche 1989: Dort wurden vier
Exemplare der englischen Ausgabe der "Satanischen Verse" auf dem Stand
eines lokalen privaten Senders verkauft, trotz erheblicher Proteste von Seiten des
iranischen Buchstandes. Ein Jahr zuvor mußte der iranische Stand ein kritisches Buch
über den Zionismus wegen angeblich anti-semitischer Haltung entfernen. Gerhard Geiger,
Sprecher der Buch-Messe verteidigte den Verkauf von Rushdies Buch damit, daß das Buch
überall in der Schweiz frei erhältlich sei.
Es gibt keine so große Armut wie die Unwissenheit. (Imam Hassan
al-Mudjtaba ( ))
Es sollte jedem wahrheitsliebenden Menschen möglich sein, auch
unabhängig von dem verhängten Todesurteil, Rushdies Buch objektiv zu betrachten. In
diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß das westliche bzw. deutsche Wertesystem,
verankert im Grundgesetz und in den allgemeinen Menschenrechten, nicht die Pressefreiheit
an erster Stelle, sondern die Würde des Menschen, die Würde des einzelnen Menschen als
höchsten zu schützenden Wert betrachtet: Artikel 1 GG: (1) Die Würde des Menschen
ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher
Gewalt.
Auch die Presse- und Meinungsfreiheit in Artikel 5 GG hat sich diesem
ersten Artikel unterzuordnen, denn die Pressefreiheit ist kein Wert als solcher, sondern
hat nur dann einen Sinn, wenn sie für die Wahrung der Menschenwürde eingesetzt wird. Der
Glaube aber ist unbestreitbar Bestandteil der Würde des Menschen. Rushdie hat es sich
erlaubt, die Würde der heiligsten Menschen aller Weltreligionen mit Füßen zu treten. Er
hat mit seinem Buch Rufmord an den heiligsten Persönlichkeiten der menschlichen
Geschichte begangen. Wenn auch im Westen zahlreiche Entwürdigungen durch die Medien von
den meisten Menschen geduldet werden, so kann das nicht von allen Menschen auf der Welt
erwartet werden.
Mehr als eine Milliarde Menschen fühlen sich mit ihrem ganzen Herzen
dem Propheten Gottes verbunden. Viele von ihnen wären bereit, ihr eigenes Leben für
ihren Glauben zu opfern, wenn es nötig wäre. Mehr als eine Milliarde Menschen betrachten
die Frauen des Propheten Muhammad ( ) als ihre eigenen Mütter, gemäß der Anweisung des
Heiligen Qur'an: Der Prophet steht den Gläubigen näher als sie sich selber, und seine
Frauen sind ihre Mütter (Heiliger Qur'an, Sure 33/6)
Mit welchem Recht darf jemand in der westlichen Welt die Würde der
Mütter so vieler Menschen in den Dreck ziehen? Mit welchem Recht darf ein Autor den
obersten Wert der westlichen Zivilisation, die unantastbare Würde des Menschen, derart
erschüttern? Haben aus hiesiger Sicht die Gesandten Gottes und ihre ehrwürdigen Familien
nicht einmal die gleiche unantastbare menschliche Würde, wie jeder andere Mensch?
Obige Problematik wurde von den Medien größtenteils ignoriert und
kam, wenn überhaupt, lediglich als Leserbrief zum Ausdruck: Ein Appell führender
Schriftsteller an ihren Kollegen (Rushdie), das Buch so umzuschreiben, daß die Mitglieder
einer Weltreligion die Würde ihres Glaubens respektiert sähen, könnte manches wieder
ins Lot bringen. Es wird aber so lange ausbleiben, wie die Freiheit der Kunst als Götze
verabsolutiert wird. Jede Freiheit wird aber begrenzt durch das Recht und die Freiheit des
Anderen. Diese verantwortlich zu respektieren ist ein Teil der richtig verstandenen
Freiheit (Leserbrief von Prof.Dr. Armin Saam in FAZ 6.3.89).
Die Würde des Menschen und der Gläubigen sind nicht nur ganz
allgemein durch die Verfassung geschützt. Auch das deutsche Strafgesetzbuch behandelt
diese Thematik.
Im §166 StGB heißt es unter: Beschimpfung von Bekenntnissen,
Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen:
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften den Inhalt des
religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die
geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Ist dieser Tatbestand nicht schon längst erfüllt? Warum dürfen
deutsche Buchläden die Originalausgabe von Rushdies Buch ungeniert verkaufen? Und warum
wurde die Veröffentlichung der deutschen Übersetzung nicht untersagt? Gilt obiges Gesetz
nicht für die Beschimpfung des Islam? Es ist daran zu erinnern, daß Hetzschriften
jeglicher Form gegen das Judentum massiv bekämpft werden. Warum dürfen aber
Hetzschriften gegen den Islam verfaßt, veröffentlicht und verbreitet werden? In keiner
der Sondersendungen im deutschen Fernsehen über diese Affaire wurde auf dieses Gesetz
hingewiesen; warum wurde dieses Gesetz verschwiegen? Es sei erwähnt, daß ähnliche
Artikel sowohl im österreichischen als auch im schweizerischen Gesetzbuch zu finden sind.
Daß das oben zitierte bundesdeutsche Gesetz bisher nicht zur Anwendung
kam, ist nur die Fortsetzung des Rechtstreits in England. Denn ein in Großbritannien
existierendes Gesetz gegen Gotteslästerung wird offensichtlich nur für die anglikanische
Kirche angewandt, nicht aber für den Schöpfer allen Seins. In Großbritannien werden im
übrigen auch pornographische Bücher beschlagnahmt und verbrannt. Ist ein Buch, in dem
eine homosexuelle Beziehung im anatomischen Detail geschildert wird, und in dem mehrere
hundert pornographische Ausdrücke verwendet werden keine Pornographie? Ist Rushdies
Roman, in dem Inzest, Nekrophilie und Sodomie beschrieben wird, etwa keine Pornographie?
Selbst in England zweifelten einige offizielle Stimmen an der
Rechtmäßigkeit der Beleidigungen gegen den Islam. Im Juni 1989 ordnete der britische
Richter Sir Michael Nolan an, in einem Grundsatzurteil klären zu lassen, ob das britische
Blasphemie-Verbot nicht auch auf andere Religionen angewandt werden muß.
Aus deutscher Rechts-Sicht mag das von Imam Khomeini verhängte
Todesurteil nicht legitim sein. Aber legitimiert dieses Urteil die Mißachtung des ersten
Artikels des Grundgesetzes und die Mißachtung des Strafgesetzbuches durch deutsche
Verleger? Als man sich in Deutschland für die Veröffentlichung dieses Buches und damit
für die weitere Verachtung der Menschenwürde von Gottesgesandten eingesetzt hat, wurde
dadurch nicht gegen die eigenen Prinzipien, nämlich der Wahrung der Würde des Menschen,
verstoßen?
Der aufmerksame Beobachter der Ereignisse wird vermissen, daß bis
heute kein deutscher Politiker, keine offizielle Stelle in Deutschland sich in irgendeiner
Form vom Inhalt des Buches Rushdies ernsthaft distanziert hat. So ist es zu verurteilen,
daß kein Politiker für die Wahrung der Würde so vieler betroffener Menschen eingetreten
ist, und kaum eine bedeutende Persönlichkeit in der westlichen Welt den Inhalt des Buches
angeklagt hat. Vielmehr sehen die Muslime, daß auch deutsche Politiker (z.B.
Bundes-Arbeitsminister Norbert Blüm) bereit waren, ihren Namen für die Veröffentlichung
des Buches zur Verfügung zu stellen.
Die Haltung deutscher Verleger, Autoren, Politiker und vor allem der
Medien kann die Muslime nur darin bestärken zu vermuten, daß hier eine Art neuer
Kreuzzug gegen den Islam mit den modernen Methoden der Medien geführt werden soll. Daß
die Medien im Bedarfsfall auch Beleidigendes bekämpfen können, wird an der Haltung
einiger Fernsehanstalten zu einem Video-Clip der berühmtesten westlichen Popsängerin
Madonna deutlich. In einem von Warner Brothers produzierten Video tanzt die
Pop-Sängerin Madonna im Spitzennegligé zwischen brennenden Kreuzen und läßt eine
Christusstatue erweichen, welche daraufhin vom Altar steigt und sie küßt. In einer
anderen Szene bringt Madonna sich an den Händen die Wundmale des Gekreuzigten bei. Zwei
öffentlich rechtliche Fernsehanstalten, nämlich der Bayerische Rundfunk und der
Westdeutsche Rundfunk beschlossen, in ihrem Sendegebiet das umstrittene Madonna-Video
nicht auszustrahlen. Aus muslimischer Sicht ist es schon interessant zu sehen, wie
dieselben Medien, die für die zügellose Verbreitung der "Satanischen Verse"
eintraten, die Ausstrahlung eines das Christentum beleidigenden Videos verbieten. Wie ist
eine derartige Doppelmoral zu verstehen?
Daß auch deutsche Gerichte Gotteslästerung verhindern können, zeigt
ein Urteil vom 29. Juni 1989, gefällt in Schleswig-Holstein. Das Gericht entschied, daß
das Wort "Gott" als Vorname nicht zulässig ist, wie es eine Familie für ihren
Sohn verwenden wollte.
Ein Indiz dafür, daß auch westliche Künstler sich selber korrigieren
können, lieferte die französische Chansonette Veronique Sanson: Sie nahm ein Lied mit
dem Titel "Allah" aus ihrem Repertoire.
Allah bezeugt, daß die Heuchler Lügner sind.
(Heiliger Qur'an 63/1)
Aus dem westlichen Blickwinkel heraus wird manchmal argumentiert, daß
Rushdie sich bereits entschuldigt hat, und ihm deshalb von den Muslimen verziehen werden
sollte. Der Täter bereut, doch die Reue wird nicht angenommen (Spiegel 9/89,
27.2.89). Es ist jedoch klar, daß ein verbales Bedauern, welches dieser Autor nicht
innerhalb eines halben Jahres voller Proteste, sondern erst im Angesicht des Todes
geäußert hat, keine wirkliche Entschuldigung sein kann. Denn bis zum Todesurteil
äußerte sich Rushdie in seinen Interviews eher abfällig gegen den Islam und die Muslime
und blieb von allen Protesten unbeeindruckt.
Es bedurfte erst des Todesurteils, damit Rushdie am 18. Februar 1989
mitteilen ließ: Als Autor von 'Die Satanischen Verse' stelle ich fest, daß Muslime in
vielen Teilen der Welt durch die Veröffentlichung meines Romans ernsthaft verärgert
sind. Ich bedaure zutiefst die Verärgerung, welche die Veröffentlichung bei den
aufrichtigen Anhängern des Islam verursacht hat. In einer Welt, in der wir mit vielen
Glaubensrichtungen leben, dient diese Erfahrung uns daran zu erinnern, daß wir uns alle
bewußt über die Empfindsamkeit des Anderen werden.
Daß die Muslime verärgert sind, brauchte Rushdie nicht zuzugeben.
Diese Tatsache war ohnehin nicht mehr zu verheimlichen. In der gesamten Erklärung kommt
keine Entschuldigung, sondern lediglich ein Bedauern zum Ausdruck. Im übrigen bedauert
Rushdie in seiner von den westlichen Medien als Entschuldigung bezeichneten Stellungnahme
nicht die Tatsache, daß er die Muslime verärgert hat, sondern, daß diese verärgert
sind. Daß Rushdie die Proteste auch vorher schon vernommen haben muß, wird aus einer
früheren Äußerung Rushdies deutlich, die in Deutschland allerdings erst am 16. Februar
1989 veröffentlicht wurde, wobei er sagt: "Ich kann mich nicht zu Streichungen
bereitfinden. Das wäre Herrschaft des Pöbels" (Die Welt 16.2.89). Mit
Streichungen wäre es ohnehin nicht getan, denn dann bliebe wohl nur eine Handvoll Seiten
übrig.
Die sogenannte Entschuldigung wurde durch Rushdies Anwalt
veröffentlicht; eine merkwürdige Art sich zu entschuldigen! Rushdies Hinweis auf das
Bewußtsein über die Empfindsamkeit des Anderen klingt spöttisch, wenn Rushdie
selbst keine Konsequenzen aus seiner Schandtat zieht und das Buch unverändert
weiterverkauft.
Entsprechend fiel unverzüglich die Antwort des Rates der Moscheen in
Bradford (England) aus, welche Rushdies Stellungnahme als keine ernsthafte
Entschuldigung, sondern eine weitere Beleidigung des islamischen Glaubens bezeichneten
(Die Welt 20.2.1989).
Die Muslime akzeptieren eine derartig offensichtliche Heuchelei, wie
die von Rushdie, nicht. Insbesondere, wenn sein entwürdigendes Buch weiterhin vertrieben
wird, und der Autor wie der Verlag versuchen kräftig daran zu verdienen. So wurde z.B.
bereits am 2. März 1989 gemeldet, daß in Italien die zweite Auflage von 200000
Exemplaren gedruckt wird. Die deutsche Ausgabe erschien in einer Auflage von 300000 am 16.
Oktober 1989. Ein wahrhaftig bereuender Autor würde das Buch sofort zurückziehen und die
Gelder aus dem Erlös einem wohltätigen Zweck zukommen lassen. Genau zu diesen Schritten
wurde der Autor vom damaligen iranischen Staatspräsidenten und jetzigen Nachfolger Imam
Khomeinis, Ayatollah Chamene'i, kurz nach Rushdies Verurteilung aufgefordert.
Aber falls dennoch die Meinung besteht, daß dieser Mann seinen Fehler
anerkannt und sich für seine Untat entschuldigt hat, müssen folgende Fragen aufgeworfen
werden: Warum wird das Buch weiterhin verbreitet? Warum setzen sich trotz angeblicher
Entschuldigung die westlichen Politiker und Regierungen sowie die Autoren und Verleger
fanatisch für die weitere Verbreitung dieses Fehlers ein? Die Antwort kann nur lauten,
daß sie Rushdies angebliche Entschuldigung nicht ernst nehmen. Wie kann dann von den
Muslimen erwartet werden, daß sie Rushdies Heuchelei hinnehmen?
Menschen, die, um das Volk zufriedenzustellen, Gott verärgern, werden
keine Erlösung finden. (Fürst der Märtyrer Imam Hussain ( ))
Am 23. Februar 1989 kam es im Deutschen Bundestag zu einer aktuellen
Debatte über die Rushdie-Affaire. Sprecher aller vier im Bundestag vertretenen Fraktionen
sowie eine Sprecherin der Regierung, so erschien es zumindest den Muslimen, stimmten in
die allgemeine Hetze gegen die Islamische Republik Iran ein. Alle Redner klagten Imam
Khomeini an. Kein Redner interessierte sich für die zahlreichen anderen islamischen
Gelehrten der Welt, die das Todesurteil bekräftigten. Alle Redner klagten die Islamische
Republik Iran an, kein Redner erwähnte auch nur mit einem Wort die vielen unschuldigen
toten Demonstranten bei Kundgebungen gegen Rushdie in Indien und Pakistan. Kein Redner
erwähnte mit einem Wort die Staatsmänner anderer Länder, welche das Todesurteil
unterstützten. Kein Redner erwähnte das deutsche Gesetz gegen Beschimpfung von
Religionsgemeinschaften. Alle erwähnten zwar die Verletzung religiöser Gefühle,
aber keiner traute sich bei seiner Rede die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Obwohl nahezu alle Redner das Gleiche sprachen, beanspruchte jeder Redner immerhin fast 10
Minuten für seine fraktionsintern ausgearbeitete Empörung. Im Saal selber konnte kein
großes Interesse an der Debatte festgestellt werden, da nur ein Bruchteil der
Abgeordneten und fast kein Minister anwesend war. So richteten sich die Reden auch mehr in
Richtung Medien.
Als erster sprach der SPD-Abgeordnete Freimut Duve und empörte sich
über die Aussagen des damaligen Staatspräsidenten Chamene'i in Jugoslawien, wo Ayatollah
Chamene'i angesprochen auf den Fall Rushdie sagte: "Der Todespfeil ist
abgeschossen und geht unbeirrt auf sein Ziel zu". Duve sah in dieser Äußerung
eine Kriegserklärung und sagte: "Er (Ayatollah Chamene'i) ist nach unserem
Strafrecht des Aufrufs zum Mord schuldig". Duve wußte wohl damals nicht, daß
Ayatollah Chamene'i Nachfolger von Imam Khomeini werden würde. So ist die neue Leitung
der weltweiten Islamischen Revolution bereits in der Bundesrepublik eines der schwersten
Verbrechen verurteilt worden. Zwar ist das Urteil von Duve nicht rechtskräftig, da Duve
nicht als Richter sprach, aber es ist schon interessant, daß ein Bundestagsabgeordneter
einen hohen islamischen Geistlichen in Abwesenheit nach westlichem Strafrecht beschuldigen
und verurteilen darf, Imam Khomeini aber kein islamisches Urteil gegen Rushdie sprechen
darf. Die Vorstellungen von Meinungsfreiheit im Westen sind schon sehr skurril.
In einer weiteren Passage sagte Duve: "Muslime, die sich ihrer
Religion Willen offen gegen Khomeini stellen, verdienen unseren Schutz". Es ist
schon eine unglaubliche Anmaßung, daß nicht-islamische Bundestagsabgeordnete den
Muslimen weismachen wollen, was diese ihrer Religion Willen zu tun haben. Aber in
Duves Aussage steckt noch eine andere sehr tragische bundesdeutsche Realität. Faktisch
besagt seine Aussage anders betrachtet, daß Muslime, die sich nicht offen gegen Imam
Khomeini stellen, nicht den Schutz des Staates verdienen. Diese Aussage spiegelt sich in
zahllosen Verbrechen oppositioneller iranischer Gruppen gegen die iranischen
Muslime wider. Obwohl die Verbrechen sich fast immer gegen die Muslime richteten, wurden
von den Sicherheitskräften in Deutschland nicht die Täter, sondern zumeist die Opfer
festgenommen und teilweise ohne Gerichtsverfahren bis zu einem halben Jahr festgehalten.
Duve wollte seine Rede mit einem literarischen Anstrich beenden, indem
er Goethes großes literarisches Werk West-östlicher Divan zitierte: "Wer
sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen, Orient und Okzident sind nie mehr
zu trennen." Während dieses Zitat die gegenseitige Abhängigkeit zum Ausdruck
bringt, wären zwei andere Zitate aus dem West-östlichen Divan viel passender für
die Rushdie-Affaire gewesen:
Ärgerts jemand, daß es Gott gefallen,
Mahomet zu gönnen Schutz und Glück,
An den stärksten Balken seiner Hallen
Da befestige er den derben Strick,
Knüpfe sich daran! Das hält und trägt;
Er wird fühlen, daß sein Zorn sich legt.
Neben obiger Empfehlung gibt es in Goethes Buch auch einen Reim unter
dem Titel Fatwa; als ob der größte deutsche Dichter dieses für Rushdie
geschrieben hätte:
Der Mufti las des Misri Gedichte,
Eins nach dem anderen, alle zusammen
Und wohlbedächtig warf sie in die Flammen,
Das schöne Buch es ging zunichte.
Verbrannt sei jeder, sprach der hohe Richter,
Wer spricht und glaubt wie Misri - er allein
Sei ausgenommen von des Feuers Pein:
Denn Allah gab die Gabe jedem Dichter.
Mißbraucht er sie im Wandel seiner Sünden,
So seh er zu, mit Gott sich abzufinden.
Als nächster Sprecher kam der CDU-Abgeordnete Heinrich Lummer zum
Podest. Nachdem er Imam Khomeini als greisen Fanatiker beleidigt hatte und die
Fatwa als Mordauftrag und Unkultur diffamiert hatte, mußte er das
Christliche seiner Partei hervorheben, indem er ein religiöses Urteil fällte:
"Der Auftrag zur Tötung des Autors einer Gotteslästerung ist eine wahrhaft
gotteslästerliche Anmaßung ... selbst wenn er meinen Glauben lästert und spottet, darf
es nicht zum Tode führen." Das mag für Lummers persönlichen Glauben gelten,
aber es ist nicht verbindlich für alle anderen Bekenntnisse. Nachdem Duve eine Art
weltliches Urteil gesprochen hatte, folgte Lummer also mit einer Art religiöser Aussage.
Dennoch waren Lummers Äußerungen gegenüber dem Iran sehr vorsichtig formuliert. So
sprach er von Bitten, das Urteil zurückzuziehen. Als Vertreter einer
großkapitalnahen Partei ist Lummer natürlich klar, daß man den einflußreichen Iran
nicht wie einen Untergebenen behandeln kann; ganz anders dagegen sein Verhalten gegenüber
den anderen islamischen Ländern: "Wir erwarten die Mithilfe der islamischen
Staaten". Ein deutscher Politiker erwartet von sogenannten islamischen
Staaten, daß sie ihm bei einem Angriff auf die islamischen Werte behilflich sind, denn
auch Lummer konnte nicht ein Verbot des Rushdie-Buches in Deutschland ankündigen. Bei
seiner Erwartung vergißt Lummer, daß seine möglichen Helfer, auch wenn es sich dabei um
US-hörige Regimes handelt, immerhin eine muslimische Bevölkerung regieren, gegen die sie
sich zu behaupten haben. So fand sich auch kein einziger Staat mit mehrheitlich
islamischer Bevölkerung, welche Lummers Erwartung erfüllt hätte. Der ehemalige
ARD-Korrespondent im Libanon Marcel Pott gab unumwunden zu, daß die arabischen Regimes
nur aus Angst vor den Massen sich nicht gegen Imam Khomeini gestellt haben (ARD
Presseclub 26.2.89).
Eine Passage aus Lummers Rede verdient es, trotz seiner Solidarität
mit der allgemein herrschenden Meinung, betont zu werden: "Ich will jetzt gar
nicht die Frage aufstellen, ob nicht das aufrichtige Bedauern (Rushdies), wenn es der
Autor so meint, auch dazu führen müßte, das Buch zu ändern oder zurückzuziehen
...". Lummer äußert seinen klaren Zweifel an der Aufrichtigkeit von Rushdies
sogenannter Entschuldigung. In einer Atmosphäre der hysterischen Verteidigung aller
Handlungen von Rushdie kann er seinen Zweifel allerdings nur in der Form einer nicht
gestellten Frage äußern.
Als nächstes sprach die Abgeordnete der Grünen Karitas Hensel.
Während die ersten beiden Redner zumindest den Anschein von Seriosität erweckten, war
ihre Rede an fachlicher Inkompetenz kaum zu überbieten. Nach einer allgemeinen Polemik
gegen den Iran forderte sie die Muslime auf, die islamischen Gesetze dem internationalen
Völkerrecht unterzuordnen oder anzupassen: Die Muslime sollten also Gottes Gesetz
menschlichen Vorstellungen unterordnen. Anschließend lobte sie das zukünftige Erscheinen
der deutschen Ausgabe und sprach davon, daß dieses Erscheinen ihre Vorstellung von
Meinungsfreiheit ist. Dann verbot sie Imam Khomeini, im Namen anderer Völker zu
sprechen.
Hätte sie die Schriften und Reden von Imam Khomeini jemals gelesen
oder gehört, wüßte sie, daß Imam Khomeini ohnehin immer im Namen Gottes sprach und
nicht im Namen anderer Völker. Dennoch steckt in ihrer Aussage wohl der Gedanke, daß die
Muslime viele Völker, und nicht die vom Heiligen Qur'an verlangte einige Gemeinschaft,
darstellen. Es wird in Zukunft für die westlichen Politiker schwer werden, zu erkennen,
daß die Muslime sich immer mehr als ein Volk fühlen, gemäß der Aufforderung des
Heiligen Qur'an. Vollends lächerlich wurde die Rede der Grünen, als sie den damaligen
Innenminister des Iran Mohtaschemi als Nachfolger Imam Khomeinis bezeichnete. Eine
Erklärung für eine derartige Fachinkompetenz zu finden ist kaum möglich, zumal selbst
der Ministerposten von Herrn Mohtaschemi im Lande nicht unumstritten war. An derartigen
Fehlurteilen ist zu erkennen, daß zum Teil selbst westliche Politiker die von den Medien
verbreiteten Manipulationen über den Islam und die Islamische Republik Iran glauben.
Vorletzter Sprecher war Olaf Feldmann von der FDP. Von seiner Rede soll
hier nur eine Passage zitiert werden: "Wir verkennen nicht den Unterschied
zwischen unserem Wertesystem und denen der islamischen Welt. Wir leben zwar in
unterschiedlichen Welten, aber auf einer Erde. Keiner kann und darf sein Wertesystem
absolut sehen. Wir erwarten aber Respekt vor unserer Rechtsordnung, unserer Grundordnung
und dem menschlichen Leben." Nur ein auf sich selbst und seine Umgebung fixierter
Mensch kann so eine Aussage machen, ohne zu bedenken, daß diese Aussage, wenn überhaupt,
dann für alle gültig sein muß! Was aber kann Feldmann einem Muslim antworten, wenn
dieser ihm sagt: Wir erwarten aber Respekt vor unserer Rechtsordnung, unserer
Grundordnung und der menschlichen Würde? Wie kann der Abgeordnete dem Muslim dann die
Herausgabe sowie die fanatische Unterstützung des Rushdie-Buches erklären?
Die Debatte wurde beendet von der Sprecherin des auswärtigen Amtes
Irmgard Adam-Schwaetzer. Sie faßte noch einmal alle westlichen Argumente zusammen und
teilte mit, daß die Gespräche einer deutsch-iranischen Wirtschaftskommission abgebrochen
wurden. Bereits tags zuvor hatte sie im deutschen Fernsehen die Intention deutscher
Außenpolitik ausgesprochen: Rückkehr des Iran zu eher westlich orientierten Staaten
(ARD Im Brennpunkt 22.2.89). Nach ihrer Rede im Bundestag kam es zur Verabschiedung einer
vom ganzen Parlament bei Enthaltung der Grünen getragenen Resolution, in der es unter
anderem heißt: Der Deutsche Bundestag verurteilt den Mordaufruf aufs schärfste.
Die Grünen verlangten, daß mehr als diese schärfste Verurteilung gegen den Iran getan
wird.
Auch das Österreichische Parlament, der Nationalrat, solidarisierte
sich mit Rushdie in einer symbolischen Lesung am 29. April 1989. Einen Tag vorher
gab es eine Protesterklärung der Muslime in Österreich. Unterzeichnet war die Erklärung
von: Kulturzentrum Österreich, Islamischer Verein für Afghanistan in Österreich,
Islamisch-Irakischer Verein und Studentenverein, Muslimisch-Türkischer Kulturverein und
United Islamic Students Association Österreich. Der Wortlaut der Protesterklärung gibt
Aufschluß über die Gedanken der Muslime in einem nicht-islamischen Land. Es sollte
erwähnt werden, daß es sich bei den Muslimen nicht nur um Ausländer sondern auch um
österreichische bzw. deutsche Bürger handelt. Der Islam unterteilt die Menschen nicht in
Staatsangehörigkeiten. Aber auch im westlichen, national orientierten Wertesystem sollte
nicht vergessen werden, daß die Muslime deutscher Nationalität nach den Christen die
größte Glaubensgemeinschaft in Deutschland sind. Ähnlich sind die Verhältnisse in
Österreich. Der folgende Text ist vor diesem Hintergrund auch als Gedanke und Meinung
eines österreichischen Muslim zu betrachten:
Im Namen Gottes
An das Präsidium des Nationalrats der Republik Österreich
Mit großer Betroffenheit und Bestürzung müssen wir in Österreich
lebende Muslime feststellen, daß die im Parlament vertretenen Parteien nicht davor
zurückschrecken, eine sogenannte 'symbolische Lesung' aus dem Buch S. Rushdies, das der
Präsident des Landes selbst als blasphemisch bezeichnet hat, im Parlament abzuhalten und
damit die Muslime auf provokante und schamlose Art zu beleidigen und zu demütigen. Wir
Muslime sind verblüfft über die unglaubliche Arroganz und rücksichtslose
Machtdemonstration, mit der sich die staatstragenden Parteien über die Gefühle einer
religiösen Minderheit und über die Gesetze des Landes, das ihnen die Beleidigung einer
anerkannten Religionsgemeinschaft verbietet, hinwegsetzen. Mit diesem Vorgehen setzen die
verantwortlichen Kräfte des Landes gegenüber einer wehrlosen Minderheit einen Akt, der
als einmalig in die Geschichte eines Landes eingehen wird, das sich in der
Weltöffentlichkeit gerne als völkerverbindend, als Brücke zwischen Ost und West, als
internationaler Ort der Begegnung der Kulturen und Religionen präsentiert.
Dieses Vorgehen erteilt aber auch den Muslimen in Österreich eine
dauerhafte Lektion: Sie, die sich bisher im Konflikt um S. Rushdie äußerst
zurückgehalten und jegliche öffentliche Aktion vermieden haben, müssen jetzt zur
Kenntnis nehmen, daß dies nicht nur nicht honoriert, sondern im Gegenteil als Schwäche
interpretiert und als Ermunterung verstanden wurde, sie zu provozieren und zu erniedrigen.
Sie, die in der Öffentlichkeit schon beim harmlosesten Protest gegen eine geplante
Rushdie-Veranstaltung als barbarische Gewalttäter verleumdet wurden, müssen nun
beobachten, mit welchen Methoden sich die als Verkörperung der Zivilisation auftretenden
Volksvertreter über die Rechte und Gefühle einer Minderheit hinwegsetzen und sonst immer
lautstark verkünden, wie wichtig ihnen der Schutz jeder Minderheit als Lehre aus einer
blutigen Geschichte sei. Wir können nicht annehmen, daß die Betreiber dieses Vorgehens
sich bloß aus eigenem Antrieb zu solch fragwürdigen Aktionen versteigen.
Wir österreichischen Muslime sind höchst irritiert und entsetzt über
so viel Heuchelei, Engstirnigkeit und Intoleranz und protestieren aufs schärfste gegen
die Beleidigung unserer Religion durch die 'symbolische Lesung' im Parlament.
Wenn wir uns etwas vorzuwerfen haben, dann die illusionäre Hoffnung,
in einem Land zu leben, das zumindest dann auf die Aggression auf unsere Religion
verzichten würde, wenn wir unsererseits äußerste Zurückhaltung üben. Wir haben die
Lektionen gelernt und wissen jetzt, daß nicht Politiker, die die Gesetze des Landes mit
Füßen treten, und die Toleranz der Mächtigen uns schützen, sondern daß wir selbst
aktiver als bisher für den Schutz unserer Religion eintreten müssen.
Wir appellieren an alle menschlich, unvoreingenommenen und gerecht
denkenden Mitbürger, die Verantwortlichen zur Vernunft zu mahnen und uns in unserem
gerechten Bemühen zu unterstützen, die Würde unserer Religion zu wahren. Die
Verantwortung für weitere Entwicklungen tragen jene, die mit voller Absicht und ohne
Anlaß auf die Logik der Einschüchterung und Aggression setzen statt auf die Prinzipien
eines menschlichen Zusammenlebens.
Dieser Brief löste einen regen Briefwechsel zwischen dem Präsidium
des Nationalrates und den Muslimen aus. Der Nationalratspräsident versuchte dabei zuerst
die Angelegenheit herunterzuspielen und als öffentliche Diskussion von einzelnen
Mitgliedern des Parlamentes abzutun. In einem späteren Schreiben aber verteidigt er
uneingeschränkt die Aktion unter dem Vorwand der Freiheit der Meinungsäußerung
(Der vollständige Briefwechsel ist abgedruckt in Al-Qiyam Nr.11/ Kulturzentrum
Österreich - Echo der Islamischen Renaissance).
Es sind vor euch schon Verordnungen (zur Strafe) ergangen. So
durchwandert die Erde und schaut, wie das Ende derer war, welche (die Wahrheit) verwarfen.
(Heiliger Qur'an 3/137)
In der Bundestagsdebatte zum Thema Rushdie kamen immer wieder die
Begriffe Regeln des staatlichen Zusammenlebens und Grundregeln internationalen
Rechts, die der Iran nicht beachtet haben soll, zum Ausdruck. Ulrich Kienzle von Radio
Bremen sprach im Fernsehen sogar von beispielloser Verachtung internationalen Rechts
(Kommentar in Tagesthemen 20.2.89). Dabei wird argumentiert, daß der Iran innerhalb
seiner eigenen Grenzen seine Wertvorstellungen verwirklichen kann, obwohl selbst das dem
Iran meistens abgesprochen wird. Jedoch dürfe der Iran seine Wertvorstellungen auf keinen
Fall grenzüberschreitend praktizieren.
So richtig dieses Argument aus westlicher Sicht im ersten Moment
erscheinen mag, so wahrheitsverwischend ist es, denn es war nicht Imam Khomeini, der in
diesem Fall damit angefangen hat, grenzüberschreitend Wertvorstellungen anderer Kulturen
anzugreifen. Vielmehr waren es ein britischer Autor und sein Verlag, die mit der
Veröffentlichung des Buches grenzüberschreitend ihre Beleidigungskampagne gegen eine
Milliarde Menschen begonnen haben. Der Aspekt der Grenzüberschreitung wird insbesondere
auch dadurch untermauert, daß Rushdie sich persönlich dafür einsetzt, daß sein Buch
auch in Indien verkauft werden darf. Wenn also jemand wegen Mißachtung internationalen
Rechts zu verurteilen ist, dann doch wohl der britische Verlag und der britische Autor
sowie die britische Regierung. Denn schließlich ist der Schutz gegen rechtswidrige
Beeinträchtigung der Ehre und des Rufes internationales Recht
(Menschenrechtserklärung vom 10.12.1948, Art.12).
Ohnehin sind die Argumente der Grenzüberschreitung und Mißachtung
internationalen Rechts, ausgesprochen aus westlichen Mündern, in den Augen der Muslime
wertlos geworden, seitdem der Irak ohne Verurteilung und ungestraft internationale Regeln
mißachten und zahllose Kriegsverbrechen gegen die Islamische Republik Iran sowie die
muslimisch-kurdische Bevölkerung im Irak begehen durfte, wobei tausende unschuldiger
Menschen Opfer irakischer Kriegsverbrechen, z.B. dem Einsatz chemischer Waffen, wurden.
Außerdem beobachten die Muslime, wie der Staat Israel jeden Tag mehrmals internationales
Recht bricht, indem israelische Soldaten Muslime in besetzten Gebieten ermorden. Und auch
in diesem Fall ertönen die Stimmen der Verfechter internationalen Rechts nicht halb so
laut für die Muslime!
Sie möchten Allah betrügen und diejenigen die gläubig sind, doch sie
betrügen nur sich selbst; allein sie begreifen es nicht
(Heiliger Qur'an 2/9)
Fälschlicherweise wird die Würde des Menschen oft mit dem Leben des
Menschen gleichgesetzt. So wird behauptet, daß die Todesstrafe gegen die Würde des
Menschen sei. Dabei hat die westliche Welt zumindest in diesem Punkt keine einheitliche
Meinung. Umso mehr verwundert es, daß europäische Regierungen die Todesstrafe im Islam
immer wieder anprangern, aber die Todesstrafe in den USA beispielsweise, wenn überhaupt,
erheblich leiser kritisieren. Wie noch zu sehen sein wird, ist die Todesstrafe eindeutig
Bestandteil islamischen Rechts. Jedoch bedeutet selbst die Todesstrafe keine Entwürdigung
des Menschen, sondern ist lediglich die von Gott bestimmte Folge einer schweren Straftat.
Auch ein zum Tode Verurteilter genießt das Recht auf Unantastbarkeit seiner menschlichen
Würde. So sind von der Prophetenzeit Beispiele bekannt, wo Menschen vom Propheten
Muhammad ( ) davon abgehalten wurden, zum Tode Verurteilte zu beschimpfen. Es ist
bedeutsam zu verstehen, daß im Islam eine völlig andere Denkanschauung bezüglich
Straftaten, Strafen und Verurteilungen herrscht als in einer Gesellschaft mit sogenannter
Pressefreiheit, wo anscheinend jeder Angeklagte von den Medien vorverurteilt und
beschimpft werden kann, bevor irgend ein gerichtliches Urteil über ihn gesprochen wird.
Im Islam stellt die Würde des Menschen einen höheren Wert dar als
sein Leben und ist auch nach seinem Tod schützenswert. Verbrechen gegen die Würde des
Menschen wie üble Nachrede und Rufmord werden deshalb schwerer beurteilt als ein Angriff
auf den Körper eines Menschen.
Im Heiligen Qur'an heißt es gleich an mehreren Stellen: 'fitna' ist
ärger als Totschlag (z.B. 2/218). Das arabische Wort 'fitna' wird nach
Langenscheidt übersetzt mit: Versuchung, Bezauberung, Zwietracht. Der deutsche
Qur'an-Übersetzer Max Henning übersetzt obigen Vers folgendermaßen: Verführung ist
schlimmer als Totschlag! Gleich danach steht im Heiligen Qur'an: Und sie werden
nicht eher aufhören euch zu bekämpfen, als bis sie euch von eurem Glauben abtrünnig
machten, so sie dies vermögen. Der Vers prophezeit die Angriffe der Ungläubigen auf
die Würde jedes Gläubigen und wertet die damit erzeugte Zwietracht schlimmer als
Totschlag.
Die Muslime werten ihre Würde höher als ihr irdisches Leben. Weil
aber darüberhinaus jeder Muslim die Würde seines Propheten viel höher einschätzt als
seine eigene Würde, ist auch ein Angriff darauf viel schlimmer. Die Aussage : Töte
mich, aber beleidige nicht meinen Glauben, mag aus westlicher Sicht unverständlich
erscheinen, spiegelt aber die innere Einstellung eines gläubigen Muslims wider. Prof.
Ghafur Ahmad, Generalsekretär einer der islamischen Oppositions-Parteien in Pakistan
sagte dazu: "Wichtiger, als ein Menschenleben zu schützen, ist es eine Religion
zu schützen" (ZDF Spezial 23.2.89).
Der Preis von Hochmut ist Erniedrigung (Imam Ali ( ))
Aus einer islamischen Angelegenheit wurde ein Politikum gegen Iran
gemacht. Obwohl viele führende Politiker anderer Länder, sei es aus Opportunismus oder
aus Überzeugung, Imam Khomeini unterstützten, richteten sich alle Maßnahmen der EG
ausschließlich gegen die Islamische Republik Iran. Als erste Reaktion auf die Fatwa
(Richterspruch) von Imam Khomeini zogen die EG-Staaten ihre diplomatischen Vertreter aus
dem Iran zurück. Wie verlautete, sollte das ein erster Schritt von Sanktionen gegen den
Iran sein und weitere sollten folgen, bis das Todesurteil revidiert würde. Gleichzeitig
stornierte die Bundesrepublik ein bereits unterzeichnetes Kulturabkommen, und
Landwirtschaftsminister Kiechle sagte eine geplante Reise nach Teheran ab.
Oppositionsführer Hans-Jochen Vogel schlug vor, den Flugverkehr nach Iran einzustellen.
Ohnehin wollte die bundesdeutsche Regierung in diesem Fall, zumindest anfangs, eine
Vorreiterrolle spielen.
Doch bereits am 10. April 1989 schickten alle EG-Staaten bis auf
Deutschland und Frankreich ihre Botschafter zurück, ohne daß sich irgend etwas geändert
hatte. Kurz nach Imam Khomeinis Rückkehr zu Gott folgten am 12. Juni 1989 auch die
restlichen beiden, obwohl das Todesurteil gegen Rushdie nicht zurückgenommen wurde, wie
es doch von den EG-Staaten verlangt worden war. Die Botschafter wurden vom iranischen
Außenministerium mit Spott empfangen: "Wer hat euch gebeten
zurückzukommen", war die demütigende Frage an die selbsternannten Verteidiger
Rushdies. Staaten, deren Ideale im Portemonnaies stecken, waren in ihren Reaktionen schon
immer leicht kalkulierbar.
Wie verlogen und heuchlerisch alle Maßnahmen waren, kann nicht nur
daran erkannt werden, daß die Staaten, denen die Islamische Republik Iran es erlaubte,
ihre Botschafter nach kurzer Zeit klammheimlich wieder nach Teheran geschickt haben (der
britische Botschafter allerdings mußte zu Hause bleiben, da der Iran die diplomatischen
Beziehungen zu Großbritannien am 7. März 1989 bis auf weiteres abbrach). Die
Verlogenheit der westlichen Staaten ist vor allem in der unvergleichbaren Maßlosigkeit
der Reaktionen deutlich zu erkennen. Dazu soll zum Vergleich das Verhalten der westlichen
Staaten bei erheblich gravierenderen Angriffen auf ihre eigenen Wertvorstellungen
untersucht werden.
Die westlichen Politiker und Medien bezeichneten das Rechtsgutachten
von Imam Khomeini in Sachen Rushdie als Mordaufruf. Ohne Zweifel aber wiegt auch im Westen
ein ausgeführter Mord schlimmer als ein Mordaufruf und ein Massenmord noch schlimmer. Wie
aber ist es erst, wenn auf einen Mordaufruf ein Massenmord folgt? Genau das aber war
geschehen, als US-Kampfbomber Libyen beschossen. Ex-US-Präsident Ronald Reagan
persönlich hatte den Befehl gegeben, Oberst Ghadhafi samt seiner Familie umzubringen.
Oberst Ghadhafi wurde ohne jegliche vorgelegte Beweise und ohne ein Gerichtsverfahren des
Terrors für schuldig erklärt. Der ranghöchste westliche Politiker sprach ein "Urteil"
aus, ohne den Rang eines Richters im eigenen Land zu haben. Als Folge dieses Aufrufes
kamen zahlreiche völlig unbeteiligte Zivilisten, darunter Frauen und Kinder ums Leben.
Welcher westliche Staat hat damals mit Sanktionen gegen die USA gedroht? Hat die
Bundesrepublik damals auch geschlossene Abkommen mit den USA storniert oder bis auf
weiteres seinen Botschafter abgezogen? Hat Herr Genscher damals auch schon seinen
Ausspruch "wehret den Anfängen", von sich gegeben?
Welcher westliche Staat hat Frankreich mit Konsequenzen gedroht, als
französische Geheimagenten 1985 in Neuseeland ein Greenpeace-Schiff samt einem
Besatzungsmitglied versenkten? Warum sind die Mörder bis heute noch auf freiem Fuß?
Wie oft schon wurden Menschen, die dem Staat Israel nicht genehm waren,
über alle Grenzen hinweg und bei Mißachtung aller internationalen Gesetze nach Israel
entführt? Wann haben die westlichen Staaten mit diplomatischen Konsequenzen gedroht? Wo
blieben die Reaktionen, als der israelische Geheimdienst im Jahr 1988 Abu Jihad in
Tunesien umbrachte? Fast wöchentlich fliegt die Luftwaffe Israels über internationale
Grenzen hinweg und bombardiert Zivilisten in einem fremden Land (z.B. im Libanon). Wann
wurden die EG-Botschafter deshalb jemals zurückbeordert und wurden weitere Konsequenzen
angedroht?
Wer sanktionierte die USA, als sie im Persischen Golf, tausende
Kilometer von den eigenen Grenzen entfernt, ein vollbesetztes iranisches Zivilflugzeug
abschossen und damit ungefähr 300 unschuldige Zivilisten, darunter Frauen und Kinder,
ermordeten?
Die Liste staatlichen Terrors bei Mißachtung aller internationalen
Gesetze und Vereinbarungen, welche vom Westen nicht nur ignoriert, sondern meist
mitgetragen wurde, ließe sich unbegrenzt fortführen. Erst im Vergleich der Reaktionen
auf die aufgezählten Verbrechen und die Reaktionen auf die Fatwa (Richterspruch) von Imam
Khomeini wird deutlich, daß es den westlichen Staaten und Politikern im Fall Rushdie wohl
nicht um die Wahrung internationaler Menschenrechte geht. Es geht ihnen vielmehr um den
Kampf gegen die wiedererwachten Muslime, welche die weltweite Unterdrückung der Gebote
Gottes und damit die Unterdrückung der gottgläubigen Menschen sowie die weltweite
Verachtung aller Heiligkeiten nicht mehr hinnehmen wollen. So jedenfalls fassen die
meisten Muslime die Zusammenhänge all dieser Ereignisse auf.
Die Auffassung der Muslime wurde weiterhin bestätigt in der Androhung
von Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Auch hierbei vergleichen die Muslime das
Verhalten der Bundesregierung gegen den Iran mit ihrem Verhalten gegenüber anderen
Regierungen. Zum Beispiel verlangen Freiheitsbewegungen in Südafrika als Vertretung des
südafrikanischen Volkes schon seit langem Wirtschaftssanktionen gegen ihr eigenes Land,
um die Apartheidsregierung zu stürzen. Die Bundesregierung verweigerte derartige
Sanktionen mit der Begründung, daß das südafrikanische Volk darunter leiden würde.
Obwohl die Mehrheit dieses Volkes um Wirtschaftssanktionen bittet, wird es ihnen
verweigert. Ganz anders liegt der Fall im Iran: Hier hat das Volk nicht um
Wirtschaftssanktionen nachgesucht. Doch hat das Volk in der Vergangenheit oft genug
bewiesen, daß es gewillt ist, jede auferlegte Sanktion zu tragen, um ihren eigenen
Glauben zu bewahren. Das Wirtschaftsembargo der USA und ihrer Verbündeten am Anfang der
islamischen Revolution im Iran beantwortete Imam Khomeini mit der Aussage: Das Volk ist
gewohnt zu fasten.
Die Widersprüchlichkeit bei der Androhung von Wirtschaftssanktionen
erkannte auch ein Kommentator der wirtschaftsnahen Presse: Soll nun gegenüber Iran
richtig sein, was gegenüber Südafrika für falsch gehalten wurde? Wenn Bonn jetzt anders
entscheiden sollte, setzte es sich dem Verdacht aus, dem Aktionismus zu verfallen ..
(Kommentator in "Die Welt" 24.2.89). Grund für diesen Kommentar war aber sicher
nicht der Drang nach wahrheitsgemäßer Betrachtung, sondern mit großer
Wahrscheinlichkeit die Sorge um lukrative Aufträge für die deutsche Wirtschaft.
Und noch eine weitere Unklarheit ergibt sich für die Muslime bei der
Ablehnung des Todesurteils durch die Bundesregierung. Wenn schon dieses angeblich
erstmalig grenzüberschreitende Todesurteil als Mordaufruf verstanden und abgelehnt wird,
warum dürfen bereits seit langem Terror-Organisationen gegen den Iran aus Deutschland
heraus öffentlich und grenzüberschreitend zum Mord gegen Muslime im Iran aufrufen und
ausgeführte Morde im Iran in ihren deutschsprachigen periodischen Schriften
verherrlichen. Es ist schon interessant, daß unter allen sogenannten Oppositionsgruppen
gegen die Islamische Regierung im Iran, diejenige Gruppe, welche sich am meisten durch
Terrorismus auszeichnet, nicht nur die medienwirksamste Unterstützung im Westen erhält,
sondern auch von den Politikern empfangen wird. Die sogenannten Volksmudschahedin
haben in ihren Schriften immer wieder im Iran durchgeführte Bombenattentate und ähnliche
terroristische Aktionen verherrlicht und rufen zur Waffengewalt auf (siehe u.a.
Verfassungsschutzbericht des Innenministeriums der Bundesrepublik Deutschland 1987 und
1988), ohne daß sie von Seiten der deutschen Politik jemals dazu aufgefordert wurden,
ihre Mordaufrufe zu unterlassen. Vielmehr bekam diese Gruppe immer wieder die Gelegenheit,
sich im deutschen Fernsehen selbst darzustellen (z.B. am 23.2.89 im heute Journal/ZDF im
Zusammenhang mit der Rushdie-Affaire).
Aufgrund dieser medienwirksamen Werbung für diese Terrororganisation
ist es zu erklären, daß auch Menschenrechtsorganisationen wie "amnesty
international" in ihren Jahresberichten immer wieder diese Gruppe als Quelle eigener
Informationen angeben, obwohl diese durch ihre Terror-Aktionen jegliche Glaubwürdigkeit
gerade für "ai" verloren haben müßten.
Ein weiteres Beispiel soll das unglaublich durch die Medien verzerrte
Meinungsbild wiedergeben. Als im Frühjahr 1988 die irakische Stadt Halabja mit chemischen
Kampfstoffen von der eigenen irakischen Luftwaffe angegriffen und über 5000 Menschen
vergast wurden, blieb der Aufschrei der Medien aus. Denn schließlich hätte damals jede
Verurteilung des Irak weltweit die Position der Islamischen Republik Iran und der Muslime
gestärkt. Der Tod von 5000 völlig hilflosen und unschuldigen Menschen (darunter zahllose
Frauen, Kinder und Babys) durch chemische Waffen war den westlichen Medien und Politikern
weit weniger Wert als das Leben eines Autors, der mit ihrer Erlaubnis Beschimpfungen
niederschrieb. Während in der Rushdie-Affaire eine Sondersendung im deutschen Fernsehen
die andere ablöste, und wochenlang ausführlich darüber berichtet wurde, gab es bei der
Massenvergasung in Halabja nicht eine einzige Sondersendung! Der Grund dafür findet sich
beim irakischen Außenminister. Der hatte nämlich dem Westen gedroht: Im Falle einer
Verurteilung Iraks wegen Einsatzes chemischer Waffen, wollte er preisgeben, woher Irak all
seine chemischen Giftstoffe bekommen hat (Interview mit kuweitischer Zeitung). Eine
derartige Veröffentlichung konnte sich der Westen nicht leisten.
Ein letztes Beispiel: Am 13. Oktober 1989 wurde bekannt, daß es in den
USA bei der nationalen Polizeibehörde FBI eine offizielle Ermächtigung gibt, in den USA
gesuchte Straftäter auch im Ausland ohne Wissen der Behörden des jeweiligen Landes zu
verhaften. Dieser Erlaß verstößt eindeutig gegen das Völkerrecht. Während Imam
Khomeini die Fatwa über Rushdie als ein einmaliges grenzüberschreitendes Urteil in einem
außergewöhnlich schweren Straffall erließ, gibt es bei der westlichen Führungsmacht
eine offizielle Verordnung schon für minder schwere Delikte in den USA. Was bei diesem
islamischen Richtsspruch Anlaß zur größten Medienkampagne gegen die Muslime im Jahr
1989 war, wird in einem ähnlichen Fall im Kleid eines offiziellen Erlasses der USA kaum
beachtet! Während die deutschen Politiker kaum eine Gelegenheit ausließen, um sich gegen
Imam Khomeini zu stellen, wurden etwaige Stimmen deutscher Politiker gegen die USA nicht
bekannt.
Dies sind nur einige Beispiele für die Feindseligkeiten der deutschen
bzw. westlichen Politik sowie der Berichterstattung gegenüber den Muslimen und gegenüber
der Islamischen Republik Iran. Es sind einige Hinweise, welche den Muslimen zeigen, wie
unglaubwürdig westliche Politik und westliche Medien in Bezug auf den Islam und die
islamische Weltgemeinschaft sind.
Was die angedrohten Wirtschafts-Sanktionen gegen den Iran betrifft, so
erwiesen sie sich ohnehin als Bumerang. Nicht die Europäer sanktionierten die iranische
Wirtschaft, sondern Iran sanktionierte die britische Wirtschaft, welche dadurch schwer
getroffen wurde (Spiegel 14/89, 3.4.89). Über 60 britische Wirtschaftsunternehmen
konnten ihre Hoffnung auf lukrative Aufträge aus dem Iran begraben. Iran demonstrierte
die Außenpolitik eines unabhängigen, unverschuldeten und damit vom Druck der
Großmächte und IWF (Internationaler Währungs-Fond) völlig freien Staates. Fritz
Pleitgen sagte in einer ARD-Sendung zu der Schuldenlosigkeit Irans: Das ist einzigartig
für ein Schwellenland (Im Brennpunkt 22.2.89). Die westlichen Staaten müssen sich
erst noch umgewöhnen, da sie im Iran ihre Untertanen der Schah-Zeit zu sehen gewohnt sind
und bisher noch von keinem sogenannten Dritte-Welt-Land derart vorgeführt wurden.
Die Rushdie-Affaire legte die westliche Politik gegenüber dem Islam in
vielen Teilen der Erde bloß. Sehr deutlich wurde das auch im Verhalten Kanadas. Kanada
als Mitglied des britischen Commonwealth und der westlichen Industrie-Gemeinschaft hatte
das Buch aufgrund der islamischen Proteste ursprünglich verboten bis zum Abschluß einer
Studie über den Inhalt des Buches und der Klärung der Frage, ob das Buch unter die
Rubrik geächtete Literatur fallen würde. Das Verbot wurde noch vor Abschluß der
Studie umgangen. Einer der Verantwortlichen für das Aufheben des vorläufigen Verbots war
Kanadas Finanzminister, obwohl sein Ministerium weder Erfahrungen mit kulturellen und
religiösen Angelegenheiten hat noch dafür zuständig ist. Das Buch wurde ganz einfach
nicht mehr als Buch betrachtet, sondern als eine Import-Export Ware deklariert. Und
als derartige Ware durfte es auch eingeführt werden. Eine Betrachtung darüber, ob das
Buch geächtet werden könnte oder nicht stand somit nicht mehr zur Debatte. Dazu hier ein
Vergleich: Der in Toronto lebende kanadische Autor Ernest Jandal verfaßte im April 1988
ein Buch, in dem er die Ereignisse des zweiten Weltkrieges analysierte. Die Tatsache, daß
er die Zahl von 6 Millionen jüdischen Opfern des Nazi-Regimes anzweifelte, reichte aus,
durch massiven Einfluß zionistischer Gruppen in Kanada, das Buch zu verbieten.
Allem Anschein nach gibt es eine Zwei-Klassen-Meinungsfreiheit: Die
Meinungsfreiheit, die Muslime zu beleidigen und die Meinungsunfreiheit, eine kritische
Meinung zu historischen Zahlen zu haben, wenn diese Kritik dem Zionismus schaden könnte.
Die Ereignisse von Kanada sind kein Einzelfall. In fast allen europäischen Ländern sind
Bücher verboten worden, die den weltweiten Zionismus wegen der Besetzung von Palästina
als Sieger des zweiten Weltkrieges darzustellen versuchten. Bücher mit sogenanntem
anti-semitischem Inhalt werden verboten. Bücher mit schwersten Beleidigungen gegen den
Islam aber erlaubt; ja sogar massiv unterstützt. Es ist ein Verdienst Imam Khomeinis
diese Doppel-Moral der westlichen Verantwortlichen und ihr Verhalten gegen die Muslime
bloßgelegt zu haben.
Wer Neid und Feindschaft sät, wird die Konsequenzen ernten
(Imam Dschafar as-Sadeq ( ))
Am 7. März 1989 brach die Islamische Republik Iran als Konsequenz des
Verhaltens der britischen Regierung im Fall Rushdie die diplomatischen Beziehungen zu
England ab. Die Begründung für diesen Abbruch findet sich in einer Stellungnahme des
Außen-Ministeriums des Iran:
Im Namen Gottes des Gnädigen und Barmherzigen
Die Islamische Republik Iran hat seit dem Beginn ihrer Gründung, nach
mehreren Jahrzehnten eines aufrichtigen islamischen Volkskampfes, die Verteidigung des
Islam, dessen heiliger Ideale und die Verteidigung aller unterdrückten Muslime überall
auf der Welt als eine ihrer Hauptaufgaben betrachtet. Mit der Ablehnung der Hegemonie von
Ost und West, welche sich erhoben haben, um den 'reinen Baum' (des Islam) zu entwurzeln,
ist die Islamische Republik Iran auf ihrem aufrichtigen Weg fortgefahren.
Die weltweite Arroganz, insbesondere in der westlichen Welt, hat sich
erhoben, um sich dem Islam von allen Seiten entgegenzusetzen. Denn sie erkennen in der
Existenz und Stärke des reinen Islam von Muhammad ( ) ein Hindernis für ihre
bedrohlichen und expansionistischen Absichten. In diesem Zusammenhang spielen die
britischen Politiker eine markante Rolle.
In den letzten beiden Jahrhunderten hat Großbritannien bezüglich der
Verschwörung und des Verrats gegen den Islam und die Muslime die Führungsrolle
übernommen. Islamische Nationen haben und werden niemals Verschwörungen, wie die Bildung
des zionistischen Regimes und deren uneingeschränkte Unterstützung, bis hin zur
Verbreitung von Sekten (wie z.B. den Wahabismus der Saudis, Anm.d.Übers.) und Ausstreuung
von Zwietracht unter den Muslimen vergessen. Damit wurde versucht gegen die islamischen
Bewegungen in Irak, Ägypten, Iran, Pakistan und anderen islamischen Ländern zu kämpfen.
In einer Zeit des Verfalls des alten Kolonialismus und in einem
Jahrhundert von internationaler Wachsamkeit, hat sich das kolonialistische System von
Großbritannien, welches mehrere Rückschläge von der islamischen Bewegung in der
muslimischen Welt zu verzeichnen hat, die Methode seines Kampfes und seiner Feindseligkeit
abgeändert. Die Methode eines direkten militärischen Eingriffs wurde durch eine
komplizierte politische und kulturelle Methode ersetzt. Und in seiner neuesten
Verschwörung gegen den Islam hat Großbritannien dieses Mal die heiligsten Werte des
Islam zum Ziel, nämlich den Qur'an und den Charakter seines geliebten Propheten. Der
Prophet wird dabei der Falschheit und des Betrugs bezichtigt. Der Vorwand für diesen
neuesten kulturellen Kreuzzug heißt Verteidigung der Freiheit und der menschlichen Werte.
Die Veröffentlichung der 'Satanischen Verse' und die Beleidigung der
Heiligkeiten von einer Milliarde Muslime auf der Welt im Auftrag des internationalen
Zionismus, sowie die wachsamen und patriotischen Reaktionen der Muslime, führten den
Westen in eine Konfrontation mit der islamischen Welt. Sie hatten diese Verschwörung,
nämlich die islamische Welt zu erniedrigen, geplant, um die letzten ideologischen
Grundsätze der Muslime auszulöschen. Doch hatten sie dabei nicht mit einer
Unterstützung solchen Ausmaßes für die islamischen Heiligkeiten gerechnet. Deswegen
machten sie sich die islamische Republik Iran und die großartige Führung der Revolution
zur Zielscheibe. Sie begannen ihren politischen Krieg unter dem Vorwand der freien
Meinungsäußerung. Dabei machten sie die Islamische Republik Iran zum Hauptziel des
Krieges der Ideologien und Wertvorstellungen wegen eines islamischen Urteils.
Mit der Barmherzigkeit des Allmächtigen kehrte sich auch diese
Angelegenheit um. Das bedeutet: Die Muslime stellten überall auf der Welt fest, daß die
Islamische Republik Iran als eine Revolution und als System alle Schwierigkeiten
willkommen heißen wird, um die islamischen Werte zu verteidigen, um Beleidigungen seines
großen Propheten zu verhindern und mit aller Kraft der weltweiten Gotteslästerung
entgegenzutreten.
Wie hätten sich die Muslime in der ganzen Welt, die geringere
Beschränkungen (in ihren Möglichkeiten) haben und über ausgedehntere Möglichkeiten
verfügen, ruhig verhalten können, angesichts dieser ausgeweiteten und gefährlichen
Verschwörung? Die bewunderungswürdige Bewegung der islamischen Umma (Gemeinschaft) in
den entlegendsten Plätzen auf der Welt zur Unterstützung der Fatwa (Richterspruch) Imam
Khomeinis und die Entlarvung der neuesten Verschwörung Großbritanniens und seiner
Mittäter ist ein lebendiges Beispiel und ein Beweis für diesen Anspruch.
Diese vielversprechende Bewegung, die mit einer unerschrockenen
Aussprache eines Rechtsgutachtens des Islam gegen den geldgierigen Autor (des Buches) und
die Verleger begann und mit dem Blut einiger tapferer Märtyrer der islamischen Welt
vermischt wurde, ist nun zu einer inspirierenden Angelegenheit für die Einheit der
islamischen Welt gegen die Feinde des Islam geworden. Es hat sich in ein Kriterium und
einen Test für all jene gewandelt, die es ablehnen ihre ideologischen und göttlichen
Werte in Anbetracht des westlichen Anti-Werte-Systems zu ändern.
Das Außenministerium ist nicht nur die Exekutive der Islamischen
Republik Iran, sondern in einem weiteren Sinn die Exekutive und Unterstützung der
Außenpolitik des Islam gegen Gotteslästerung. In diesem Zusammenhang berücksichtigt es
die Verteidigung des Islam und seiner Werte, seiner Theologie und rechtmäßigen
Vorschriften. Daher wird es keine Beleidigungen und Verschwörungen gegen den Islam
akzeptieren, von welchem Land sie auch ausgehen mögen. Es betrachtet den Respekt für
islamische Heiligkeiten als Teil der Basis eines gegenseitigen Respekts im Rahmen seiner
Beziehungen mit den Ländern dieser Welt.
In der einen Woche, die der britischen Regierung vom Majlis
(islamisches Parlament des Iran) als Ultimatum gegeben wurde, waren deren Bemühungen,
ihre vorrausgehende Haltung zu korrigieren, unzureichend. Obwohl sie die Beleidigungen,
die jenes Buch enthält, zugegeben hat, traf sie keinerlei Maßnahmen, um die
Beleidigungen gegen den Islam und die islamischen Heiligkeiten zu verhindern. Außerdem
behielten sie ihre feindliche Haltung gegen die klare Verordnung des Islam bei. Diese
feindliche Haltung richtet sich gegen die klare Verordnung des Islam über jenen Menschen,
der den Propheten beleidigt. Daher glaubt das Außenministerium der Islamischen Republik
Iran, in Anlehnung an die Entscheidung des islamischen Parlaments zum Abbruch der
diplomatischen Beziehungen mit der britischen Regierung, daß die Bedingungen des
islamischen Parlaments nicht erfüllt wurden. Daher gab es den Abbruch der politischen
Beziehungen der Islamischen Republik Iran zur Britischen Regierung bekannt.
(übersetzt aus dem Engl. aus Keyhan International 11.3.1989)
Aus der Erklärung des Außenministeriums der Islamischen Republik Iran
wird deutlich, daß die ganze Rushdie-Affaire nicht separat betrachtet, sondern in einem
Gesamtzusammenhang von Ereignissen gesehen wird, wie es bereits angedeutet wurde. Eine
weiterreichende Erläuterung der Zusammenhänge würde den Rahmen dieses Buches sprengen.
Der einzige Grund für die Zersplitterung und die Uneinigkeit und damit
die Schwäche der Muslime ist ihre Ferne von der wahren Lehre des Islam. Diese Entfernung
haben sie nicht nur eigenen Fehlern zuzuschreiben, sondern vor allem auch dem Interesse
von zahlreichen Okkupanten der Kolonialzeit, die für ihre Methode teile und herrsche
mit allen Mitteln versuchten und heute noch versuchen, die Muslime von ihrer gemeinsamen
Identität, dem Glauben zu entfernen. Die Ersetzung des arabischen Alphabets durch das
lateinische in der Türkei ist nur eines von dutzenden Beispielen für Methoden, mit denen
die Muslime neben ihrer materiellen, vor allem ihrer kulturellen Quellen beraubt werden
sollten. An der Spitze der Kolonialmächte gegen die islamische Welt stand
Großbritannien. Hauptnutznießer des britischen Kolonialismus war der Zionismus, der auf
dem von den Briten besetzten Palästina den Staat Israel ausgerufen hat. Es ist eine bis
heute nicht zu leugnende Tatsache, daß die Regierenden in Israel nicht mit dem bereits
okkupierten Gebiet zufrieden sind, sondern nach wie vor von einem Groß-Israel träumen.
Auf die Aufforderung von US-Außenminister Baker derartige Träume aufzugeben, antwortete
Shamir, daß er sich den Inhalt seiner Träume von niemandem vorschreiben lasse (Die Welt
24.5.89). Einziges Hindernis für die weitere Ausbreitung der Gewaltherrschaft Israels
sind der Islam und die aufrichtigen Muslime, wie Israels Truppen bereits im Libanon
feststellen mußten, und wie sie es in dem nichtaufhörenden islamischen Widerstand
(Intifada) im besetzten Palästina seit zwei Jahren tagtäglich spüren. So liegt es in
Israels ureigenstem Interesse, den weltweiten Islam zu diskreditieren und die Muslime vom
Islam abzubringen. Islamische Bewegungen stellen die größte Kraft gegen jegliche Form
von Rassismus und gegen die Expansionspolitik des Zionistenstaates dar. Auch wenn im
Einzelfall ein Nachweis schwer fallen dürfte, so werden aus der Sicht der Muslime
Verschwörungen gegen den Islam zwangsläufig mit dem internationalen Zionismus in
Verbindung gebracht, da dieser mit Abstand das größte Motiv im Kampf gegen den Islam und
die Muslime hat. Die allgemeine Kriegsführung gegen das Religiöse ist dabei nicht allein
gegen den Islam gerichtet, es ist vielmehr auch die ganze christliche Welt davon
betroffen; die unaufhaltsame Verbreitung der Morallosigkeit, des Atheismus, des
Rauschgiftkonsums usw. im Westen mit ihren verheerenden Folgen für das Individuum und die
Gesellschaft sind auch für jeden gläubigen Christen schmerzhaft.
Die Ablehnung des internationalen Zionismus steht immer im direkten
Zusammenhang mit der Ablehnung der USA, da Israel ohne die Finanz- und Militärhilfe vor
allem aus den USA nicht existenzfähig ist. Der Ex-Ministerpräsident der Islamischen
Republik Iran Musawi nannte Rushdie auch einen von den USA bezahlten Söldner.
Diese Darstellung dient lediglich der kurzen Darlegung einer
Problematik, die von vielen Nicht-Muslimen übersehen werden kann. Es ist klar, daß diese
Kurzdarlegung für so manchen Leser mehrere neue Fragen aufwerfen wird. Die Behandlung der
weitergehenden Fragen wird an dieser Stelle unterbrochen, da sie ein eigenes Buch füllen
würde.
Für die Rushdie-Affaire haben die Zionisten jedenfalls, wie so oft,
eine Art Alibi: Das Ministerium für religiöse Angelegenheiten Israels bat den
israelischen Ketter-Verlag "Die Satanischen Verse" nicht zu
veröffentlichen (Die Welt 27.2.89). Eine weitere Aufheizung des islamischen Widerstandes
in den auch offiziell besetzten Gebieten kann sich der Zionistenstaat nicht leisten.
Was den Abbruch der diplomatischen Beziehungen der Islamischen Republik
Iran zu England betrifft, so wird es langfristig gesehen, soweit erforderlich, kein
Ausnahmefall bleiben. Außenminister Welajati sagte dazu: Der Iran wird mit jedem Land
so verfahren, das die heiligen Werte des Islam angreift. Die Briten jedenfalls rächten
sich für die entgangenen Wirtschaftsaufträge mit einem Theaterstück namens Iranische
Nächte, dessen Inhalt eine einzige Beleidigung Irans war. Die Erstvorstellung war am
14. April 1989. Als Co-Autor wurde wieder ein geborener Muslim verpflichtet.
Wenn die Unwissenden schweigen, geraten die Menschen nicht in
Streitigkeiten
(Imam Muhammad at-Taki ( ))
Einer, der sich bei der Konfrontation mit dem Iran um "Die
Satanischen Verse" besondere Auszeichnungen verdienen wollte, war der deutsche
Außenminister Hans-Dietrich Genscher: Die deutlichsten Worte bei der Verurteilung hat
offenbar Hans-Dietrich Genscher gefunden (Hans-Joachim Friedrichs in Tagesthemen/ARD
20.2.89). Hans-Dietrich Genscher, der über die Kriegsjahre hinweg die Tür zu
Khomeinis Außenamts-Chef Welajati nie zugeschlagen hatte, setzte sich mit geradezu
verwegener Eindeutigkeit an die Spitze der Rushdie-Sympathisanten (Spiegel 9/89,
27.2.89). Diese Profiliersucht führte sogar dazu, daß erwogen wurde, die Behandlung
dieses Falles auf Antrag der Bundesregierung vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen (Die
Welt 23.2.89). Die besondere Situation Genschers, die ihn zu für seine Verhältnisse
ungewöhnlich unausgewogenen Reaktionen verleitete, hing mit dem noch nicht überwundenen
Rabta-Trauma zusammen. Um diese Vorbelastung besser verstehen zu können, bedarf es einer
kurzen Rückschau.
Um die Weihnachtszeit 1988 wurde der deutschen Öffentlichkeit eine
fragwürdige Nachricht beschert. Aus US-amerikanischen Quellen sickerten "Informationen"
durch, daß deutsche Firmen möglicherweise am Bau von Chemie-Anlagen in Rabta (Libyen)
beteiligt waren. Was als gezielte Indiskretion begann, entwickelte sich zum größten
Medienspektakel am Anfang des Jahres 1989. Bereits in der Ausgabe vom 1/2 Januar 1989
berichtete der Herolds Tribune von konkreten Beteiligungen deutscher Firmen. Der
Zeitpunkt dieses Medienspektakels war gut gewählt, denn vom 7.-11. Januar 1989 sollte in
Paris die Internationale Konferenz über chemische Waffen stattfinden. So hatten
die Medien 1-2 Wochen Zeit, Libyen zum Bösewicht der weltweiten Chemiewaffen-Mafia
abzustempeln. Damit war auch das Hauptthema der Konferenz festgelegt, und der Einsatz
chemischer Waffen durch den Irak gegen die Islamische Republik Iran und das kurdische Volk
im Irak und deren stillschweigende Akzeptanz durch West und Ost konnte unter den Teppich
gekehrt werden.
Der eigentliche Skandal, nämlich die weltweite Hilfe für Irak bei
seinem Einsatz chemischer Waffen im Krieg gegen die Islamische Republik Iran, wurde durch
die Diskussion um mögliche Beteiligungen deutscher Firmen an der Produktion chemischer
Waffen in Libyen überdeckt. Diese Tatsache haben nur wenige Verantwortliche zum Ausdruck
gebracht: So sagte z.B. der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Hermann Scheer in der WDRIII-Sendung Weltweit am 10. Januar 1989: "... es
ist grotesk, daß man im Moment über die Eventualität redet, ob in Libyen eine Anlage
gebaut wird, während im Irak nicht nur eine Anlage gebaut worden ist, auch mit deutscher
Hilfe, und gleichzeitig die chemischen Waffen eingesetzt worden sind."
Die angestrebte Ächtung von Chemiewaffen ist lediglich eine
Verschärfung bestehenden Völkerrechts. Denn das am 17. Juni 1925 von 118 Staaten
(darunter auch dem Irak) unterzeichnete Genfer Protokoll sieht vor, daß lediglich die
Anwendung von erstickenden, giftigen und anderen Gasen und Methoden biologischer
Kriegsführung verboten sind, nicht aber deren Besitz! Das bedeutet, daß Libyen
völkerrechtlich gesehen gar keinen Rechtsbruch begangen hätte, selbst wenn dort
Chemiewaffen produziert worden wären. Das aber wurde durch eine gezielte Medienpolitik
vertuscht. Durch eine zusätzliche Aggression der USA mit dem Abschuß zweier libyscher
Aufklärungsflugzeuge und dem eiligst herbeigeschafften Filmmaterial darüber, waren die
Medien ohnehin mehr auf das Räuber-und-Gendarm-Spiel fixiert als auf die in den
Hintergrund gedrängten Tatsachen.
Der eigentliche Völkerrechtsverbrecher Irak aber wurde von der
Staaten-Gemeinschaft in keiner Weise sanktioniert. Dazu Hermann Scheer: "Es ist
völlig klar, wenn der Staatenwelt vor Augen geführt wird, daß ein Staat wie der Irak
einen Völkerrechtsbruch, also ein Staatsverbrechen tätigen kann, und es bleibt ohne
Konsequenz, ohne Sanktion gegenüber dem Irak, ohne internationale Ächtung, dann haben
wir die Situation, daß sich jeder Staat gemüßigt fühlt, ... selber chemische Waffen
herzustellen, weil die Staatengemeinschaft ihn selbst dann nicht schützt, wenn ein
Völkerrechtsbruch geschehen ist. Und ich finde es grotesk angesichts dieses Zustands,
daß die irakische Regierung, die sich im vergangenen Jahr eines klaren Kriegsverbrechens
schuldig gemacht hat, in Paris bei dieser Konferenz, als wäre nichts geschehen, am Tisch
sitzt und als normaler Teilnehmer behandelt wird. Was fällig wäre, ist eine Ächtung des
Irak. Was fällig ist, sind internationale Sanktionen."
Die Rolle der Medien bei diesem inszenierten Ablenkmanöver der USA ist
sehr wesentlich. Nachweislich verfügen beide Großmächte über die größten Arsenale
und Produktionsstätten für Chemiewaffen auf der Welt. Spätestens seit 1984 weiß die
Welt von den Chemiewaffeneinsätzen Iraks, erst gegen die Islamische Republik Iran und
später auch gegen die eigene kurdisch-irakische Bevölkerung. 1987 hat die
Bundesregierung in diesem Zusammenhang Ermittlungen aufgenommen und erste Ergebnisse
bereits Ende 1988 veröffentlicht, wonach deutsche Firmen nachweislich an der Produktion
der irakischen Chemiewaffen maßgeblich beteiligt waren, und dennoch gab es zu
Kriegszeiten nie die notwendige Resonanz von Seiten der Medien. Der Irak ist für seinen
Einsatz von Chemiewaffen und damit seinen Kriegsverbrechen bis heute noch nicht offiziell
verurteilt worden. Die Rolle der Medien wird nur bei genauerer Kenntnis von Hintergründen
deutlich. So gab z.B. der ehemalige CIA-Direktor William Colby offen zu, daß die
westlichen Nachrichtenagenturen gezielt manipuliert werden (nachzulesen in 'CIA in
Westeuropa', Neuberger G. und Opperskalski, M.).
Bei dem sogenannten Libyen-Skandal war anfänglich von deutlichen
Beweisen die Rede, die der damalige US-Außenminister Shultz seinem deutschen Amtskollegen
Genscher vorgelegt habe. Allein diese Nachricht zeugt bereits von einem unglaublichen
Ausmaß an Vernebelung der tatsächlichen Gegebenheiten. Denn Dokumente aus Bagdad
belegen, daß die Bechtel Group Inc. ab 1984 eine Giftgasfabrik in Akashat (Irak)
miterrichtet hat (siehe taz 26.01.89). Direktor dieses Unternehmens war aber noch bis Juli
1982 George Shultz selber. So schreibt die taz vom 26. Januar 1989 in einem Kommentar mit
dem Titel Weltweite Heuchelei: ..... macht das Beispiel Irak aber noch einmal deutlich,
daß die Meßlatte, wonach etwas zu einem internationalen Skandal wird, ausschließlich im
Bereich politischer Opportunität zu suchen ist. Und so ist den Medien auch kein
Mittel zu schade, um das schmutzige Geschäft der US-Politiker mitzuspielen. So wurde in
der ARD-Sendung PANORAMA vom 31. Januar 1989, im Zusammenhang mit Rabta, der Vorwurf vom "Auschwitz
in der Wüste" gegen die Deutschen wiederholt - ein Vorwurf, der aus den USA kam.
Bei allem Unmenschlichen, was in Auschwitz geschehen ist, gab es kein Auschwitz, in dem
weit über 5000 Zivilisten, meist Frauen und Kinder, auf einen Schlag vergast und
gleichzeitig weitere 7000 vergiftet wurden, wie am 17./18. März 1988 in Halabja durch
irakische Kampfbomber geschehen. Es ist interessant, daß die Medien sich bereits im
Zusammenhang mit dem Aufbau einer angeblichen Chemie-Waffen-Fabrik in Libyen noch an die
Ereignisse in Auschwitz erinnern, während sich bei dem Völkermord Saddams mittels
chemischer Waffen an den muslimischen Kurden vor einem Jahr, kaum ein Journalist mehr an
Auschwitz erinnern mochte.
Bleibt noch die Frage, warum die anfänglichen Skandal-Nachrichten sich
ausgerechnet gegen den amtsältesten Außenminister der Welt, Hans-Dietrich Genscher,
richteten. Welches Interesse hatte die USA, Herrn Genscher eine Strafe zuteil werden zu
lassen?
Bei Kenntnis aller Faktoren fällt die Antwort nicht schwer: Genscher
war der einzige hochrangige westliche Politiker, der den Chemiewaffeneinsatz Iraks gegen
die Islamische Republik Iran beim Namen genannt hat. Er war es, der die Klärung der
Kriegsschuldfrage in die Resolution 598 zum Waffenstillstand zwischen Iran und Irak
eingebracht hat, um eine Bedingung der Islamischen Republik Iran, an der
Waffenstillstands-Verhandlung teilzunehmen, zu erfüllen. Denn die anderen damaligen
UN-Sicherheitsratmitglieder, allen voran die USA, wollten auf diesen Punkt verzichten. Als
potentieller Aussprecher dieser Wahrheit mußte Herr Genscher mundtot gemacht werden. Und
so konnte Genscher in Paris auch nur noch indirekt sein Anliegen formulieren: "Wer
sich der Ächtung der Chemiewaffen widersetzt, muß durch die Weltöffentlichkeit
geächtet werden." Nur Insider können diese Aussage den USA zuordnen (Dieser
Abschnitt ist größtenteils Al-Fadschr Nr.38/1989 entnommen).
Genscher war durch diesen Fall politisch schwer angeschlagen. Seine
Widersacher in der Regierung kamen laut vernehmbar zu Wort, und sein internationales
Ansehen wurde von den USA systematisch untergraben. In so einer Situation blieb
Hans-Dietrich Genscher zur Aufrechterhaltung seiner politischen Karriere nichts anderes
übrig, als die nächste Gelegenheit zu nutzen, seine Verbundenheit zu der westlichen
Großmacht USA deutlich zu bekunden. Nur so ist zu erklären, daß ein bis dahin
gegenüber der islamischen Welt besonnen auftretender Politiker, den Maßstab seiner
Aussagen und Handlungen verlieren konnte. Peter Scholl-Latour äußerte sich dazu: "Bei
der deutschen Reaktion ist mir etwas unwohl. Ich habe manchmal das Gefühl, nachdem man
die Amerikaner geärgert hat mit Rabta ..., daß man jetzt Bündnissolidarität ... zeigen
will" (Presseclub ARD 26.2.89). Dieses Verhalten beinhaltete aber ein großes
Risiko für die deutsche Wirtschaft: Bonns hektisches Bemühen, den in der
Libyen-Affaire angeschlagenen Ruf als zuverlässiger Streiter für die Werte des Westens
zurückzugewinnen, könnte die Deutschen noch teuer zu stehen kommen (Spiegel 9/89,
27.2.89). Es ist jedoch offensichtlich, daß auch ein Herr Genscher zu einem maßvollen
Verhalten gegenüber der Islamischen Republik Iran zurückfinden muß, um seine Fehler in
diesem Fall zu korrigieren. Andernfalls würde er vielseitige Beziehungen der Deutschen zu
den Muslimen, insbesondere zum Iran zerstören.
Wenn sie aber nach ihrem Vertrag ihre Eide brechen und euren Glauben
angreifen, dann bekämpfet die Führer des Unglaubens - sie halten ja keine Eide - auf das
sie ablassen.
(Heiliger Qur'an 9/11)
Ein maßlos überzogen reagierender Genscher hatte sogar erwogen, den
Fall Rushdie vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Von muslimischer Sicht her ist zu
bedauern, daß es nicht dazu kam. Denn jede Einschaltung des UN-Sicherheitsrats würde die
Einstellung des Westens gegenüber den Muslimen klarer verdeutlichen. Muslime älterer
Generation erinnern sich nur zu gut daran, wie der damals junge UN-Sicherheitsrat einen
Waffenstillstand nach dem anderen zwischen der Besatzungsmacht in Palästina und ihren
arabischen Nachbarn aushandelte, um Israel die Gelegenheit zu bieten, sich von neuem zu
rüsten. Israel hat seine Existenz den Kolonialmächten England, Frankreich und den USA zu
verdanken, welche ihren ehemals offenen Kolonialismus heute in neue Gewänder kleiden.
Für die Muslime war und ist die UNO eines dieser Gewänder. Aber auch diejenigen Muslime,
welche die Ereignisse von damals nicht miterlebt haben, müssen gezwungenermaßen im
UN-Sicherheitsrat ein Werkzeug der Großmächte zur Unterdrückung der Muslime sehen.
Schließlich scheiterte bisher jede mit Konsequenzen verbundene Verurteilung Israels und
ihrer aggressiven Besatzungspolitik am Veto der USA bzw. Englands. Jede Verurteilung der
USA selbst oder z.B. der Briten, welche auch in der jüngeren Geschichte durch
Aggressionen gegen die Muslime aufgefallen sind, scheiterte an deren Veto-Diktat. Immer
mehr Muslime fragen deshalb immer vernehmbarer, mit welcher Anmaßung Vertreter einer
Bevölkerungsminderheit der Erde durch Veto-Diktat sich über die Bevölkerungsmehrheit
der Welt hinwegsetzen darf. Sie fragen auch, wie es sein kann, daß gerade die fanatischen
Verfechter von Freiheit und Demokratie in der Weltpolitik ungeniert die demokratischen
Prinzipien mißachten dürfen. Die fünf Staaten mit selbsterteiltem Veto-Recht und
selbsterteilter ständiger Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat mögen in bilateralen
Teilfragen untereinander uneinig sein; gegen den Islam und die muslimische
Weltbevölkerung bewiesen sie aber stets Eintracht. Eine Interessenvertretung der Muslime,
die immerhin schon bald ein Viertel der Weltbevölkerung ausmachen werden, existiert bis
heute nicht im Sicherheitsrat.
Jeder neue Aufruf des UN-Sicherheitsrats im Fall Rushdie hätte zur
Folge, daß all diese Fragen erneut und noch deutlicher aufgeworfen würden, und die
Muslime kennen darauf nur eine Antwort: Der mittelalterliche Kreuzzug gegen die Muslime
hat neue Gewänder, neue Rüstungen und neue Heerführer, aber die Motive und die Ziele
sind seit Jahrhunderten gleich geblieben.
Imam Khomeini war angetreten, um die allgemeine Ungerechtigkeit auf der
Erde anzuprangern und völlig zu entblößen. Die aktuelle westliche Politik war ihm dabei
behilflich, indem sie die zahllosen Kriegsverbrechen und andere Brutalitäten (wie z.B.
den Abschuß des iranischen Airbus' durch die US-Flotte im Persischen Golf) gegen die
Muslime duldete oder gar unterstützte. Andererseits verstieß der Westen allseitig gegen
die immer wieder von ihnen propagierten Grundsätze, wie die Wahrung der Menschenwürde,
um einen Rufmörder an Heiligkeiten des Islam sowie sein Mordwerkzeug mit allen
Mitteln zu verteidigen.
Und sie sprechen, keiner soll je in den Himmel eingehen, es sei denn
ein Jude oder ein Christ, solches sind ihre eitlen Wünsche. Sprich: Bringt her euren
Beweis, wenn ihr wahrhaftig seid.
(Heiliger Qur'an 2/111)
Salman Rushdies Buch ist zweifelsohne nicht nur ein Angriff auf den
Islam und die Muslime. Auch die Heiligkeiten anderer Weltreligionen werden verächtlich
gemacht. Die langanhaltende Schweigsamkeit in den Kirchen und Synagogen ist deshalb schwer
zu verstehen. Es dauerte in England immerhin bis Ostern 1989, bis ein anglikanischer
Bischof der Diözese von St. Albans Rushdies Verlag aufforderte, das Buch zurückzunehmen
(Spiegel 14/89, 3.4.89), allerdings tat er dies nicht im Namen der Kirche. Der Gemeinsame
Ausschuß der Konferenz Europäischer Kirchen und Rat der Europäischen Bischofskonferenz
hat sich in ihren Veröffentlichungen nicht gegen das Rushdie-Buch gestellt. Dabei ist
für die Christen die ganze Bibel Gottes Buch. Auch wenn von christlicher Seite die Gebote
im alten Testament im Zuge der sogenannten Reformation immer weniger berücksichtigt
werden, so sind die zehn Gebote nach wie vor Grundlage in der Ethik und Moral der heutigen
Christen. Das zweite der zehn Gebote heißt:
Du sollst den Namen deines HERRN, deines Gottes, nicht mißbrauchen;
denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der SEINEN Namen mißbraucht. (Die
Bibel, 2. Mose 20/7)
Dutzende Male erwähnt Rushdie den Namen Gott oder Allah
(arabische Christen benutzen auch das Wort Allah, wenn sie von Gott sprechen) in
verachtungswürdigen Zusammenhängen. Dennoch lehnten sich die offiziellen Kirchen nicht
auf. Während der Vatikan sich inzwischen offiziell gegen die "Satanischen
Verse" und ihre Verbreitung gestellt hat, und das Buch zumindest im Vatikan-Staat
verboten wurde, ist insbesondere die abwartende Haltung der jüdischen Verantwortlichen
schwer zu verstehen. Schließlich sind die Juden noch immer an die Gebote des alten
Testamentes gebunden, wo es ganz klar heißt:
Führe den Flucher hinaus vor das Lager und laß alle, die es gehört
haben, ihre Hände auf sein Haupt legen, und laß die ganze Gemeinde ihn steinigen, und
sage zu den Israeliten: Wer seinen Gott flucht, der soll seine Schuld tragen. Wer des
HERRN Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen.
Gleich, ob Fremder oder Einheimischer, wer den Namen lästert, soll sterben. (Die
Bibel, 3. Mose 24,14-16)
Zwar wurde die Veröffentlichung des Buches in Israel auf Drängen des
Ministeriums für religiöse Angelegenheiten vorerst zurückgestellt, aber das ist eher
mit der Sorge um weitere Aufstände der Muslime gegen die zionistische Besatzungsmacht zu
erklären als mit religiösen Motiven. Die Vertreter jüdischer Gemeinden hüllten sich
lange in Schweigen. Selbst ein Herr Galinski, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in
Deutschland, der sonst bei Angriffen auf die Juden nicht zögert, seine Meinung durch alle
Medien verbreiten zu lassen, hüllte sich lange in Schweigen. Ist denn Abraham ( ) kein
Prophet der Juden, dessen Ehre zu schützen ist? Ist die Würde Abrahams () weniger wert
als die Würde der Opfer Hitlers?
Die einzig mögliche Erklärung für die lange andauernde
Schweigsamkeit der jüdischen Verantwortlichen in aller Welt ist darin zu sehen, daß sie
nicht durch eine medienwirksame Stellungnahme gegen das Buch die weltweite Kampagne gegen
den Islam unterbrechen wollten. Dafür sind sie anscheinend bereit auch ihre eigenen
Propheten mitbeleidigen zu lassen. Unabhängig davon, wie man das lange Schweigen der
Juden und Christen gegenüber der Veröffentlichung von Rushdies Buch, das auch eine
Beleidigung der gläubigen Juden und Christen ist, interpretieren mag, bleibt die
Gleichgültigkeit, ja sogar die Unterstützung dieser beiden Religionsgemeinschaften für
die Weiterverbreitung der "Satanischen Verse" höchst unverständlich.
Die Frage, was wäre geschehen, wenn die Muslime und Imam Khomeini
nichts unternommen hätten, führt auf unterschiedliche Reflexionen, je nachdem, welche
Aspekte der Zusammenhänge betont werden. Hierfür zwei Beispiele:
1. Bezeichnend ist, daß "Die Satanischen Verse" von
einem ehemaligen Muslim geschrieben wurde. Oder sollte man lieber sagen, daß ein
ehemaliger Muslim den Auftrag erhielt, den Islam zu attackieren? So war keine Kirche oder
Synagoge gemüßigt, sein Gemeindemitglied zur Ordnung zu rufen. Die Vertreter der anderen
Religionen fühlten sich weder angesprochen noch betroffen und hüllten sich deswegen in
Schweigen. Der Unmut, den die Muslime gegen die schweigenden Vertreter der anderen
Religionen zum Ausdruck gebracht hätten, hätte sehr leicht das Klima zwischen den
Muslimen und den Anhängern der anderen Religionen nachdrücklich verschlechtern können
und den bestehenden Dialog langfristig in eine religiöse Feindseligkeit mit unabsehbaren
Folgen münden lassen können. Erst durch die Fatwa von Imam Khomeini wurden die
islamischen Proteste auf wenige Verantwortliche und Mitschuldige an Rushdies Buch
beschränkt. Nur dadurch wurden schwerwiegende langfristige Konsequenzen für den
interreligiösen Dialog vermieden, auch wenn kurzfristige Beeinträchtigungen nicht
vermeidbar waren.
2. Da der Autor als geborener Muslim seine Beschimpfungen auch gegen
die heiligen Propheten der Juden und Christen gerichtet hat, hätte dies, falls die
Muslime nichts dagegen unternommen hätten, die unkontrollierbare Aufhetzung und empörte
Gegenreaktionen der beiden Religionsgemeinschaften gegen den Islam und gegen die Muslime
nach sich ziehen können. Denn ein möglicher Vorwurf wäre: Die Muslime haben durch ihr
Schweigen gezeigt, daß sie mit diesem beleidigenden Buch eine Verschwörung gegen die
heiligen Propheten der Juden und Christen angezettelt haben. Dabei sind sie sogar bereit
gewesen, den Islam, ihre eigene Religion, herabzuwürdigen.
Dann wäre allerdings ein weltweiter Religionskrieg unter den hunderten
Millionen Gottgläubigen (Muslimen, Christen und Juden) nicht mehr zu verhindern gewesen.
Gerade auch aus diesem Grund ist erkennbar, wie wichtig und nötig die Fatwa von Imam
Khomeini für das friedliche Zusammenleben aller Gottgläubigen auf Erden gewesen ist.
Schließlich ist es der Islam, der die Muslime verpflichtet, mit den gläubigen Juden und
Christen um Gottes Willen eine Einheit zu bilden (Heiliger Qur'an 3/64). Dagegen ist es
umso erstaunlicher, daß diejenigen, die sich mit allen Mitteln für Rushdie und sein
Machwerk einsetzten, sich als Verfechter des Friedens auf Erden bezeichneten, und Imam
Khomeini, der diesen geplanten weltweiten Religionskrieg im Keim ersticken ließ, immer
wieder als Aufrührer gegen den Weltfrieden darstellen wollten.
Allah wünscht nur Unreinheit von euch zu nehmen, ihr Angehörigen des
Hauses (des Propheten) und euch rein und lauter zu machen.
(Heiliger Qur'an 33/33)
Nach dem Waffenstillstand der Islamischen Republik Iran mit dem
irakischen Kriegsverbrecher Saddam, hofften die westlichen Polit-Strategen, endlich
ihr Ziel erreicht zu haben, Imam Khomeini nun auch in der islamischen Welt zu isolieren.
Diese Wunschvorstellung drückt der Kommentator einer Tageszeitung wie folgt aus: ..
dürfen wir Khomeini nicht für die Stimme des Islam halten (Hmb.Abendbl. 18.2.89).
Genau das Gegenteil aber mußten sie feststellen, als mehr denn je Muslime in aller Welt
für die Fatwa (Richterspruch) Imam Khomeinis auf die Straßen gingen und demonstrierten.
In Pakistan und Indien gab es sogar Dutzende von Märtyrern bei den Demonstrationen.
Sicherheitskräfte hatten wahllos auf Demonstranten geschossen, um die britische Botschaft
in Islamabad abzuschirmen.
Die weltweiten Reaktionen der Muslime nach der Fatwa von Imam Khomeini
manifestieren ihre Verbundenheit mit dem Islam und den islamischen Wertvorstellungen. Es
gab kaum ein Land mit muslimischer Bevölkerung, in dem nicht gegen das Buch und seinen
Autor protestiert wurde. Daneben gab es auch viele Protestaktionen der Muslime in der
westlichen Welt, wie z.B. die Großdemonstrationen in den USA, England und Deutschland.
Zahlreiche große islamische Gelehrte aus verschiedenen Ländern, wie z.B. Scheich
Abdurrahman aus Ägypten, Scheich Fadhlullah und Scheich Shaban aus dem Libanon, Maulana
Buchari aus Indien, Maulana Hussain Naeemi und Seyyed Ali Naqavi aus Pakistan sowie
zahlreiche andere, unter den Muslimen sehr angesehene, aber von westlichen Medien
ignorierte Gelehrte des Islam, bekräftigten die Fatwa gegen Rushdie.
Aber auch im Westen bekannte und populäre Muslime, wie z.B. Yusuf
Islam (Cat Stevans), stellten sich hinter das Urteil gegen Rushdie. Dafür werden seither
Yusuf Islams Platten von zahlreichen US-Radiosendern boykottiert: Seine Platten wurden
sogar vom Discjockey des Senders KRTH in Los Angeles öffentlich zerschmettert (Die Welt
6.3.89).
Die für den Westen unerwartete Einheit in der Haltung der Muslime
führte dazu, daß in den Medien absolute Lügenmärchen verbreitet wurden. So hieß es
z.B. in den deutschen Medien, daß sich ein Sprecher von 1,7 Millionen in Deutschland
lebender Muslime von dem Urteilsspruch Imam Khomeinis distanziert hätte. In Wirklichkeit
aber handelte es sich um den Sprecher einer völlig bedeutungslosen Splittergruppe mit
einer Handvoll Mitglieder. Von kaum einem der großen islamischen Zentren ist eine
Opposition gegen die Fatwa bekannt. Vielmehr wurde auch in Deutschland das Todesurteil
unterstützt, wenn auch aufgrund der bundesdeutschen Rechtslage nicht öffentlich dafür
Stellung bezogen werden konnte. Für jeden Muslim ist aber vor allem zuerst Gottes
Gesetzgebung maßgebend und steht über jeder von Menschen erfundenen Gesetzgebung,
unabhängig davon, wo sich der Muslim befindet. Eine Legislative im westlichen Sinne, die
nach dem Interesse der Geld- bzw. Machthaber funktioniert, kann es im Islam nicht geben.
Die Rechtslage aus islamischer Sicht ist, wie noch zu zeigen sein wird,
klar. Das islamische Recht, die Scharia, ist ein Gesetzwerk, dessen detailliertes
Verständnis ein viel intensiveres Studium bedarf, als z.B. die Gesetzgebung eines
westlichen Landes. Es ist viel leichter, Verfassungsrichter in der Bundesrepublik zu
werden, als ausgebildeter Richter des Islam. So ist es auch kaum verständlich, daß neben
einigen muslimischen Laien auch zahlreiche Nicht-Muslime, die in juristischen
Angelegenheiten völlig unkundig sind, nur weil sie irgend eine Beziehung zu den Muslimen
haben, sich anmaßen, islamische Urteile zu fällen. Diese Anmaßung wäre vergleichbar
mit einem Germanistikstudenten im Ausland, der anfängt, Verfassungsurteile für
Deutschland zu fällen; so etwas Absurdes wäre nicht akzeptabel.
Doch trotz der Vielschichtigkeit und des großen Umfangs des
islamischen Rechtssystems, kann in diesem Fall auch ein Laie das Urteil aus islamischer
Sicht bei hinreichender Information zumindest nachvollziehen, denn die Haltung des Islam
zum Fall Rushdie ist eindeutig und unmißverständlich. Dennoch darf nicht jeder Muslim,
wie schon erwähnt, einen Richterspruch fällen. Dafür bedarf es eines langjährigen
Studiums des Islam und seiner Gesetzgebung. Nur ein Gelehrter, der den hohen Rang eines
Mudschtahid erlangt hat, darf ein derartiges Urteil fällen, denn es handelt sich um eine
Art Grundsatzurteil. Mudschtahid ist ein Gelehrter, welcher befähigt ist, das islamische
Recht auf die allgemeinen Fragestellungen der Zeit anzuwenden. In einer Zeit, in der ein
islamischer Staat existiert, sind die Muslime an Urteilssprüche von der Führung des
islamischen Staates gebunden.
Jede islamische Verordnung steht im Gesamtzusammenhang aller
islamischen Gesetze und Gebote und ist, in diesem Gesamtzusammenhang betrachtet, ein
Ausdruck der Barmherzigkeit Gottes für die Menschheit. Ein einfaches Gleichnis aber
zeigt, was geschieht, wenn Einzelheiten aus dem Gesamtzusammenhang gerissen werden: Einer
der wohl schönsten Teile im menschlichen Gesicht ist sein Auge. Sowohl das Gesicht, als
auch das Auge wirken zusammen schön. Wird das Auge jedoch herausgerissen, so wirkt das
Auge genau so abschreckend, wie das Gesicht. In manchen Fällen der islamischen
Rechtsprechung kann es ähnlich wirken. Zwar ist die islamische Lehre und ihre
Gesetzgebung im Gesamtzusammenhang schön, jedoch können Details der Lehre aus dem
Gesamtzusammenhang gerissen für Nicht-Muslime unverständlich und möglicherweise auch
abschreckend wirken. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, den umfangreichen
Gesamtzusammenhang der islamischen Rechtsprechung darzulegen. Deswegen kann hier nur die
bloße Darlegung der für die Gesetzgebung im Fall Rushdie relevanten Texte durchgeführt
werden.
Der Fall Rushdie kann nach der islamischen Rechtsprechung aus
mindestens zwei Aspekten betrachtet werden. Zum einen handelt es sich bei dem Autor um
einen sogenannten Murtad, d.h. jemanden, der öffentlich vom Islam abgefallen ist und
diesen nun bekämpft, zum anderen handelt es sich bei dem Buch um eine Kampfansage gegen
Gott und seine Propheten.
Was den Murtad (Apostat) angeht, so betrifft ihn u. a. folgender
Qur'an-Vers:
Wer aber die Gnade Allahs vertauscht nachdem sie zu ihm gekommen, dann
siehe Allah ist streng im Strafen (Heiliger Qur'an 2/211)
Die Erläuterung ist in den Überlieferungen dokumentiert. In allen
verbreiteten Überlieferungsbüchern unter den Muslimen stehen von allen Muslimen als
authentisch eingestufte Überlieferungen des Propheten Muhammad ( ), wonach ein Murtad
(Apostat) die Todesstrafe erhält (siehe u.a. Kulaini, Tusi, Saduq, Muslim,
Buchari,Tirmizi und Abu Davud). Es sei vermerkt, daß nicht jeder aus sich heraus
bestimmen kann, wer ein Murtad (Apostat) ist und wer nicht. Das obliegt dem ausgebildeten
Richter. Daran, daß Rushdie ein Murtad ist, kann es allerdings keinen Zweifel geben, da
er sich offen dazu bekennt, Atheist zu sein (FAZ 17.2.89). Trotz dieses klaren
Bekenntnisses von Rushdie zur Apostasie, geht aus Imam Khomeinis Fatwa nicht hervor, daß
dieser Tatbestand Einfluß auf das Urteil hatte, denn die Begründung Imam Khomeinis für
das Todesurteil gegen Rushdie ist, wie noch zu sehen sein wird, eine andere.
Die Strafe für den Kampf gegen Gott und den Propheten wird u.a.
abgeleitet aus dem Qur'an-Vers:
Siehe, der Lohn derer, welche Allah und seinen Gesandten bekämpfen und
Verderben auf der Erde betreiben, ist nur der, daß sie getötet oder aufgehängt oder an
Händen und Füßen wechselseitig verstümmelt oder aus dem Lande vertrieben werden. Das
ist ihr Lohn hienieden, und im Jenseits wird ihnen schmerzliche Strafe zuteil. Außer
jenen, welche bereuen, bevor ihr sie in eurer Gewalt habt. (Heiliger Qur'an 5/33-34)
Noch konkreter den Fall Rushdie betreffend ist folgender Vers:
Wer immer ein Feind Allahs ist und seiner Engel und seiner Gesandten
und Gabriels und Michaels, gewiß Allah ist Feind der Ungläubigen.
(Heiliger Qur'an 2/98)
Derartige Menschen bezeichnet der Prophet des Islam als mahdur-ud-dam;
das heißt, als Mensch, dessen Blut vergossen werden muß. Diejenigen, die einen mahdur-ud-dam
töten, werden nach Aussagen des Propheten mit dem Paradies belohnt werden (siehe zum
Thema u.a. Tarih-e-Kamil Ibn Asir). Bei derart verurteiligungswürdigen Menschen spielt es
keine Rolle, ob sie vorher Muslim waren oder nicht. Ein Muslim, der beim Bemühen, die
Menschheit von derartigen Menschen zu befreien, stirbt, ist nach den Aussagen des
Propheten ein Märtyrer.
Die Beispiele aus dem für alle Muslime vorbildhaften Leben (der Sunna)
des Propheten zu solchen Fällen sind zahlreich; im folgenden ein markantes Beispiel: Als
nach langer Unterdrückung und Folter der Muslime in Mekka die Stadt vom Propheten befreit
wurde, sprach der Prophet eine Generalamnestie gegen die mekkanische Bevölkerung aus. All
die Nicht-Muslime, die vorher Muslime geschändet, beraubt oder gar getötet hatten, kamen
ohne Bestrafung davon. Nur neun Personen waren von dieser Amnestie ausgeschlossen. Unter
ihnen waren fünf Dichter und Schauspieler, die aufgrund ihrer Beleidigungen gegen den
Islam hingerichtet wurden. Während Mörder ungestraft davonkamen, wurden Rufmörder in
schweren Fällen bestraft. Dieses dokumentiert erneut unmißverständlich, daß der
Angriff gegen den Glauben im Islam eine größere Straftat darstellt, als der Angriff
gegen die körperliche Unversehrtheit (Die Überlieferung zum Geschehnis findet sich u.a.
in Tarih-e-Yakubi). So war auch dem ehemaligen Libanon-Korrespondenten des ARD Marcel Pott
bekannt, daß der Prophet Dichter hinrichten ließ, die den Islam verächtlich gemacht
hatten (Presseclub 26.2.89).
Am Tage des Gerichtes wird die Tinte der (islamischen) Gelehrten gegen
das Blut der Märtyrer aufgewogen werden. Die Tinte der Gelehrten wird schwerer wiegen.
(Prophet Muhammad ( ))
Imam Khomeini hat sich bei all seinen Handlungen strikt an die
Weisungen des Islam gehalten, denn er lebte ausschließlich für den Islam und die
Muslime. All sein Einsatz diente dazu die Muslime aus ihrer weltweiten Unterdrückung zu
befreien und ihre islamische Ehre wiederherzustellen. In diesem Zusammenhang steht der
Wortlaut seiner Fatwa (Richterspruch) gegen Rushdie:
"Im Namen des Erhabenen! 'Wir sind von Gott und zu ihm kehren wir
zurück' (Heiliger Qur'an 2/156). Hiermit informiere ich die stolzen Muslime der Welt,
daß der Autor des Buches 'Die Satanischen Verse', das gegen den Islam, den Propheten und
den Qur'an gerichtet ist, und alle an seiner Veröffentlichung Beteiligten, denen sein
Inhalt bekannt war, zum Tode verurteilt sind. Ich fordere die tapferen Muslime auf, sie
unverzüglich zu töten, wo immer sie sie finden, damit niemand es jemals wieder wagt, die
Heiligkeiten der Muslime zu beleidigen. Wer immer bei dem Bemühen, sie umzubringen,
stirbt, wird Märtyrer werden, so Gott will. Wer den Aufenthaltsort des Autors kennt,
selber aber nicht in der Lage ist ihn zu töten, soll ihn der muslimischen Öffentlichkeit
bekanntgeben und behilflich sein, damit er (Rushdie) seine Strafe erhält. Und der Friede
Gottes sei mit Euch und seine Barmherzigkeit und Gnade.
Ruhullah al-Musawi al-Khomeini 6. Radjab 1409" (veröffentlicht am 14.2.1989)
Aus dem Wortlaut der Fatwa ergibt sich eindeutig, daß das Todesurteil
unter anderem zum Schutze der Würde aller Heiligkeiten des Islam und als
Präventivmaßnahme gegen zukünftige Angriffe dient. Die Fatwa ist ein Urteil gegen
jemanden, der einen schweren Anschlag gegen die Muslime verübt hat. Ein Anschlag kann aus
islamischer Sicht auch mit anderen Mitteln als konventionellen Waffen durchgeführt
werden. Anschaulich wird das auch in der deutschen Sprache: Darin wird die Folge einer
schweren Beleidigung als tödlich verletzen und eine Verleumdung als Rufmord
bezeichnet. Rushdie hat sich schuldig gemacht, Millionen von Menschen tödlich verletzt,
und an zahlreichen Heiligkeiten des Islam Rufmord begangen zu haben.
Wie aus der Fatwa ersichtlich wird, ist nicht jeder Muslim zum
Ausführer des Todesurteils delegiert: Diejenigen, die nicht in der Lage dazu sind, sollen
den Verurteilten allerdings melden. Das ist eine Praxis, die für jedes Urteil auch in
westlichen Ländern gilt. Wird im Westen z. B. nach einem mutmaßlichen Terroristen
gefahndet, d.h. nach jemandem, der noch nicht einmal verurteilt ist, so muß derjenige,
der seinen Aufenthaltsort kennt, ihn unverzüglich melden. Ansonsten macht er sich
strafbar!
Ein weiterer interessanter Aspekt der Fatwa Imam Khomeinis ist die
Zielgruppe der Aussage. Die Fatwa richtet sich an die stolzen Muslime. In einer
Zeit, in der die Muslime überall auf der Welt wegen ihres Glaubens diskriminiert werden,
verdeutlicht Imam Khomeini, daß sich kein Gläubiger für die Gesetze des Islam schämen
müßte, wie es versucht wird, den Muslimen einzureden. Ganz im Gegenteil kann der Muslim
stolz auf seine Gesetze sein, da diese von Gott allen Menschen mitgeteilt wurden. Muslime,
die sich von den islamischen Geboten und Gesetzen abwenden, sind demnach nicht stolz auf
ihren Glauben und somit keine überzeugten Gläubigen. Solche Menschen wiederum sind nicht
in der Lage, für die Gerechtigkeit auf Erden im Sinne des Islam einzutreten. Deswegen ist
es für die Muslime dienlich, daß diese Menschen entlarvt werden, damit sie keine
verantwortungsvollen Positionen in der islamischen Gemeinschaft einnehmen können. Die
Fatwa Imam Khomeinis hat in der ganzen islamischen Welt die Spreu vom Weizen
getrennt. So hat die Fatwa außer ihrer immensen außerislamischen Wirkung, auch große
innerislamische Bedeutung gehabt. Allama Seyyed Muhammad Hussain Fadhlullah, einer der
großen Gelehrten im Libanon sagte deswegen bezüglich der Fatwa: Während die
Regierungen der muslimischen Staaten ängstlich und ablehnend gegenüber ihrer Religion
sind und den Islam ignorieren, um damit Europa und den USA zu gefallen, legte Imam
Khomeini einen entscheidenden Maßstab fest, als Zeichen dafür, daß er dem Weg des
Propheten folgt (Keyhan International 27.2.89).
Selbst der Mitarbeiter im Deutschen Orient-Institut in Hamburg Dr.
Munir D. Ahmad, der sich anfangs gegen das Todesurteil stellte, besann sich nach Analyse
der Fatwa von Imam Khomeini und korrigierte seine Meinung mit folgendem öffentlichen
Brief: Nach reiflicher Überlegung bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß meine
Haltung in der Rushdie-Affaire falsch war. Ich hatte zwar den blasphemischen Charakter des
Buches 'Satanische Verse' erkannt und auch verurteilt. In meinen Veröffentlichungen wies
ich nach, daß Rushdie die Geschichte des Islam verfälscht habe, um den Propheten
Muhammad ( ), Gott bewahre, als einen Betrüger darzustellen, womit er dem Islam schaden
wollte. Aber ich glaubte, daß man Rushdies Blasphemie mit einer Entgegenschrift
bekämpfen sollte. Seither hatte ich die Gelegenheit, den Wortlaut der Fatwa von Imam
Khomeini zu studieren. Dadurch erkannte ich meinen eigenen Fehler, wofür ich Allah um
Vergebung bitte. Auch Imam Khomeini und die anderen Muslime bitte ich um Verzeihung. Ich
distanziere mich von meinen früheren Äußerungen in der Rushdie-Affaire (u.a.
veröffentlicht in Al-Fadschr Nr.39, Islamisches Zentrum Hamburg). Dr. Ahmad war
sicherlich nicht der einzige, der eine in Übereile und im Strudel der Propaganda
gefällte Entscheidung revidiert hat.
Das Urteil gegen Rushdie fiel nicht vom heiteren Himmel, wie es in den
westlichen Medien vermittelt wurde. Abgesehen von der ausführlichen Untersuchung des
Falles Rushdie, ereignete sich kurz vorher im Iran ein im nachhinein betrachtet
interessanter und aufschlußreicher Vorfall:
Am 28. Januar 1989, also gut zwei Wochen vor dem Urteil gegen Rushdie,
war nach dem islamischen Mondkalender der Geburtstag der Tochter des Propheten und Vorbild
der islamischen Frau, der heiligen Fatima ( ). Imam Khomeini hatte diesen Tag bereits vor
Jahren zum Tag der islamischen Frau ausgerufen. Anläßlich dieses Tages, gab es im
iranischen Rundfunk zahlreiche Sondersendungen. In einer Live-Sendung kam es zu einer
Beleidigung der Tochter des Propheten: Es wurde ein Interview ausgestrahlt, in dem eine
Passantin eine Schauspielerin über die Tochter des Propheten stellte.
Die Beleidigung des Propheten oder eines Mitgliedes seiner ahl-al-bait,
das sind von Gott auserwählte Personen aus seiner Familie bzw. seiner Nachkommenschaft,
stellt nach islamischem Recht einen Straftatbestand dar. Die Stellung dieser Personen ist
so hoch bei den Muslimen, daß jeder Muslim verpflichtet ist, beim täglich fünfmaligen
rituellen Gebet, für den Propheten und seine ausgewählten Nächsten Segnungen Gottes zu
erbitten. Ohne diese Bitte ist sein rituelles Gebet unvollkommen. Die Tochter des
Propheten genießt zudem mehrere weitere Auszeichnungen: Sie ist die Fürstin der jungen
Frauen im Paradies, sie ist die Mutter der Fürsten der jungen Männer im Paradies (Imam
Hassan und Imam Hussain). Sie ist mit Asia (Gläubige Frau des Pharao und Ziehmutter
Mose), Maria (Mutter Jesu) und Khadidja (Erste Frau des Propheten Muhammad und Mutter
Fatimas) größtes Vorbild der islamischen Frau (Gott segne all die Heiligen). Außerdem
ist ihr eine ganze Sure im Heiligen Qur'an gewidmet (Al Kauthar, Die Überfülle), welche
fast jeder Muslim auswendig beherrscht.
Aufgrund der Beleidigung gegen diese heilige Person im iranischen
Rundfunk schrieb Imam Khomeini tags darauf eine Anfrage an den Sender über die
Hintergründe dieser Beleidigung. Die Verantwortlichen wurden als Konsequenz der
fahrlässigen Verunglimpfung der Tochter des Propheten von ihrem Dienst suspendiert und
angeklagt. Alle Beschuldigten bereuten ihre Fahrlässigkeit, distanzierten sich von dem
Vergehen und entschuldigten sich dafür. Der hohe Richter Ayatollah Ardebili bat danach
Imam Khomeini, von seinem Recht Gebrauch zu machen, sie zu begnadigen. Imam Khomeini
begnadigte alle fünf und sie kamen in Ehren wieder auf ihre ehemaligen Positionen. Dieses
in den westlichen Medien nur wenig beachtete und auch nach der Rushdie-Affaire nicht
erwähnte Ereignis zeigte bereits unmißverständlich die Haltung Imam Khomeinis:
Beleidigungen von Heiligkeiten des Islam sind auf alle Fälle zu ahnden. Ein aufrichtiges
Bedauern und vor allem Distanzieren von unbedachten Beleidigungen werden anerkannt.
Rushdie hat weder seine Tat unbedacht begangen, noch hat er sich bis heute von seiner Tat
distanziert.
In der ZDF-Sendung Live, wo zum ersten mal auch ein Sprecher der
Iranischen Nachrichten-Agentur (IRNA) eingeladen war, versuchten die Gesprächsteilnehmer
die Notwendigkeit eines Gerichtsverfahrens vor einem Urteil zu begründen. Außerdem
müßte es sich bei dem Gericht um eine legitimierte Exekutive handeln. Imam
Khomeini folgten als einzigem Staatsoberhaupt Tausende von hochrangigen islamischen
Gelehrten aus aller Welt, die ihn als Imam der islamischen Umma (Weltgemeinschaft)
anerkannten. Damit stellte er die höchste Instanz der Muslime dar und somit gleichzeitig
die oberste islamische Instanz der legitimen Exekutive.
Eine Anhörung des Angeklagten war in diesem Fall aus folgenden
Gründen weder möglich noch nötig: Welche Instanz der Welt hätte Rushdie dazu bewegen
können, vor ein islamisches Gericht in den Iran zu fahren. Welcher westliche Staat wäre
einem Auslieferungsantrag für Rushdie nachgekommen? Könnten islamische Gelehrte in
derartigen Fällen nicht urteilen, würde das bedeuten, daß jeder daherkommen und den
Islam beleidigen und beschimpfen kann, wie es ihm gefällt, und sich nur in die Obhut der
Nicht-Muslime zu begeben braucht. Die Muslime wären dann machtlos gegen ihn.
Ohnehin ist islamisch betrachtet ein Gerichtsverfahren lediglich ein
Werkzeug zur Wahrheitsfindung in einem unklaren Fall. Gibt es Unklarheiten bzw. beruhen
die Anschuldigungen auf Vermutungen oder ist die Argumentation des Beschuldigten
unbekannt, bedarf es eines Verfahrens, um die Unklarheiten zu beseitigen. In diesem Fall
aber gibt es keine Unklarheiten. Der Inhalt des Buches ist bekannt und öffentlich
zugänglich. Die immer noch anhaltende Verbreitung des Buches sowie die öffentlichen
Aussagen des Autors hinterlassen keine Unklarheiten.
Bei Betrachtung der Thematik sollte dennoch auch berücksichtigt
werden, daß die Muslime sehr wohl in der Lage sind zu differenzieren zwischen dem Gebiet,
in dem die islamischen Gesetze herrschen, und Gebieten, in denen nicht-islamische Gesetze
herrschen.
Wenn die Nicht-Muslime in ihrer Gesetzgebung und Lebensweise total den
islamischen Erfordernissen widersprechen, tun sie das innerhalb ihrer Gesellschaftsordnung
und schaden somit sich selbst. Zuhälter, Prostituierte, Ehebrecher oder
Spirituosenverkäufer in Deutschland schaden der deutschen Gesellschaft. Ihre islamisch
betrachtet schwere Straftat ist nicht grenzüberschreitend, also werden sie auch nicht
explizit grenzüberschreitend geahndet. Ein Autor aber, der ein Buch schreibt, und die
darin befindlichen wüsten Beleidigungen unter Zuhilfenahme der modernen
Kommunikationstechniken grenzüberschreitend verbreitet, muß damit rechnen, auch
grenzüberschreitend zur Rechenschaft gezogen zu werden. Schließlich setzt sich Rushdie
persönlich für die Verbreitung seines Buches auch in islamischen Gesellschaften ein
(siehe den auf Seite 20 erwähnten Brief Rushdies an den indischen Ministerpräsidenten).
Die Muslime in Europa oder in den islamischen Ländern haben nicht vor,
ihre Wertvorstellungen anderen Menschen aufzuzwingen. Aber die Muslime aller Welt werden
es sich nicht gefallen lassen, wenn die westliche Welt ihre im Fall Rushdie dargelegten
Vorstellungen von freier Beleidigung den Muslimen aufzwingen will. Das Urteil gegen
Rushdie ist auch ein Ausdruck dieses Widerstandes.
Imam Khomeini selbst bekräftigte später noch einmal das Todesurteil
gegen Rushdie mit den Worten: "Die USA, Britannien und andere arrogante
Regierungen und Verschwörer sollen wissen, daß die Tage vorüber sind, in denen Muslime
schmerzerfüllt und schweigsam solche Beleidigungen hinnehmen werden".
Wahrlich, sie hegen größere Furcht vor euch in ihren Herzen als vor
Allah. Dies weil sie ein Volk sind, das nicht begreift.
(Heiliger Qur'an 59/13)
Ende April wurden in Brüssel der saudische Leiter einer Moschee sowie
sein Bibliothekar tot aufgefunden. Ohne die Spur eines Beweises wurde sofort ein
Zusammenhang mit der Rushdie-Affaire hergestellt und von einem ersten Mord in der
Rushdie-Affaire gesprochen. Eine bis dahin völlig unbekannte Gruppe im Libanon übernahm
angeblich die Verantwortung für diesen Mord. Es wurden keine Täter gefunden. Deswegen
wurde der Fall nach seiner für die Muslime hetzerisch wirkenden Ausschlachtung von Seiten
der Medien sehr schnell zu den Akten gelegt. Zielscheibe der Medienattacken waren einmal
mehr die Muslime. Da keine Beweise vorlagen, hätte man entweder jeden Verdächtigen
nennen müssen oder noch besser das Spekulieren der zuständigen Kriminalbehörde
überlassen. Genauso wie die Medien die Muslime verdächtigten, hätten sie auch den CIA
verdächtigen können, denn dieser hätte, würde man Spekulationen zulassen, mit einer
derartigen Aktion die Grundlage für ein zukünftiges militärisches Eingreifen gegen die
Muslime im Iran oder im Libanon schaffen können. War die Bombardierung Libyens durch die
USA nicht ähnlich vorbereitet worden? Von einem ersten Mord kann aber auf keinen
Fall die Rede sein, da bereits zahlreiche Muslime wegen ihrer Proteste gegen Rushdie bei
Demonstrationen ermordet wurden!
Die Morde in Brüssel paßten gut in das über die Muslime gezüchtete
Bild. Bezeichnend für die Methoden der sogenannten freien Presse ist ein Artikel in der
Boulevard-Zeitschrift Wiener: Die Zeitschriften-Macher hatten einige mit westlichen
Medienpraktiken wenig vertraute Muslime zu Interviews eingeladen, um sie später auf
verleumderische Art und Weise durch Fotomontagen als blutrünstige Kopfgeldjäger
darzustellen (Wiener 4/89). Die betroffenen Muslime waren ohnehin nicht in der Lage, gegen
derartige Praktiken vorzugehen. Derartige Berichte dokumentieren für die Muslime, welche
Form der sogenannten freien Meinungsäußerung der Westen zur Verteidigung angetreten ist:
Eine Freiheit, die die schamlose Beleidigung Wehrloser zuläßt.
Was aber passiert wenn Rushdie stirbt? Eine Antwort auf diese Frage
liegt im Bereich der Spekulationen. Faktisch gesehen ist Salman Rushdie allerdings schon
tot. Und es war kein Muslim sondern der britische Geheimdienst, der ihn tötete. Denn es
ist nicht anzunehmen, daß jemals wieder der Autor Salman Rushdie aus der Versenkung
auftauchen wird. Es ist damit zu rechnen, daß Rushdie eine völlig neue Identität
verschafft wird oder bereits wurde. Damit ist die Person Salman Rushdie aus der Welt
geschafft. Die neue Person wird kaum jemals wieder als Autor auftreten können.
Wenn die Menschheit vorher unbekannte neue Sünden erfindet, schickt
Allah auch vorher unbekannte Drangsal (Imam Musa al-Kazim ( ))
Die Rechte für die deutsche Ausgabe der "Satanischen
Verse" hatte der Verlag Kiepenheuer & Witsch gekauft. Reinhold Neven Du Mont,
Entscheidungsträger beim Verlag, stornierte die deutsche Ausgabe nach dem Urteil gegen
Rushdie und begründete dies mit der Angst um die Gesundheit der Verlagsmitarbeiter.
Dafür mußte er sich herbe Kritik von Autoren wie Enzensberger anhören. Doch wurde seine
Entscheidung eine Art Befreiungsschlag für die deutsche Politik. Es wurde Zeit gewonnen -
Zeit, um möglicherweise zu einer gegenüber den Muslimen würdigen Haltung zu gelangen.
Allerdings wurde diese Zeit nicht sinnvoll genutzt. Nach erster
Verwirrung und einigem hin und her hatten sich über 90 deutsche Verlage gefunden, die
ursprünglich nach eigenen Angaben im Herbst 1989 die deutsche Übersetzung herausbringen
wollten; und zwar rechtzeitig zur Frankfurter Buchmesse. Die Gemeinschaft der Verlage
gründete einen neuen Verlag mit dem Namen Verlag Artikel 19. Der Name bezieht sich
auf den Meinungsfreiheitsartikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Zeitgleich
bringt Bertelsmann den Rushdie-Roman als Buchclub-Ausgabe heraus (Stern 29.6.89). Das
Buch befand sich im September 1989 bereits außerhalb Deutschlands im südlichen Europa im
Druck. Nach dem Druck wurde die Auflage vorerst in ein Nachbarland Deutschlands
transportiert und dort deponiert. Die Veröffentlichung der deutschen Ausgabe auf der
Frankfurter Buchmesse wurde Wochen vor der Messe storniert. Die Veranstalter sowie die
Verantwortlichen der Stadt befürchteten einen Anschlag. Um hinreichende Schutzmaßnahmen
treffen zu können, hätte das Gelände noch viel aufwendiger abgeriegelt und bewacht
werden müssen, als es ohnehin der Fall war. So viel war den Verantwortlichen das Buch
Rushdies wiederum auch nicht wert. So wurde die Veröffentlichung noch einmal verschoben.
Die Auslieferung begann kurz nach der Buchmesse. Der Verlag agierte dabei wie eine
kriminelle Organisation, die etwas zu verbergen hat. So gibt es lediglich ein Postfach in
Verl (Westfalen), über welches Kontakt mit dem Verlag aufgenommen werden kann.
Auf der Frankfurter Buchmesse mußten dennoch gravierende
Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, da sich nicht alle Verlage an die Zurückhaltung
der Deutschen hielten. Zwar gab es das Buch auch nicht auf dem Stand des Herausgebers
Penguin, doch ein norwegischer Verlag tanzte aus der Reihe und wollte auch öffentlich die
Muslime brüskieren. Es ist schon grotesk, daß für die fanatische Aufrechterhaltung der
"Freiheit zur Beschimpfung" der freiheitliche Besuch einer Buchmesse maßgeblich
durch Sicherheitsvorkehrungen eingeschränkt wird - etwas Einmaliges bei der Buchmesse.
Ebenfalls einmalig war der Ausschluß eines Landes von der Buchmesse. Iranischen Verlagen
wurde die freie Meinungsäußerung verweigert. Nach Aussagen der Messedirektion wurde bei
keinem anderen Land so etwas erwogen! Das heißt: Verlage aus dem Staat Israel, welcher
unaufhörlich Kinder ermordet, Menschen entführt und Unschuldige, darunter auch Autoren
und Dichter, in fremden Ländern bombardiert, durften die Buchmesse zur Selbstdarstellung
nutzen. Auch alle Verlage, welche sich für die Freiheit der Beleidigung einsetzen,
konnten ausstellen. Und nicht zuletzt dürfen auch die Verlage aus dem Apartheidsstaat in
Südafrika, der in aller Weltöffentlichkeit einen menschenverachtenden Rassismus
betreibt, die Frankfurter Buchmesse als Plattform zur freien Verachtung der hohen Werte
der Menschlichkeit nutzen, um weiterhin für die Klassifizierung der Menschen nach ihren
Hautfarben zu werben. Nur denjenigen ist die Buchmesse verwehrt, welche sich für die
Verteidigung der Menschenwürde vor Angriffen des sogenannten freien Wortes einsetzen. Die
Veranstalter der Buchmesse appellierten an den Iran, das Todesurteil gegen Rushdie
aufzuheben, ohne die fortwährende Entwürdigung der Muslime zu verbieten.
Auch die Medien wollten nicht ablassen, den Feldzug gegen die Muslime
im Rahmen der Buchmesse fortzuführen. Sie bemerkten dabei nicht einmal, wie sehr sie auch
die von ihnen verehrten Autoren entwürdigten. So wurde in zahlreichen Medien Vaclav
Havel, einer der Autoren der tschechischen Befreiungsbewegung mit Rushdie verglichen.
Während der eine in seinem eigenen Land für die Verwirklichung der Menschenrechte
eintrat und sich mit dem Volk verbündete, wofür er Repressalien hinnehmen mußte und oft
im Gefängnis schrieb, suhlte sich der andere in seinem Reichtum und nutzte den Schutz von
Regierungen, um die Dichtung gegen große Volksmassen zu mißbrauchen. Aber Havel hat es
wohl nicht besser verdient, zumal auch er sich selbst in seiner auf der Frankfurter
Buchmesse verlesenen Rede mit Rushdie auf eine Stufe setzt. Gleichzeitig bezichtigt er den
großen Propheten Jesus ( ) als geistigen Urheber der Kreuzzüge. Es scheint, als
wenn sich die Feinde der Propheten Gottes aus allen Ecken der Welt zusammenfinden, um zu
versuchen, Gottes Worte zu bekämpfen.
Der Zusammenschluß der über 90 deutschsprachigen Verlage, um
gemeinsam einen Anschlag gegen den Islam verüben zu können, erinnert an die Ereignisse
kurz vor der Auswanderung des Propheten des Islam von Mekka nach Medina. Die Feinde des
Islam hatten beschlossen, den Propheten umzubringen. Damit keine Sippe die Last der zu
erwartenden Vergeltung alleine zu tragen hatte, entschieden sie, daß gleichzeitig ein
Vertreter jeder Sippe mit einem Speer auf den schlafenden Propheten hinterrücks zustoßen
sollte. Damals hatten es die Feinde auf den Körper des Propheten abgesehen, um seine
Lehre im Keim zu ersticken. Heute haben es die Feinde auf die Ehre und Würde des
Propheten abgesehen. Auf Gottes Geheiß bat der Prophet seinen treuesten Anhänger, den
Fürst der Gläubigen Ali Ibn Abi Talib sich an seiner Stelle in das Bett zu legen. Doch
fiel es dem Propheten sehr schwer, seinen liebsten Gefährten opfern zu müssen, da Gott,
um den Propheten zu prüfen, ihm den Ausgang des Geschehnisses nicht mitgeteilt hatte. Es
war für den Gesandten Gottes Muhammad ( ) auch eine Prüfung, vergleichbar der von Gott
verlangten Opferung Ismaels als Prüfung für Abraham ( ). Imam Ali ( ) legte sich an des
Propheten Stelle ins Bett, während der Prophet unbehelligt die Stadt verlassen konnte.
Als die Feinde des Islam in das Zimmer des Propheten eintraten und die im Bett liegende
Person gemeinsam erstechen wollten, wehrte Imam Ali ( ) mit seinem berühmten Schwert den
Angriff ab und verletzte einige der Angreifer. Diese erkannten darauf, daß ihr Plan
gescheitert war und flüchteten. Nun war es Imam Khomeini, ein Nachkomme des Propheten
Muhammad ( ) und seiner Tochter Fatima ( ), ein direkter Nachkomme Imam Alis (.), der,
solange er auf der Erde lebte, den Islam und den Propheten verteidigt hat. Und auch die
neue Führung der islamischen Revolution, Imam Chamene'i, das sei nebenbei erwähnt, ist
ein Nachkomme des Propheten Muhammad ( ) und seiner Tochter Fatima ( ), ein Nachkomme Imam
Alis ( ).
Von Anfang an gab es kaum einen Zweifel, daß die Androhung der
deutschen Veröffentlichung verwirklicht werden würde, auch wenn viele Muslime auf die
Einsicht der deutschen Verlage gehofft hatten. So müssen die deutschsprachigen Länder,
insbesondere die Bundesrepublik wegen ihrer Vorreiterrolle möglicherweise mit ernsthaften
wirtschaftlichen Konsequenzen von Seiten der Islamischen Republik Iran rechnen, auch wenn
das erst langfristig deutlich werden dürfte. Sollte sich nämlich der Konflikt mit
Teheran weiter zuspitzen, drohen vor allem der deutschen Wirtschaft jene fetten Aufträge
beim Wiederaufbau zu entgehen, mit denen sie bislang gerechnet hatte (Spiegel 9/89,
27.2.89).
Die deutsche Ausgabe ist zu einem Schandfleck auf dem in der
islamischen Welt von einem West-östlichen Divan eines Goethe geprägten Ansehen der
deutschen Literatur geworden. Durch die Heroisierung eines literarisch betrachtet
niveaulosen Buches schnitten sich die deutschen Literaten ins eigene Fleisch. Die
zahllosen Autoren, die sich mit dem Beleidiger Rushdie solidarisiert haben, haben es bis
auf wenige Ausnahmen bis heute versäumt, sich zumindest auch mit den Opfern Rushdies, den
zig-Millionen Opfern der Beschimpfung, solidarisch zu zeigen. Besonnener klang da der
Hinweis von Peter Scholl-Latour: "Man soll Salman Rushdie nicht
verherrlichen", und zu den Beleidigungen in Rushdies Buch bemerkte Scholl-Latour:
"das kann ich nicht als Heldentat empfinden" (ZDF Spezial 23.2.89).
Offen bleibt die Frage, warum überhaupt der für seine sonst
Minderheiten schützende und ausländerfreundliche Haltung bekannte Verlag Kiepenheuer
& Witsch das Buch herausbringen sollte. Denn bisher glänzte der Verlag eher durch
Bücher wie z.B. Wallraffs Darstellung Ganz unten. Eine Anfrage beim früheren
Verlag Rushdies in Deutschland "Piper", welcher Die Mitternachtskinder
herausbrachte, ergab, daß "Die Satanischen Verse" dem früheren Verlag
gar nicht angeboten wurde. Kiepenheuer & Witsch gab vor, die Rechte an den Agenten
zurückgegeben zu haben und damit nichts mit dem Fall zu tun zu haben. Doch gehört der
Verlag auch heute noch zu der Gemeinschaft der Verlage, die das Buch herausbringt.
Auf alle Fälle gibt es Probleme bei der Werbung für Rushdies Buch.
Aus Angst vor möglichen Folgen weigerten sich fast alle Zeitungen in Deutschland,
Anzeigen für die englische Ausgabe der "Satanischen Verse" abzudrucken. Erstes
Opfer dieses Boykotts ist der Hohnstorfer Antiquar Hans Heinrich Grewe, der beim Londoner
Verlag Viking-Penguin 500 Exemplare des englischen Originals geordert hatte. Als der
Buchhändler mit einem Inserat für den Rushdie-Titel werben wollte, hagelte es Absagen
von 'FAZ' und 'Welt', von 'Süddeutsche Zeitung' und 'Frankfurter Rundschau'. "Es
heißt, man wolle sich keinen Ärger einhandeln und habe Angst vor Übergriffen",
sagt Grewe (Stern 29.6.89). Wie ein Diebesgut muß das Buch unter vorgehaltener Hand
gehandelt werden.
Den Muslimen in den nicht englischsprachigen Ländern wie im Iran aber
auch in Deutschland wurde vorgeworfen, sich zu empören, ohne das Buch gelesen zu haben.
Das Durchlesen des Buches aber war gar nicht nötig, denn schließlich ging es den
Muslimen nicht darum, eine Literaturkritik zu verfassen, sondern einen Anschlag gegen den
Islam und die Muslime abzuwehren. Die Frage nach der Kenntnis des Inhalts des Buches ist
nicht an die Muslime zu richten, da diese meist sehr umfassend über die infamen
Beschimpfungen und schamlosen Beleidigungen im Buch informiert sind. Vielmehr war und ist
die Frage an die deutschen und überhaupt an die westlichen Verleger, Autoren,
Medienmacher und Politiker zu richten: Wie viele von ihnen kannten das Ausmaß von
Rushdies Beschimpfungen, bevor sie sich selbst zum Hüter seines Buches erklärten?
Allah hat Vergeltung befohlen, um das Blut zu schützen
(Fatima-tu-Zahra ( ))
Im Zusammenhang mit der Rushdie-Affaire wurde immer wieder die Frage
nach den westlichen Geiseln im Libanon gestellt: Freilassung britischer Geiseln an
Rushdie-Affaire gescheitert? (Schlagzeile in "Die Welt" 7.3.89). Immer wenn
es darum ging, die Muslime zu verunglimpfen, tauchten potentielle Geiseln im Libanon in
den Medien auf. Dabei haben sich führende muslimische Gelehrte im Iran, Libanon und
anderenorts bereits mehrfach und ganz eindeutig gegen Geiselnahme ausgesprochen. Das
Festhalten unschuldiger Menschen widerspricht eindeutig dem Islam! Andererseits kann die
Festnahme von Spionen nicht als Geiselnahme bezeichnet werden. Zwischen gleichberechtigten
Staaten laufen derartige Angelegenheiten ohne Einschaltung der Medien ab: Entlarvte Spione
werden festgenommen und später gegen eigene festgenommene Agenten ausgetauscht. Zu einer
ernsthaften Bestrafung kommt es dabei in den seltensten Fällen. Das sind die Spielregeln
der sogenannten zivilisierten Staaten.
Kommt ein Staat allerdings auf die Idee, ausländische Spione mit der
Todesstrafe zu belegen, und handelt es sich dabei auch noch um einen Staat, der nicht als
gleichberechtigt eingestuft wird, führt der weltweite Medien-Apparat seine ganze Macht
vor.
Den Libanon betrachtet der Westen schon seit langem als seine
(maronitische) Vertretung im Staatengebiet der Muslime. Entsprechend ist auch das
Verhalten anzusiedeln, wenn dieser bisher westliche Stützpunkt unwiderruflich "in
die Hände der Muslime zu fallen" droht. Werden dort einmal von Seiten der Muslime
Spione und Agenten des Westens festgenommen, wie vermutlich jüngst bei einem sogenannten
Manager der deutschen Wirtschaft geschehen, gibt es einen enormen Medienrummel. Wird die
Person dann freigelassen, verschwindet sie in der Versenkung. Wie einseitig die westlichen
Medien dabei verfahren, kann aus dem Inhalt eines Briefwechsels zwischen Ex-US-Präsident
Jimmy Carter und dem damaligen Präsidenten des islamischen Parlaments im Iran und
heutigem Staatspräsidenten Rafsandjani ersehen werden; ein Briefwechsel, der von den
deutschen Medien wohlweislich ignoriert wurde. Zwar erfolgte der Briefwechsel bereits
einige Zeit vor der Rushdie-Affaire, aber sein Inhalt ist auch danach noch aktuell:
Brief von Jimmy Carter an Herrn Rafsandjani vom 14.10.1988
An den Parlamentssprecher Rafsandjani
Es ist meine Hoffnung, daß die amerikanischen Geiseln im Libanon so bald wie möglich
befreit werden können. Es ist sehr wichtig, daß freundschaftliche Beziehungen zwischen
Iran und den Vereinigten Staaten hergestellt werden.
In der Absicht diesen humanitären Akt in unserem Land nicht zu
politisieren, und nicht die Befreiung der Geiseln zu behindern, muß ein möglichst
neutraler Weg eingeschlagen werden.
Wir im Carter-Center sind bereit, auf jede richtige Weise zu helfen.
Die Aktivitäten unseres Zentrums sind ausschließlich überparteilich.
In Ergebenheit
Jimmy Carter
urz darauf folgte die Antwort Rafsandjanis, in dem auf den
heuchlerischen Charakter des Carter-Briefes hingewiesen wird. Rafsandjanis Brief enthält
zahlreiche Informationen, die von den westlichen Medien bisher verschwiegen wurden. Somit
konnte das künstlich erzeugte verfälschte Bild der revolutionären Muslime verzerrt
bleiben. Die für die Geiselnahme relevanten Passagen des langen Briefes Rafsandjanis an
Carter werden im folgenden wiedergegeben:
Sehr geehrter Herr Jimmy Carter
Ich habe ihren Brief zur Kenntnis genommen. Ich hoffe, daß jeder
ernsthafte Versuch unternommen wird, die Geiseln zu befreien und das Leid der Menschen zu
lindern. Doch muß ich leider feststellen, daß die Handlungsweise und Politik der
US-Verantwortlichen ein Haupthindernis (für die Befreiung der Geiseln Anm. d. Übers.)
darstellt, so daß die Amerikaner in Wirklichkeit Geiseln der falschen US-Politik sind.
Selbst Ihr Brief kann den Geiseln eher schaden als helfen. .....
Warum erwähnen Sie in Ihrem Brief nicht die iranischen Geiseln, welche
sich in den Händen der von Ihnen kontrollierten Falangisten befinden? Wenn Sie
geschrieben hätten, daß die USA als Gegenleistung für die Hilfe Irans ihren Einfluß
zur Befreiung der iranischen Geiseln oder zur Befreiung der libanesischen Geiseln in
Israel geltend macht, hätte sich ein Lichtblick für die amerikanischen Geiseln ergeben
können. Daß Sie und Ihre Mitarbeiter derartiges nicht in Betracht gezogen haben, ist
bezeichnend. Vielleicht befürchten Sie auch, daß die Bekanntgabe der Tatsache, daß
iranische Geiseln von Gruppen festgehalten werden, welche mit den USA verbündet sind, von
Menschenrechtsorganisationen verurteilt werden könnten, und durch Verbreitung der
Nachricht durch die weltweiten Massenmedien die Unterdrückung Irans (durch die USA)
aufgedeckt werden könnte. Deswegen ist eine derartige Bestätigung nicht im Interesse der
USA. Es ist zur Regel geworden, daß das Schicksal anderer Völker, insbesondere der
Völker der dritten Welt, für die USA bedeutungslos geworden ist.
Oder wissen Sie etwa nicht davon, daß eine Gruppe Iraner, unter ihnen
zwei Diplomaten, von libanesischen Maroniten als Geiseln genommen wurden, und ihre
Familien seit Jahren keine Nachricht von ihnen erhalten haben, oder (wissen Sie nicht),
daß Teile des libanesischen Volkes von den Israelis entführt und in israelische
Gefängnisse gepfercht wurden? Wissen Sie wirklich nicht, daß der Einfluß der USA auf
die Christen im Libanon nicht geringer ist als der Einfluß des Iran auf die Muslime im
Libanon?
Wenn Sie das alles wissen, (stellt sich die Frage) warum wurde das in
Ihrem Brief nicht in Betracht gezogen, und wenn Sie behaupten nichts davon zu wissen,
denke ich nicht, daß jemand ihnen glauben wird ...
Der Brief endet mit einer Aufzählung der Greueltaten der USA gegen die
Islamische Republik Iran und der damit verbundenen Unverschämtheit, von dem Land, das bis
heute so viel unter dem US-Imperialismus gelitten hat, Hilfe zu beanspruchen.
Es ist schon bezeichnend, daß dieser Briefwechsel in den westlichen
und besonders in den deutschen Massenmedien im Zusammenhang mit der häufigen
Geisel-Berichterstattung keinerlei Beachtung fand; schließlich richtet er sich doch auch
gegen Israel und deren Massen-Geiselnahme. Völkerrechtlich gesehen ist die Verschleppung
von Tausenden von Libanesen in israelische Gefangenenlager ein Verbrechen. Faktisch
handelt es sich dabei um staatliche Geiselnahme von spektakulärem Ausmaß. Ziel der
Geiselnahme ist es, die Angehörigen der Geiseln davon abzubringen, ihren islamischen
Befreiungskampf im Libanon weiter fortzusetzen. Wohlgemerkt, Israel betrachtet den Libanon
als Teil seiner groß-israelischen Illusionen, und jeder islamische Aufstand würde diese
Illusion zunichte machen. Sowohl was die Zahl der Geiseln angeht, als auch was die Dauer
der Geiselnahme betrifft, übertrifft der von den USA gestützte Zionisten-Staat bei
weitem alle bisher auf der ganzen Welt stattgefundenen Geiselnahmen. Dennoch schweigen die
Medien im Westen zu Israels Massen-Geiselnahme. Wird dagegen eventuell auch nur ein
unschuldiger Europäer oder Amerikaner entführt, was natürlich auch abzulehnen ist,
machen die Medien daraus ein Spektakel.
Die Frage, ob die Rushdie-Affaire die Befreiung der Geiseln im Libanon
gefährdet, ist somit nichts anderes als ein zusätzlicher Beitrag zur Ablenkung von der
eigentlichen Geiselnahme, welche in der Region tagtäglich geschieht. Zwar ist es
möglich, daß die Massenmedien mit ihrer Berichterstattung viele Menschen im Westen
manipulieren, doch verschärfen sie damit nur den Konflikt zwischen westlicher Welt und
den Muslimen, die sich nicht manipulieren lassen, da sie auch über andere
Nachrichtenquellen verfügen.
Während der Bearbeitung dieses Buches wurde am 28. Juli 1989 der
islamische Geistliche Scheich Abdulkarim Obeid in einer brutalen Form des Staatsterrors
aus dem Libanon heraus nach Israel verschleppt. Obwohl Scheich Obeid u.a. auch ein
Schriftsteller war, gab es keinerlei ernstzunehmende Reaktionen von den selbsternannten
Verteidigern Rushdies. Die Welt der Autoren schwieg genauso, wie die meisten westlichen
Politiker. Selbst der UN-Sicherheitsrat, der gerade über das Thema Terrorismus
debattierte, schwieg. Erst als kurze Zeit darauf der im Libanon gefangen gehaltene
US-Oberstleutnant Higgins getötet wurde, brach der Sturm der Entrüstung los, allerdings
gegen die Muslime. Nun entschloß sich auch der UN-Sicherheitsrat, eine pauschale
Verurteilung von Geiselnahmen auszusprechen.
Aber handelte es sich bei Oberstleutnant Higgins wirklich um eine
Geisel? Die USA sind in der jüngeren Geschichte im Libanon hauptsächlich dadurch
aufgefallen, daß sie aus den Kanonenrohren ihrer vor der Küste liegenden Schiffe
unschuldige Menschen bombardiert haben. Auch setzte die USA vor nicht allzu langer Zeit
massiv Soldaten im Libanon ein. Was die islamische Bevölkerung im Libanon als
Besatzungsarmee empfand, wurde im Westen als sogenannte Ordnungsmacht dargestellt.
Durch den opferbereiten und mutigen Einsatz der Muslime gelang es, die US-Soldaten mit
hohen Verlusten aus dem Libanon zu vertreiben. Kurz darauf schickte die UNO ihre
sogenannten Friedenstruppen, darunter den amerikanischen Oberstleutnant Higgins, dessen
Frau ebenfalls im Verteidigungsministerium in den USA arbeitet. Für die Muslime ist eine
derartige Heuchelei nicht tragbar. Denn es ist nicht akzeptabel, daß Soldaten einer
Armee, die gestern noch als Besatzer operierten, heute als Friedensbringer auftreten
sollen. Daraufhin wurde der US-Soldat von libanesischen Freiheitskämpfern gefangen
genommen. Seine Hinrichtung rief zwar große Proteste bei den USA hervor, aber die UNO
verhielt sich, wohlbewußt der Tatsache, daß die Entsendung des US-Soldaten problematisch
war, zurück. So ist zu vermuten, daß diese Entsendung ohnehin nur auf Druck der USA
geschah, damit Higgins andere Aktivitäten seiner Regierung einleitete, wobei er dann
ertappt wurde.
Auch bei den anderen Gefangenen im Libanon handelt es sich für die
Muslime meist entweder um Kriegsgefangene, oder um Spione, die in den Libanon geschickt
worden waren. Die aufrichtigen Menschen sollten sich einmal fragen, aus welchen anderen
Gründen ein Westeuropäer oder ein US-Amerikaner, getarnt als Konzern-Manager oder
ähnliches, in dieses vom Krieg geschüttelte Gebiet reist. Man darf dabei nicht
vergessen, daß der Libanon seit mehr als zehn Jahren kein Urlaubsort ist. Es ist auch
kein Wallfahrtsort für Europäer oder Amerikaner, die seit Jahren von dort nur von
Bombenanschlägen, Waffengewalt und Blutvergießen gehört haben. Es gibt auch keine
lukrativen Handelsmöglichkeiten, die die Vertreter von großen Wirtschaftskonzernen des
Westens ins Land ziehen könnten. Was also suchen sie dort? Sind sie nicht dort auf der
Suche nach neuen Möglichkeiten und Methoden, um das Land und das muslimische Volk wieder
unter das Joch ihrer politisch-wirtschaftlichen Herrschaft zu bringen?
Israels unaufhörlicher Staatsterror wurde immer wieder von den Medien
gedeckt. Im Zusammenhang mit der Entführung von Scheich Obeid kam die Tatsache zu Tage,
daß in Israel mehrere hundert libanesische Muslime als Geiseln festgehalten werden. Wo
waren die westlichen Berichterstatter als diese Geiseln genommen wurden? Gleichzeitig
wurden die Massendeportationen von Palästinensern aus der sogenannten West-Bank in den
Libanon erwähnt. Wo waren und sind die westlichen Reporter, wenn diese Deportationen
geschehen?
Nach der nächtlichen Entführung Scheich Obeids aus seinem Haus, wobei
sein zu Hilfe eilender Nachbar kaltblütig ermordet wurde, verlangten die Israelis einen
Austausch gegen drei israelische Soldaten, die im Krieg gegen die Muslime im Libanon
gefangen genommen wurden. Die westlichen angeblich freien Journalisten waren sich nicht zu
schade, diese Gefangenen in ihren unverschämten Manipulationen als israelische Geiseln zu
bezeichnen. Denn schließlich handelt es sich bei den israelischen Soldaten im Libanon
auch völkerrechtlich betrachtet nicht um Geiseln, sondern um Kriegsgefangene. Als die
israelische Armee ihren aggressiven Feldzug 1982 in den Libanon startete, und das Land so
lange besetzte, bis sie von den opferbereiten Muslimen vertrieben wurde, konnten die
Muslime israelische Soldaten gefangen nehmen. Kein Libanese ist in Israel eingedrungen und
hat dabei irgendwelche Israelis entführt! Während es sich bei Scheich Obeid um eine
Geisel des zionistischen Staatsterrors handelt, sind die festgehaltenen israelischen
Soldaten nichts anderes als Kriegsgefangene. Faktisch führt Israel auch heute noch Krieg
gegen den Libanon, zumal israelische Soldaten noch heute Gebiete des Libanon besetzt
halten.
All die Reporter, Journalisten, Auslandskorrespondenten und
Verantwortlichen in den Medien, die bereits bei Rushdie jede Aktion gegen die Muslime
gedeckt haben, taten dieses bei der jüngsten Aggression gegen die Muslime erneut, und
anscheinend wollen sie nicht von ihrer Mitschuld ablassen. Sie werden eines Tages ihre
Mitschuld verantworten müssen!
Während die Medien sich um die sogenannten westlichen Geiseln im
Libanon sorgten, ermordeten israelische Soldaten völlig unbedrängt von den Medien
täglich mehrere palästinensische Kinder in Gebieten, die selbst nach UN-Recht als von
Israel besetzt gelten. Aber diesen Massenmord veranstalten die Zionisten nun schon fast
zwei Jahre unaufhörlich, ohne daß die Medien ernsthaft protestieren. Dabei könnte durch
die Verbreitung dieser erschütternden Wahrheit Druck auf Israel ausgeübt werden, den
Völkermord und die Besetzung zu beenden.
So kann auch festgestellt werden, daß das Medienspektakel zur
Verteidigung Rushdies bei weitem alles übertraf, was bisher insgesamt über den
täglichen Mord an palästinensischen Kindern berichtet worden ist.
Allah der Erhabene gibt die Welt denen, die er liebt wie auch denen,
die er nicht liebt, aber die Religion nur denen, die er liebt.
(Imam Muhammad Baqer ( ))
Die Anrufung westlich gesonnener Orientalen ist eine von vielen
Methoden, um den islamischen Befreiungsbewegungen entgegenzutreten. Es ist schon
erstaunlich, daß die westlichen Medien immer wieder nach dem gleichen durchsichtigen
Schema vorgehen. Als angeblich berühmte Persönlichkeit der islamischen Welt durfte in
diesem Fall der ägyptische Literatur-Nobelpreisträger Nagib Mahfus auftreten und sich
gegen das Todesurteil stellen. Dazu muß man wissen, daß Mahfus weder ein islamischer
Richter ist noch irgendeine andere Ausbildung im Islam abgeschlossen hat. Die Aussagen von
ihm zu islamischen Themen entbehren jeder Sachlichkeit. Seine Berühmtheit verdankt er
ausschließlich der westlichen Welt und nicht den Muslimen. Mahfus' eigenes Buch ist seit
30 Jahren in Ägypten verboten. Wie Mahfus selber zugibt, mußten die sonst so westlich
orientierten Al-Azhar-Scheichs sein Buch auf öffentliche Empörung hin verbieten
(Kulturweltspiegel ARD 5.3.89). Mahfus, der durch den Westen berühmt gemacht worden ist,
darf dann auch in Interviews die westliche Vorstellung vom Islam, welchen die Muslime als amerikanischen
Islam bezeichnen, wiedergeben.
Mahfus sagte: "Der Islam berechtigt niemanden, schon gar nicht
Geistliche, die in der Politik mitmischen, über andere Menschen Todesurteile zu
fällen" (Mahfus in einem Spiegel-Interview 9/89 27.2.89). Was Mahfus mit dieser
Aussage faktisch behauptet ist: Es gibt keine Todesstrafe im Islam, und Politik und Islam
sind zu trennen. Die Lächerlichkeit einer solchen Aussage ist nicht nur allen mit dem
Islam beschäftigten Journalisten, sondern auch vielen einfachen Bürgern klar. Sprecher
einer westlich orientierten Gesinnung dokumentieren mit solchen Aussagen nur ihre absolute
Unkenntnis vom Islam, denn die Todesstrafe ist eine klare Verordnung Gottes im Heiligen
Qur'an gegen bestimmte Vergehen, und selbst Nicht-Muslime zweifeln nicht am politischen
Charakter der Gebote und Verbote im Heiligen Qur'an. Beide Behauptungen von Mahfus
entsprechen lediglich den Wunschvorstellungen derjenigen, die despotische Macht auf die
Muslime ausüben würden, falls sie die Muslime von Gottes Gesetzen abbringen könnten.
Denn nur der nicht ausschließlich Gott und Seinen Gesetzen ergebene Mensch kann von
Menschen beherrscht werden. Das politisch-gesellschaftliche Leben eines gottgläubigen
Muslim ist dagegen allein von den göttlichen Gesetzen geprägt. Sehr zweifelhaft wirken
Medien, die solche Meinungen, wie die von Mahfus, unkommentiert weitergeben. Doch
derartige Methoden gehören in Deutschland zum journalistischen Alltag.
Es ist immer das gleiche: Erst wird eine Person durch westliche Medien
und westliche Auszeichnungen berühmt gemacht bzw. gekauft, und dann darf diese Person im
Namen des Islam die westliche Meinung vertreten. Dabei ist den Medien nicht einmal
bewußt, daß sie mit solchen Methoden immer mehr unaufgeklärte Muslime wecken. Andere
Beispiele verdeutlichen die Vorgehensweise der westlichen Medien: So stellte das heute
journal vom 21. Februar 1989 eine Person namens Ruhani aus Frankreich als Ayatollah
und Oberhaupt der Schiiten in Europa vor, um diesen dann das Todesurteil gegen Rushdie
ablehnen zu lassen. Unter den Schiiten in Europa ist diese Person jedoch völlig unbekannt
und bedeutungslos. Doch ist diese Person allem Anschein nach auch deutschen Politikern
völlig unbekannt. Denn schließlich forderte der Bundestagsabgeordnete Freimut Duve (SPD)
zwei Tage später in der Bundestagsdebatte die schiitischen Geistlichen in Deutschland
auf, sich von dem Todesurteil zu distanzieren. Duve hätte dieses wohl kaum getan, wenn,
wie behauptet, bereits der oberste schiitische Geistliche in Europa, also der
"Vorgesetzte" von den Geistlichen in Deutschland, das Todesurteil aufs
Schärfste abgelehnt hätte! Die Medien scheinen bei derartigen Berichterstattungen zu
übersehen, daß die Muslime wissen, wer ihre Oberhäupter sind und wer nicht.
Uninformierte Nicht-Muslime erhalten dagegen eine völlig realitätsferne Darstellung und
sind dadurch kaum in der Lage, die Geschehnisse richtig einzuordnen. Die Meldung, daß der
in islamischen Kreisen bekannte Scheich Farid Qaitani, der auch in Frankreich lebt, das
Buch als einen neuen Komplott der Kreuzritter bezeichnet hat, wird wohlweislich
verschwiegen.
Abgesehen davon ist es schon erstaunlich, wie jeder einfache Agent des
Westens zum Mullah gemacht wird und vom Westen den Titel "Ayatollah" angedichtet
bekommt. "Ayatollah" ist ein unter schiitischen Geistlichen in den letzten
Jahrhunderten verwendeter Titel, der nur von höchsten Geistlichen vergeben wird; genau
wie eine Habilitation nur von Professoren anerkannt werden kann. Würde ein deutscher
Gaststudent im Iran auftreten, und als Professor für deutsches Recht vorgestellt werden,
um sich zu Urteilen des deutschen Verfassungsgerichtes zu äußern, wäre dies schlichtweg
lächerlich. Aber nach genau derartig törichten Methoden treten in den westlichen Medien
immer wieder vom Westen zu islamischen Würdenträgern erhobene Personen auf und äußern
sich zu islamischen Sachfragen - selbstverständlich im Sinne des Westens.
Ein westlich gesonnener Scheich, der sich gegen die Fatwa von Imam
Khomeini gestellt hat, ist der Scheich der Al-Azhar-Universität in Kairo. War einst
Al-Azhar eine Hochburg der islamischen Lehre in der Welt, so ist sie heute zum Spielball
des ägyptischen Regimes verkommen. Die Angestellten werden von dem Staat bezahlt, der
neben Israel die größte US-Unterstützung erhält, also von dem Staat, der gemeinsam mit
dem zionistischen Besatzer-Regime des heiligen Quds (Jerusalem) gegen die Muslime
zusammenarbeitet. In Ägypten herrscht ein Regime, welches das Wiedererwachen der Muslime
und deren Rückbesinnung auf die islamischen Fundamente am meisten fürchtet. Zahlreiche
Aufstände in Ägypten in den letzten zehn Jahren, das heißt, seit Gründung der
Islamischen Republik Iran, sind bester Beweis dafür. Deswegen ist es verständlich, daß
der von diesem Staat eingesetzte Al-Azhar-Scheich Stellung gegen Imam Khomeini beziehen
soll.
Alternativ schlug der Scheich vor, eine wissenschaftliche
Gegendarstellung zu erstellen. Während solche Scheichs mit derartigen Aussagen große
Sympathien in der westlichen Welt gewinnen, verlieren sie damit immer mehr an ihrer
ohnehin kaum bestehenden Glaubwürdigkeit bei den Muslimen. Die nämlich fragen sich,
warum der Scheich ein halbes Jahr nach Erscheinen des Buches noch keine derartige
Gegendarstellung erarbeitet hatte. Sie fragen diesen Scheich auch, welcher westliche
Verlag denn eine Gegendarstellung abdrucken würde, die mit einem vergleichbaren
Medienaufwand, wie für Rushdie, verbreitet werden würde. Hauptfrage ist aber, wie man
einer Beleidigung mit einer wissenschaftlichen Gegendarstellung entgegnen kann. Was
kann man einem Menschen antworten, der den ersten Gebetsrufer des Islam als ein enormes
schwarzes Monster bezeichnet? Soll man ihm wissenschaftlich entgegnen, daß er
nicht ein Monster sondern ein würdevoller Mensch war? Tatsächlich wurde von einem
indischen Studenten in New Delhi eine Art Gegendarstellung der "Satanischen
Verse" mit dem Titel Heilige Verse erarbeitet und herausgegeben. Die
Gegendarstellung beschränkt sich auf die Legende der angeblich in den Heiligen Qur'an von
Satan eingefügten Verse. Das Buch wurde vom indischen Minister für Umwelt und
Forstwirtschaft Zia-ur-Rahman Ansari herausgegeben, der selber die Fatwa von Imam Khomeini
unterstützte. In welchen westlichen Staaten ist dieses Buch bekannt? In welche westlichen
Sprachen wird das Buch von medienunterstützten Verlagen übersetzt? In welchem westlichen
Land ist überhaupt von der Existenz eines solchen Buches und der Herausgabe durch einen
indischen Minister berichtet worden? In zahlreichen anderen islamischen Ländern wurden
ebenfalls Bücher zu diesem Thema verfaßt, ohne daß der Westen Kenntnis davon nahm. Und
auch das vorliegende Buch wurde von keinem großen Verlagskonzern akzeptiert. Vorschläge,
wie die vom Al-Azhar-Scheich, dienen lediglich dazu, den unaufhaltsamen Einfluß der
Freiheitsbewegungen in der islamischen Welt, welche von der Führung der Islamischen
Revolution ausgehen, entgegenzuwirken. In der Wirkung können die Aussagen von diesen
Scheichs nur Ansporn für die Muslime sein, sich von solchen korrupten Elementen zu
befreien.
Ein weiterer in Deutschland bei den Medien beliebter Autor, der immer
wieder als angeblicher Kenner der Islamischen Revolution im Iran auftreten darf, ist
Bahman Nirumand. So durfte Nirumand im ZDF Imam Khomeini im Zusammenhang mit der
Rushdie-Affaire des Wahnsinns bezichtigen (heute Journal 17.2.89). Dabei wurde Nirumand
vom Nachrichtensprecher fälschlicherweise als ehemaliger Weggefährte Khomeinis
vorgestellt. In Wirklichkeit hat dieser durch den Westen zur Berühmtheit gelangte Autor
überhaupt keine Kenntnis vom Islam und von der Islamischen Revolution. Nirumand schrieb
in einer früheren Publikation: Der iranische Islam ist nicht imstande revolutionäre
Energien freizusetzen (Persien, Modell eines Entwicklungslandes 1967). Das schrieb
Nirumand zu einer Zeit, als die islamische Revolution unter der Führung von Imam Khomeini
schon längst aktiv geworden war. Nirumands totale Fehleinschätzung der islamischen
Bewegung im Iran hat die junge Geschichte bewiesen. Peter Scholl-Latour sagte Nirumand in
der Diskussionsrunde Presseclub (ARD 26.2.89) ins Gesicht, daß die Massen in der
islamischen Welt anders denken als Nirumand. Doch auch Nirumands aktuelle Aussage, in
welcher er Imam Khomeini Wahnsinn vorwirft, ist symptomatisch für die Ignoranz derartiger
Redner und Autoren bezüglich des Islam. Diese Aussage Nirumands stellte Imam Khomeini vor
die gleiche Verleumdung, wie sie auch der Prophet des Islam ertragen mußte. Zwar würde
kein Muslim auf die Idee kommen Imam Khomeini auf eine Stufe mit Prophet Muhammad ( ) oder
einen der zwölf Imame zu stellen, aber jedes Ereignis, welches eine Wiederholung der
Geschichte des Propheten darstellt, erhöhte Imam Khomeinis ohnehin großes Ansehen in den
Augen seiner Anhänger in der ganzen Welt und zeigte auch Unentschlossenen die
Wahrhaftigkeit seines Handelns, so lange Gott ihm die Gelegenheit dazu gab. Der Prophet
des Islam wurde u.a. von den damaligen dekadenten und von Islamfeinden ausgehaltenen
Dichtern immer wieder des Wahnsinns bezichtigt. Dieser Sachverhalt führte zu einer immer
deutlicheren Trennung der Anhänger des Propheten von seinen Gegnern und zu Versen im
Heiligen Qur'an, in welchen Gott direkt zu den Menschen spricht und ihnen den
Wahrheitsgehalt der Aussagen des Propheten klarlegt (dokumentiert im Qur'an u.a. in Sure
53/2). Wenn die heutigen dekadenten und von Islamfeinden ausgehaltenen Autoren Imam
Khomeini derart angreifen, wiederholen sie die Angriffe auf den Propheten und die Imame.
Für geschichtsbewußte Muslime ist dies deutlich erkennbar.
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß Autoren und Dichter wie Nirumand,
Rushdie und dergleichen lediglich durch den Westen zu ansehnlichem Vermögen gekommen
sind. Dafür gibt es eine anschauliche historische Parallele im Heiligen Qur'an. Den von
den Feinden des Propheten finanzierten Dichtern ist eine ganze Sure im Heiligen Qur'an
gewidmet, um sie zu entlarven und eindringlich zu warnen. Jeder gläubige Muslim kennt
diese Sure, in der es heißt:
Soll Ich euch künden von denen, auf welche die Satane
herniedersteigen? Sie steigen hernieder auf jeden sündigen Lügner. Sie teilen das
Gehörte mit; doch die meisten von ihnen sind Lügner. Und die (irregeleiteten) Dichter,
es folgen ihnen die Irrenden. (Heiliger Qur'an, Al-Shuara, Die Dichter, 26/223-226)
Auch unbekannte Personen dürfen oft in den westlichen Medien im Namen
des Islam auftreten, so lange sie den islamischen Richtlinien ablehnend gegenüberstehen.
In der ARD-Sendung Im Brennpunkt vom 22. Februar 1989 zum Thema kündigte Fritz
Pleitgen Sprecher der Muslime in Deutschland an, welche zum Fall Rushdie Stellung beziehen
sollten: Zu Wort kamen fünf Perser, alles erklärte Gegner von Imam Khomeini. Pleitgen
hat wohl wegen technischer Schwierigkeiten die Interviews nicht verfolgen können, da er
danach sagte, daß sowohl Anhänger als auch Gegner von Imam Khomeini zu Wort gekommen
seien. Abgesehen davon ist es ohnehin trügerisch, fünf Perser als Sprecher der Muslime
in Deutschland auftreten zu lassen, da diese unter den Muslimen in Deutschland eine
Minderheit darstellen, sofern es sich überhaupt um gläubige iranische Muslime handelt.
Ihr werdet beherrscht vom Wettstreit nach Mehrung, bis ihr die Gräber
erreicht. (Heiliger Qur'an 102/1-2)
Es wurde manchmal behauptet, daß das Buch "Die Satanischen
Verse" erst durch das Todesurteil publik gemacht wurde: "Wenn wir dem
Buch, 'Satanische Verse' weniger Beachtung geschenkt hätten, dann wäre auch die
unerhörte Publizität durch die westliche Presse unterblieben. Rushdie hätte kaum Erfolg
gehabt (Aussage eines westlich orientierten Scheichs einer Moschee in Paris; Die Welt
17.2.89). In dieser Kritik kommt die totale Unkenntnis über die Hintergründe der
Veröffentlichung zum Ausdruck.
Bei dem Verleger Penguin-Viking handelt es sich um ein nach
marktwirtschaftlichen Interessen orientiertes Unternehmen. Natürlich bringen auch
marktwirtschaftlich orientierte Verlage manchmal aus politischen Gründen
verlustträchtige Bücher auf den Markt, wobei der Verlust durch Gewinne anderer
Publikationen ausgeglichen wird, aber dennoch bleibt auch dabei der Verlust normalerweise
im überschaubaren Rahmen.
Der finanzielle Hintergrund dieses Buches aber sprengt alles
Überschaubare. Der Autor erhielt, wie bereits erwähnt, eine Vorabzahlung in Rekordhöhe
von umgerechnet 1,5 Millionen Mark. Und es steht fest, daß der Verleger damals nicht mit
einer Verkaufsförderung durch Imam Khomeinis Urteil rechnen konnte. Mit der ersten
englischen Auflage von 50000 Exemplaren sowie 75000 in den USA hätte kaum ein größerer
Gewinn hereingeholt werden können, zumal der Verkauf schleppend anlief. Deswegen waren
Vorbereitungen getroffen worden, das Buch werbeträchtig zu vermarkten, um weitere
Auflagen notwendig zu machen. Eine zukünftige Taschenbuchausgabe war ohnehin von Anfang
an vorgesehen. Die Auszeichnung des Autors durch den höchstdotierten englischen
Buchpreis, den Whitbread-Preis, war der Anfang von Maßnahmen, mit dem das Buch zum
Verkaufshit werden sollte. Mehrere Buchlesungen Rushdies für das Fernsehen waren bereits
aufgenommen und warteten auf die Ausstrahlung (Ausschnitte zu sehen im Auslandsjournal/ZDF
17.2.89). Passagen des Buches waren Videoclips ähnlich vorbereitet. Ausschnitte davon
wurden auch im deutschen Fernsehen gesendet (Kulturweltspiegel ARD 5.3.89). Eine
Publicity-Tour durch die USA, in der Rushdie sein Buch persönlich in elf Städten
vorstellen wollte, wurde abgebrochen, als das Todesurteil ausgesprochen war. Zahlreiche
andere Maßnahmen, welche nicht mehr bekannt wurden, steckten in den Schubladen der
Verleger. Möglicherweise sollte das Buch gemäß "Die letzte Versuchung
Christi" verfilmt werden. Anfang April 1989 lag das Buch in mehreren Sprachen
vor: Englisch, Französisch, Italienisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Holländisch,
Finnisch und möglicherweise war auch die deutsche Übersetzung bereits druckreif. Eine
Übersetzung ins Serbische wurde begonnen. Daß diese Übersetzungen nicht erst nach der
Fatwa von Imam Khomeini geplant wurden, ist ein weiteres Indiz dafür, welche weltweite
Verbreitung des Buches von vornherein geplant war.
Doch Imam Khomeini machte dem Verleger einen Strich durch die Rechnung.
Nach dem Todesurteil war nicht mehr daran zu denken, die Werbekampagne fortzuführen.
Dennoch ist ohne Zweifel festzustellen, daß das Todesurteil verkaufsfördernd gewirkt
hat, zumindest kurzzeitig: Aus dem Ladenhüter ist ein Bestseller geworden
(Stuttgarter Ztg. 20.2.89). Einen Gewinn bedeutete das für den Verlag aber dennoch nicht,
denn die Kosten für die nun zu treffenden Sicherheitsmaßnahmen übertrafen alle
eingeplanten Ausgaben für die Werbung: .. das Leben des Salman Rushdie, 41, ist für
seinen Verlag kaum noch bezahlbar. Schon über 5 Millionen DM kostete den Londoner
Penguin-Verlag der Objektschutz für bedrohte Filialen. Sechs Beamte des 'Spezial Branch'
von Scotland Yard schieben jeweils acht Stunden Schicht. Schutz noch mindestens ein Jahr.
Kosten pro Tag 3000 DM. Zahlt der Steuerzahler (Bunte 22/89 24.5.89). Das sind weitere
10 Millionen Mark, die an Mindestkosten noch einzuplanen sind. Da selbst
Premierministerin Margaret Thatcher nur drei Bodyguards hat, rief ein Mitglied des
Oberhauses jetzt zu mehr Sparsamkeit auf: Dem verfolgten Literaten sei zumindest nicht
mehr Schutz zu gewähren als der Regierungschefin (Stern 29.6.89). Der Schaden für
die britische Volkswirtschaft durch entgangene Aufträge im Iran läßt sich noch gar
nicht abschätzen, übersteigt aber mit Sicherheit um ein Mehrfaches die Verluste von
Rushdies Verlag. Für die Exportwirtschaft Großbritanniens bedeutet das eine Katastrophe.
Der Verlag aber schien ursprünglich aus all diesem nichts gelernt zu haben, denn die
Taschenbuchausgabe sollte immer noch, allerdings in Zusammenarbeit mit anderen Verlagen,
verbreitet werden (Spiegel 14/89, 3.4.89). Nach neuesten Meldungen jedoch verzichtet
Penguin-Viking auf die Herausgabe der Taschenbuch-Version.
Ohne Zweifel hat das Todesurteil zu sehr vielen Lesern geführt. Zwar
wären möglicherweise genau so viele oder höchstwahrscheinlich gar mehr Leser durch
Werbeaktionen des Verlages gefunden worden, aber nun war das Todesurteil der Auslöser. Es
gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen dem durch Werbung animierten Leser und dem
durch das Todesurteil beflügelten Leser. Der jetzige Leser liest das Buch im Bewußtsein,
daß es sich um einen antiislamischen und von Muslimen als höchst verabscheuungswürdig
eingestuften Text handelt. Somit verliert der Text seine verleumderische Wirkung gegen den
Islam. Gleichzeitig ist überall auf der Welt eine Diskussion zwischen Muslimen und
Nicht-Muslimen entstanden, welche langfristig gesehen, sehr fruchtbar für das
Verständnis des Islam bei den Nicht-Muslimen werden kann.
Imam Khomeini hat Salman Rushdie, den Sprecher der Feinde des Islam,
sehr berühmt gemacht; daran gibt es keinen Zweifel! Doch tat Imam Khomeini dabei nichts
anderes als die göttlichen Wegweisungen zu befolgen. Schließlich hat Gott der Erhabene
durch die Offenbarung eine ganze Sure einem der damals besonders auffälligen Feinde des
Islam und des Propheten gewidmet: Der Mann hieß Abu Lahab (Vater des Feuers). Noch 1400
Jahre nach dem Tod von Abu Lahab ist sein Name unter den Muslimen unvergessen, und viele
Millionen Muslime rezitieren die Sure, welche die Verwünschungen gegen ihn ausdrückt.
Seine Berühmtheit unter den Muslimen hat ihm und seinen Helfershelfern genauso geschadet,
wie die Berühmtheit Rushdies seinen Helfern geschadet hat und in Zukunft noch schaden
wird. Eine berühmte US-amerikanische Schriftstellerin glorifizierte Rushdies Buch mit den
Worten: Das Geschriebene überlebt seinen Autor. Sie täuscht sich, denn das ist
nicht allgemein gültig. Von den zahllosen Hetzschriften gegen den Propheten des Islam aus
früherer Zeit wird heute keine Zeile mehr gelesen, so daß immer wieder neue Rushdies
kommen müssen, um neue Verleumdungen aufzuschreiben, um eines Tages auch in Vergessenheit
zu geraten. Die Fatwa von Imam Khomeini dagegen, das kann jetzt schon festgestellt werden,
wirkt auch nach Imam Khomeini noch weiter.
Der unvergleichbare Boom des Buchabsatzes in der westlichen Welt nach
dem Todesurteil beinhaltet auch eine Feindschaft gegenüber dem Islam und den Muslimen. In
Italien war die erste Auflage von 20000 für italienische Verhältnisse recht teuren
Exemplaren nach dem Todesurteil innerhalb kürzester Zeit vergriffen, und die zweite
Auflage wurde nun mit 200000 geplant (Die Welt 2.3.89). Die Kauflust mit der Lust auf das
Verbotene zu erklären, wäre unzureichend. Schließlich gab es auch christliche
Gegnerschaft gegen den Film "Die letzte Versuchung Christi", wobei es
sogar einen Toten gab, als ein Kino im November 1988 in Paris in Brand gesetzt wurde. Und
trotzdem wurde der Film kein Kassenschlager, trotz des enorm medienwirksamen Werbeaufwands
und der Nominierung für einen Oskar. Das Buch "Die Satanischen Verse"
ist dazu bisher nicht als Taschenbuch erhältlich und deswegen relativ teuer. Auch kann
nicht die Neugier auf die entscheidenden Stellen im Buch ausschlaggebend für die hohen
Verkaufszahlen nach dem Todesurteil sein, da gerade diese Stellen in vielen Medien bereits
wiedergegeben wurden. Und schließlich erzielten nun auch frühere Bücher Rushdies einen
größeren Absatz und selbst die Bücher seiner Frau Marianne Wiggins wurden vermehrt
verkauft.
Für die Muslime bleibt nur die Erklärung, daß große Teile der als
christlich bezeichneten Welt sich mit dem gotteslästernden Autoren solidarisiert hat,
während die sich offen zum Atheismus bekennende, noch nicht gänzlich verwestlichte,
kommunistische Welt das Buch größtenteils nicht unterstützte. Selbst sonst westlich
orientierte Muslime standen vor einer für sie bitteren Erkenntnis. Aber wahrscheinlich
waren auch die aufrichtigen Christen schmerzhaft betroffen von dieser Entwicklung.
Eines muß noch festgehalten werden: Das Urteil Imam Khomeinis hat
folgendes bewirkt: Jeder, der das Buch kauft oder verkauft, weiß, daß er in den Augen
der Muslime als ein Verbrecher gegen den Islam gilt und zum Sympathisanten Rushdies wird.
Die Welt ist wie ein Markt, manche gehen mit Gewinn heraus, manche mit
Verlust.
(Imam Ali an-Naqi ( ))
Die Haltung der westlichen Politiker, Autoren und Verleger für die
Verteidigung der "Satanischen Verse" war nahezu einheitlich. Dennoch
wäre es nicht korrekt, die, wenn auch im Westen wenigen, kritischen Stimmen gegenüber
Rushdie, unerwähnt zu lassen, zumal diese von den westlichen Medien meist ignoriert
wurden:
So sagte der Erzbischof von Lyon, Kardinal Decourtray: "'Die
Satanischen Verse' sind eine Beleidigung der Religionen" (Spiegel 9/89, 27.2.89).
Der ehemals sehr populäre griechische Sänger George Moustakis, der Theologie in
Griechenland und in den USA studiert hat, sagte in einem Interview mit der Iranischen
Nachrichtenagentur IRNA: "Ich würde genauso fühlen, wenn jemand so etwas über
unser christliches Buch, "Die Offenbarung der Evangelien", schreiben
würde".
Selbst Ex-US-Präsident Jimmy Carter sagte: "'Die Satanischen
Verse' sind eine Beleidigung von Millionen von Muslimen und gehen viel weiter in ihrer
Blasphemie gegen den Islam als 'Die letzte Versuchung Christi' gegen das
Christentum." Carter empfahl sensibler mit der Empörung umzugehen, die
das Buch provoziert hat. Er empfahl den Europäern, die diplomatischen Beziehungen zum
Iran beizubehalten.
Einen bemerkenswerten Vergleich stellte der Schriftsteller Walter Jens
als Sprecher des deutschen PEN auf (ZDF Spezial 23.2.89):
"Das PEN-Zentrum muß abwägen. Es sagt erstens: Bitte stellen sie
sich vor, da wird das Kreuz Jesu Christi gezeigt, und dieses Kreuz dient als Balken eines
Bordells. Huren mit den Namen Maria, Mutter Jesu, Martha, Magdalena bedienen fromme
Pilger, die ihnen zu Willen sind. Millionen von Christen würden sich beleidigt fühlen.
So fühlen sich im Augenblick durch das Rushdie-Buch Millionen von Muslime
beleidigt."
Um so unverständlicher ist es, wie die Erklärung von PEN fortfährt,
und welche Konsequenzen aus obigem Vergleich gezogen werden:
"Punkt zwei: Darüber ist zu diskutieren, offen, auch unter dem
Aspekt, daß der Islam von Hause aus friedlich, toleranzfreundlich ist, und was jetzt
geschieht ein ungeheurer Abfall von seinen Grundlagen ist. Aber wenn jetzt ein Mann, und
zwar kann man sich gar nicht deutlich genug vorstellen, unter wie grauenvollen Umständen,
weiterleben muß, wenn jetzt ein Mann, ein Schriftsteller, ein Kollege von uns mit dem
Tode bedroht wird, dann müssen wir aufstehen, nicht nur verbal ihm unsere Solidarität
erklären, sondern selbstverständlich dafür sorgen, daß auf breitester Basis sein Buch
erscheint und eine Diskussion eröffnet wird, auch über den Islam wie er einmal war. Die
Muslime dürfen hier nicht zu Freiwild werden. Ich glaube, daß die heutigen Machthaber in
der gleichen Weise von der Zielsetzung des Islam abweichen, wie manche Israeli sich an den
Gesetzen Moses versündigen, wenn sie auf Kinder schießen, und wir Christen sollten die
letzten sein, die nicht auch an unsere eigene Brust klopfen. Ich fand es schauerlich, daß
der (iranische) Botschafter beim Vatikan erklärte, er werde persönlich Rushdie
hinrichten; und keine Reaktion kam vom Vatikan - also beide Seiten sehen, aber das
Wichtigste: Solidarität mit unserem Kollegen Rushdie: Das Buch muß bei uns
erscheinen!"
Walter Jens spricht es deutlich aus: Die Solidarität mit einem
Berufskollegen steht höher als die Solidarität mit Millionen von Opfern einer schweren
Beleidigung. Überhaupt ist es schon eine erstaunliche Leistung, wie man in einer so
kurzen Stellungnahme so viele Themen zusammenwerfen und so gut durchmischen kann, daß am
Ende kaum jemand etwas versteht, außer, daß das Buch erscheinen soll. Rushdie wird zum
Opfer, Muslime zu Tätern. Jens' Beispiel mit den Israelis paßt aber gut in die Thematik,
denn wenn die Muslime schon sehr viel früher gemeinsam die Entehrung ihrer Heiligtümer
verteidigt hätten, und die heiligen Orte in Palästina geschützt hätten, dann könnte
heute kein Israeli muslimische Kinder abschlachten.
Jens vergleicht in der Erklärung drei Taten miteinander und setzt sie
auf die gleiche Stufe: Die Muslime sprechen ein Todesurteil gegen einen gotteslästernden
Autor aus, die Zionisten erschießen tagtäglich unschuldige Kinder, die Christen lassen
zu, daß ihr Papst dem Botschafter der islamischen Republik Iran nicht den Mund verbietet.
Damit wird der tägliche Massenmord durch die Zionisten mit der freien Meinungsäußerung
und Verteidigung eines islamischen Richterspruchs auf eine Stufe gestellt. Der Vergleich
ist sehr irreführend. Jens gibt selber zu, daß Rushdie die Muslime beleidigt hat. Damit
sollte dieser doch die Folgen seiner Taten zu tragen haben. Was aber haben die Kinder in
Palästina getan, daß sie dazu verurteilt sind, seit ihrer Geburt unter der grausamen
Willkürherrschaft einer Besatzungsarmee zu leiden?
Erklärungen, wie diese von Jens, dienen lediglich dazu,
emotionsbehaftete Themen zur ungerechtfertigten Untermauerung des eigenen Standpunktes zu
mißbrauchen, ohne daß der wahre Zusammenhang daraus hervorgeht.
Die Front für Rushdie rief u. a. auch in der deutschen Kunstszene
Auseinandersetzungen hervor: Eine Veranstaltung des PEN-Zentrums Bundesrepublik
Deutschland über die Rushdie-Affaire unter Schirmherrschaft des Senators für kulturelle
Angelegenheiten in Berlin konnte nicht in den Räumen der Akademie der Künste
stattfinden, weil die Verantwortlichen keine Räume zur Verfügung stellten.
Sprich: wenn sich auch die Menschen und die Dschinn zusammentäten, um
einen Qur'an gleich diesem hervorzubringen, sie brächten keinen gleichen hervor, selbst
wenn sie einander beistünden.
(Heiliger Qur'an 17/88)
Der Titel des Buches von Rushdie geht auf eine Legende zurück, nach
der Satan angeblich einige Verse im Heiligen Qur'an untergebracht haben soll, was wiederum
angeblich erst anschließend vom Propheten bemerkt und korrigiert worden sei. Diese
Legende behauptet, daß Satan in Gestalt des Erzengels Gabriel den Propheten des Islam
betrogen hätte.
Abgesehen von der nicht vorhandenen Authentizität und der historischen
Wertlosigkeit dieser Legende, beinhaltet sie auch mehrere grobe Fehler in Bezug auf den
Islam. Die Legende widerspricht als erstes den klaren Aussagen des Heiligen Qur'an über
dessen Unveränderbarkeit. Gott selbst sagt im Heiligen Qur'an:
Wahrlich, Wir, Wir selbst haben diese Ermahnung (den Heiligen Qur'an)
hinabgesandt, und sicherlich werden Wir ihr Hüter sein. (Heiliger Qur'an 15/9)
Eine der ersten Voraussetzungen für die Authentizität einer
Überlieferung des Propheten ist islamisch gesehen deren Übereinstimmung mit dem Heiligen
Qur'an. Widerspricht eine Überlieferung dem Inhalt des Heiligen Qur'an, so kann sie nicht
vom Propheten stammen.
An einer weiteren Stelle im Heiligen Qur'an spricht Iblis, der Teufel
nachdem er von Gott verworfen wurde:
Mein Herr, da Du mich als verloren erklärt hast, wahrlich so will ich
ihnen (den Menschen) auf Erden (die Dinge) ausschmücken, und wahrlich ich will sie alle
irre leiten, bis auf Deine erwählten Diener unter den Aufrichtigen (Heiliger Qur'an
15/39-40)
Gott selbst ist es, der diese Aussage des Teufels bestätigt und ihm
somit nicht die Fähigkeit gibt, den aufrichtigen Diener Gottes irre zu leiten; und sei es
nur für einen Moment. Der Prophet Muhammad ( ) ist der Seyyid-u-kayinat, der Fürst der
gesamten Schöpfung und der ideale Mensch auf Erden. So ist er durch die Bewahrung seiner
inneren Reinheit in keiner Weise vom Teufel anfechtbar oder gar betrügbar.
Auch für westliche Geschichtsforscher ist aus nachvollziehbaren
Gründen die Unwahrheit der Legende über die "Satanischen Verse" erkennbar. Es
ist nämlich weder die Überliefererkette vollständig, noch sind die wenigen
Überlieferer als zuverlässig eingestuft. Einige von ihnen gelten sogar als Feinde des
Islam. Die Ausdrucksweise entspricht nicht der Hohen Sprache des Propheten. Außerdem hat
der Sammler dieser märchenhaften Geschichte nachweislich auch zahlreiche andere
Verfälschungen als Überlieferung gedeutet.
Die Legende der sogenannten Satanischen Verse widerspricht außerdem
auch einer Eigenschaft des Satan. Denn nach der islamischen Lehre ist es dem Satan gar
nicht möglich, die Gestalt der Erzengel oder der Propheten anzunehmen. Anderenfalls
könnte kein Gläubiger keiner Religion die Sicherheit haben, daß sein Prophet nicht
Satan in anderer Gestalt wäre, oder daß er nicht vom Satan betrogen wurde. Nur weil
Satan diese Fähigkeit nicht hat, besitzt jeder Mensch die Fähigkeit, den wahren
Propheten vom falschen zu unterscheiden. Das ist auch ein Grund, warum der Mensch in Bezug
auf die Nichtbefolgung der Propheten von Gott zur Rechenschaft gezogen wird.
Die betrachtete Legende ist eine eindeutige Verfälschung der reinen
Lehre des Islam und ein wiederholter Versuch, die Fehlerlosigkeit des Heiligen Qur'an zu
unterwandern. Obwohl sich derartige Verleumdungen in einige wenige Geschichtsbücher über
den Islam eingeschlichen haben, gibt es weder heute noch in der Geschichte einen
ernstzunehmenden Islamkenner, der diese Verleumdungen als wahrhaftig bezeichnet hätte.
Zwar hat Rushdie neben all seinen Verleumdungen und Beleidigungen gegen den Islam auch
diese Thematik nicht ausgelassen, um den Islam zu bekämpfen. Dennoch muß festgestellt
werden, daß die Wiederholung dieser Verleumdung im Roman sicherlich zu den unwesentlichen
Beleidigungen gegen den Islam und die Muslime im Verhältnis zu seinen wüsten
Darstellungen gehört. Deswegen ist das anfängliche Konzentrieren der Berichterstatter
auf diese Thematik nur eine Ablenkung von den eigentlichen Beleidigungen gewesen.
Der Titel des Buches ist aus der Sicht eines Muslim dennoch zutreffend,
da der Titel jenes Buches seinen eigenen Inhalt und dessen Autor beschreibt.
Diese eure Gemeinde ist eine einige Gemeinde, und Ich bin euer Herr, so
nehmet mich zum Beschützer.
(Heiliger Qur'an 23/52)
Ein Versuch, die Hintergründe um die Affaire Rushdie zu untersuchen
und Verständnis für die Argumente der Muslime zu wecken, wäre unzureichend, wenn nicht
zumindest die teilweise erdrutschartigen Folgen der Affaire in der islamischen Welt
erwähnt würden. Es würde den Umfang dieser Arbeit sprengen, auf alle Proteste in allen
Erdteilen einzugehen. Deswegen soll versucht werden, an exemplarischen Beispielen die
Folgen der Rushdie-Affaire darzustellen.
Hierbei läßt sich eines vorwegnehmen: Sollte das Buch "Die
Satanischen Verse" als Anschlag gegen den Islam und die Muslime gedacht gewesen
sein, so hat sich das Buch zum größten Eigentor der Feinde des Islam in der jüngeren
Geschichte entwickelt.
Wie auch Dr. Udo Steinbach, Leiter des Deutschen Orient-Instituts in
Hamburg in einem Interview richtig feststellte (heute Journal/ZDF 21.2.89), eröffnete der
Fall Rushdie eine neue Gelegenheit zur Standortbestimmung für die Muslime. Während viele
im Westen lebende Muslime ihre Standortbestimmung bereits vollzogen haben, wird auch für
die Muslime in der islamischen Welt die Notwendigkeit zu einer Standortbestimmung mit
wahrem islamischen Charakter immer dringender.
Es ist nicht mehr zu leugnen, daß die Verbreitung und allseitige
Unterstützung des Rushdie-Machwerkes, insbesondere für die ehrenhaften westlichen
Schriftsteller, eine Tragödie gewesen ist: Für eine Milliarde Muslime und viele andere
Völker der Erde sind die blasphemischen Beleidigungen gegen den Islam und die schamlosen
Beschimpfungen der Heiligkeiten aller Gottgläubigen zum Symbol der Kultur und zum Merkmal
der Literatur des Westens geworden.
Es wird den wahrhaftigen Autoren nicht leicht fallen, das durch Rushdie
und seine Anhänger schwer angeschlagene Ansehen der westlichen Literatur unter hunderten
Millionen von kulturreichen Muslimen zu retten. Es bleibt eine große Herausforderung an
die würdigen Schriftsteller des Westens, die lange genug wegen der furchterregenden
Propaganda der Medien geschwiegen haben, sich für die Wiederherstellung der verletzten
Ehre ihres Berufsstandes und ihrer beruflichen Vorfahren - wie z.B. Goethe und Rückert -
einzusetzen.
Und wenn dein Herr Seinen Willen erzwungen hätte, wahrlich, Er hätte
die Menschen alle zu einer einzigen Gemeinde gemacht, doch sie wollten nicht ablassen,
uneins zu sein.
(Heiliger Qur'an 11/118)
Die OIC (Organisation Islamische Konferenz) ist nicht die Vertretung
der muslimischen Bevölkerungen in den islamischen Ländern, sondern ein Zusammenschluß
der Regierungen der Staaten mit überwiegend muslimischer Bevölkerung. Das wiederum
bedeutet, daß sich diese Organisation zum größten Teil aus Königen und Prinzen und
anderen Despoten zusammensetzt, welche nur durch die politische und militärische
Stützung durch die westlichen Staaten ihre Gewaltherrschaft aufrecht erhalten können.
Es war klar, daß der Fall Rushdie bei der Sitzung der Organisation der
Islamischen Konferenz Mitte März 1989 behandelt werden mußte. Obwohl sich die Diener des
Westens, allen voran das saudische Königshaus dagegen wehrten, konnten sie nicht
verhindern, daß das Buch "Die Satanischen Verse" auf die Tagesordnung
kam und als blasphemisches Werk verurteilt wurde.
Außer der Regierung der Islamischen Republik Iran vertreten keine
islamischen Regierungen, sondern fast ausschließlich vom Westen oder Osten gestützte
Diktatoren sowie islamfeindliche laizistische Regime die Staaten der islamischen Länder
in dieser Organisation. Dennoch konnte die Verurteilung des Buches und des Autors nicht
abgewendet werden. Keiner der unislamischen Regierungschefs hätte eine Ablehnung der
Verurteilung des Buches vor seiner eigenen muslimischen Bevölkerung unbeschadet
überstanden. Der sogenannte Fundamentalismus lehrt die Könige und Prinzen das Fürchten;
dazu Scholl-Latour: Was wir Fundamentalismus nennen, bezeichnen die Massen als wahren
Islam (Presseclub ARD 26.2.89).
Während die Briten gerade ein Dutzend Staaten dazu bewegen konnten,
die Fatwa Imam Khomeinis zu verurteilen, fand der Iran 45 Staaten, um das Buch Rushdies
öffentlich zu verurteilen, darunter zahlreiche ehemalige britische Kolonien; auch wenn
diese Verurteilung oft aus Opportunismus oder aus Angst vor den eigenen muslimischen
Bevölkerungen geschah.
Wer sich nicht vor den Menschen schämt, schämt sich auch nicht vor
Gott.
(Imam Hassan al-Askari ( ))
Die saudischen Gastgeber der bereits erwähnten OIC-Konferenz wehrten
sich vehement dagegen, den iranischen Antrag auf internationale Verurteilung Rushdies als
ordentlichen Tagesordnungspunkt zu behandeln. Ihre Haltung ist sehr verständlich, denn
schließlich haben die Saudis bei einer Rückbesinnung der arabischen Bevölkerungen auf
den Islam sehr viel zu verlieren. Deswegen versuchen sie, jede auf dem Fundament des Islam
basierende Strömung von sich und ihrem Herrschaftsgebiet fernzuhalten. Dennoch konnten
sie nicht verhindern, daß eine brisante Enthüllung den Muslimen aller Welt einmal mehr
vor Augen führte, welchen unislamischen Geist die selbsternannten Hüter der beiden
Heiligen Stätten vertreten.
Dokumentiert ist das Verhalten der Saudis in einer Schlagzeile der
Londoner Zeitung The Guardian: Saudi-Arabien fordert den Abzug des britischen
Botschafters. Um den Leser nicht in die Irre zu führen, sei sofort bemerkt, daß
diese Schlagzeile nicht etwa jüngeren Datums ist; vielmehr stammt sie vom 24. April 1980!
Damals kam es zu einem immerhin vier Monate anhaltenden Bruch der diplomatischen
Beziehungen zwischen den Saudis und Großbritannien.
Was aber war geschehen? Am 9. April 1980 hatte das britische Fernsehen
den Film Tod einer Prinzessin ausgestrahlt, in dem die Hinrichtung einer saudischen
Prinzessin wegen Verstoß gegen die Ehegesetze gezeigt wurde. Die Herren Könige, die ihre
Nächte öfters in Londoner Nachtclubs verbracht hatten, fühlten sich beleidigt und
sorgten für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Dieser Schritt bedeutete, laut The
Guardian vom 29. Juli 1980, einen Verlust von umgerechnet 330 Millionen DM für die
britische Wirtschaft. Um diesen Verlust zu begrenzen entschuldigten sich die Briten damals
durch verschiedene diplomatische Kanäle, so daß am 28. Juli 1980 die Beziehungen wieder
aufgenommen werden konnten. Kurz darauf, am 26. August 1980 fuhr der damalige britische
Außenminister Lord Carrington persönlich nach Arabien, um sich bei der Königsfamilie zu
entschuldigen.
Ein Muslim betrachtet dieses Ereignis wie folgt: Das britische
Fernsehen hatte eine Beleidigung gesendet; nicht gegen Gott den Erhabenen, nicht gegen den
größten aller Propheten Muhammad ( ), nicht gegen den Heiligen Qur'an, nicht gegen die
Mütter der Gläubigen, nicht gegen die früheren Propheten, nicht gegen die großen
Prophetengefährten, nicht gegen die großen Engel Gottes, nicht gegen eine Milliarde
Muslime, nein, das saudische Königshaus wurde beleidigt. Das genügte bereits, den
saudischen Botschafter aus London zurückzurufen und den britischen Botschafter
hinauszuwerfen, woraufhin die arrogante englische Regierung Demut und Reue zeigte.
Salman Rushdie jedoch hat all diejenigen Heiligkeiten beleidigt,
beschimpft und ihre Würde mit Füßen getreten, die das britische Fernsehen damals nicht
beleidigt hatte. Ein britischer Verlag veröffentlichte das satanische Werk eines
britisch-indischen Autors, das Gott, den Propheten des Islam, den Heiligen Qur'an, die
Engel, die Mütter der Gläubigen, frühere Propheten, die Prophetengefährten etc. und
damit eine Milliarde Muslime auf eine verachtungswürdige Art und Weise angreift.
Wie würden die Saudis dieses Mal reagieren, fragten sich die Muslime,
die sich an die damaligen Ereignisse erinnern konnten. Aber auch diejenigen Muslime, die
erst später von den damaligen Ereignissen erfuhren, mußten neugierig auf die aktuelle
Reaktion der Saudis sein, soweit sie die US-hörige Natur der Saudis noch nicht kannten.
Schließlich ging es dieses Mal um unvergleichbar mehr als um ein paar Prinzen und
Prinzessinnen. Würden die Saudis dieses Mal vielleicht mit einem Öl-Schock drohen?
Würden sie wirtschaftliche Sanktionen mit Hilfe der anderen Scheichtume gegenüber
England beschließen? Würden sie alle wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu
England abbrechen? Würden sie ihr gesamtes in England angelegtes Kapital zurückziehen?
Oder würden sie zumindest, wie vor zehn Jahren, den britischen Botschafter hinauswerfen?
Doch nichts dergleichen taten die Könige. Ganz im Gegenteil: Das einzige, wozu sie sich
durchringen konnten, war, nicht gänzlich zu verhindern, daß das Buch doch noch in der
Organisation der Islamischen Konferenz als blasphemisches Werk verurteilt wurde; und das
auch nur aufgrund des großen Druckes von Seiten der Islamischen Republik Iran und der
Furcht der Saudis, endgültig als Feinde des Islam und als Diener des Westens enttarnt zu
werden.
Damit hat diese Königsfamilie den Muslimen erneut gezeigt, daß ihr
die saudische Ehre mehr Wert ist als alle heiligen Werte des Islam zusammen. Nicht zuletzt
dieser Gesinnung der Saudis ist es zuzuschreiben, daß sie nach und nach die islamischen
Heiligtümer auf der arabischen Halbinsel klammheimlich vernichten oder verkommen lassen,
sondern auch wegen ihrer grundsätzlichen Haltung gegen den Islam, der ihren lüsternen
Lebensstil von Grund auf verabscheut. Allein wenn sich diese Erkenntnis der schmerzhaften
Tatsache um die Zerstörung der Heiligtümer in ihrem erschreckenden Ausmaß innerhalb des
gläubigen Volkes des Islam ausbreitet, wird das für die saudischen Könige und damit
für ihre US-amerikanischen Herren von verheerender Bedeutung sein, da das saudische
Königshaus seinen durch Öl-Dollars gekauften Einfluß in der islamischen Welt ohnehin
immer mehr verliert.
Interessanterweise wurde diese Enthüllung von den westlichen Medien,
obwohl sie sehr naheliegt und die Parallele zum Rushdie-Fall sehr deutlich ist, nicht
aufgegriffen. Für die Muslime bestätigte sich somit erneut die Erfahrung, daß die
westlichen Medien als Instrument westlicher Politik gegen den Islam eingesetzt werden.
Ohnehin ist es verblüffend, daß das korrupte Herrschaftssystem der
Saudis in den Medien immer noch als "islamisch" verkauft werden kann.
Hauptinteressent für den Schutz des saudischen Königshauses sind dabei die USA, welche
die Arabische Halbinsel als ihren gepachteten Flugzeugträger und als ihr ureigenes
Ölfeld betrachten. Die saudischen Könige sind ein Produkt britischer Kolonialzeit in
Arabien. Die Briten selbst waren es, die diese Despoten an die Macht brachten. Nach dem
zweiten Weltkrieg übernahmen die USA faktisch viele der ehemals britischen
Kolonialgebiete und beanspruchten sie fortan bis heute als ihr sogenanntes
Interessengebiet.
Und Allah ändert nicht die Lage eines Volkes, ehe es nicht sich selbst
ändert.
(Heiliger Qur'an 13/11)
Am Beispiel der Türkei läßt sich leicht erkennen, welches ruhende
Potential in der islamischen Welt vorhanden ist, und daß es nur kleiner Auslöser bedarf,
um zu einer Massenbewegung zu führen. Genau wie in anderen Teilen der islamischen Welt
wurde auch in der Türkei gegen Rushdies Buch demonstriert. Doch blieb es nicht dabei.
Einmal mobilisierte Massen haben genug Energie, um ihre Aktivität weiterzuführen, wenn
die Umstände dieses erfordern. Ein von Staatspräsident General Evren mit aller Gewalt
durchgeboxtes Verbot der islamischen Kleidung für Frauen in Behörden und anderen
staatlichen Einrichtungen wie in Universitäten, führte zu Großdemonstrationen, die an
Phasen der islamischen Revolution im Iran in den späten siebziger Jahren vor dem Sieg der
islamischen Revolution erinnerten. Nächster Anlaß zum Demonstrieren waren die 8.
Istanbuler Filmfestspiele im März 1989, wo der Film "Die letzte Versuchung
Christi" aufgeführt wurde. Die Islamische Republik Iran boykottierte daraufhin
die Festspiele. Damit zeigte sie einmal mehr ihr islamisches Bekenntnis auch zu Prophet
Jesus ( ), dem Sohn der Maria ( ). Bei großen Unruhen vor den Kinos waren
Auseinandersetzungen zwischen Polizeistreitkräften und muslimischen Demonstranten die
vorläufige Konsequenz.
Diese drei Unruheherde, Rushdie, Kopftuchverbot und Filmfestspiele
zeigten der türkischen Regierung, daß trotz über 40 jährigen Versuchs der
Europäisierung und damit der Entislamisierung, das islamische Fundament im Herzen der
türkischen Bevölkerung nicht zu erschüttern ist.
Die darauf folgenden Ereignisse sind deshalb bezeichnend. Am 1. Mai
1989 wurde ein Kommunist bei einer verbotenen Mai-Kundgebung auf offener Straße von
Sicherheitskräften erschossen. Die anschließenden Proteste einiger Dutzend Kommunisten
wurden von den Medien so aufgebauscht, daß von einer roten Gefahr die Rede war. Wenn es
dann bald wieder zu einem Militärputsch in der Türkei kommen sollte - bisher gab es fast
immer im Zehnjahresrhythmus einen Putsch - so wird diese sich offiziell gegen den
Kommunismus wenden, faktisch aber zur Unterdrückung der wiederauflebenden islamischen
Bewegung dienen. War nicht bereits kurz nach der islamischen Revolution im Iran gleiches
bei dem Militärputsch Evrens im September 1979 im Auftrag der USA geschehen?
Eine bereits lange geplante und staatlich genehmigte Demonstration der
Muslime war für Freitag den 5. Mai 1989 geplant. Am Anfang der Islamischen Revolution
hatte Imam Khomeini den letzten Freitag im heiligen Monat Ramadan zum "Quds-Tag"
erklärt. Quds ist die islamische Bezeichnung von Jerusalem und heißt Heilige (Stadt).
An diesem Tag demonstrieren seither überall auf der Welt Millionen von Muslimen für die
Befreiung des von den Zionisten besetzten Palästina.
Auch in Istanbul sollte eine Großdemonstration stattfinden, und nach
den vorangegangenen Demonstrationen wurde mit einer Rekordteilnahme gerechnet. Alle
Vorbereitungen waren von Seiten der Veranstalter getroffen, als am 4. Mai 1989, also einen
Tag vor der Demonstration, die bereits genehmigte Veranstaltung verboten wurde. Das Verbot
wurde begründet mit dem Vorwand eventueller Ausschreitungen wie am vorangegangenen
Mai-Feiertag. Ein Vergleich war aber kaum möglich. Die Mai-Demonstration war verboten
gewesen, die Quds-Demonstration genehmigt. Die Mai-Demonstration richtete sich gegen den
Türkischen Staat, die Quds-Demonstration gegen Israel. Daß die Demonstration der Muslime
dennoch verboten wurde, läßt die Vermutung zu, daß die Schützen vom 1. Mai zwar einen
Kommunisten getroffen hatten, der Schuß aber gegen die Muslime gerichtet war.
Am 27. Mai 1989 bestätigte sich obiger Verdacht. Eine
Protestkundgebung gegen Rushdies Buch vor dem Istanbuler Generalkonsulat der Briten wurde
von türkischen Geheimagenten gestört. Dabei wurde ohne jeglichen Grund der Herausgeber
einer unabhängigen islamischen Zeitschrift festgenommen und ins Gefängnis gesteckt.
Die Rushdie-Affaire hat für ein Auflodern der islamischen Bewegung in
der Türkei gesorgt und dem Westen verdeutlicht, daß die Türkei nach wie vor ein
islamisches Land ist, genau wie die vielen anderen muslimisch bevölkerten Länder, in
denen von im Westen erzogenen Regierenden eine gewaltsame Verwestlichung praktiziert wird.
Diejenigen, die Imam Khomeini vorwerfen, er hätte Rushdie berühmt
gemacht, können nicht leugnen, daß Imam Khomeinis Urteil die Einigkeit der Muslime
gefördert hat, und die weltweiten islamischen Befreiungsbewegungen einen großen Schritt
vorangebracht hat.
Ob der Koran von Ewigkeit sei?
Danach frag ich nicht!
Ob der Koran geschaffen sei?
Das weiß ich nicht!
Daß er das Buch der Bücher sei,
Glaub ich aus Mosleminenpflicht.
(Goethe, West-östlicher Divan)
Am 2. Februar 1989 meldete u.a. das deutsche Fernsehen, daß ein
sogenannter "Islamrat" als Vertretung von 1,7 Millionen Muslimen in
Deutschland eine Erklärung gegen das Todesurteil abgegeben habe. Die Muslime in
Deutschland waren überrascht, weil die meisten von ihnen von dieser unbedeutenden kleinen
Gruppe noch nie gehört hatten. Nur Insider wissen, daß es sich um eine mit saudischen
Königen kooperierende Gruppe handelt. Die Organisation selber korrigierte tags darauf mit
einer Mitteilung an verschiedene islamische Zentren die irrtümliche Mitteilung der
Medien. Den Verantwortlichen in den Medien dürfte ohnehin klar gewesen sein, daß
diese Organisation nicht einmal für einen nennenswerten Bruchteil der Muslime in
Deutschland sprechen könnte. Daß die Medien dennoch diese Nachricht niemals
korrigierten, ist wiederum ein Beweis für die Muslime, was unter Freiheit der Medien
zu verstehen ist. Viele Muslime sehen in einer derartigen Berichterstattung nichts anderes
als die zügellose Manipulation der Bevölkerung mit Verfälschungen, getarnt als
Nachrichten, die der allgemeinen Politik genehm sind.
Die absolute Mehrheit der Muslime in Deutschland beschränkte sich
darauf, Rushdie zu verurteilen und das Verbot einer deutschen Ausgabe zu fordern. Viele
große islamische Zentren veröffentlichten derartige Erklärungen. Während einige sich
dabei voll und ganz hinter das Todesurteil stellten, erwähnten andere es, wegen der hier
aufgehetzten Atmosphäre gegen die Muslime, in ihrer Erklärung nicht direkt. Die Sorge
vor rechtlichen Verwicklungen spielte sicherlich eine Rolle.
Allerdings soll auch nicht unerwähnt bleiben, daß in einer sehr
späten Erklärung einiger islamischer Zentren und Gruppierungen, eine eindeutige
Ablehnung des vom Westen als Mordaufruf bezeichneten islamischen Urteils, zu finden
ist. Eine der unterzeichnenden Gruppen ist die Vertretung der amtlichen türkischen
Religionsbehörde in Deutschland. Natürlich kann von einer im eigenen Land die Trennung
von Politik und Religion fordernden und damit den Islam bekämpfenden Behörde, keine
Stellungnahme im Sinne der islamischen Fundamente erwartet werden.
Den vorläufigen Höhepunkt der Proteste gegen Rushdie in Deutschland
bildete eine Demonstration in Bonn mit weit über 10000 Demonstranten; es war die größte
Demonstration von Muslimen in Deutschland, die es jemals gab. Während die öffentlich
rechtlichen Medien die Erklärung des sogenannten "Islamrats" mehrfach
wiederholten und zur besten Nachrichtenzeit verbreiteten, kamen Kurzmeldungen von der
Demonstration in Bonn, wenn überhaupt, nur einmal in den Nachrichten. Die einheitliche
Ablehnung von Rushdies Buch durch verschiedene islamische Zentren, welche schon einzeln
jeweils erheblich mehr Mitglieder als der sogenannte "Islamrat" haben,
wurde erst gar nicht erwähnt.
Mit großer Spannung warteten Muslime wie Nicht-Muslime auf die
Stellungnahme des Islamischen Zentrum Hamburg, da dort u.a. ein islamischer Geistlicher
aus dem Iran tätig ist. In der Zeitschrift Al-Fadschr Nr. 38 erschien diese
Stellungnahme:
Stellungnahme:
Seit Oktober letzten Jahres finden weltweit Proteste Hunderttausender
in ihren religiösen Gefühlen stark angegriffener Muslime statt, die alle zum Verbot des
blasphemischen Romans 'Die Satanischen Verse' von Salman Rushdie aufrufen. Bei
Zusammenstößen zwischen Polizei und aufgebrachten muslimischen Demonstranten zum
Wochenende in Bombay fanden wieder einige den Tod.
Schon die wenigen in der Bundesrepublik Deutschland erschienenen
Auszüge des Buches lassen keine Zweifel darüber, daß darin Grundsätze und Heiligtümer
einer eine Milliarde zählenden Religionsgemeinschaft mit Füßen getreten werden.
Der islamische Rechtskodex sieht für derartig gezielt artikulierte
Verunglimpfungen bestimmte Maßnahmen vor, unter anderem auch die Todesstrafe. Daß dieser
Umstand im westlichen Ausland mit tiefem Entsetzen aufgenommen wird, legt die Unkenntnis
der hiesigen Gesellschaft von dem über nationale Grenzen hinaus reichenden, stark
ausgeprägten Religionsbewußtsein der Muslime offen.
Aber daß Politiker und Medienmacher erst dann dem Autor Salman Rushdie
im Namen der Meinungsfreiheit zu Hilfe eilen, als Imam Khomeini den islamischen
Rechtsspruch öffentlich ausspricht, macht deutlich, daß sie Politisierung des Vorfalls
wohl einzig und allein der Tatsache dienen dürfte, den Revolutionsführer und die
Islamische Revolution - wie so oft seit ihrem Durchbruch im Iran im Jahre 1979 - in der
Weltöffentlichkeit zu verunglimpfen.
Denn das zur Zeit nur für Christen anrufbare Blasphemiegesetz in
Großbritannien beweist, daß selbst im Westen unter gewissen Umständen die
Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt werden kann, nämlich dann, wenn durch bestimmte
Äußerungen Gedankengut und Wertvorstellungen einzelner bzw. der christlichen
Gemeinschaft in scharfer Form geschändet werden.
Politische Maßnahmen, wie der Abzug westlicher Diplomaten aus dem Iran
können also weder mit dem Hinweis auf Verteidigung elementarer Menschenrechte
argumentiert werden noch mit dem Hinweis auf den Urteilsspruch Imam Khomeinis, der sich
mit seiner Entscheidung lediglich den bereits zu früherem Zeitpunkt von Rechtsgelehrten
anderer muslimischer Rechtsschulen gleichermaßen getroffenen Urteile anschloß.
Vielmehr sind es sich deutlich abzeichnende politische Realitäten in
der islamischen Welt, die Politikern im Westen den Anstoß gaben, gegen Imam Khomeini als
Symbolfigur der aufsteigenden Kraft einer weltweiten islamischen Befreiungsbewegung zu
Felde zu ziehen.
Zusammenfassend möchten wir an dieser Stelle klarstellen, daß Imam
Khomeini - wie es im Westen vielfach dargestellt - weder 'Killerkomandos' entsandt, noch
irgendwelche Kopfgelder ausgesetzt hat und zugleich unserer Hoffnung Ausdruck verleihen,
daß gerade aus Respekt vor religiösen Gefühlen anderer - in diesem Falle ca. einer
Milliarde Muslime - von der weiteren Verbreitung dieses Romans abgesehen wird.
Weder Imam Khomeini noch jeder andere über die Veröffentlichung des
Buches tief verletzte Muslim beabsichtigt mit seinem Protest in irgendeiner Weise einen
'Religionskrieg' zu entfachen. Vielmehr wünschen sich die Muslime aus tiefem Herzen einen
aufrichtig geführten Dialog mit allen anderen nicht-muslimischen Bewohnern dieser Erde,
der sich im gegenseitigen Respekt und Verständnis für die Werte des anderen kundtut.
Islamisches Zentrum Hamburg
Es soll unter euch eine Gemeinschaft sein, die zum Rechten auffordert
und das Gute gebietet und das Böse verwehrt. Diese allein sollen Erfolg haben.
(Heiliger Qur'an 3/104)
Schon vor der Fatwa von Imam Khomeini war Rushdies Buch in Indien,
Pakistan und einigen anderen Ländern verboten. Nach der Fatwa wurde es in allen Ländern
der islamischen Welt sowie auch in zahlreichen nicht-islamischen Ländern verboten.
Fast in jedem islamisch bevölkerten Land kam es zu
Großdemonstrationen gegen Rushdie, sein Buch und seine Unterstützer. Die dabei auch
gerufenen Parolen wie nieder mit den USA und nieder mit dem Zionismus, sind
Ausdruck der Ablehnung von jeglicher Form von Unterdrückung des islamischen Volkes.
Einige Beispiele sollen verdeutlichen, welch großes Ausmaß die weltweiten
Demonstrationen hatten, und wie viele Muslime ihre Verbundenheit mit den islamischen
Werten zum Ausdruck brachten. Daß diese Ausmaße der weltweiten Proteste von den
westlichen Medien verschwiegen oder meist nur am Rande erwähnt wurden, manifestiert in
den Augen der Muslime deren Absicht, Rushdie mit allen, auch manipulatorischen Mitteln zu
decken.
In England war es schon seit Oktober 1988 immer wieder zu
Protestkundgebungen in verschiedenen Städten gekommen. Zentrum des Protestes war Bradford
mit seinen 22 Moscheen und über 60000 Muslimen. Vier Wochen vor der Fatwa von Imam
Khomeini kam es zur öffentlichen Bücherverbrennung in Bradford. Die Berichterstattung
darüber war recht dürftig, und die Proteste der Muslime wurden nie ernst genommen.
Selbst als nach westlichen Angaben über 30000 bis 60000 Muslime in London am 27. Mai 1989
gegen den Verkauf des Buches und für die Vollstreckung des Todesurteil demonstrierten, um
den Skandal der Veröffentlichung nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, kam diese
Meldung lediglich als Randnote bzw. Kurzmeldung in den deutschen Medien. Dabei war die
Demonstration durchaus medienwirksam und sensationell gewesen. Denn tatsächlich waren es
weit mehr als doppelt so viele Demonstranten; manche berichten von 200000 Demonstranten,
die sich für Imam Khomeini und seine Fatwa einsetzten. Der über fünf Kilometer lange
Demonstrationszug bewegte sich von Marble Arch zum Parlamentsgebäude, wo eine Petition an
Premierministerin Thatcher übergeben wurde, in welcher der Rückzug aller Ausgaben des
Rushdie-Romans gefordert wurde. Hunderte Porträts vom Imam Khomeini wurden mitgeführt.
Die Polizei hatte mehrere tausend Kräfte im Einsatz. Auf dem Platz des britischen
Parlaments wurde neben einer Figur, die Rushdie symbolisierte auch die britische und die
US-Flagge angezündet (siehe Kurzmeldung in "Die Welt" 29.5.89). Unter anderen
Umständen wäre dies ein Fressen für die Medien in Deutschland gewesen. Wahrscheinlich
weil diese Demonstrationen bewiesen, daß die Muslime weltweit entschlossen sind, ihr
Recht auf Unantastbarkeit ihrer Würde und der Würde ihres Glaubens zu verteidigen,
wurden die Ereignisse nicht oder nur unzureichend weitergegeben. Das Risiko war zu groß,
daß durch diese Informationen weitere, bisher weniger aktive Muslime aufgeweckt werden
könnten. Am 17. Juni 1989 kam es erneut zu Protesten in Bradford, wobei die britische
Polizei mit aller Härte und Brutalität eingriff.
Die weltweiten Massendemonstrationen waren begleitet von besonderen
Schutzmaßnahmen, die überall für britische Politiker getroffen wurden: Als der
britische Außenminister Howe Ende März 1989 zu einem Kurzbesuch nach Pakistan kam,
mußte allein die Strecke zwischen dem Flughafen in Islamabad und der britischen Botschaft
von 2000 Polizisten bewacht werden. Kurz nach Howes Ankunft explodierte eine Bombe im
britischen Kulturzentrum in Islamabad. Nebenbei soll erwähnt werden, daß es in Pakistan
ein Gesetz gibt, wonach die Beleidigung des Propheten mindestens 2 Jahre Gefängnis und
bei schweren Vergehen die Todesstrafe zur Folge hat. Howe hat es also neben seinem
diplomatischen Status auch der Schwäche der pakistanischen Regierung zu verdanken, daß
er als Unterstützer eines Verbrechens, statt bestraft zu werden, empfangen wurde.
Massendemonstrationen waren aber nicht nur im Ursprungsland der
Aggression gegen den Islam zu verzeichnen. Die größten Proteste gegen Rushdies Buch gab
es in der islamischen Welt nach der Veröffentlichung der Fatwa Imam Khomeinis am 14.
Februar 1989:
Am 22.2.1989 verurteilte der Rat der Geistlichen in Mekka - allerdings
mehr aus Sorge um das eigene Ansehen bei den Muslimen - Rushdie als Ketzer, was nach
islamischem Recht die Todesstrafe zur Folge hat. Am 23.2.1989 meldete Keyhan
International, daß die Führung des islamischen Widerstandes in Palästina sich voll
und ganz hinter die Fatwa Imam Khomeinis stellt. Einen Tag später gab es 8 Tote und 50
Verletzte bei einer Demonstration in Bombay, verursacht durch die wahllos umherschießende
Polizei. Bei einer früheren Demonstration hatte es bereits 2 Tote und Dutzende Verletzte
in Srinigar (Indien) gegeben. Weitere 6 Tote hatten die Demonstranten in Islamabad
(Pakistan) schon zu beklagen. Alles Menschen, deren Leben den westlichen Medien
anscheinend weniger Wert waren als das von Rushdie.
Ebenfalls am 23.2.1989 verlangte der Hohe Islamische Rat Algeriens die
Bestrafung Rushdies. Am 25.2.1989 unterstützten 8000 Muslime in Ankara die Fatwa Imam
Khomeinis, trotz der Gefahr, vom türkischen Geheimdienst identifiziert und später
schikaniert zu werden. Am gleichen Tag liefen Tausende durch die Straßen von Neu-Delhi
und riefen lang lebe Imam Khomeini. Am 26.2.1989 sprach der Führer des Hohen Rats
in Uganda im Radio seine Unterstützung für die Fatwa aus. Die Führung der islamischen
Amal im Libanon sprach ihre bedingungslose Unterstützung des Imam aus. Wiederum am
26.2.1989 brachte der Sprecher der acht Gruppen-Allianz von Afghanistan Muhammad Karim
Khalili die volle Unterstützung der Muslime in Afghanistan für die Entscheidung Imam
Khomeinis zum Ausdruck. Am 4.3.1989 kam es in allen großen Städten Tansanias zu
Massenkundgebungen. Tansanias Staatsminister im Präsidial-Büro Hassan Diria sprach
davon, daß "der Roman den Frieden gefährdet". Vom gleichen Tag stammen
die Meldungen von Demonstrationen in Ägypten, Sri Lanka und Gabun, während die
Organisation Dschihadi Islami von Algerien gleichzeitig zu Demonstrationen aufrief. Im
Sudan gab es eine Massenkundgebung vor der britischen Botschaft in Khartoum; das Buch
wurde im Land verboten. Am 18.3.1989 erteilte Indonesien ein Einfuhrverbot für den Roman.
Der Rat der indonesischen Moscheen solidarisierte sich mit Imam Khomeini und seiner Fatwa.
In Singapur kam es zum Verbot des Buches trotz nur 15% Muslimen im Lande. In
Bangladesch wurde am 21.3.1989 ein Aufruf muslimischer Führer und religiöser Parteien zu
einem sechsstündigen Proteststreik gegen den britischen Autor Salman Rushdie weitgehend
befolgt. In der Hauptstadt Dhaka und weiteren Städten wurde das öffentliche Leben
lahmgelegt. Durch die Straßen Dhakas zogen kleine Gruppen von Menschen, die Rushdies
Hinrichtung forderten (kleine Meldung in "Die Welt" 22.3.1989). Bereits am
8.3.1989 war es zu Demonstrationen mit an die 10000 Teilnehmer in Dhaka gekommen.
Daß es insbesondere in den feudalistisch regierten arabischen Ländern
nicht zu großen Protestaktionen kam, lag an der rigorosen Nachrichtensperre in diesen
Ländern. Die Könige und Prinzen mußten schließlich fürchten, daß sich die Unruhen
gegen Rushdie zu Aufständen gegen ihre eigenen despotischen Regime ausweiten konnten.
Auch in den westlichen Ländern mit islamischer Minderheit wurde
demonstriert: Am 26.2.1989 gingen mehrere Tausend Muslime in Kopenhagen auf die Straßen
und forderten die Bestrafung Rushdies. Über zehntausend Muslime vor dem New Yorker
Verlagshaus von Viking Press verlangten das Verbot des Rushdie-Buches und ebenfalls die
Vollstreckung der Fatwa Imam Khomeinis. In Holland waren mehrere Tausend Demonstranten in
Rotterdam auf der Straße und nahezu 10000 in Den Haag. Am 4.3.1989 wurden Demonstrationen
aus Frankreich gemeldet. Am gleichen Tag wurden weit über 10000 Demonstranten in Bonn
gezählt; die bisher größte Demonstration von Muslimen in Deutschland. In Spanien wurden
die Proteste von der Islamischen Gemeinschaft in Soya organisiert. In Bulgarien wurde das
Buch vorsorglich verboten, um Ausschreitungen der Muslime, die ohnehin ständig gegen ihre
Diskriminierung protestieren, nicht zusätzlich zu provozieren.
Einen Tag nach dem Besuch vom damaligen Staatspräsidenten Ayatollah
Chamene'i in China kam es am 12.5.1989 in Peking zu einer Großdemonstration als direkte
Folge der Rushdie-Affaire. Die Demonstration richtete sich dabei gegen ein in China
verbreitetes sogenanntes Aufklärungsbuch, in dem das angebliche Sexualverhalten der
Völker der Welt beschrieben wird. In dem Buch heißt es, die Pilgerfahrt von Muslimen
nach Mekka habe den Zweck, an Grausamkeiten teilzunehmen, und die Türme von Moscheen
seien Symbole menschlicher Geschlechtsteile (Weser Kurier 13.5.1989). Nach der
Demonstration kündigte das chinesische Parteikomitee ein Verbot des Buches an. Die
Demonstranten hatten auf ihren Plakaten die Bestrafung des chinesischen Rushdie
gefordert.
Selbst in Ländern mit relativ kleinem muslimischen Bevölkerungsanteil
wurde gegen Rushdie demonstriert: Am 26.3.1989 standen Muslime vor der britischen
Botschaft in Tokio und verlangten das weltweite Verbot der "Satanischen
Verse". Japans Islamisches Zentrum mit 100000 Mitgliedern riet japanischen
Verlagen von einer Übersetzung ab. Am 27.2.1989 wurden Demonstrationen in Griechenland
gemeldet.
Die Demonstrationen in der Islamischen Republik Iran aber übertrafen
alle anderen Kundgebungen. Allein in Teheran waren Millionen auf der Straße. Bereits
einen Tag nach Verkündung der Fatwa waren über 10000 Demonstranten vor der damals noch
nicht geschlossenen britischen Botschaft in Teheran, und das bei sehr naßkaltem Wetter.
Im Gelehrten-Zentrum Qum ging am 26.2.1989 nahezu die gesamte Bevölkerung der Stadt auf
die Straße und demonstrierte ihre Verbundenheit mit Imam Khomeini und seiner Fatwa.
Zahlreiche Staatsmänner und Geistliche auf der ganzen Welt äußerten
ihre Verachtung gegen das Buch Rushdies: Am 25.2.1989 teilte Maulana Muhammad Hussain
Naemi, Mitglied des Islamischen Waisenrats in Pakistan, seine Unterstützung für Imam
Khomeini mit. Der einzige Brite asiatischer Herkunft im britischen Senat, Nawab Jahangir
Shah Jogezai, sprach sich für ein Verbot des Buches aus. Am 4.3.1989 wurde gemeldet, daß
sich der Freitags-Imam der Zentral Moschee von Freetown in Sierra Leone sowie der
Freitags-Imam von Sydney voll und ganz hinter das Urteil gegen Rushdie gestellt haben. In
Indien unterschrieben 125 Mitglieder des Parlaments eine Resolution, welche die
Demonstrationen der Muslime in Indien unterstützten. Der Innenminister Indiens
Shahabuddin sagte zu Rushdies Veröffentlichung: "Keine zivilisierte Gesellschaft
sollte es zulassen". Oberst Ghadhafi aus Libyen hatte bereits vorher das Buch
verurteilt. Am 8.3.1989 hatte der Premier Nigers Mamane Oumarou das Todesurteil gegen
Rushdie unterstützt, genau wie die muslimische Jugend Zimbabwes und Religiöse Führer
Kashmirs. Am 25.3.1989 ordnete Nigerias Präsident General Ibrahim Babangida persönlich
das Verbot des Buches an. Bereits Wochen vorher hatte Zambias Präsident Kenneth Kaunda
das gleiche getan. In Kenia mit einem muslimischen Bevölkerungsanteil von weniger als 10%
forderte James Njiru, Minister für nationale Führung und politische Angelegenheiten, das
Verbot des Buches.
Selbst ein Kenan Evren - Staatspräsident mit der Intention die Türkei
in die EG zu führen - mußte das Buch im eigenen Land unter dem Druck der Muslime
verbieten. Gleichzeitig mußte er mitanhören, wie offen darüber diskutiert wurde, auch
bei einer EG-Mitgliedschaft der Türkei in solch einem Fall nicht den Botschafter aus
Teheran zurückzuziehen, und sich damit gegen die einheitliche Entscheidung der übrigen
EG-Staaten zu stellen.
Neuseelands Premierminister David Lange mußte sich Kritik von Seiten
der Briten und einiger Europäer anhören, weil er nicht in den Chor der Verurteilung des
Todesurteils einstimmen wollte. Belgiens Innenministerium hat eine öffentliche Lesung der
"Satanischen Verse" in einem Brüsseler Vorort mit hohem muslimischen
Bevölkerungsanteil verboten. Der Innenminister Lovis Tobback begründete die Maßnahme
mit der explosiven Gefahr der Provokation.
Die oben wiedergegebenen Nachrichten sind nur ein Auszug aus der
großen Zahl der Ereignisse. Aber um bei der Wurzel beginnend die weltweiten Proteste der
Muslime besser nachvollziehen zu können, muß man sich den Umfang des allseitigen
Krieges, der gegen die Heiligkeiten der Muslime geführt wird, verdeutlichen. Dazu sei im
Folgenden noch ein aktuelles Beispiel aufgezeigt:
Die Zionisten, die seit zwei Jahren die muslimische Bevölkerung,
zumeist unschuldige Kinder und Frauen im besetzten Palästina tagtäglich ermorden, haben
ihre Kriegsführung gegenüber allem, was für die Muslime heilig ist, ausgedehnt.
Neuerdings haben sie begonnen, die erste islamische Gebetsrichtung, die heilige
Al-Aqsa-Moschee, zu vernichten: Es sollen jüdische Kultstätten aus der Zeit König
Salomos ( ) am Platz der heiligen Al-Aqsa-Moschee errichtet werden.
Es ist zur bitteren Ironie unseres Zeitalters geworden, daß die
erzwungenen Reaktionen entrechteter Muslime, die mit allen Mitteln schikaniert, bekämpft
und terrorisiert werden, in den weltweiten Massenmedien verächtlich gemacht werden, daß
aber gleichzeitig die Ursachen dieser Reaktionen unerwähnt bleiben; man tötet die
Muslime, doch sie dürfen nicht einmal schreien! Sie werden entwürdigt und beleidigt, ihr
Unmut und Ärger wird verboten! Die Machthaber der Welt lassen nicht zu, daß die Muslime
ihre islamischen Werte pflegen, um nach ihrer Religion frei leben zu können, und sie
dürfen sich nicht einmal darüber beklagen! Sind das nicht Tragödien der Menschlichkeit
in der zivilisierten Welt?
Bezüglich der Rushdie-Affaire konnte eines auch nicht-islamischen
Beobachtern nicht verborgen bleiben: In den letzten Jahrhunderten gab es nichts, was die
Muslime sich weltweit derart vereinigen ließ, wie diese historische Fatwa. Gott hat Imam
Khomeini mit dieser Fatwa ein sehr großes, vielleicht sein größtes Geschenk gemacht,
bevor Er ihn zu sich zurückholte. Gott krönte Imam Khomeinis Ansehen am Ende seines
Lebensweges und erfüllte ihm einen seiner größten Wünsche auf Erden, nämlich daß
alle Muslime der Welt, unabhängig von ihrer Herkunft, gemeinsam für die Sache des Islam
eintreten. Genau den Beginn eines derartig weltweiten Zusammenschlusses der Muslime durfte
er selber noch miterleben. Viele Muslime jedenfalls sind Gott sehr dankbar für diesen
großartigen Menschen und beten dafür, daß alle göttlichen Gnaden und Segnungen in
aller Ewigkeit Imam Khomeini begleiten.
Imam Khomeini bezeichnete sich selber immer nur als einen Diener der
Muslime und Student des Islam. Er hat ein Leben lang den Muslimen um Gottes Willen gedient
und ihnen mit seiner letzten Fatwa den größten Dienst erwiesen.
Ohne Zweifel hat Gott die Menschheit nicht umsonst erschaffen und Er
hat sie nicht sich selbst überlassen.
(Imam Mahdi ( ))
Das Todesurteil gegen Salman Rushdie wurde drei Tage nach den
imposanten Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der Islamischen Revolution im Iran gefällt.
Waren bereits zu diesen Feierlichkeiten mehrere Millionen Demonstranten auf den Straßen
iranischer Städte zu sehen gewesen, die ihre Verbundenheit mit der Islamischen Republik
und der Regierung im Iran zum Ausdruck brachten, so wurden bei Demonstrationen gegen
Rushdie erneut die Straßen gefüllt. Das Volk dokumentierte in einer eindrucksvollen Art
und Weise, wie sehr die Entscheidung des Imam vom Volk getragen wird. Für keinen
Politiker der Welt, weder im Westen noch im Osten, gehen so viele Menschen auf die
Straße, um seine im Ausland kritisierte Entscheidung voll und ganz zu unterstützen.
Diese tiefe Verwurzelung der islamischen Weltanschauung im muslimischen Volk des Iran sind
die Grundlage für die Revolution und für zehn Jahre auf drittem Weg, wie eine
Zeitung es nannte (Die Welt 10.2.89). Dritter Weg paßt deswegen gut, weil die
Islamische Republik Iran mit ihrer Einstellung weder Ost noch West innerhalb
kürzester Zeit zum Sprecher und zur Hoffnung der entrechteten Völker der sogenannten
dritten Welt geworden ist. Da es nach westlichem Verständnis nur drei Welten gibt,
könnte auch von der letzten Welt gesprochen werden. Damit sind die Letzten, die
Unterdrückten und Ausgebeuteten, die Hungernden und Verfolgten gemeint. Die islamische
Regierung des Iran führt ein Modell vor, welches gestützt auf das Volk seinen eigenen
Weg bestimmen kann und damit frei und unabhängig von den Großmächten ist.
Zum zehnten Jahrestag, aber auch schon vorher, wurde eine Bilanz über
die vergangenen Jahre gezogen. Im Grunde waren es zwei Bilanzen: Die eine Bilanz verglich
die Errungenschaften der Revolution mit den Zuständen vor der Revolution. Diese Bilanz
fiel prächtig aus, denn die Muslime hatten innenpolitisch endlich erreicht, die von ihnen
geliebten islamischen Gesetze einzuführen. Trotz größter Bedrängnis und Repression aus
Ost und West war es gelungen, völlig unverschuldet zu bleiben und die Landwirtschaft
anzukurbeln. Neben der eigenen sehr rasch wachsenden Bevölkerung wurden u.a. auch weit
über 2 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan und 1 Million aus dem Irak versorgt;
Zahlen, die verglichen mit Asylanten in Deutschland, einschließlich der Übersiedler aus
der DDR, geradezu astronomisch sind. Die Bildung der Bevölkerung wurde sprunghaft
gesteigert und die Zahl der Analphabeten drastisch gesenkt. All diese Errungenschaften
wurden dazu in einer Zeit des auferlegten Krieges und politischen und wirtschaftlichen
Schikanen der Großmächte erreicht. Auch im Ausland waren die Auswirkungen der
islamischen Revolution deutlich vernehmbar. Der immer stärker werdende Befreiungskampf
der muslimischen Palästinenser, der Machtzuwachs der Muslime im Libanon, der Rauswurf der
Sowjets aus Afghanistan, sporadische Aufstände mit teilweise revolutionärem Charakter
gegen fast alle arabischen Regime, sowie die Aufstände in fast allen islamischen
Sowjetrepubliken gegen die kommunistische Herrschaft waren und sind außenpolitische
Früchte des inzwischen fest verwurzelten islamischen Baums im Iran.
Aber es gab auch eine zweite Bilanz. Diese Bilanz verglich die
Errungenschaften der Revolution mit den hohen Idealen des Islam und den damit angestrebten
Zielen. Diese Bilanz mußte im gegenwärtigen Stadium zwangsläufig schlecht ausfallen.
Denn es war nicht möglich, aus einer jahrhundertelang von nicht-islamischen Kräften
beeinflußten Gesellschaft innerhalb eines Jahrzehntes eine ideale Gesellschaft mit
idealen islamischen Bedingungen zu schaffen. Nach zehn Jahren islamischer Revolution
bestand lediglich die Hoffnung, daß der erste Ansatz in Richtung einer idealen
islamischen Gesellschaft aufgestellt war, indem zukunftsweisende Richtungsperspektiven
vorgelegt wurden. Diese Ansätze waren unzweifelhaft vorhanden. Imam Khomeini selbst
drückte diese Tatsache in seinem Testament aus: Ich habe niemals gesagt und werde das
auch heute nicht tun, daß in dieser Republik der große Islam mit allen seinen Aspekten
vollkommen ausgeführt wird, und daß es keine dummen und aufrührerischen Individuen
gibt, die sich nicht gemäß dem islamischen Gesetz verhalten. Ich sage aber in aller
Offenheit, daß Legislative, Judikative und Exekutive sich darum bemühen, dieses Land zu
einem islamischen Land zu machen (IRNA Bonn Bulletin 13/89).
Obwohl die Fatwa Imam Khomeinis nichts mit der Innenpolitik zu tun
hatte, hinterließ sie naturgemäß auch ihre Spuren auf der inneren Situation im Iran.
Diejenigen Kräfte, die eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen geplant und
gewünscht hatten, waren nach der Rushdie-Affaire ganz und gar enttäuscht und
unzufrieden. Die widersprüchlichen Reaktionen dieser Kräfte auf die Rushdie-Affaire
warfen die Frage auf, wie es nach der Zeit von Imam Khomeini weitergehen sollte. Während
der Westen bis vor kurzem noch darüber rätselte, ob eine gemäßigte dem Westen zugetane
Haltung sich nach Imam Khomeini im Iran durchsetzen könne, wurde mit der Fatwa ein
deutliches Signal auf der Linie des reinen unverfälschten Islam gesetzt. Durch die
Rushdie-Affaire wurde es noch deutlicher: Die islamische Revolution hatte nicht im
geringsten an ihrer revolutionären Kraft eingebüßt. Im Gegenteil war sie so jung wie am
Anfang und so gefestigt, auch schwierige Entwicklungsprozesse durchzustehen. Eines der
schwierigsten Entwicklungsprozesse war der Rücktritt von Ayatollah Montezari als
designierter Nachfolger Imam Khomeinis. Zwar galt Ayatollah Montezari als ein großer
islamischer Gelehrter, doch seine Führungsschwäche im Zusammenhang mit der Weltpolitik
hatte schon einige Male dazu geführt, daß er durch die Manipulation der ihm vertrauten
zwielichtigen Personen zu Widersprüchen zu den Zielen der islamischen Revolution und
seiner eigenen früheren Meinung verleitet wurde. Und das konnte ihn u.a.
disqualifizieren, Imam der islamischen Gesellschaft zu werden, was er dann selbst auch
erkannte. Er zog für sich daraus die Konsequenz zurückzutreten. Sein Rücktritt hatte
gleichzeitig zur Folge, daß viele sogenannte gemäßigte Politiker an Einfluß verloren.
Als gemäßigt werden im Westen im Allgemeinen Politiker genannt, welche den
westlichen Interessen in gewisser Weise nachgehen. Mit dem Rücktritt Ayatollah Montezaris
zerplatzte auch die letzte Hoffnung des Westens, in der Nachfolgeschaft Imam Khomeinis
wieder an Einfluß im Iran zu gewinnen.
Für den Westen gab es im Iran nichts mehr zu holen, außer bestenfalls
einige Aufträge für die Wirtschaft, auch nach Imam Khomeini. Diese Erkenntnis ist wohl
die bitterste aller Erkenntnisse, die der Westen in Bezug auf den Iran durch die
Rushdie-Affaire gewonnen hat.
Kein Tod eines Gläubigen erfreut Satan mehr als der Tod eines
Gelehrten
(Imam Dschafar as-Sadeq ( ))
Wer nach Imam Khomeinis Rückkehr zu Gott gehofft hatte, ein westlich
orientierter Politiker bzw. Geistlicher würde die Szene betreten, hatte vergeblich
gehofft. Entgegen allen Erwartungen der in Sachen Iran stets fehlinformierten westlichen
Quellen, wurde Ayatollah Seyyed Ali Chamene'i zum Nachfolger von Imam Khomeini gewählt.
Eigentlich war es den westlichen Medien egal, wer Nachfolger werden
würde. Fest stand bereits vorher, daß man den Nachfolger mit allen nur erdenklichen
Methoden als bedeutungs- und machtlose Person darstellen wollte. Schon gleich nach seiner
Ernennung galt Ayatollah Chamene'i im Westen als schwache Persönlichkeit ohne
politische Hausmacht sowie als Übergangslösung. Am meisten griffen die
westlichen Medien den angeblich niedrigen religiösen Rang Ayatollah Chamene'is an und
billigten ihm anfangs nur politische aber keine geistliche Führung zu, um ihm später,
nach der Wahl des neuen Staatspräsidenten Rafsandjani, nur geistliche aber keine
politische Führung zuzugestehen.
Tatsache aber ist, daß Ayatollah Chamene'i die gleiche Position
erhielt, wie sie Imam Khomeini auch hatte. Er wurde zum obersten Führer der Islamischen
Revolution und der Islamischen Republik Iran gewählt. Es ist lediglich Ayatollah
Chamene'is großer Bescheidenheit zuzuschreiben, daß er von den westlichen Medien, die
sich eher von dem protzigen Auftreten von schauspielenden Politikern beeindrucken lassen,
so unterschätzt wurde. Imam Khomeini selbst war es, der bereits mehrfach seinen Schüler
Ayatollah Chamene'i vor allen anderen ausgezeichnet hatte. So hatte er ihn bereits vorher
sinngemäß als nachahmungswerten Kenner des Islam mit der Fähigkeit der eigenständigen
Rechtsfindung und tapfere Persönlichkeit, mit der Fähigkeit die Revolution zu führen,
bezeichnet. Daneben spielte Ayatollah Chamene'is früherer Titel Hojjat-ul-Islam hierbei
genauso wenig eine Rolle, wie seine spätere Aufwertung zum Ayatollah. Imam Khomeini hatte
ihn bereits viel höher eingestuft! Dennoch hätte sich Ayatollah Chamene'i niemals
angemaßt, so lange sein geliebter Imam lebte, eine Fatwa zu verfassen: Das gebührte nur
seinem Imam, dessen treuer Gefolgsmann und Berater er war. Ayatollah Chamene'i verstand
sich selbst immer nur als einfacher Schüler von Imam Khomeini.
Imam Khomeini hatte seinen Lieblingsschüler mehrfach geprüft. Was im
Westen als Meinungsverschiedenheit zwischen dem Imam und Ayatollah Chamene'i gedeutet und
bei jeder Gelegenheit publiziert wurde, war nichts anderes als die Prüfung des Schülers
durch seinen Lehrer, dessen Platz er eines Tages einnehmen sollte. Dafür, daß Imam
Khomeini Ayatollah Chamene'i selber gerne als Wunschkandidat für seine Nachfolgeschaft
gesehen hätte, sprechen viele seiner für Nicht-Muslime kaum erkennbaren Ehrungen von
Ayatollah Chamene'i:
Bei einer Einladung zum Fastenbrechen im heiligen Monat Ramadan hatte
Imam Khomeini seine gesamte Nachbarschaft in sein bescheidenes Haus eingeladen. Auch
Ayatollah Chamene'i war anwesend. Nach dem gemeinsamen von Imam Khomeini geleiteten Gebet
gingen alle in einen Raum, wo auf dem Boden Tischdecken ausgebreitet waren. Alle standen
um die Decken und warteten bis Imam Khomeini kam, damit dieser sich als erster setzen und
das Essen eröffnen konnte. In dem Moment wurde Ayatollah Chamene'i im Gebetsraum
kurzzeitig aufgehalten. Imam Khomeini seinerseits blieb stehen, bis endlich Ayatollah
Chamene'i neben dem Imam eintraf. Erst dann setzte sich Imam Khomeini. Die Szene wurde
1986 im iranischen Fernsehen übertragen.
Bei einer anderen Gelegenheit sprach Imam Khomeini für seinen Schüler
in dessen Anwesenheit eine Segnung, die er sonst meistens nur für den Propheten oder die
Imame aussprach. Ein bereits vor Jahren kleiner Hinweis für die Muslime von Imam
Khomeini.
Nach dem Rücktritt von Ayatollah Montezari kam eine Delegation des
Experten-Parlaments, darunter der heutige Staatspräsident Rafsandjani, zu Imam Khomeini
und fragte ihn besorgt, wie es denn nun nach ihm weitergehen sollte. Die Parlamentarier
fühlten sich in einer schwierigen Situation. Imam Khomeini beruhigte sie und wies darauf
hin, daß es genügend fähige Personen gäbe, die Führung der Revolution zu übernehmen.
Als die Parlamentarier dann fragten "Wer zum Beispiel?", erhielten sie
die Antwort: "Sie haben doch Herrn Chamene'i unter sich".
Nach Angaben von Ayatollah Khaz'ali, Mitglied des Wächterrates, hatte
Imam Khomeini allein in letzter Zeit dreimal angedeutet, er halte Ayatollah Chamenei für
einen geeigneten Nachfolger.
In Anwesenheit seines Sohnes, Hojjat-ul-Islam Ahmad Khomeini, hatte der
Imam während der Ostasien-Reise von Präsident Chamene'i erklärt, "er (Ayatollah
Chamene'i) ist der Führung würdig".
Ayatollah Chamene'i selbst wehrte sich nach dem Tode Imam Khomeinis
gegen den Vorschlag, Nachfolger des großen Imam zu werden. Erst als die anderen Gelehrten
des Expertenparlaments beteuerten, daß diese Nachfolgschaft auch der Wunsch Imam
Khomeinis gewesen sei, fügte sich Ayatollah Chamene'i der großen Verantwortung, die
Führung der islamischen Revolution im Dienste der Muslime zu übernehmen und akzeptierte
die Wahl.
Es darf auch nicht übersehen werden, daß Ayatollah Chamene'i neun
Jahre lang der Freitags-Imam von Teheran war. Beim Volk erfreut er sich großen Ansehens.
Nach der Annahme der UN-Resolution 598 und der damit verbundenen sofortigen Annahme des
Waffenstillstandes durch den Iran griff die irakische Armee unverzüglich und mit aller
Härte wieder an und besetzte weite Gebiete des Iran. Und als in dieser kritischen
Situation an der Südfront auch die US-Amerikaner wieder einmal direkt in das
Kriegsgeschehen eingegriffen hatten, ließ Ayatollah Chamene'i all seine nun weniger
wichtig gewordenen Aufgaben liegen, um selber an der Front für den Islam mitzukämpfen
und, wenn es sein mußte, auch mitzusterben. Dadurch, daß er als geliebtes Vorbild des
Volkes selber an die Front ging, wurden noch einmal viele Muslime zum Verteidigungskampf
motiviert. So gelang es, den irakischen Aggressor, der trotz der Annahme des
Waffenstillstandes erneut iranische Grenzterritorien besetzt hatte, zum größten Teil und
schnell zurückzuwerfen.
Ayatollah Chamene'i bewies mit seinem Einsatz an der Front seine
Bereitschaft zum Kampf auf Gottes Weg, genau wie bei seinem monatelangen Einsatz an der
Front zu Beginn des Krieges. Selbst seinen Turban, Symbol der hohen Würde des
Geistlichen, hatte er abgelegt, um als einfacher Soldat an der Front des Islam
mitzukämpfen.
Zweimal bereits hatte Gott offensichtlich Ayatollah Chamene'is Leben
gegen Bombenattentate iranischer Terrorgruppen geschützt, wobei allerdings beim ersten
Mal sein rechter Arm zum Teil gelähmt wurde. Er weigerte sich jedoch, gegen die
Empfehlung der einheimische Ärzte, seine schwere Verletzung im Ausland behandeln zu
lassen. Er wollte sich keinen Deut über das tapfere Volk stellen, dessen Kriegsverwundete
bis auf Ausnahmen von den eigenen Ärzten und der eigenen medizinischen Technik versorgt
werden mußten. Selbst diese Terrororganisationen, die Feinde des Islam und der
Islamischen Revolution, hatten schon erkannt, welch wertvolle Person Ayatollah Chamene'i
darstellt. Es ist jedoch selbstverständlich, daß wenn gerade diese Feinde die westlichen
Medien mit lauter Fehlinformationen füttern, kein objektives Bild der Islamischen
Republik in der Weltöffentlichkeit entstehen kann. Und auch so ist die enorme Diskrepanz
zwischen westlicher Berichterstattung und der Realität im islamischen Iran zu erklären.
Jedenfalls kann es Ayatollah Chamene'i und der Islamischen Revolution nicht schaden, wenn
sie von der westlichen Welt unterschätzt werden.
Für Rushdie aber änderte sich mit dem neuen Revolutionsführer
nichts. Sogenannte Iran-Kenner beteuerten zwar, daß Khomeinis Todesurteil gegen Salman
Rushdie als aufgehoben angesehen werden und nicht mehr vollstreckt werden muß (Amir
Taheri in "Die Welt" 7.6.89), aber die Aussagen mehrerer Verantwortlicher aus
der Islamischen Republik Iran beweisen das Gegenteil!
Ayatollah Chamene'i war es, der bei seiner Jugoslawienreise, wo er von
begeisterten Muslimen empfangen wurde, angesprochen auf das Todesurteil gegen Rushdie,
gesagt hatte: "Der Todespfeil ist abgeschossen und geht unbeirrbar auf sein Ziel
zu." Auch bei seinem China-Besuch Anfang Mai bekräftigte er: "Die Kugel
ist abgeschossen, sie trägt seinen Namen und wird früher oder später ihr Ziel
erreichen!" Im übrigen hat Ende Juni 1989 in Moskau der damalige Präsident des
islamischen Parlaments und heutige Staatspräsident Rafsandjani das Todesurteil erneut
bekräftigt. Dieses Mal blieben die europäischen Botschafter allerdings im Iran.
Ein im Islam vom höchsten islamischen Rechtsgelehrten ausgesprochenes
Urteil bleibt so lange gültig, bis ein gleichberechtigter Gelehrter das Urteil widerruft.
Theoretisch könnte allein Ayatollah Chamene'i das Urteil revidieren. Doch gibt es weder
einen Anlaß, noch irgendwelche Anzeichen dafür, daß er so etwas tun wird.
Ayatollah Seyyed Ali Chamene'i ist im Westen hauptsächlich wegen
seiner aufsehenerregenden Rede vor der UNO-Vollversammlung am 22. September 1987
aufgefallen. Große Teile seiner Rede von damals sind auch heute noch aktuell und werden
deshalb im Anhang wiedergegeben.
Wem die Erniedrigung etwas zu lernen zu hoch erscheint, wird für immer
in der Unehre der Unwissenheit bleiben.
(Prophet Muhammad ( ))
Obwohl die aktuelle Lage für den gegenseitigen Respekt der
verschiedenen Kulturen und Religionen auf der Welt sehr pessimistisch erscheint, gibt es
dennoch Hoffnung:
ch weiß es nicht, aber ich meine, wir dürfen die Hoffnung nicht
aufgeben, die Hoffnung darauf, daß sich die Tendenzen in Richtung Frieden und Toleranz
doch noch durchsetzen. ... Solche Toleranz ermöglicht es, daß sich Menschen
unterschiedlicher Religion und Überzeugung für den Frieden und für die grundlegenden
Rechte der Menschen zusammenfinden. Toleranz bedeutet ja nicht die Aufgabe der eigenen
Überzeugung und schon gar nicht das Dulden von Feindseligkeit. Toleranz bedeutet, die
Glaubensentscheidung der anderen zu achten und ihre religiösen Gefühle zu respektieren -
auch im Gebrauch der Meinungsfreiheit.
Das sagte Willy Brandt als Alterspräsident in der konstituierenden
Sitzung des 11. Deutschen Bundestages am 18. Februar 1987 kurz nach der damaligen Rudi
Carell-Affaire.
Die verantwortlichen Politiker, Verleger, Autoren und vor allem die
Medien haben die westlichen Staaten in der Rushdie-Affaire in eine Sackgasse manövriert.
Wenn die Politiker das Buch aufgrund bestehender Gesetze und aufgrund des Einsatzes für
die Menschenwürde verbieten würden, hätten sie die geballten Proteste der Medien zu
fürchten. Nahezu kein Politiker des Westens geht heute das Risiko ein, sich gegen die
Medien zu stellen. Die Medien sind damit zu einem nicht legitimierten Entscheidungsträger
der Politik geworden.
Andererseits ist die deutsche Ausgabe zum kaum kalkulierbaren Verlust
für die deutsche Export-Wirtschaft geworden. Langfristig können damit alle
bundesdeutschen Optionen in islamischen Ländern auf dem Spiel stehen. Vor allem, wenn
davon ausgegangen wird, daß der Despotismus, insbesondere der Feudalstrukturen in vielen
islamischen Ländern früher oder später von islamischen Bewegungen weggefegt wird.
Wie also auch weiterhin verfahren wird, in allen Fällen müssen die
Politiker die Konsequenzen ihres unbedachten anfänglichen Hervorpreschens bereuen. So
gesehen scheint es für sie keinen Ausweg aus dem Dilemma zu geben.
Aber es gäbe auch eine Lösung: Die Besitzer der deutschen Rechte an
Rushdies Buch, wer immer das auch sei, nimmt den durch den Kauf der deutschen Rechte
entstandenen Schaden hin und verzichtet freiwillig aus menschlicher Vernunft darauf, das
Buch weiterhin zu verbreiten. Die im Iran verdienenden deutschen Wirtschaftsunternehmen
könnten den Verlust mittragen.
Die Verfechter der hemmungslosen Freiheit sollten sich einmal
überlegen, wessen Freiheit sie eigentlich schützen wollen. Auf der einen Seite sind die
Millionen von Menschen, die überall auf der Welt gegen Rushdies Buch unaufhörlich
protestieren, auf der anderen Seite stehen lediglich einige sogenannte Intellektuelle des
Westens. Demonstrationen der westlichen Bevölkerungen für Rushdie sind nicht bekannt.
Mit jedem verkauften Exemplar werden Millionen von Menschen beschimpft und beleidigt. Wird
das Buch dagegen verboten, wird lediglich ein Autor in seiner Freiheit, Menschen auch
weiterhin zu beleidigen, eingeschränkt.
Die weltweit eleganteste Lösung wäre für alle Beteiligten, wenn
Rushdie dazu gebracht wird, sein Buch zurückzuziehen. Zwar würde er sich selber damit
wahrscheinlich wenig helfen, aber er könnte damit denjenigen helfen, die ihn heute
ungerechtfertigt verteidigen müssen.
Der ständig wachsende Bevölkerungsanteil der Muslime auf der Welt
macht es früher oder später gerade für die von auswertigen Beziehungen abhängigen
Staaten, wie die Bundesrepublik Deutschland, notwendig, sich intensiver mit dem Islam
auseinanderzusetzen. Das von Genscher zur Zeit stornierte Kulturabkommen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Iran war auf diesem
friedensdienlichen Weg ein erster Schritt.
Nur durch das Verständnis und die aufrichtige gegenseitige Toleranz
wird in Zukunft ein friedvolles Leben der verschiedenen Religionen und Kulturen
nebeneinander möglich sein. So lange die Muslime aber angegriffen werden, so lange
Menschen auf dieser Erde unterdrückt werden, so lange wird es auch notwendig sein,
Maßnahmen gegen derartige Angriffe und gegen Unterdrückung zu treffen. Spätestens seit
der Rushdie-Affaire steht fest, daß nicht die Aggressoren bestimmen können, wie sich die
Angegriffenen zu verteidigen haben.
Die Muslime, das haben sie im letzten Jahrzehnt bewiesen, scheuen keine
Auseinandersetzung mit den Werten des Westens, doch ist es ihr aufrichtiger Wunsch, diese
Auseinandersetzung auf der Basis eines sachlichen Dialogs zu führen.
Diese Abhandlung über Rushdie, "Die Satanischen Verse"
und die Hintergründe und Folgen der Massenbeleidigung soll enden mit einem Vergleich, der
möglicherweise bei den gläubigen Christen als ein Zeichen gedeutet werden und für die
aufrichtigen Wahrheitssuchenden als ein Hinweis dienlich sein kann:
Vor fast zwei Jahrtausenden lebte im heiligsten Gebiet der Erde ein
Mann namens Jesus von Nazareth ( ), Sohn der Maria ( ). Dieser heilige Mann lud die
Menschen zu Gottes Weg ein und forderte sie auf, Buße zu tun und sich zu distanzieren von
den vergangenen Sünden. Diese klare Lehre, die Jesus vermittelte, versetzte die damaligen
Machthaber der Erde in Furcht und Schrecken. Obwohl Jesus ( ), Sohn der Maria ( ) nur
wenige Anhänger hatte, wurde er von den damaligen Großmächten verteufelt. Nicht nur er
selber wurde bekämpft, auch seine Nachfolger und Anhänger waren schlimmsten Verfolgungen
ausgesetzt. Sie galten im ganzen Reich der Mächtigen als extreme Unruhestifter und
Aufständische; mit den heutigen Worten: Religiöse Fanatiker, Fundamentalisten und
Terroristen. Vor riesigen Ansammlungen von einfachen Menschen wurden sie den Löwen
zum Fraß vorgeworfen, und die jubelnde Menge war sich nicht bewußt, daß es sich um
völlig unschuldige Menschen handelte. Die Nachrichten und Informationsquellen des Volkes
wurden kontrolliert von den Machthabern der damaligen Großmächte. Wer kann heute schon
mit Sicherheit behaupten, daß er, hätte er damals gelebt, als sogenannter freier Bürger
Roms nicht auch die Anhänger Jesu für Subjekte gehalten hätte, welche die sich selbst
zivilisiert nennende Welt nicht dulden kann? Auch damals gab es unzählige Dichter, die im
Namen der Freiheit, im Namen der freien Bürger Roms alles mögliche erdichteten, um der
Lehre Jesu zu schaden.
Damals wie heute wurden Götzen angebetet. Der größte Götze der
heutigen Zeit steht in New York und heißt Lady Liberty. Die sogenannte Freiheitsstatue
steht genau wie früher für die Freiheit der Großmacht und ihrer Verbündeten, sich
alles herausnehmen zu können, andere Menschen zu unterdrücken. Die dogmatischen
Verfechter dieser Freiheit haben nie den Grundsatz berücksichtigt, welcher heißt: Die
Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Für sie
galt immer der Grundsatz: Unsere Freiheit ist so groß, wie unsere wirtschaftliche und
politische Macht.
Jesus ( ), Sohn der Maria ( ) hat im heiligen Qur'an den Namen Ruhullah
(Geist Gottes). Ein Mann mit seinem Namen brach in unserem Jahrhundert auf, die
unterdrückten Menschen der armen Welt von den Fesseln der Verschwender zu befreien. Genau
wie vor zwei Jahrtausenden wurde dieser Mensch mit allen nur erdenklichen Methoden von den
Großmächten der Zeit bekämpft. Seine Anhänger wurden in die Arena der Massenmedien
geworfen und ihre Menschlichkeit wurde von den Journalisten zerstückelt. Dichter aller
Welt fanden sich zusammen, um die Lehre aller Propheten, die dieser Mann weitergab, zu
bekämpfen. Der bekannteste dieser Dichter heißt Salman Rushdie.
Als Ruhullah von Nazareth ( ) die Menschen vorerst verlassen mußte,
hatte er nur wenige Anhänger. Sie mußten sich in der Öffentlichkeit meist verstellen,
um den Fortbestand der Gemeinde zu gewährleisten. Es war schon schwer jemanden zu finden,
der wahrhaftige Auskunft über Jesus ( ) geben konnte. Die aufrichtigen Menschen, die sich
nach der Wahrheit sehnten, mußten lange suchen.
Als Ruhullah von Khomein die Menschen verließ, hatte er sehr viele
Anhänger für den letzten Gesandten Gottes Muhammad und die Lehre aller Propheten
gewonnen (Gott segne Muhammad und die Reinen seines Hauses, Gott segne Jesus und seine
Mutter Maria und schenke Imam Khomeini Seinen Frieden). Mit diesem Vergleich ist nicht
beabsichtigt, Imam Khomeini mit dem Heiligen Propheten Jesus ( ) auf die gleiche Stufe zu
stellen, sondern lediglich eine Parallele zwischen den geschichtlichen Umständen und den
gegensätzlichen Positionen der Menschen damals wie heute zu ziehen. Heute haben es die
Menschen trotz Diktat der Massenmedien erheblich leichter, die Geschehnisse auch von der
Seite der Gläubigen zu erfahren, wenn sie danach streben. In fast jedem Land der Erde
gibt es zahlreiche Menschen, die versuchen der Linie des Imam und damit dem eigentlichen
Islam zu folgen. Es gibt einen Sender, die Stimme der Islamischen Republik Iran, der
täglich mehrsprachig, unter anderem auch in Deutsch, sendet. Nicht zuletzt ist es heute
auch viel leichter zu reisen, um sich persönlich vor Ort ein Bild zu machen.
Alle aufrichtigen Menschen sind aufgefordert, sich die Mühe zu machen,
soweit möglich das Leben und Wirken von Imam Ruhullah Al-Musawi Al-Khomeini zu studieren
und die Ereignisse in der islamischen Welt von islamischen Quellen zu erfahren, bevor sie
sich ein Urteil erlauben. Möge Gott der Erhabene, der Gütige und Barmherzige, jeden
Menschen bei seiner aufrichtigen Suche nach Wahrheit recht leiten.
Anmerkung 1
In diesem Buch ist immer wieder das Wort "Westen" gefallen.
Dieses Wort steht für die kapitalistisch orientierte Weltanschauung und deren
Gesellschaftsordnung mit ihrem kulturellen und wirtschafts-politischen Imperialismus,
welche den Menschen verdinglicht und Dinge vergöttert. Manifestiert ist diese
Weltanschauung hauptsächlich in den USA und den Staaten des sogenannten freien Westens
und bei deren treu ergebenen diktatorischen Marionetten, den Herrschern in verschiedenen
Ländern der sogenannten Dritten Welt.
Daß der Osten weniger erwähnt wurde, liegt zum einen daran, daß der
Ostblock im Fall Rushdie grundsätzlich eine zurückhaltende Position einnahm und zum
anderen daran, daß die Weltanschauung des Westens sich ohnehin auch dem Ostblock
aufgezwungen hat, so daß in Zukunft die Gegensätze, die noch existieren, aufgehoben
werden.
Anmerkung 2
Die Namen "Khomeini" und "Chamene'i" beginnen - im
arabischen Alphabet geschrieben - mit dem gleichen Buchstaben. Dennoch werden sie im
ganzen Text verschieden geschrieben, um dem Leser die Unterscheidung zu erleichtern.
Anmerkung 3
Hier endet der Traum des Freundes, der von einem Erzähler
wiedergegeben wurde.
Auszüge aus der Rede von Ex-Staatspräsident Seyyed Ali Chamene'i vor
der UN-Vollversammlung am 22. September 1987:
Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen
O Gott, ich beginne in Deinem Namen und flehe um Deinen Beistand und
Deine Rechtleitung. Mein Leben und Sterben, mein Gebet und all mein Flehen gehören Dir
allein. Verleihe mir eine deutliche und wahrhaftige Rede, daß sie einen Strahl der
Wahrheit zu den Millionen Herzen sendet, die sich so sehr danach sehnen. Mein Gruß und
der meines Volkes gilt den vielen Propheten - insbesondere Abraham, Moses, Jesus und
Muhammad (der Friede sei mit ihnen allen) - die sich mit ganzer Kraft für die Botschaft
der Befreiung und des Bewußtseins einsetzten, um für alle Zeiten die Herzen der reinen
und bewußten Menschen mit Frieden zu erfüllen.
Verehrter Präsident, verehrte Anwesende!
Ich bin der Präsident einer Republik, die sich in einer äußerst
sensiblen und bedeutenden Phase der Geschichte befindet. Gleichzeitig ist sie der
Vorreiter der Ordnung, die eine unvergleichliche Kultur geschaffen hat und sich heute
erneut entfaltet. Ich komme aus Iran, einem Land, über das in letzter Zeit viel geredet
wird, in dem sich aber auch eine der wohl am meisten mißverstandenen Revolutionen unserer
Zeit ereignet hat. Es handelt sich um eine Revolution, die auf der Religion und auf dem
Weg der Propheten, der großen Gottesstreiter in der Menschengeschichte, gründet. Die
geistigen Wurzeln dieser Revolution liegen in der islamischen Weltanschauung der Einheit
(Tauhid). Das Menschenbild, das Geschichtsbild, die Vorstellungen von der Gegenwart,
Umwelt, der Beziehungen des Menschen mit der äußeren Welt, mit anderen Menschen und
Dingen, sein Selbstverständnis, d.h. alles, was eine Wertordnung hervorbringt und das
menschliche Verhalten bestimmt, entspringt eben dieser Weltanschauung.
Nach islamischer Vorstellung ist das Dasein Gottes Schöpfung. Es ist
das Abbild Seiner Allmacht und seines Allwissens und befindet sich in einer ständigen
Bewegung hin zu ihm. Der Mensch gilt als das am höchsten entwickelte Geschöpf, als
Stellvertreter Gottes auf Erden.
Der Mensch kann sich und die Welt aufgrund seiner (göttlichen)
Veranlagung zur schönsten Gestalt entwickeln und mit den beiden Flügeln - Wissen und
Glauben - den höchsten materiellen und spirituellen Gipfel erreichen. Aber ebenso kann er
durch die Unterdrückung dieser Anlagen die Welt zur Hölle des Unrechts und der Dekadenz
verderben lassen. Sein Glaube an den einen Gott und sein Gehorsam gegenüber den
göttlichen Geboten ist ein Licht, das ihn bei seinem Aufstieg leitet. Die Welt ist die
Saat des Jenseits und der Tod nicht das Ende des Lebens, sondern das Tor zur Ewigkeit und
der Anfang eines neuen Bewußtseins.
Im islamischen Weltbild sind alle Menschen Schwestern und Brüder, da
sie alle Gottes Geschöpfe sind. Deshalb wird nicht zwischen Anhängern verschiedener
Rassen, Hautfarben, Abstammungen, Volks- und Stammeszugehörigkeit unterschieden. Niemand
ist aufgrund dieser Faktoren einem anderen überlegen. Alle Menschen sind in ihrem
Menschsein gleich. Gewaltanwendung gegenüber einem Menschen wird deshalb als Gewalt
gegenüber der gesamten Menschheit angesehen...
Das Gefühl der Überlegenheit und Arroganz hat einen Bruder gegen den
anderen aufgebracht. Das Blut ist seither niemals versiegt. Dieselben Motive haben Ströme
des Blutes fließen lassen und endeten schließlich in Seen, hervorgerufen von denen, die
nach Überlegenheit trachten, und den Opfern dieser Überheblichkeit. Die Propheten haben
die Menschen eingeladen, sich Gott hinzugeben. Nur dies beseitigt das Gefühl des
Egozentrismus im Menschen und sein Überlegenheitsgefühl. Es eröffnet ihm die Reinheit
und Seelenruhe eines Paradieses auf Erden vor dem kommenden im Jenseits. Die Propheten
überzeugten die Menschen, ihre Neigungen der Arroganz und Überheblichkeit gegenüber
anderen zu bändigen. Sie warnten davor, das menschliche Potential zu verschwenden und in
moralische Dekadenz abzugleiten. Sie eröffneten Quellen der Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit,
Liebe, Aktivität, (Quellen) des Wissens und Bewußtseins und stellten die Liebe Gottes
und seine Barmherzigkeit gegenüber der Schöpfung heraus, die die einzige Versicherung
des Menschen vor der Verirrung und Garantie der Vervollkommnung seiner Seele sei.
Die Propheten haben die Menschen gelehrt, in sich Güte,
Wahrhaftigkeit, Liebe, Wissen und Bewußtsein zu entwickeln und ihr Inneres vor
Unwissenheit, Ungerechtigkeit und Schändlichkeit zu bewahren. Die Menschen sollen
aufstehen, um die Gerechtigkeit zu verwirklichen. Sie sollen weder andere unterdrücken
noch sich selbst unterdrücken lassen. Sich den Gegnern der Wahrheit, der Gerechtigkeit
und des Friedens zu unterwerfen, würde den Untergang dieser Werte bedeuten und käme
einer Anerkennung der Unterdrückung, Ungerechtigkeit und des Unfriedens gleich.
Aus islamischer Sicht verleiht die Religion dem menschlichen Leben
Gestalt und begründet eine Gesellschaftsordnung. Die Religion wird nicht als bloße
Aneinanderreihung bestimmter religiöser Riten und Gebräuche verstanden, wenngleich die
Riten als Ausdrucksformen des Geistes auf die zugrundeliegende religiöse
Gesellschaftsordnung hinwirken.
Die ganzheitliche Anschauung vom Menschen und von der Welt erzeugt
Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Selbstbewußtsein, Standhaftigkeit gegenüber
gesellschaftlichen Verirrungen, Gemeinwohl vor Eigennutz, Gottesgedenken, Ablehnung
ungerechter Herrschaft, edlen Charakter, Integrität in Gesellschaft, Beruf und Politik
und lehnt andererseits alle Ordnungen ab, die auf Gewalt und Unterdrückung beruhen und
Unrecht, Unwissenheit, Ausbeutung, Gewalt, Diskriminierung aufgrund von Rasse,
Nationalität, Sprache, Kultur usw. erzeugen. Gegen Ordnungen und Gruppen, die die
islamische Ordnung gewaltsam angreifen, erlaubt der Islam der muslimischen Gemeinschaft
sich zur Wehr zu setzen, wenngleich er mit allen anderen Menschen - seien es
Seinesgleichen oder nicht - ein friedliches Zusammenleben anstrebt.
Mit einer solchen Grundlage und einem solchen Ziel ist die islamische
Revolution angetreten und hat die Islamische Republik hervorgebracht. Viele Zeitgenossen
haben sich in der Beurteilung der islamischen Revolution vom Februar 1979 geirrt, was auf
die Unzulänglichkeit der in der Welt herrschenden Systeme und auf die Leere ihrer Parolen
wie 'Freiheit, Gleichheit und Demokratie' zurückzuführen ist. Der Islam konnte nach
einem jahrhundertelangen Dämmerzustand erneut aufleuchten, was im Iran einen wahrhaften
Sturm entfachte, mit dem sicherlich auch in anderen Ländern zu rechnen sein wird. Die
islamische Bewegung, die sich heute in zahlreichen Ländern verzeichnen läßt, ist im
Gegensatz zu dem, was darüber verbreitet worden ist, kein Sprößling der islamischen
Revolution im Iran, sie ist vielmehr ihr Bruder.
Iran liegt an einem der strategisch bedeutendsten Punkte der Erde,
blickt auf eine große kulturelle Vergangenheit zurück und besitzt nicht geringe
Bodenschätze. In dieser Situation hat sich die islamische Revolution gegen ein Regime
erhoben, das alle diese Reichtümer in den Dienst fremder Mächte und in den letzten 25
Jahren besonders in den Dienst der USA gestellt hat. Keiner als das iranische Volk selbst
war jedoch mehr auf diese Reichtümer angewiesen, die ihm vorenthalten wurden. Die
lauthalsen Parolen der Vertreter des früheren Regimes waren alle falsch und trügerisch.
Obwohl die westlichen Medien - insbesondere die von Zionisten abhängigen Medien - die
Herrschaft des Schahs in den schillerndsten Farben ausmalten, setzte sich dennoch am Ende
die islamische Revolution gegen dieses Regime durch.
...
Über unsere Revolution, ihre Grundlagen und unsere Ansichten ist in
ungewöhnlicher Weise viel Falsches und Widersprüchliches gesagt worden. In unserer
Revolution gibt es einige Besonderheiten, die sie als Ausnahme gegenüber anderen
Revolutionen erscheinen läßt. Auf diese Punkte will ich nun eingehen und anschließend
zu meiner Botschaft kommen:
Die islamische Revolution war von Anbeginn eine Revolution des Volkes.
Keine Gruppe, keine politische Partei und kein Offizierskader, die in anderen Ländern
eine Revolution hervorbringen, spielte hier eine Rolle. Es war nur das Volk (und zwar
völlig ohne Waffen!"), das in Teheran und anderen Städten auf die Straße ging
und mit seinem Auftreten und seinen Aussagen keinen Raum mehr für den Herrscher und sein
Regime ließ. Nach und nach waren die Vertreter des Regimes gezwungen, ihre Paläste,
Ministerien und schließlich das Land zu verlassen: der Schah, der Präsident, die
Generäle, Minister usw. mußten trotz all ihrer Bemühungen die Flucht vor dem Volk
ergreifen.
Vorher hatte das Schah-Regime mehr als ein Jahr mit allen Mitteln -
Militär, Polizei, Politik - versucht, das Volk zu spalten und es in ihre Häuser und an
ihre Arbeitsplätze zurückzubringen. In dieser Zeit wurden tausende Menschen in aller
Öffentlichkeit, auf den Straßen, in den Moscheen, den Universitäten und Fabriken vom
Regime getötet. Doch die Teilnahme des Volkes wurde von Tag zu Tag stärker. In den
letzten Monaten (der Schah-Zeit) verstärkte sich die Brutalität des Regimes, das
sich schließlich doch dem Volk, das keine Furcht mehr vor dem Tod hatte, beugen mußte:
der Schah mußte gehen und nach und nach auch seine Anhänger.
Der Führer der Revolution gab mit jedem Wort den Einzelnen Geist und
Bewußtsein. Dabei stützte er sich nur auf Gott, in dessen Hand alle Macht liegt. Im
Vertrauen auf den allmächtigen Willen und den unbeugsamen Widerstand des Volkes
errichtete er eine revolutionäre Regierung....
Auch die letzte Bastion des Schah-Regimes mußte schließlich fallen.
Die Soldaten flohen und schlossen sich reihenweise dem Volk an. Bis zuletzt hatten sich
einige militärische Stützpunkte verteidigt, doch das Volk setzte auch ihnen ein Ende.
Das erstaunliche Phänomen an dieser Revolution war der Sieg des Volkes, das sich erst
nach der Niederlage des Militärs bewaffnete. Doch schon am darauffolgenden Tag war das
Schah-Regime gestürzt. Die Waffen dienten nur dazu, den Sprößling der Revolution zu
schützen. Es waren Jung und Alt, Männer und Frauen, die dem Regime der Pahlewis, das
machtvoll und stark bewaffnet erschien und von den Großmächten massiv gestützt wurde,
ein Ende bereiteten und die Islamische Republik ins Leben riefen. Ihre einzige Waffe war
ihr Glaube, ihr starker Wille und ihr Blut, das schließlich über das Schwert siegte!
Die Politik des Sieges von Blut über das Schwert ist der einzige Weg,
der den Unterdrückten in ihrem Befreiungskampf bleibt. Das hat der Führer unserer
Revolution schon vor ihrem Sieg verkündet, und das erfüllte sich beim Sturz des bis auf
die Zähne bewaffneten Schah-Regimes, das völlig von den USA und dem Westen abhängig
war. Diese Erfahrung müßte die Unterdrückten in anderen Ländern wachrütteln und
ebenso die unterdrückerischen Mächte aufhorchen lassen.
Unsere Revolution hat sich ganz auf die Religion gestützt. Es gibt
viele Revolutionen, die ihren Widerstand aus dem Glauben beziehen, der aber bei ihnen eine
mehr oder minder wichtige Rolle gespielt hat. Aber bei unserer Revolution wurde und wird
alles - die Ziele, Prinzipien, Methoden des Widerstandes, die Gestaltung der neuen Ordnung
und die Verwaltungsform - vom Islam bestimmt. Diese Tatsache schenkte der Revolution eine
Dimension, die die kolonialen und reaktionären Mächte bereits in den letzten
einhundertfünfzig Jahren zur aktiven Gegenwehr veranlaßt hatte.
Die Weltreligion des Islam ist heute mehrheitlich in über fünfzig
Ländern mit ca. einer Milliarde Anhängern vertreten. Der Sieg der Revolution in Iran,
die ihren Geist dem Islam entnimmt, ist ein Sieg für alle Muslime. Hunderte von Millionen
Muslime in der ganzen Welt empfinden so. Dieses Gefühl der Solidarität bewirkt beim
Volk, bei seinem Führer und den Verantwortlichen der Revolution Furchtlosigkeit und
Standhaftigkeit, denn der Weg Gottes kennt keine Niederlage.
Eine weitere Besonderheit der islamischen Revolution liegt darin, daß
sie sich weder an den Osten noch an den Westen anlehnt. An dieser Haltung hat sich bis
heute nichts geändert. Sie entspringt dem Glauben, daß sich der Mensch und die
Gesellschaft in jeder Situation nur auf eine Kraft - nämlich Gott - stützt.
Demgegenüber gehört es zur allgemeinen Überzeugung, daß man ohne Anlehnung an eine der
Supermächte auf der heutigen politischen Weltbühne nicht überleben kann. Auch wenn
über das Maß dieser Anlehnung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, so ist man
sich doch prinzipiell darüber einig. Selbst diejenigen, die theoretisch eine
Blockfreiheit befürworten, gehen davon aus, daß sie in der Praxis ohne eine Anlehnung an
eine Großmacht nicht auskommen können. Unsere Revolution hat in dieser Hinsicht eine
neue Philosophie hervorgebracht, an die sie sich bis heute gehalten hat. Sie hat unter
Beweis gestellt, daß man sich den Großmächten nicht ausliefern und sich deren
Bevormundung nicht gefallen lassen braucht, vorausgesetzt man stützt sich auf eine
größere Kraft, die alle materiellen Mächte übersteigt: Gott!
Natürlich wußten wir, daß wir dafür einen großen Preis zahlen
müssen und hatten uns von Anfang an darauf eingestellt. Wir würden uns wünschen, daß
diese Erfahrung eine Leitlinie für alle Völker werden könnte, die eine wirkliche
Unabhängigkeit von den Großmächten anstreben, deren Machtstreben die Welt in Zukunft
noch stärker bedrohen wird.
Eine weitere Besonderheit unserer Revolution liegt im Maß der
Feindseligkeit, dem sie ausgesetzt war und ist. Zwar ist dies für jede Revolution
typisch, doch die Intensität und das Ausmaß der Feindschaft gegen unsere Revolution in
den vergangenen neun Jahren stellt vieles in den Schatten. Die Feindschaft begann bereits
lange bevor die Revolution überhaupt zum Durchbruch gelangt war....
Der Berater des damaligen US-Präsidenten, General Hoyser war in den
ersten Tagen nach Persien gereist, um den Schah zu entschlossenerem Handeln aufzurufen.
Für die US-Regierung galt es, das Schah-Regime am Leben zu halten, auch wenn das auf
Kosten zehntausender Menschen gegangen wäre. Das hielt man für besser, als später
vielleicht das Vielfache an Menschen töten zu müssen. Die amerikanische Regierung
behielt sich also das Recht der Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran vor
und kalkulierte dabei den Tod zehtausender Menschenleben oder sogar ein Mehrfaches davon
ein. General Hoysers Auftrag schlug fehl. Seine Flucht und die Flucht all derjenigen, die
in die Verschwörung gegen die Islamische Republik verstrickt waren, beweist die
Schlagkraft der islamischen Revolution und die Kraft des Volkes, das sich für Gott
erhoben hat, und das vor niemanden außer Gott Furcht hegt. So waren es nicht die Gegner
der Revolution, die letztendlich aufgaben, nein, es war die Revolution, die ihre Gegner in
die Flucht schlug.
Nach dem Sieg der Islamischen Revolution nahmen dann die
Verschwörungen andere Formen an. Zunächst schleusten die Gegner der Revolution ihre
Leute in den Verwaltungsapparat ein und riefen eine ganze Menge von oppositionellen
Parteien und Gruppierungen in einer freien politischen Atmosphäre nach jahrzehntelanger
Diktatur und Unterdrückung ins Leben. Als Beispiel für die erste Form sei ein
mittlerweile verurteilter Agent des früheren Regimes genannt, der sich selbst mit allen
Haken und Ösen in den ersten Tagen der Revolution zum Oberbefehlshaber der
Luftstreitkräfte ernannt hatte. Zum anderen gab es in den ersten Monaten nach dem Sieg
der Revolution in Iran ca. 400 politische Parteien und Gruppierungen, die sich über das
ganze Spektrum von Monarchisten bis zu Kommunisten, von Separatisten bis zu Pan-Iranisten
erstreckten. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, daß bestimmte ausländische
Vertretungen in Teheran, insbesondere die Botschaft der USA, einige dieser Gruppen
organisierte und sie ideologisch und finanziell unterstützte.
Darüberhinaus wurde unsere Revolution mit einem gnadenlosen Terror
konfrontiert. Terroristische Vereinigungen, die keine Basis in der Bevölkerung haben,
aber von ausländischen Regierungen gestützt worden sind, errichteten ein Netz des
Terrors im gesamten Land. Sie besorgten sich Waffen, Munition und Sprengstoff, was damals
in den chaotischen Tagen der Revolution keine große Schwierigkeit war.
Die Ermordung von Personen und Gruppen, verheerende Bombenexplosionen,
Menschenraub, Flugzeugentführungen, ungeheuerliche Folterungen, blindwütige
Schießereien, vorsätzliche Tötung usw. gehörten zu den Aktivitäten jener
terroristischen Gruppen, die von den Gegnern der Revolution unterstützt und ermutigt
worden waren. Die Opfer dieser furchtbaren Verbrechen gehörten allen gesellschaftlichen
Schichten an: Führende Persönlichkeiten und Verantwortliche der Revolution, aber auch
einfache Menschen aus dem Volk wie Arbeiter und Handwerker, Frauen und Männer und sogar
unschuldige Kinder und Passanten gehörten zu den Opfern. Heute wird den Führern dieser
Terrorgruppen, die selbst mehrfach die Verantwortung für ihre verbrecherischen Taten
übernommen haben, in den USA, Frankreich und anderen westlichen Ländern Schutz und
komfortables Leben gewährt, und sie gehen unter der beschönigenden Bezeichnung
'Opposition' ihrer Wege. Zur selben Zeit beschuldigen die Länder, die diesen Terroristen
Zufluch gewähren, die Islamische Republik Iran des 'Terrors'. Es ist ein schier
unfaßbarer Widerspruch, daß die unschuldigen Opfer eines blindwütigen Terrors von
denjenigen als 'Terroristen' bezeichnet werden, die mithalfen, dieselben terroristischen
Vereinigungen zu organisieren und sich noch immer um diese sorgen.
Als Präsident und Diener meines Landes, und als Opfer eines
verbrecherischen Terroranschlags, der durch den Willen des Allmächtigen vereitelt wurde,
kann ich nicht ohne Stolz sagen, daß keiner dieser unmenschlichen Akte und keines dieser
blutigen Verbrechen den Willen unseres Volkes brechen konnte, obwohl der Terror
unvorhergesehene Ausmaße angenommen hatte. In einem einzigen Fall wurden 72 führende
Mitglieder und Verantwortliche der Revolution, darunter Minister, Parlamentarier und
einige unersetzbare Persönlichkeiten unserer Revolution wie der Märtyrer Ayatollah
Beheschti bei einem Bombenanschlag getötet, bei einem anderen Anschlag kamen der Staats-
und Ministerpräsident zusammen ums Leben. Doch all diese verbrecherischen Akte dienten
nur dazu, den Glauben des Volkes und das Vertrauen in Gott und in den revolutionären Weg
zu stärken.
Zu den gewöhnlichen Erfahrungen aller Revolutionen mit den
Großmächten gehören Militärputsche. Auch gegen unsere Revolution wurden mehrere
Putsche verübt, wobei einer ein sehr gefährliches Stadium erreichte. Wenn wir nicht auf
die Unterstützung unseres Volkes und auf die Wachsamkeit unserer Verantwortlichen hätten
rechnen können, wären die Voraussagen des amerikanischen Generals - ein Blutbad von
gewaltigem Ausmaß und die Ermordung von Millionen von Menschen - sicherlich eingetreten.
Doch die schlimmste und schmerzlichste Tat der Feindseligkeit
gegenüber unserer Revolution bestand darin, ihr einen Krieg aufzuzwingen. Die ehrgeizigen
Gefühle eines Nachbarn wurden geschürt, und er wurde zur militärischen Aggression
überredet, wobei ihm jede Form der Hilfe und Unterstützung zugesichert wurde.
......
Die Art von Frieden, die sich das irakische Regime heute wünscht,
würde sich nach wenigen Jahren oder immer dann, wenn es sich in der Position der Stärke
hält, in nur einem Augenblick verflüchtigen. Ein erneuter Krieg würde dann die Region
erschüttern. Deshalb bleibt als einzige Garantie für eine Zukunft in Frieden die
Bestrafung des Aggressors.
Frieden ist zweifellos ein wohlklingendes und faszinierendes Wort.
Frieden ist in der Tat ein so wahrhaftes Wort, daß es sogar von den schlimmsten
internationalen Kriegstreibern und Waffenproduzenten verwendet wird, die damit flirten und
ihr heuchlerisches Spiel treiben. Aber nach unserer Ansicht ist Gerechtigkeit ein noch
bedeutenderes und schöneres Wort, das die Mächtigen und Unterdrücker mit Angst und
Sorge erfüllt.
Die Zahl all jener, die ihren Wohlstand, ihren Frieden und ihr Leben
aufgegeben haben, um die Gerechtigkeit sicherzustellen, ist nicht gering. Diese Menschen
werden als große Helden angesehen. Europäische Städte betrachten nicht mit geringem
Stolz ihren Widerstand gegen die Aggression Hitlers: Leningrad ist noch immer stolz auf
die Selbstaufopferung, die die Armee Napoleons in Staunen und Verzweiflung versetzte und
die einen vierjährigen Widerstand gegen die nationalsozialistischen Belagerer
hervorbrachte.
Die Vereinten Nationen haben insbesondere die Verpflichtung, gemäß
dem ersten Artikel ihrer Charta, die Gerechtigkeit zu bewahren, indem alle Maßnahmen
gegen Akte der Aggression ergriffen werden sollen. Das ist alles, was wir von der Welt und
den Vereinten Nationen erwarten.
ie Großmächte haben diesen Krieg, der uns aufgezwungen worden ist,
einen 'sinnlosen Krieg' genannt, während sie zum gleichen Zeitpunkt den Initiator und
Aggressor dieses Krieges laufend politisch, militärisch und wirtschaftlich unterstützt
haben. Zweifellos ist es immer sinnlos solche Kriege vom Zaume zu brechen. Aber solange
noch der Aggressor auf Erfolg seines niederträchtigen Planes hoffen konnte, haben sie den
Krieg niemals sinnlos genannt.
......
Die Frage, auf die keine überzeugende Antwort zu finden sein mag,
lautet: Warum hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als ein Organ, das an erster
Stelle dazu geschaffen wurde, die internationale Sicherheit aufrechtzuerhalten und jeder
Aggression zu begegnen, seine Verpflichtungen in diesem Fall in eklatanter Weise
vernachlässigt und ihnen gar zuwider gehandelt? Ich glaube, daß mittlerweile jeder
weiß, daß der Sicherheitsrat überhaupt nicht reagierte, als der Irak auf einer mehrere
tausend Kilometer langen Frontlinie in den Iran einmarschierte ..., die irakische Armee
binnen einer Woche internationale Grenzen überrannte und zwischen 70 und 90 Kilometer ins
Landesinnere vorstieß. Nicht wenige irakische Offizielle verkündeten damals, daß ihre
Armee beabsichtige für immer dort zu bleiben. Erst als die Invasion beendet war,
veröffentlichte der Sicherheitsrat seine erste Resolution am 28. September 1980. Doch in
dieser Resolution war kein Wort über die Aggression oder die Besetzung des Landes noch
eine Aufforderung enthalten, zu den internationalen Grenzen zurückzukehren. Im Gegenteil,
sie rief - erstaunlich genug! - beide Parteien dazu auf, keine weitere Gewalt anzuwenden.
Dies bedeutete in Wahrheit eine stillschweigende Duldung der Besetzung iranischen Gebiets
und eine Forderung an die irakische Armee, nicht weiter fortzuschreiten. Was den Iran
anbelangt, so forderte die Resolution von unserem Volk, aufzuhören, sich gegen den
Aggressor zur Wehr zu setzen. Das war die allererste Maßnahme des Sicherheitsrates, in
der alle seine grundsätzlichen Verpflichtungen zur Wahrung internationalen Friedens und
der Sicherheit durch ihn selbst auf eine unschöne und tragische Weise gebrochen wurden.
Danach machte sich im Sicherheitsrat für lange Zeit tödliches
Schweigen breit. Bis dann Khorramshahr (Iran) durch eine militärische Blitzaktion
befreit wurde, die die Versorgungslinie der Besatzungsarmee durchbrach und in deren
Verlauf tausende irakische Soldaten und Offiziere gefangen genommen wurden. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte der Sicherheitsrat den blutigen, immer noch tobenden Krieg, der den
weltweiten Medien immer neue Schlagzeilen lieferte, ganz und gar vergessen. Ganz
plötzlich nun erinnerte sich der Sicherheitsrat wieder an den Krieg zwischen Iran und
Irak: Nur wenige Wochen nach der Befreiung des durch die Iraker besetzten Khorramshahr
verabschiedete er am 12. Juli 1982 seine zweite Resolution. Darin wurde zu einer Rückkehr
zu den internationalen Grenzen aufgerufen. Das aber war schon längst eingetreten, weil
unser tapferes und opferbereites Volk bis zu diesem Zeitpunkt große Teile der besetzten
Gebiete befreit hatte. Diese Resolution war für viele Kommissionen zweifelhaft: Sie
beinhaltete keinen Hinweis auf die Aggression, kein Wort über den Aggressor, nichts über
die Zerstörung, Verwüstung und Wiedergutmachung, keine Garantie für Sicherheit und
Stabilität und auch kein Wort darüber, den Urheber des Unfriedens zu bestrafen. Über
alle diese vitalen Punkte schwieg sich diese Resolution aus. Wir fanden uns ganz auf uns
alleine gestellt, unsere legitimen Rechte einzufordern. Dabei muß ich leider einräumen,
daß sich diese Stellungnahme des Sicherheitsrates zum Krieg, der unserem Volk
aufgezwungen wurde, bis zum heutigen Tag nicht geändert hat.
Natürlich gab es vom Sicherheitsrat unabhängige Initiativen, die den
Vereinten Nationen unter die Arme greifen wollten, ihre Ziele zu verwirklichen. Diesen
Initiativen aber wurde kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Dennoch möchte ich all denjenigen,
die sich in dieser Richtung angestrengt haben, meinen Dank aussprechen. An dieser Stelle
möchte ich den verstorbenen schwedischen Premierminister Olaf Palme würdigen, der sich
als Sonderbeauftragter für diese Sache sehr einsetzte (er wurde ermordet).
......
Das Mindeste, was die Islamische Republik als das Opfer einer
zerstörerischen, blutigen Aggression vom Sicherheitsrat erwarten könnte, ist
Unparteilichkeit. Alle wissen, daß es die Pflicht des Rates ist, Schritte gegen die
Aggression einzuleiten, dem Opfer der Aggression zu helfen und unparteiisch zu bleiben
gegenüber Angreifer und Angegriffenen. Kann aber der Sicherheitsrat von sich behaupten,
sich in diesem Fall neutral verhalten zu haben? Nach unserer Empfindung hat sich der
Sicherheitsrat auf Wunsch einiger Großmächte - insbesondere der USA - in diese
unwürdige Position manövrieren lassen. Es wäre nicht falsch zu behaupten, daß die
Fundamente der Sicherheit, die von solch einem Sicherheitsrat gestützt werden, nichts
anderes darstellen als ein schön aussehendes Kartenhaus. Die Nationen dieser Welt,
besonders die Völker der sogenannten Dritten Welt, die von den Supermächten unabhängig
bleiben wollen - sollten niemals ihre Sicherheit auf solch einen Sicherheitsrat stützen.
Die Tatsache, daß Irak nicht als Aggressor verurteilt worden ist, hat nicht nur dazu
beigetragen, daß der uns aufgezwungene Krieg weiter anhielt, sondern hat dessen Flammen
noch geschürt. Mit der Präsenz der USA in der Region und der Präsenz anderer Länder,
die dem Druck der USA gefolgt sind, hat sich der Persische Golf in ein gefährliches
Pulverfaß verwandelt.
......
Ich muß hier der Welt und ganz besonders dem großen Volk der
Vereinigten Staaten mitteilen, daß die bedrohende, militärische Präsenz der Vereinigten
Staaten im Persischen Golf ein weiterer klarer Beweis der Feindseligkeit des
amerikanischen Regimes gegenüber dem iranischen Volk darstellt. Ein großes Kapitel
unserer Geschichte - und zwar ein sehr bitteres, blutiges und übles - ist gekennzeichnet
von amerikanischen Feindseligkeiten gegen unsere Nation: 25 Jahre Unterstützung des
Diktators Pahlevi, Komplizenschaft mit dem Schah bei allen seinen Verbrechen gegen unser
Volk, Beteiligung am Raub und an der Plünderung der Schätze unseres Volkes, gewaltsame
Konfrontation mit unserer Revolution in den letzten Monaten des Schah-Regimes, Überredung
des Diktators, die Demonstrationen von Millionen unserer Leute zu unterdrücken, Einsatz
aller Mittel und Wege, den Lauf der Revolution in den ersten Jahren nach dem Durchbruch
aufzuhalten, ständige provokative Kontakte zwischen der US-Botschaft in Teheran und
Konterrevolutionären Elementen, kontinuierliche Unterstützung von Terroristen und
Konterrevolutionären außerhalb Irans, Einfrieren von Guthaben und Vermögenswerten des
Volkes, Verweigerung der Auslieferung von bereits bezahlten Waren, Nichtauszahlung von
Geldern, die der Schah der Staatskasse entzogen und unter seinem Namen auf amerikanischen
Banken deponiert hatte, Bemühungen um eine Wirtschaftsblockade gegen den Iran und
Formierung einer vereinigten westlichen Front gegen unser Volk, ungeheurliche und
effektive Unterstützung des Irak in seinem Krieg gegen uns und nun noch das protzige
unrechtmäßige Vorgehen durch die Entsendung einer amerikanischen Seestreitmacht in den
Persischen Golf und damit die ernsthafte Bedrohung des Friedens und der Ordnung in der
Region .(Der massive militärische Einsatz der USA auf Seiten des Irak sowie der
Airbus-Abschuß geschahen erst nach dieser Rede). Das sind Bestandteile unserer Anklage
gegen die Administration der Vereinigten Staaten, eine Anklage, die alle amerikanischen
Behauptungen der Friedensliebe und die Behauptungen amerikanischer Führer in Frage
stellt, die ihre guten Absichten gegenüber der Islamischen Republik beteuern, die
offensichtlich aber eher für die Öffentlichkeit im eigenen Land gedacht sind.
Die (zur Zeit dieser Rede) letzte der zahlreichen amerikanischen
Feindseligkeiten gegen unsere Nation war das blutige Massaker an unschuldigen, wehrlosen
Pilgern in Mekka bei den heiligen Städten, wobei durch den Einsatz des saudischen Regimes
mehr als 400 iranische und nichtiranische Pilger, zumeist Frauen, den Märtyrertod fanden
und eine noch erheblich größere Anzahl geschlagen, verletzt oder verstümmelt wurde. Es
gibt bestimmte Anzeichen, daß die Vereinigten Staaten eine wesentliche Rolle bei dieser
in der Geschichte der Wallfahrt erstmaligen Ungeheuerlichkeit spielten. Können die
US-Regierung und ihre saudischen Partner irgendeine Erklärung für das Abschlachten so
vieler unschuldiger Frauen und Männer vorbringen? Ohne Zweifel werden die Missetäter
versuchen, ihre üblen Taten mit Ausflüchten und Anschuldigungen zu rechtfertigen. Aber
das Ereignis als solches mit einerseits mehr als 400 getöteten zumeist weiblichen Pilgern
und anderseits eine mit Maschinengewehren, Knüppeln und Giftgasen hochgerüstete
Polizeistreitmacht spricht eine deutliche Sprache.
Das Blut, das durch die Hände gnadenloser Tyrannen vergossen wurde,
wird aber seine deutliche Botschaft nicht nur für unsere Tage, sondern für alle
kommenden Tage mit sich tragen und schließlich das Unwesen der Mörder enthüllen. Das
Ereignis von Mekka bringt das aufeinander abgestimmte Verhalten der Vereinigten Staaten
und der reaktionären arabischen Regime zum Ausdruck. Es offenbart die geheimen
Operationen dieser beiden Seiten in der Region des Persischen Golfes, was dem Ereignis
eine internationale Dimension verleiht, die von allen internationalen Gremien genau
beobachtet werden sollte.
An dieser Stelle möchte ich betonen, daß sich unsere Anklage gegen
die Führer des US-Regimes und nicht gegen das amerikanische Volk selbst richtet. Wenn das
Volk der USA erfahren würde, was seine Regierung gegen andere Nationen unternimmt, würde
es uns sicher verstehen.
Unser Volk hat andererseits bewiesen, daß es fest an seine Ziele
glaubt und seine Mitglieder bereit sind, diese Ziele selbst unter dem Einsatz ihres Lebens
zu verteidigen. Solch eine Nation hat keine Furcht vor den Vereinigten Staaten oder irgend
einer anderen Macht. Mit Hilfe Gottes wird sie beweisen, daß der Sieg allein der Wahrheit
gehört sowie all denjenigen, die an dieser Wahrheit festhalten.
Herr Präsident, Herr Generalsekretär, verehrte Damen und Herren,
Das war ein geschichtlicher Überblick unserer Revolution, die unter
vielen Nationen große Hoffnung erweckte, welche unter der Unterdrückung durch die
imperialistischen Mächte litten. Gleichzeitig beschwor unsere Revolution gewaltsame
Feindseligkeit bei den Großmächten hervor, die danach streben, die ganze Welt zu
beherrschen. Doch dieser Sturm der Gegnerschaft konnte den jungen Sprößling dieser
Revolution nicht brechen, da seine Wurzeln bereits zu tief verankert waren. Das Bäumchen
wuchs schnell und konnte selbst heftigen Stürmen standhalten.
Heute ist die Revolution trotz aller feindlicher Anfechtungen seitens
der Großmächte noch immer am Leben und wird sicherlich auch am Leben bleiben. Dies ist
eine göttliche Gesetzmäßigkeit in der Geschichte, woran sich nichts ändern wird. Und
eben diese Erkenntnis ist unsere lebendigste und nachdrücklichste Botschaft.
Das weltweite Unterdrückungssystem hat kürzlich versucht, das
Gegenteil zu beweisen, um den Völkern der sogenannten dritten Welt glauben zu machen,
daß deren Schicksal vom Willen der Großmächte abhängig sei. Wir haben dies abgelehnt
und verworfen. Ohne Zweifel wollte das Weltherrschaftssystem nicht, daß die Islamische
Republik überlebte, aber unser Wille überlebte doch! Unsere Botschaft an alle Nationen
und Regierungen, die unabhängig bleiben und den Wünschen der Großmächte nicht
entsprechen wollen, besteht darin, sich ohne irgend eine Sorge auf das eigene Volk zu
verlassen. Die Botschaft unserer Revolution bleibt wie sie war: Die Ablehnung der
Herrschaftsdoktrin. .. Heute ist unsere Welt faktisch unter den großen, imperialistisch
ausgerichteten Mächten aufgeteilt. Sie glauben, daß sie die Herren und Besitzer dieser
Welt sind. Mit anderen Worten, die Welt ist aufgeteilt in Herrscher und Beherrschte, wobei
die Herrscher über das Schicksal der Beherrschten bestimmen. Das System der weltweiten
Herrschaft nährt sich an der Existenz ungleicher Beziehungen zwischen den beiden Teilen:
Das System der Weltherrschaft verwirft eigenmächtig Revolutionen und schafft Probleme
für revolutionäre Regierungen. Das revolutionäre Nicaragua und die Länder des
südlichen Afrika sind einige lebendige Beispiele dafür.
Das Weltherrschaftssystem entscheidet für Menschen gegen ihren Willen.
Das unschuldige palästinensische Volk ist ein klassisches Beispiel und Afghanistan ein
anderes. Das Weltherrschaftssystem hantiert mit menschlichen Ideen und Konzepten, ändert
und verdreht sie nach Belieben und versucht die verzerrten Inhalte in die Köpfe der
Menschen einzutrichtern: Terrorismus und Menschenrechte sind zwei solche manipulierten
Begriffe.
Das System der Weltherrschaft ist dreist genug, um offen und direkt in
Länder einzudringen, die seinen Zorn erregt haben. Die Invasion der USA in Libyen und
Grenada sind zwei Beispiele hierfür aus diesen Tagen. Das Weltherrschaftssystem trifft
Entscheidungen für die ganze Welt und für alle Nationen. Gestern war es Hiroshima und
heute ist der Präsident der Vereinigten Staaten (damals Ronald Reagan) stolz auf
das schreckliche Verhalten seiner Vorfahren. Ja, er hält sogar das Argument entgegen,
daß noch eine größere Anzahl von Menschen auf der ganzen Welt getötet worden wäre,
wenn sie jene Zehntausende nicht getötet hätten! Der US-Präsident hat für die
Menschheit wahrhaft eine sanfte Stelle in seinem Herzen: Ist er nicht der Patenonkel aller
Menschen?
Das System der Weltherrschaft unterstützt faschistische und
rassistische Regime wie die in Israel und Südafrika. Es setzt sie ein als blutrünstige,
hochgerüstete Stellvertreter, um die unterdrückten Völker niederzuhalten. Der
muslimische Libanon, der mit großer Geduld den verbrecherischen Übergriffen der
Zionisten standhält und die afrikanischen Frontstaaten sind dafür gute Beispiele.
Das Weltherrschaftssystem betrachtet es als sein Recht, auf
internationale Organisationen Druck auszuüben: Der UN-Sicherheitsrat und die UNESCO sind
lebendige Beispiele. Das System der Weltherrschaft ist davon überzeugt, daß seine
eigenen Interessen absolut sind und die Interessen anderer gar nicht existieren. Ein gutes
Beispiel dafür ist die gefährliche, friedensbedrohende Präsenz amerikanischer
Kriegsschiffe im Persischen Golf, die 'amerikanische Interessen' verteidigen sollen,
während die Interessen der Länder in der Region vollkommen vernachlässigt werden.
Das Weltherrschaftssystem hat darüberhinaus die weltweite
Propagandamaschinerie in den Händen. Es verdreht die Tatsachen und gibt dem eigenen
teuflischen Verhalten ein menschliches Antlitz. Auf diese Weise entzieht es sich der
Konfrontation mit der Meinung der Weltöffentlichkeit.
Wir sind der Meinung, daß die Nationen und Regierungen der sogenannten
dritten Welt wie auch die Völker der Länder, von denen die Weltherrschaft ausgeht, diese
ungute Ordnung der Dinge nicht hinnehmen sollten. Den Großmächten muß klargemacht
werden, daß sie nach Hause gehen und die Angelegenheiten der Welt ihren Völkern
überlassen sollen. Wir müssen ihnen sagen: Ihr seid nicht jedermanns Gesetzhüter!
In der Organisation der Vereinten Nationen gibt es zwei
ungerechtfertigte Unterscheidungen: Das Vetorecht und die ständige Mitgliedschaft im
Sicherheitsrat, die beide beseitigt werden müssen. Erst dadurch würden sich die
Vereinten Nationen in eine wirkliche Organisation der Völker verwandeln, in der alle
Probleme gelöst werden könnten. Andernfalls wird der Sicherheitsrat bleiben, was er
heute ist: Eine Papierfabrik zur Ausstellung wertloser und wirkungsloser Anordnungen. Und
die Menschen werden weiterhin glauben, daß es keinen Ort gibt, an dem internationale
Probleme gelöst werden können, und daß der einzige Ausweg darin besteht, Gewalt
anzuwenden.
Unter diesen Umständen lautet unsere Botschaft an die Regierungen der
sogenannten dritten Welt, solange das weltweite Herrschaftssystem währt, sich miteinander
zusammenzuschließen. Das ist der einzige Weg, stärker zu werden. Die Mächte, die unsere
Welt beherrschen, schenken nichts anderem Wert außer der Macht. Deshalb müssen wir in
der einzigen Sprache mit ihnen reden, die sie verstehen; in der Sprache der Stärke. Das
Erwachen der Völker und ihr Bewußtsein über das Wesen und die Funktion des
Weltherrschaftssystem ist die größte Stütze für die Regierungen der sogenannten
dritten Welt. Es ist die Quelle wahrer Stärke, um den herrschenden Mächten zu begegnen.
Die Führer dieser Regierungen werden niemanden haben, der ihnen hilft, außer dem Willen,
der Kraft und den Ideen ihres eigenen Volkes. Die Union, die wir den Ländern der
sogenannten dritten Welt vorschlagen, verstehen wir nicht als einen Pakt zur Bekämpfung
der Großmächte. Wir sehen darin vielmehr eine Möglichkeit der Selbstverteidigung und
Verhinderung der Beseitigung unserer legitimen Rechte.
Die Großmächte sind ebenso die großen Vertreter der Verbreitung und
Rechtfertigung von Verderben; moralisches, sexuelles und ideologisches Verderben. ... Die
politischen, wirtschaftlichen und geheimdienstlichen Motive der Großmächte sind die
eigentlichen Aufrechterhalter dieser moralischen Perversion. ... Es ist eine Tatsache,
daß in unserer heutigen Welt, auch einschließlich der Nationen der Großmächte,
moralische Werte verlorengegangen sind, das Fundament der Familie geschwächt worden ist,
Alkoholismus und Drogenabhängigkeit ausuferten und Spiritualität und Moral unattraktiv
geworden sind.
Wir müssen eine gezielte Kampagne gegen das Verderben in unseren
eigenen Ländern starten, die Grundlagen der Familie stärken und diese ursprüngliche
Schule des Menschen zu einer Stätte des Mitgefühls, der Aufrichtigkeit, der Liebe und
der Spiritualität machen, und dabei die Rechte und Werte der Frau schützen. Was den
letzten Punkt betrifft, so müssen wir alle Normen, die vom herrschenden System geschaffen
worden sind, überdenken, um die Frauen von ihrer Erniedrigung zu 'Sexobjekten' zu
befreien, die die westliche Kultur ihnen aufgezwungen hat. Frauen als Wissenschaftler,
Politiker, Direktoren und Manager, Ehepartner und Mütter müssen begrüßt, ihre
Ausbeutung als Objekte des Vergnügens, der Wollust und des Kommerzes aber abgelehnt
werden. Dies wird helfen, die Würde und Persönlichkeit der Hälfte der Menschheit wieder
herzustellen und die dauerhaften und heiligen Fundamente der Familie erneut zu errichten.
Es gibt also einige Botschaften unserer Revolution, nicht nur für
diejenigen, die sie gerne hören wollen, sondern auch für diejenigen, die sich dazu
entschließen können, der Wahrheit zuzuhören und Fairness und Gerechtigkeit willkommen
zu heißen.
Und der Friede sei mit Ihnen !
(Aus Al-Fadschr 31, Islamisches Zentrum Hamburg)
Anhang 2
Das Manuskript zu diesem Buch wurde fairerweise zuerst Herrn Reinhold
Neven Du Mont von Kiepenheuer & Witsch zugesandt mit dem Angebot es zu verlegen und
der Bitte zum Abschnitt Die deutsche Ausgabe Stellung zu nehmen. Der Verlag,
welcher die deutschen Rechte über Rushdies Buch erworben hatte, sollte als erster die
Gelegenheit bekommen, diese Arbeit zu publizieren. Herr Reinhold Neven Du Mont antwortete
persönlich: Ihr Manuskript habe ich zum Teil mit Interesse gelesen, muß Ihnen aber
mitteilen, daß Kiepenheuer & Witsch für Ihr Buch nicht der richtige Verlag ist. Mit
religiös-theoretischen Themen haben wir uns in unserem Programm noch nie beschäftigt.
Diese Argumentation ist sehr unverständlich. Zum einen wird in diesem Buch kaum auf
religions-theoretische Themen eingegangen, sondern fast ausschließlich aktuelle Politik
dokumentiert, und zum anderen sollte ja auch Rushdies Buch in dem Verlag erscheinen, der
bisher im weitesten Sinne religionsbeleidigende Schriften vermieden hat. Die erbetene
Stellungnahme fand auch nicht statt, so daß daraus geschlossen werden muß, daß der
Verlag nach wie vor unbeirrt an Rushdies Buch festhält.
Daraufhin wurde das Manuskript über 200 deutschsprachigen Verlagen
angeboten, welche nach der Dokumentation deutschsprachiger Verlage (Curt Vinz, 9.
Auflage) auch politische Themen in ihrem Programm publizieren, darunter viele
Taschenbuchverlage. Aus Kostengründen konnte das Manuskript nicht allen Verlagen
zugesandt werden. Deswegen wurde Ende August 1989 den Verlagen folgender Brief zugesandt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Ereignisse um die sogenannte Rushdie-Affaire haben mich veranlaßt,
eine Arbeit über dieses Thema aus meiner Sicht als Muslim zu verfassen, um die in
Deutschland ignorierten oder völlig verdrehten Argumente der Muslime richtig zu stellen.
Die Arbeit umfaßt ca. 120 Seiten DIN A4 und behandelt neben einer kurzen Analyse des
Buches und seines Autors insbesondere die Ereignisse in verschiedenen Ländern, welche im
Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Rushdie-Buches stehen. Dabei werden u.a.
Entwicklungen in der westlichen Welt, wie auch in der islamischen Welt, dargestellt.
Daneben wird der Konflikt aufeinanderprallender Wertvorstellungen untersucht. Die Arbeit
ist eine Art Gegendarstellung zu Rushdies Buch und eine Anklage gegen die verzerrenden
Nachrichten der weltweiten Medien, bietet aber gleichzeitig Lösungsansätze zur
Vermeidung ähnlicher Konflikte in Zukunft.
Die Veröffentlichung einer solchen Arbeit in Deutschland könnte
hilfreich sein, die bisher unbedacht einseitige Haltung der Verleger und Autoren gegen den
Islam und die Muslime abzulindern. Sollten Sie Interesse an der Veröffentlichung einer
derartigen Arbeit haben, kann ich Ihnen ein Manuskript zusenden.
In der Hoffnung auf eine baldige Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Bis Ende Oktober 1989 hatten 63 Verlage geantwortet. Neun Verlage
interessierten sich für das Manuskript (R.G.Fischer, Hoffmann und Campe, Bohlau, Adolf
Sponholtz, Styria, Inn-Verlag, Ullstein, Grabert, Volkstum Verlag), wobei die beiden
letztgenannten bereits vor Einsicht des Manuskriptes einer Veröffentlichung des Themas
zustimmten. Die restlichen 54 Antworten lassen sich in drei Gruppen gliedern: 1. Absagen
ohne Kommentar oder neutraler Begründung, 2. Absagen mit Bedauerung und 3. Absagen mit
ablehnender Haltung.
Die überwiegende Zahl der Absagen lassen sich der ersten Gruppe
zuordnen. Wenn es eine Begründung gab, so lautete diese meist inhaltlich gleich: Es
paßt nicht in unsere Programmstruktur, oder die Kapazitäten des Verlages sind auf
längere Sicht ausgelastet. Mit solchen oder ähnlichen Begründungen antworteten z.B.
Paul List Verlag, Leske & Budrich, Kohlhammer, Lamuv, Campus, Diogenes, dtv, Claudius,
Heyne, Kindler, Econ, Hestia und viele andere mehr. Der Lübbe Verlag sandte ein
Manuskript zurück, welches ein anderer Autor geschrieben hatte. Nachdem dieses Manuskript
wieder an Lübbe zurückgesandt war, erkannten sie die Verwechslung und sandten nun die
eigentliche Ablehnung und legten als Geschenk ein Buch von Lech Walesa bei.
Viele der bereits in der ersten Gruppe genannten Verlage bedauerten die
Tatsache, daß sie selbst nicht in der Lage seien, das Buch zu veröffentlichen, oder daß
sie angeblich nicht der richtige Verlag seien. Der Klett-Cotta Verlag wollte das Buch
nicht verlegen, weil er z.Z. ein Buch über die Gegensätze und Momente der Annäherung
der Weltreligionen herausbringt. Der Beck'ssche Verlag schrieb, daß im Zusammenhang
mit der sogenannten Rushdie-Affaire eine sachliche Diskussion in der Öffentlichkeit
vonnöten ist, schlug aber vor, diese Diskussion nicht in Buchform, sondern in Form
von Zeitschriftenartikeln durchzuführen. Der Spiegel Verlag dagegen war gegen eine
Veröffentlichung in seiner Zeitschrift, da das Nachrichten-Magazin für den Abdruck
unverlangter Beiträge nicht geeignet sei. Ein Abdruck in der Buchreihe Spiegel-Buch
wurde gar nicht in Betracht gezogen. Erfolg dagegen wurde dem Autor vom Liber
Verlag gewünscht, allerdings bei anderen Verlagen. Der wohl mit Abstand freundlichste
Ablehnungs-Brief kam vom Delphin Verlag: Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß hierzulande
eine ziemliche Unwissenheit bezüglich der islamischen Welt herrscht, und würde es
begrüßen, wenn es sachliche Veröffentlichungen zu dem Thema geben würde. Nur: sie
müssen im richtigen Verlag erscheinen .... Ich drücke Ihnen die Daumen, daß Sie bald
einen geeigneten Verlag finden. Zwei andere Verlage konnten das Buch zwar auch nicht
verlegen, boten stattdessen aber eigene Bücher zum Verkauf an (Verlag Herder und Claudius
Verlag).
Unter allen ablehnenden Antworten gab es eigentlich nur zwei Verlage,
welche ihre ablehnende Haltung nicht versteckten. Rowohlt begann die Ablehnung mit dem
Satz: Vielen Dank für Ihr Manuskript zum Thema "Khomeini-Affaire", wie ich
den Gegenstand Ihrer Arbeit lieber nennen würde, begründete aber die Ablehnung auch
mit langen Planungszeiträumen. Kein Wunder, daß Rowohlt so reagierte, da man ein neues
Buch über die Islamische Revolution und Imam Khomeini herausbrachte, welches keinen Wert
auf die Meinung der Muslime legt. Der kleine Pendragon Verlag sandte einfach den Brief
zurück mit dem kurzen Kommentar: Sorry, aber nicht bei uns! Mit freundlichen Grüßen,
legte aber ein kleines Gedichtsband als Geschenk bei. Ein ablehnender Verlag machte einen
wirklich konkreten konstruktiven Vorschlag. Er empfahl den Verlag R.G.Fischer. R.G.Fischer
hatte mittlerweile tatsächlich eine Veröffentlichung im Rahmen ihrer
Dissertationsmodelle angeboten und das Manuskript bearbeitet und mit Anregungen versehen
zurückgesandt. Ein weiterer Verlag, der selber nicht in Frage kam, empfahl die Verlage
Bertelsmann, Piper und Econ. Piper und Econ hatten allerdings schon abgesagt und von
Bertelsmann lag bis zuletzt noch keine Antwort vor.
Von den neun Verlagen, welche das Manuskript anforderten, lagen zur
Zeit der Vertragsentscheidung lediglich drei Antworten vor: Eine unbegründete Absage von
Ullstein und positive Antworten von R.G.Fischer und dem Inn-Verlag Innsbruck. Beide
Verlage boten aufgrund der einsatzfreudigen Einzelinitiative der jeweiligen Inhaberinen
eine freundliche Zusammenarbeit an. Der R.G.Fischer Verlag unterstützte zwar nicht den
Inhalt des Buches, wollte aber sein Verständnis von Meinungsfreiheit dadurch untermauern,
daß er auch eine weniger etablierte Meinung publizierte. Der Inn-Verlag stand auch
inhaltlich näher zu den Aussagen des Buches und war vor allem gegen das blasphemische
Buch von Rushdie. Aus diesem Grund wurde dieser Verlag bevorzugt. Die Antwort der
restlichen Verlage konnte nicht mehr abgewartet werden, da Rushdies Buch bereits auf den
deutschen Markt gekommen, und damit die Zeit für die Veröffentlichung dieses Buches reif
geworden ist.
Fazit: Von den anfänglich über 200 angeschriebenen Verlagen hatten
auch nach fast drei Monaten über zwei Drittel noch nicht geantwortet, darunter viele
große. Während für Rushdies Buch sich innerhalb kürzester Zeit über 90 Verlage
gefunden hatten, die sich dafür einsetzten, das Buch zu veröffentlichen, ohne es
geprüft zu haben, waren nur neun Verlage bereit, die Ansichten der Muslime zum Thema
überhaupt zu prüfen. Selbst von diesen neun Verlagen waren im Endeffekt nur zwei, also
ein Prozent aller 200 Verlage, rechtzeitig bereit, freie Meinungsäußerung auch für die
Muslime zu gewähren.
Das hier aufgezeigte Gesamtbild verdeutlicht eindrucksvoll, daß trotz
Bestehen einer Vielzahl von Verlagen, und damit einer Vielzahl von
Veröffentlichungsmöglichkeiten in Bezug auf den Islam kaum eine Meinungsvielfalt
besteht. Bücher aber, die von Gegnern des Islam über islamische Themen verfaßt werden,
finden sich in vielen der angeschriebenen Verlage. Und so ist es zu erklären, daß im
Hinblick auf den Islam, trotz sogenannter Meinungsfreiheit, meist Fehlinformationen und
Vorurteile geprägt werden.
Es bleibt nur zu hoffen, daß im Sinne der ehrlich verstandenen
Meinungsfreiheit mehr Verlage im Westen den Mut aufbringen, erstens auch Anhänger einer
tatsächlich konträren und der im Westen fast nicht vertretenen Meinung des Islam zu
Worte kommen zu lassen, und zweitens zwischen Meinungsfreiheit und Beleidigung einer
Weltreligion zu differenzieren.
Kurze Erläuterung einiger im Text vorkommender Fremdwörter und Begriffe:
ahl-ul bait: Leute des Hauses; auserwählte Personen der Familie des
Propheten. Zu Lebezeiten des Propheten bestand die ahl-ul bait aus dem Propheten
Muhammad, seiner Tochter Fatima, seinem Schwiegersohn und Cousin Ali, sowie deren Söhnen
Hasan und Hussain (der Friede sei mit ihnen allen). Prinzipiell sind mit ahl-ul bait
14 Personen gemeint: Außer dem Propheten Muhammad ( ) und seiner Tochter Fatima ( ) sind
es die 12 Imame ( ).
Ayatollah: Zeichen Gottes; Titel eines hohen islamischen Geistlichen bei der
Schia. .
Dschinn: Im Heiligen Qur'an erwähnte nichtmaterielle Wesen mit der
Fähigkeit, sich frei wie der Mensch für das Gute oder Böse zu entscheiden.
Fatwa: Religiöses Rechtsgutachten eines Mudschtahid.
Hadith: Im allgemeinen Überlieferungen des Propheten Muhammad ( ).
Halabja: Eine Stadt im Nordosten vom Irak, welche 1988 von den eigenen irakischen
Kampfflugzeugen mit Chemiewaffen bombardiert wurde, wobei über 5000 Menschen starben und
7000 verletzt wurden. Dieses geschah nachdem tags zuvor die einmarschierenden iranischen
Truppen von der irakischen Bevölkerung der Stadt als Befreier gefeiert wurden.
Hamza: Onkel des Propheten Muhammad ( ), welcher zu den ersten Anhängern des Islam
gehörte und bis zu seinem Martyrium an der Seite des Propheten stand und für den Islam
kämpfte.
Hijab: Vorhang, Schleier; Bezeichnung der islamischen Frauenbekleidung.
Hira: Name der Höhle, in welcher der Prophet Muhammad ( ) die erste Offenbarung
von Gott durch den Engel Gabriel ( ) empfing.
Hojjat-ul-Islam: Titel eines ausgebildeten islamischen Geistlichen bei der Schia.
.
Imam: Oberste Führungspersönlichkeit der islamischen Gemeinschaft; insbesondere
die von Gott auserwählten zwölf reinen Imame:
1. Amir-ul mu'minin (Fürst der Gläubigen) Imam Ali ibn Abi Talib
2. Imam Hasan al Mudschtaba (der Auserwählte)
3. Imam Hussain Seyyed-ul Schuhada (Herr der Märtyrer)
4. Imam Ali Zain-ul Abidin (Zier der Gläubigen)
5. Imam Muhammad al Baqir (der, welcher (den Kern der Wissenschaft) offenlegt)
6. Imam Dschafar al Sadiq (der Wahrhaftige)
7. Imam Musa al Kazim (der sich selbst Beherrschende)
8. Imam Ali al Riza (das Wohlgefallen)
9. Imam Muhammad at Taqi (der Fromme), al Dschawad (der Großmütige)
10. Imam Ali an Naqi (der Lautere), al Hadi (der Rechtleitende)
11. Imam Hasan al Askari (der (von den feindlichen Truppen) Umlagerte)
12. Imam Muhammad al Mahdi (der Rechtgeleitete), al Qa'im (der sich
Erhebende), al Huddscha (der Erweis)
(Der Friede sei mit Ihnen allen)
Intifada: Bezeichnung des islamischen Aufstandes in Palästina gegen das
zionistische Besatzungs-Regime.
IRNA: Iranische Nachrichten Agentur.
Jihad: Das Bemühen auf dem Weg Gottes; fälschlicherweise oft als "Heiliger
Krieg" übersetzt.
Kauthar: Die Überfülle (an Gutem); u. a. ein Name der Prophetentochter
Fatima, und Titel der 108. Sure im Qur'an.
Khatidscha: Erste Frau des Propheten Muhammad ( ) und Mutter Fatimas ( ). So lange
Khatidscha lebte, heiratete der Prophet keine andere Frau.
Mahdi: Name des 12. Imams, dessen Rückkehr von den Muslimen erwartet wird.
mahdur-ud-dam: Jemand, der durch seine außerordentlich verabscheuungswürdigen
Taten, das Recht auf Leben in dieser Welt verliert.
Mudschtahid: Ein Gelehrter, welcher befähigt ist, das islamische Recht auf die
allgemeinen Fragestellungen der Zeit anzuwenden.
Murtad: Apostat; jemand, der vom Glauben abfällt und diesen danach
bekämpft.
Quds: Heilige; islamischer Name der Stadt Jerusalem.
Qum: Islamisches Gelehrtenzentrum im Iran.
Qur'an: Lesung; Heilige Gottesoffenbarung. Die sonst übliche Schreibweise
"Koran" stimmt nicht mit der arabischen Aussprache überein.
Rabta: Eine Stadt in Libyen, in der angeblich mit deutscher Hilfe eine
Chemiewaffen-Fabrik errichtet wurde.
Rabi'ul-thani: Vierter Monat im islamischen Mondkalender.
Ruhullah: Geist Gottes; Name des Propheten Jesus ( ) im Heiligen Qur'an,
außerdem Vorname von Imam Khomeini.
Scharia: Islamische Gesetzgebung.
Schia: Partei; Geschichtlich betrachtet: Die Anhänger der zwölf Imame
von den ahl-ul-bait bei ihrem Kampf gegen die Unterdrückung der Muslime und gegen
die Bekämpfung der reinen Lehre des Islam durch die althergebrachten Feudalstrukturen.
Seyyed: Herr; direkter Nachkomme des Propheten Muhammad ( ).
Tauhid: Einheit Gottes; das Prinzip des uneingeschränkten Monotheismus im
Islam.
Umma: Muttergemeinschaft; Weltgemeinschaft der Muslime, unabhängig von
(sogenannter) Rasse, Sprache oder Nationalität.
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