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Gerechtigkeit Gottes

S. R. Hosseini Nassab 

 

Gerechtigkeit ist eine der schönen Eigenschaften Allahs, wie aus etlichen Qur'anversen hervorgeht:

"Wahrlich, Allah tut kein Unrecht; auch nicht vom Gewicht eines Stäubchens. Und ist da irgendeine gute Tat, so vervielfacht er sie und gibt von sich aus gewaltigen Lohn." (An-Nisa', Vers 40).
"Wahrlich, Allah fügt den Menschen kein Unrecht zu;..." (Yunus, Vers 44).
"Bezeugt hat Allah, dass kein Gott da ist außer ihm selbst; und die Engel und die Wissenden (bezeugen es); Er sorgt für die Gerechtigkeit. Es ist kein Gott außer ihm, dem Allmächtigen, dem Allweisen." (Al-3Imran, Vers 18).
Auch die menschliche Vernunft kann dies nur bestätigen, denn sie erkennt Gerechtigkeit als eine vollkommene Eigenschaft an, während jegliche Ungerechtigkeit ein Zeichen für Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit ist und somit nicht Gott, der frei ist von jeglichem Mangel, zugeschrieben werden könnte. Die Ursachen von Ungerechtigkeit können vielfältiger Natur sein.
Unwissenheit, d. h. der Betreffende ist sich der mit der Unwissenheit verbundenen
Schlechtigkeit und Bosheit nicht bewusst.
Jemand ist sich der Schlechtigkeit von jeglicher Ungerechtigkeit zwar bewusst, ist aber
selbst z. B. aus Schwäche unfähig, diese zu vermeiden, oder ab er verfällt aus einer
vermeintlichen Notsituation heraus in eine solche Verhaltensweise.
Unvernunft ist ein weiterer Grund für das Begehen von Ungerechtigkeit, d. h. der
betreffende Mensch ist weder unwissend, in einer Notsituation oder einer persönlichen
Schwäche erlegen, sondern er fürchtet ganz einfach nicht die Konsequenzen seines Tuns.
Scheich Saduq berichtet in einer Überlieferung vom Propheten (k ) folgendes:
Ein Jude befragte den Propheten über die Gerechtigkeit Gottes. Der Prophet antwortete: "Weil Allah die Niederträchtigkeiten des Unrechts kennt und auch nicht darauf angewiesen ist, fügt er auch nichts und niemandem Unrecht zu.
Im Hinblick auf die Gerechtigkeit Allahs herrscht unter allen Muslimen ein Konsens, wenngleich sie diese Eigenschaft im Detail unterschiedlich interpretieren, wobei sich zwei Interpretationen durchgesetzt haben.
Die erste These besagt, dass die Vernunft nicht in der Lage ist, gute oder böse Taten zu erkennen, denn dazu bedarf es einzig der Offenbarung. Die Vertreter dieser Meinung
bezeichnen Gott als gerecht, weil dies im Qur'an geschrieben steht und nicht aus eigener Erkenntnis heraus.
Einer zweiten Auffassung zufolge ist der Mensch dank seiner Vernunft in der Lage, zwischen Gut und Böse, Vollkommenheit und Unvollkommenheit usw. zu unterscheiden. Dieser Ansicht nach weisen gute Taten auf die Vollkommenheit desjenigen hin, der sie begeht, während schlechte und hässliche Taten als Zeichen für die Unvollkommenheit und Unzulänglichkeit des Handelnden bewertet werden.
Gott hingegen ist frei von allen Mängeln, er besitzt alle Attribute in Vollkommenheit, und folglich sind auch seine Werke vollkommen. Der Vernunft des Menschen steht es nicht zu, die Werke Gottes zu beurteilen, sondern ihre Aufgabe ist es, die göttlichen Werke und die Vollkommenheiten Gottes zu erkennen und zu erforschen, d. h. die Schönheit oder Schlechtigkeit von Taten wird durch die Vernunft bestimmt.
Jeder vernünftige Mensch wird unabhängig von seiner soziokulturellen Umgebung die Kostbarkeit von Gerechtigkeit erkennen und jegliche Unterdrückung als grausam verurteilen, und ebenso wird er Treue und Verlässlichkeit der Untreue und Unzuverlässigkeit vorziehen. Wäre er aber mittels seines Verstandes nicht in der Lage, das Gute und Schlechte zu erkennen und zu unterscheiden, müsste er sich auf die Gesetze und Vorschriften der Religion berufen. Dies impliziert wiederum die Akzeptanz des Gesetzgebers und dessen Glaubwürdigkeit, und diese wiederum ist nur möglich, wenn Verstand und Vernunft diese Glaubhaftigkeit bejahen. Deshalb werden im Heiligen Qur'an auch in zahlreichen Versen die Bedeutung des Verstandes und die Fähigkeit der menschlichen Vernunft, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, hervorgehoben.
"Sollten wir etwa die Gottergebenen wie die Schuldigen behandeln. Was ist euch? Wie urteilt ihr?" (Al-Qalam, Verse 35 und 36).
"Kann der Lohn für Güte etwas anderes sein als Güte?" (Ar-Rahman, Vers 60).
Der Vers "er wird nicht befragt, nach dem, was er tut; sie aber werden befragt (nach dem, was sie tun)." (Al-Ambiya', Vers 23) betont die umfassende und stets gütige Weisheit und Gerechtigkeit Allahs, die eine falsche oder ungerechte Tat von vornherein unmöglich macht.
Vielmehr manifestiert sich die göttliche Gerechtigkeit in allen Dimensionen des menschlichen Lebens und der Schöpfung insgesamt. "...'Unser Herr ist der, der jedem Ding seine Schöpfungsart gab, alsdann es zu seiner Bestimmung führte." (Xa Ha, Vers 52). In diesem Sinne hat Allah jedem Geschöpf das gegeben, dessen es würdig war und dabei hat er in der Phase der Schöpfung und des Seins niemals die jeweiligen Begabungen außer Acht gelassen.
Im Hinblick auf die Gesetzgebung wird die Gerechtigkeit offenbar indem Gott den Menschen mittels Propheten und Offenbarung zu den seiner Würde entsprechenden höheren Stellungen leitet. Dabei impliziert die Gerechtigkeit Gottes natürlich, dass er
vom Menschen nicht verlangt, was dessen Kräfte und Möglichkeiten übersteigen würde: "Und wir fordern von keiner Seele etwas über das hinaus, was sie zu leisten vermag. Und wir haben ein Buch, das die Wahrheit spricht; und es soll ihnen kein unrecht geschehen." (Sure al-Mu'minun, Vers 62).
Allah gebietet dem Menschen, in seinem Handeln Gerechtigkeit Barmherzigkeit, Philanthropie und Solidarität umzusetzen, weil letztlich seiner eigenen Vervollkommnung dienlich ist und im Gegensatz dazu Unterdrückung, Lasterhaftigkeit etc. ihn der Verderbnis anheim fallen lassen: "Wahrlich, Allah gebietet, gerecht (zu handeln), uneigennützig Gutes zu tun und freigiebig gegenüber den Verwandten zu sein; und er verbietet, was schändlich und abscheulich und gewalttätig ist..." (Sure an-Nahl, Vers 90).
Diese Gerechtigkeit Gottes zeigt sich auch in der Belohnung bzw. Bestrafung, denn die Gläubigen und Ungläubigen werden niemals alle im gleichen Maße belohnt bzw. bestraft, sondern jeder einzelne wird die Belohnung bzw. Strafe erhalten, derer er sich in diesem Leben würdig erwiesen hat. Aus diesem Grund schickt Allah zunächst seine Gesandten mit allen Geboten, Verboten, Verpflichtungen usw. zu den Menschen, damit sie die Möglichkeit haben, auf der Grundlage ihrer Vernunft ihre jeweils eigenen Entscheidungen zu treffen, für die sie zur Rechenschaft gezogen werden. "... Und keine lasttragende Seele soll die Last einer anderen tragen. Und wir bestrafen nie, ohne zuvor einen Gesandten geschickt zu haben." (Sure al-Isra', Vers 15).
"Und wir werden Waagen der Gerechtigkeit für den Tag der Auferstehung aufstellen, so dass keine Seele in irgendeiner Weise Unrecht erleiden wird. Und wäre es das Gewicht eines Senfkorns, wir würden es hervorbringen. Und wir genügen als Rechner." (Sure al-Ambiya', Vers 47). Allah offenbart seine Anweisungen als seinen Gesandten, damit diese den Menschen diese Botschaft überbringen und sie zum Beschreiten des Weges der Rechtleitung aufrufen; er verspricht ihnen Belohnungen, ermahnt sie und warnt sie vor seiner Strafe, weil er damit das Ziel und den Zweck der Schöpfung, nämlich die Rechtleitung und Vervollkommnung des Menschen erreichen will.