Die Niederwerfung auf reine Erde

Riten und Gesetze im Islam Nr. 1

Ursprünglich herausgegeben von:

Islamische Gemeinschaft in Clausthal 1.6.1988,

Überarbeitet und nachgedruckt von Islamischer Weg e.V., Postfach 1321, 27733 Delmenhorst,

1420/1999 

Herausgeber und Vertrieb:

Islamischer Weg e.V.

Postfach 1321 - D-27733 Delmenhorst

Abkürzungen

a.s. Frieden sei mit ihm bzw. ihnen [caleyhis-sal~ m, caleyhumma sal~ m]
s.a.s. der Friede sei mit ihm und mit den Reinen seiner auserwählten Familie [ allall~ hu calayhi wa ~ lih§ wa sallam]

Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen

Vorwort

Wir leben in einer Zeit, in der überall auf der Erde die islamische Befreiungsbewegung erwacht ist. In dieser Zeit versuchen die Unterdrückerregime der moslemisch bevölkerten Länder, die schwindende Kontrolle über die Mosleme zurückzugewinnen: Sie versuchen die Mosleme gegeneinander aufzuhetzen. Nach dem Prinzip 'teile und herrsche', nutzen die Tyrannen die schlechte Bildung zahlreicher Menschen, um geringfügig unterschiedliche Riten innerhalb der islamischen Schulen zur Spaltung der Mosleme zu mißbrauchen. Ziel dieser teuflischen Methode ist es, die Mos16me in Streitereien um völlig nebensächliche Kleinigkeiten zu verwickeln, um von den Grundlagen des Islam, darunter der einheitliche Widerstand gegen Unterdrückermächte abzulenken.

In dieser Reihe soll versucht werden, Riten und Gesetze der Mosleme aufzugreifen und diese anhand des Heilgen Qur'an und Sunna zu beleuchten, um Vorurteile abzubauen und um durch die Weitergabe von Wissen die von Allah geforderte Einheit der Mosleme zu bewahren.

Im ersten Heft wird die Bedeutung des Muhr, einem Stück gepreßter Erde, behandelt, welches die Mosleme der schiitische Rechtsschule beim Gebet verwenden. Diese Broschüre entstand in Anlehnung an den türkischsprachigen Aufsatz 'Yeryüzü ve Huseyn'in topragi' (Die Erdoberfläche und Husseyn's Erde) von Abdülbakiy Gölpinarli (Hrsg.), erschienen im Buch 'Ca'feri Mezhebi' (Die Dschafaritische Rechtsschule) von Kaschif-ul-Ghita.

Möge Allah diesen bescheidenen Beitrag zur Wahrung der Einheit aller Mosleme annehmen und mögliche Fehler vergeben.

Niederwerfung auf reine Erde

 

Und wie viele Zeichen sind an den Himmeln und auf Erden, an denen sie vorübergehen, indem sie sich von ihnen abwenden.

(Heiliger Qur’an 12:105)

Wie aus dieser Ayat des Heiligen Qur’an klar hervorgeht, ist die Erdoberfläche, auf der wir leben und aus der vieles zustande kommt, eines von den größten Zeichen Gottes, welches aber bedauerlicherweise meist unbeachtet bleibt.

(Er ist), Der die Erde für euch geschaffen hat als eine Wiege und Straßen über sie hinlaufen läßt für euch und Regen herniedersendet vom Himmel; und damit bringen Wir vielfältige Arten von Pflanzen hervor.

(Heiliger Qur’an 20:53)

Auf der Erde wandert der Mensch hin und her. Er bearbeitet die Erde durch Säen und Umgraben. Er schickt sein Vieh auf die Weide zum Füttern und profitiert von dessen Fruchtbarkeit. Er ist ein Leben lang mit der Erde zusammen, trotzdem wird ihm das Vorhandensein der Erde kaum bewußt. Vor Gottes Zeichen bleiben viele Menschen unachtsam und wenden sich ab. Sie verschließen nicht nur die Augen vor der Leistungsfähigkeit der Erde und ihren reichhaltigen Möglichkeiten, sondern betrachten die Erde vielmehr als wertlose Materie. Die Erde streckt sich unter den Füßen des Menschen aus. Auf den ersten Blick besteht die Erde aus einem einzigen Grundbestandteil, aber wie unbeschreibbar viele Grundbestandteile und besondere Eigenschaften sind in der Erde vorhanden?

Die Nahrungsmittel und das Getreide wachsen aus der Erde. Auch die Bekleidung des Menschen stammt aus der Erde (z.B. Baumwolle). Die verschiedenen Düfte und Geschmäcker Jeder einzelnen Frucht verschiedener Sorten stammen, aus der Erde. Die Erde, die den Geschmack liefert, das Leben schenkt, den Pflanzen vielfältige Farben und unterschiedlich duftende Gestalten verleiht, bringt auch tödliche Gifte zustande. Im Heiligen Qur’an steht geschrieben:

Und der Erde sind dicht beieinander (verschiedene) Landstriche, Rebengärten, Kornfelder und Palmen zu mehreren und einzeln, aus der Wurzel mit den Wasser sind sie getränkt, dennoch lassen Wir die einen von ihnen die anderen übertreffen an Frucht. Hierin sind wahrlich Zeichen für ein verstehendes Volk.

(Heiliger Qur’an 13:4)

Obwohl die Erde und Wasser Jeweils eine eigene Gestalt haben, besitzen die Früchte und alle heranwachsenden Pflanzen unterschiedliche, jeder für sich besondere, Eigenschaften; keine ähnelt der anderen. Auch wächst nicht Jede Frucht und Pflanze zu Jeder Zeit. Im Winter Wachsendem kann im Sommer nicht begegnet werden. Es gehört zu den Eigenschaften der Erde, daß aus ihr Erze und Mineralien, z.B. Gold, Silber, Rubin und Türkis gefördert werden können. Man betrachte die Verschiedenheit Wurde nicht im Grunde alles auf der Erde Existierende aus ihr gefördert, besteht nicht alles aus Erde? Ja, die Erde ist die Mutter aller Lebewesen und Pflanzen. Die Erdoberfläche ist mit Wasser bedeckt und wird von der Sonne bestrahlt. Sie ist selbst das Leben und das Sterben. Aus ihr entstehen die Krankheiten, genau so wie die Medikamente zur Heilung. Selbst wenn die Zahl der Sterne zählbar wäre, ist der Nutzen der Erde nicht aufzählbar. Es ist unmöglich, die wahre Fruchtbarkeit der Erde zu erkennen und den Segen der Erde für den Menschen wirklich zu verstehen.

Im Heiligen Qur'an heißt es:

Haben Wir nicht die Erde zum Sammelplatz bestimmt für Lebende und Tote?'

(Heiliger Qur’an 77:25-26).

Dieser Ayat folgt die Aussage:

Und Wir setzten in sie hohe Berge und gaben euch süßes Wasser zu trinken,

und weiterhin:

 

 

 

 

So betrachte der Mensch doch seine Nahrung: Wie Wir Wasser in Fülle ausgießen, dann die Ende in Spalten zerteilen, Korn in ihr wachsen lassen und Reben und Gemüse und Ölbäume und die Palmen und dicht bepflanzte ummauerte Gärten, und Obst und Gras, Versorgung für euch und für euer Vieh.

(Heiliger Qur’an 80:24-32)

Läßt man die aus der Erde wachsenden Pflanzen, Bäume, Getreide, und Mineralien einmal beiseite; woraus besteht denn der Mensch, der Vernunft besitzt, der die Erde plündert und zerstört und meist vergeblich wieder zu reparieren versucht? Ist er nicht aus Erde erschaffen? Ist nicht seine Existenz und jedes Organ von ihm aus Erde, und wird er nicht wieder zu Erde werden?

Die Erde ist so heilig, daß der Prophet Mohammad (s.a.s.) unter allen Menschen Imam Ali (a.s), den er am meisten liebte, mit dem Beinamen Abu-Turab (Vater der Erde) benannt hat. Dieser Beiname gefiel Amir-al-Mu’minien Imam Ali (a.s) am meisten von allen seinen Beinamen und Titeln.

Auf diese Gegebenheit dichtete der Dichter Abdul-Bakiy-ul-Omer:

Allah hat Adam aus der Erde erschaffen

Er ist der Sohn der Erde.

Du (Ali) bist der Vater der Erde.

Die Erde inspirierte große Dichter. So dichtete Dschalalud-din Rumi in seiner Lobpreisung an Allah:

Da deinen Himmel nicht erreicht mein Hand
Sinke ich auf die Erde und küsse deinen Sand

Diese heilige Erde besitzt viele Zeichen, durch die ihre Existenz erkannt, geachtet, geehrt und gefeiert werden soll. Rasulullah (s.a.s.) sagte, für den Fall, wenn man kein Wasser findet: "Führt die rituelle Reinigung mit der Erde durch". Die Erde ist als reinigende Materie gesegnet. In einer anderen Überlieferung teilt der Prophet (s.a.s.) mit, daß die Erde Mutter der Menschen ist. All dieses sind für vernünftige Menschen nicht nur Hinweise, sondern deutliche Zeichen.

Allah befahl den Engeln, sich vor dem Keim der Erde, dem Repräsentanten der Erde, vor Adam (a.s.), niederzuwerfen, der selbst aus jener Erde erschaffen war, auf der eines Tages alle Menschen versammelt werden sollen. Die Engel haben sich, Gottes Befehl gehorchend, an der Gebetsnische Adams (a.s.) vor Allah niedergeworfen. Satan hat diese geistige Aufforderung nicht angenommen. Weil er aus Feuer erschaffen war, dachte er, er sei besser als das aus Erde erschaffene Geschöpf. Er weigerte sich, sich niederzuwerfen. Doch im Grunde galt die Niederwerfung nicht Adam (a.s.), sondern Adams Schöpfer.

Es gibt prinzipielle Gegensätze zwischen Feuer und Erde. Die Erde ist Sammler, das Feuer ist Zerstörer. Das Sammeln ist schwierig, Zerstören ist leicht. Die Erde ist verträglich und angenehm, das Feuer fügt Schmerzen ZU. Die Erde besitzt die Energie und Kraft, wachsen zu lassen, das Feuer hat die Kraft, zu vernichten. Die Erde läßt Jedes Lebewesen leben und ernährt es. Das Feuer tötet und beseitigt.

Nach den Regeln des Islam kann Jede Art von Schmutz durch Wasser gereinigt werden. Allah befiehlt im Heiligen Qur’an:

Findet ihr kein Wasser, so nehmt reine Erde und reibt euch damit Gesicht und Hände

(Heiliger Qur’an 5:6)

Damit kann die Erde das Fehlen von Wasser ersetzen. Die Erde gleicht dem Wasser, ist sauber und ein Gebetsplatz. Der Prophet (s.a.s.) sagte: "Die Erdoberfläche ist mir zur Moschee gemacht worden. Sie ist gereinigt.", d.h. wenn die Gebetszeit gekommen ist, wird das Gebet verrichtet, und wenn kein Wasser für die rituelle Waschung vorhanden ist, wird die rituelle Handlung mit reiner Erde vorgenommen, denn die Erde ist reinigend.

Der Schmutz wird von Mikroorganismen gefressen und abgebaut. Darum werden nach dem islamischen Recht Tote in die Erde begraben. Sogar auf dem Meer gestorbene Personen sollen möglichst an Land gebracht und in Erde begraben werden. Leichen zu verbrennen ist verboten, weil durch die bei der Verbrennung der Leiche entstehenden Dämpfe die Luft Verpestet wird. Dies ist wiederum gesundheitsschädlich.

Wir haben die Erde zu einen Platz für Lebende und Tote gemacht.

(Heiliger Qur’an 77:25-26)

Ausgehend davon wird in dieser Ayat die Erschaffung des Menschen aus der Erde und letztendlich ihre gemeinsame Rückkehr auf die Erde angekündigt. Eine Überlieferung des Propheten (s.a.s.) besagt: 'Die Erde bringt für euch Nutzen und Segen, mit Ihr vollzieht ihr rituelle Waschungen, auf ihr verrichtet ihr Niederwerfungen und das Gebet, nach dem Sterben kommt ihr d auf der Erde zusammen'. Dies ist eine Gottesgabe, aller Preis gehört Allah.

Für die Niederwerfung im Gebet ist die beste Stelle und der beste Ort die reine Erde! Im Heiligen Qur’an steht über den Menschen:

Aus ihr (der Erde) haben Wir euch erschaffen, und in sie werden Wir euch zurückkehren lassen, und aus ihr bringen Wir Euch abermals hervor. (Heiliger Qur’an 20:54)

Imam Ali (a.s.) erläuterte die Bedeutung der zwei Sadschda (Niederwerfung) in Jedem Raka' (Gebetsabschnitt) mit obigem Qur'an-Vers: Der Mensch legt zum ersten mal seine Stirn auf die Erde. Das entspricht der ersten Erschaffung des Menschen aus Erde. Dann richtet man sich von dieser ersten Niederwerfung auf zum Sitzen, das heißt, man tritt ins Leben ein. In der darauffolgenden zweiten Sadschda beruht die Stirn erneut die Erde und symbolisiert den Tod und wie man damit wieder zur Erde zurückkehrt. Dann richtet man sich von der zweiten Sadschda erneut auf und geht wieder aus der Erde hervor (Auferstehung am Tag des Gerichts), gemäß dem genannten Vers des Heiligen Qur'an.

Betrachten wir nun die Niederwerfung auf die Erde von Kerbela. Rasulullah (s.a.s.) sagte, daß er für seine Ummah zwei wertvolle Dinge hinterläßt, die ihm selbst Nachfolger und Stellvertreter sind: Eins ist der Qur’an, das vom Himmel auf die Erde herabgesandte Seil Gottes, das andere ist seine Ahl-ul-Bait. Wenn man sich an beiden festhält, wird man auch nach der Zeit des Propheten nicht irregeführt (z. B. Tirmizi). Er hat seine Ahl-ul-Bait mit dem Heiligen Qur’an aufs Engste verbunden. Der Erste und der Anfang der Ahl-ul-Bait ist der Prophet (s.a.s.) selbst und wurde als Gottes Gnade an die Welten gesandt. Er sagte: 'Hussain ist von mir, ich bin von Hussain'. Dieser Imam Hussain (a.s.) hatte nicht für eine Stellung, Rang oder ein Khalifat, sondern gegen den dem Islam offensichtlich in Widerspruch stehenden tyrannischen Fürsten Yazid gekämpft. Um gegen seine dem Qur’an widersprechende Haltung Widerstand zu leisten und auf diese Weise die Mosleme nach ihm das Falsche nicht mit dem Wahren verwechseln zu lassen, hatte er sich mit seiner Ahl-ul-Bait und einer Handvoll Freunden in Kerbela gegen eine riesige Armee gestellt und gekämpft. Er opferte seine Anhänger einschließlich seines milchsaugenden Kindes um des Rechts und der Gerechtigkeit willen. Er sah den Märtyrertod von seinen Vorfahren, Angehörigen, liebsten Anhängern, seiner leiblichen Brüder und der Söhne seines Bruders Imam Hassan (a.s). Obwohl er wußte, daß die wenigen Überlebenden in Gefangenschaft geraten würden und deren Hilferufe hörte, opferte er schließlich auch sein Leben auf Gottes Weg, um den Islam zu schützen. Damit etablierte er für alle Zeiten das Martyrium zur unschlagbaren Waffe der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker. Er erreichte die Ehre des Martyriums am Ort Kerbale. Mit seinem Blut trennte er das Wahre von dem Falschen. So ein zum Opfer für die islamischen Gemeinschaft gewordenes Vorbild, Liebling von Rasulullah (s.a.s.) und selbstverständlich auch der Ort seines Martyriums sind heilig. Der heilige Ort, an dem der Islam erschien, ist Mekka und der heilige Ort, an dem er sich entfaltete, ist Medina und ohne Zweifel ist der heilige Ort, an dem er bewahrt wurde, Kerbela. Über diesen heiligen Ort ist uns von den Imamen überliefert: 'Ich bezeuge, daß ihr rein seid und vollkommene Reinheit erreicht habt, der Ort. an dem ihr beerdigt wurdet, Ist rein' (Mafatih-ul-Dschanaan).

Die Gelehrten der dschafaritischen Rechtsschule sehen die Niederwerfung auf etwas anderes als auf reine Erde als unzulässig an. Darüberhinaus gilt die Niederwerfung auf die Erde von Kerbela übereinstimmend als wertvoll, jedoch als freiwillig. Die Niederwerfung auf Dinge, die in der Erde aufwachsen, aber nicht eßbar noch für Kleidung benutzbar sind (wie Z. B. die Strohmatte), ist zulässig, wenn keine Erde verfügbar ist.

Die auf den Boden gelegten Teppiche usw. sind Staub und Schmutz ausgesetzt. Eine einmal eingetretene Unreinheit bleibt bestehen, weil ein Teppich im Gegensatz zur Erde nicht als reinigend gilt, und nur mit enormen Aufwand reinigbar ist.

In einer Überlieferung heißt es: 'Die Zeit, an der Gottes Diener ihrem Herrn am nächsten stehen, ist der Augenblick bei der Niederwerfung auf Erde".

Das Niederwerfen auf die Erde von Kerbela gehört zur Sunna der Ahl-ul-Bait (Nachkommen) des Propheten (s.a.s.). Der Sohn Imam Hussains (a.s.), Imam Zain-ul-Abidin (a.s.) wickelte nach der Tragödie von Kerbela eine Hand voll Erde in ein Tuch und nahm sie mit. Zum Gebet breitete er sein Tuch mit der Erde von Kerbela vor sich aus und legte bei der Niederwerfung seine Stirn auf diese Erde. Dem Beispiel des Propheten (s.a.s.), der immer auf Erde betete, sowie dem der Imame folgend, legen die Schiiten ein gepreßtes Stück Erde (genannt Muhr) an die Stelle ihrer Niederwerfung beim Gebet.

Es sei aber betont, daß das Niederwerfen nicht mit der Absicht geschehen darf, die Kerbela-Erde oder überhaupt irgendeine Erde anzubeten. Dieses wäre ketzerisch! Die Niederwerfung gebührt allein Allah. Die Niederwerfung auf Erde oder auf Kerbela-Erde ist lediglich ein Mittel auf dem Gottesweg und dient dazu, die göttlichen Wohltaten zu erlangen. Die Niederwerfung auf Erde, um Gottes Gefallen zu erlangen, verbindet uns mit großen Gottesdienern, die sich selbst um der Gerechtigkeit willen opferten, sich nicht von dieser Welt irreführen ließen und die das Falsche nicht akzeptieren konnten. So eine Niederwerfung nach Gottes Befehl öffnet die Vorhänge vor unseren Augen sowie den Blick für die Wahrheit.

Die schiitischen Gelehrten mit ihren Interpretationen des Heiligen Qur’an und der Sunna haben sich früher zu diesem Thema geäußert und äußern sich auch heute noch, wie folgt: Niederwerfung gebührt Gott allein. Außer vor Ihm sich niederzuwerfen, ist ketzerisch. Aufgrund dessen sei es wiederholt: Niederwerfung auf Kerbela-Erde, auf jede Erde oder auf die Erde der Märtyrer ist nicht die Niederwerfung vor der Erde selbst, sondern: Das Legen der Stirn auf die Erde ist die Niederwerfung vor Allah gemäß der Sunna des Propheten (s.a.s.) und seiner Nachkommen. Sich auf die Erde niederzuwerfen, bedeutet nicht deren Anbetung. Auf die Erde die Stirn zu legen, ist Niederwerfung vor Gott. Wenn man das Gegenteil dessen denkt, So muß man auch annehmen, daß diejenigen, die sich nicht auf Erde niederwerfen, sondern auf Teppiche, sich vor Wolle niederwerfen. Solche Gedanken sind grundsätzlich nicht haltbar.

In den Überlieferungsbüchern der Ahl-us-Sunna ist angegeben, daß Rasulullah (s.a.s.) sich auf die Erde niederwarf, selbst wenn die Erde durch Regen feucht geworden war. Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Niederwerfung vor Allah durch das Legen der Stirn auf einen Gegenstand und der Niederwerfung vor den Gegenstand selbst. Genau die gleiche Betrachtungsweise gilt auch für zahlreiche andere Riten im Islam. So ist das Umrunden des Gotteshauses während der Pilgerfahrt und das Beten in Richtung dieses Hauses nicht die Anbetung dieses Hauses oder gar die Anbetung des Heiligen Steines an diesem Haus, sondern gilt einzig und allein Allah.

Nachdem im dritten Jahr nach der Hidschra im Kampf von Uhud der Onkel von Mohammad (s.a.s.) der geehrte Hamza, Märtyrer geworden war, sagte der Prophet (s.a.s.) den muslimischen Frauen, 'Wenn ihr um die Märtyrer weint, gedenkt auch Hamza'. Die Tochter des Propheten Fatima (a.s) hat aus der Erde Uhuds einen Tasbih (Rosenkranz) gemacht.

In der Überlieferungssammlung Bihar-ul-Anvar überlieferte Ibrahim-us-Sakafi von seinem Vater und der von Imam Dschafar-as-Sadiq (a.s.): 'Fatima (a.s.) machte Knoten wie die Anzahl der Takbir auf einen aus Wolle bestehenden Faden und führte damit Zikr (Gedenken an Allah mit Lobpreisung) durch. Nach dem Martyrium von Hamza machte Fatima aus der Erde von Uhud einen Tasbih (Rosenkranz) und machte damit Zikr. Als Imam Hussain (a.s.) Märtyrer geworden war, hat man diese Sitte befolgt und man machte aus der Erde Kerbelas Tasbih (Rosenkränze).

Der erste Moslem, der die Niederwerfung auf Imam Hussains (a.s.) Erde machte und daraus einen Tasbih (Rosenkranz) zum Zikr (Gedenken an Allah mit Lobpreisung) Allahs herstellte, war sein Sohn Imam Zain-ul-Abidin (a.s). Sogar als er in die Versammlung von Yazid in Damaskus hereinkam, hatte er diesen Tasbih (Rosenkranz) an der Hand. Yazid fragte:" Was hast du denn an der Hand?". Der Imam zitierte daraufhin: 'Rasulullah (s.a.s.) sagte, 'wer einen Tasbih (Rosenkranz) trägt und morgens den Tasbih-Dua liest, ob mit oder ohne Tasbih, erreicht den Segen einer guten Tat'.

Als Imam Zain-ul-Abidin (a.s) und die Überlebenden von Kerbela nach Medina zurückgekehrt waren, begannen sie sich auf diese heilige Erde, die sie mitgebracht hatten, niederzuwerfen, um Gottes Wohlgefallen zu erreichen. Der Imam überreichte eine ganz kleine Menge aus dieser Erde in Wasser gelöst den Kranken zum Trinken.

Imam Zain-ul-Abidin (a.s) vollführte die Niederwerfung auf die Erde von Imam Hussains Martyrium. Nach ihm hat sein Sohn Imam Mohammad-ul Baqir (a.s), der fünfte Imam, diesen Brauch weitergeführt. Er hat denjenigen, die ihm folgten, diese Sitte weitergegeben. Dessen Sohn Imam Dschafar-as-Sadiq (a.s), der sechste Imam, hat dieselbe Sitte verbreitet. Dieses alles geschah noch bevor es irgendeine andere Rechtsschule im Islam gab außer Schia.

Sheikh-ut-Taife Tusi hat von Misbah-ul-Mutedschid überliefert: "Dschafar-as-Sadiq (a.s) trug in einem Stoff die Erde von Kerbela mit sich. Beim Gebet legte er die Erde von Kerbela auf seinen Gebetsteppich und legte seine Stirn auf die Erde bei der Niederwerfung. Er sagte: 'Niederwerfung auf Hussains Erde wird sieben Vorhänge (Hindernisse zwischen Mensch und Gott) aufreißen und heben'. Das Gleichnis mit den sieben Vorhängen entspricht Gefühlen wie Haß, Neid, Gier, Zorn, Verständnislosigkeit, Betrug und Niederträchtigkeit, die die seelische Reinheit der Menschen und ihren inneren Frieden stören und sie von ihrer Menschlichkeit entfernen. Ein Mensch mit so einem beschmutzten Charakter würde von argwöhnischer Furcht befallen werden und alle beneiden. Er ist der Feind der Tugend, widersetzt sich dem Guten und der Gute und wird zum Egoisten. Zweifellos werden sich durch die aufrichtige Niederwerfung auf die Erde anstelle dieser sieben schlechten Eigenschaften mit der Zeit gute Charakterzüge durchsetzen, denn die Niederwerfung ist die höchste Stufe des Gebets. Eine Überlieferung sagt: 'Werft euch auf die Erde von Imam Hussain (a.s.) nieder mit der Absicht, Gottes Segen zu erlangen'. Die späteren Imame haben dieses eingehalten. Seitdem hat die Schia diese Sitte bewahrt, und man hat Kerbela-Erde oder andere Erde mit Wasser gemischt und Muhr genannte Plättchen hergestellt. Beim Gebet legt man daher seine Stirn bei der Niederwerfung vor Allah auf diesen Muhr.

Himeyri schrieb an den 12.Imam (Imam Mahdi) vor seiner großen Verborgenheit die Frage, ob die Niederwerfung auf die aus Kerbela-Erde hergestellten Muhr tugendhaft sei. Der Imam antwortete, daß die Niederwerfung auf Imam Hussains Erde zulässig und tugendhaft sei. Anschließend hatte er nach dem Tasbih (Rosenkranz) aus Erde gefragt und bekam die gleiche Antwort in diesem Sinne. Wiederum wurde überliefert:. Die Niederwerfung auf die Erde von Imam Hussain beleuchtet die sieben Stufen und was dazwischen ist; wer an der Hand den aus dieser Erde hergestellten Tasbih (Rosenkranz) hat und damit Zikr (Gedenken an Allah mit Lobpreisung) durchführt, bekommt eine gute Tat zugeschrieben.'

Hier müssen wir noch folgendes berücksichtigen: Man wußte bereits in der Prophetenzeit über das bevorstehend Martyrium von Imam Hussain (a.s.) und über die Heiligkeit seiner Erde, obwohl Imam Hussain (a.s.) noch ein Kind war. Viele zuverlässige Gelehrte der Ahl-as-Sunna berichten, von Umm-ul-Fazl-Bint-ul-Haris, von den Gattinnen Rasulullahs, Umm Salamah und Aischa, von Anas, Wahab, Zainab, Abu-Umame, Ibni Abbas über folgende Hadith. In den meisten Überlieferungen lautet es sinngemäß:

'Rasulullah (der Gesandte Gottes) hatte Hussain auf seinem Schoß. Rasulullah weinte und hatte an der Hand eine Handvoll Erde. Der Ravi (Überlieferer) fragte: (Oh Rasulullah, was ist denn diese Erde?). Er sagte: 'Gabriel (a.s.) hat sie mir, gebracht und teilte mir mit: 'Durch deine Ummah wird dein Sohn in Kerbela Schahid (Märtyrer)'. Dann hat der Prophet die Erde Umm Salama gegeben und sagte, wenn diese Erde sich (eines Tages) blutig färbt, ist Hussain Schahid geworden. Umm Salama sah am Tag vom Aschura, an dem Hussain das Martyrium erreichte, in der Nacht einen Traum, in dem sich die Erde rot färbte. Daraufhin wachte sie auf und sah die Erde, die sie in einer Flasche aufbewahrt hatte, in einer blutroten Farbe und wußte, daß Imam Hussain Märtyrer geworden war'.

Die Erde von Imam Hussain (a.s) und die Aufbewahrung dieser Erde in einer Flasche, die Heiligkeit dieser Erde, all das wußte man nach der Geburt von Imam Hussain (a.s) bereits in der Prophetenzeit. Der Prophet Mohammad (s.a.s.) teilte mit, daß Imam Hussain, (a.s) als Demütiger das Martyrium erreichen wird.

Die wahrhaftigen Gläubigen sind an den Spuren erkennbar, die ihre Niederwerfung auf Erde hinterlassen. So heißt es im Heiligen Qur’an:

Mohammad Ist der Gesandte Allahs. Und die mit ihm sind hart wieder die Ungläubigen, doch barmherzig gegeneinander. Du siehst sie sich beugen, sich niederwerfen in Gebet, Huld erstrebend von Allah und Wohlgefallen. Ihre Merkmale sind auf ihren Gesichtern - die Spuren der Niederwerfung.

(Heiliger Qur’an 48:29)

Zusammenfassend sei noch am Ende dieser Abhandlung erwähnt: Erde selbst ist rein und reinigend. Auf der Erdoberfläche ist sie eins von einer Reihe reinigender Dinge. Die Unreinheit unter den Füßen bzw. Schuhen, die nach der Waschung mit Wasser beseitigt werden kann, wird wenn man zu Fuß bzw. mit Schuhen auf Erde geht, unter den Füßen bzw. Schuhen rein.

In Ausnahmefällen, wenn man Z. B. kein Wasser findet, vollführt man die rituelle Reinigung mit Erde.

Unsere Toten werden in die Tiefe der Erde begraben und die Wange der Toten wird auf Erde gelegt.

Für die aus der Erde wachsende Nahrung wie z.B. Weizen, Gerste, Datteln und Weintrauben ist es Pflicht, Zakat zu zahlen.

Im Islam ist die Erde heilig. Die Erdoberfläche ist eine Gebetsstätte.

Bei der Schia ist es Pflicht, die Niederwerfung auf reine Erde oder auf die aus der Erde wachsenden, nicht eßbaren und für die Kleidung nicht verwendbaren Dinge durchzufahren. Auf den aus der Erde von Imam Hussain (a.s) hergestellten Muhr sich niederzuwerfen, ist durch den besonderen Wert dieser heiligen Erde und das Gedenken an seinen Ursprung eine wertvolle Tat. Jedoch gebührt diese Niederwerfung auf keinen Fall der Erde oder den in der Erde Begrabenen, sondern einzig und allein Allah, allein dem Allmächtigen.

In diesem Zusammenhang wird leider von einigen gesagt, daß Schiiten Steine oder Erde anbeten würden. Solche Gedanken entstehen durch Unwissenheit und sind nichts anders als Verdächtigungen und Verleumdungen.

Möge Allah den Moslimen helfen, Ihre Mißverständnisse untereinander auszuräumen, um die ihnen von Allah befohlene Einheit zu feiern.

Sind die wissenden Menschen

gleich jenen, die nicht wissen?

(Heiliger Qur’an 39:9)